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— Ueber das Wegfangen von Tauben ist schon vielfach ge klagt worden und von allgemeinem Interesse dürfte deshalb eine von den „Blättern für Geflügelzucht" erwähnte gerichtliche Entscheidung sein, wobei ein Taubenbesitzer, der die einem Andern gehörige Taube durch Naschfutter auf seinen Stichkasten gelockt und dann gefangen hatte, wegen Diebstahls zu 3 Tagen Gefängniß verurtheilt wurde. In dem zur Hauptverhandlung vor dem betr. Schöffengericht anbe raumten Termin gab der Angeklagte den Thatbestand zu und berief sich auf eine Anzahl Taubenliebhaber darüber, daß das Einfangen fremder Tauben auf eigenem Stichkasten erlaubt sei und solche einge fangene Tauben überall deck wirklichen Eigenthümer für 25 Pf. Fang geld zurückgegeben werden müssen. Sowohl der Staatsanwalt wie der Gerichtshof hielten diesen Entlastungsbeweis für ganz unerheblich, lehnten auch den Antrag auf Anhörung von Zeugen ab und verur- thrilten den Angeklagten zu der oben betonten Strafe. „Es wäre nur zu wünschen" — so bemerken die genannten Blätter am Schluffe ihres bezüglichen Berichts — „daß derartige Entscheidungen eine recht all gemeine Verbreitung fänden und jeder Fall zur Anzeige bei der Staats anwaltschaft käme, damit diese modernen Raubritter, die sich nicht scheuen, mitunter 3 bis 6 Mark Auslösegeld zu nehmen, ihre wohl verdiente Strafe erhielten." — Zur Ergänzung der Berichte über die Gewitterschäden am Abend des 30. Mai sei noch angeführt, daß von den sächsischen Staats forstrevieren der Umgebung das Georgengrüner am schlimmsten heim- gesucht ist; die niedergeworfenen Massen sollen über 20 000 Forstmeter betragen. — Für die am 24. und 25. d. M. zu Brand bei Freiberg statt findende Generalversammlung des Gesammtvereins Gabelsbergerscher Stenographenvereine ist ein abwechslungsreiches Programm aufgestellt worden. Der Versammlung wohnt bekanntlich auch der Ehrenpräsident der genannten Vereine, Herr Geheimer Rath Häpe bei, vor dessen Wohnung Sonntag, den 25., früh das Freiberger Bergmusikchor in Paradeuniform konzertiren wird. — Oschatz. Ueber die bereits erwähnten Diebe, welche dem Juwelier Ullrich für 8000 M. Uhren und Goldsachen gestohlen haben, berichtet die Berliner „Staatsbürgerzeitung": Die Kriminalpolizei hatte in Erfahrung gebracht, daß der in Berlin wohnende frühere Schankwirth Schmidt, der seit längerer Zeil in derangirteuVerhält nissen gelebt hatte, in den letzten Monaten vielfach Pfandscheine über Uhren, Gold- und Silbersachen, die er bei den k. Leihämtern eben erst versetzt hatte, in einem Schanklokale, das als eine Diebes- und Heh- lerbörfe bekannt ist, verkauft hatte. Dieser verdächtige Umstand ver anlaßte zu weiteren Recherchen, die mit Bestimmtheit ergaben, daß Schmidt auch am 19. Mai Pfandscheine über versetzte Goldsachen ver. kauft habe, und daß diefe Goldfachen aus dem Einbruchsdiebstahl in Oschatz herrühren. Da auch weitere Erkundigungen ergaben, daß in der Wohnung des Schmidt in der Bergstraße oft verdächtige Pers onen verkehren, so schritt der recherchirende Kriminalkommissar am 24. Mai zu einer Haussuchung bei Schmidt. Nachdem in die von innen ver schlossene Wohnung erst nach mehrfacher Aufforderung Einlaß gewährt worden, wurde dafelbst, in einem Bett versteckt, ein Bruder des Schmidt, der Cigarrenmacher Eduard Schmidt, gefunden, der wegen früherer Verbrechen bereits 15^z Jahre Zuchthaus absolvirt hat und der we nige Stunden zuvor von einer Exkursion nach außerhalb zurückgekebrt war. Der Cigarrenmacher Sch. wurde festgenommen; ferner wurde verschiedenes Diebeshandwerkszeug, Eisen sägen, Glasschneider re. vor gefunden und beschlagnahmt. Auch deuten mehrere Vorgefundene Kor respondenzen darauf hin, daß der Cigarrenmacher S. in Gemeinschaft mit in Luckau wohnenden Komplicen den Diebstahl in Oschatz ausge führt habe. Auf das an die Ortsbehörde in Luckau gerichtete Ersuchen wurde der Cigarrenmacher Zanke verhaftet. Bei diesem wurden Gold sachen, die aus dem Oschatzer Diebstahl und aus anderen Diebstählen herrührten gefunden. Der in dem Gefängniß zu Luckau gefangen ge haltene Zanke fand am nächsten Morgen Gelegenheit zu entspringen, indem er den Ofen feiner Zelle einriß und dann durch den Schorn stein entkam. — Das Stammvermögen der Stadt Leipzig beträgt jetzt unge fähr 13 700 000 Mark. — Bautzen. In der Nacht zum 6. Juni ist das Dorf Camina von einem schweren Brandunglück betroffen worden. Es sind 4 ganze Gehöfte mit zufammen 16 Wohn- und Wirthschaftsgebäuden vollständig niedergebrannt, auch sind die Vorräthe, das Inventar und die Mobi lien zum größten Theil vernichtet worden. Ausgekommen ist das Feuer in einem Schuppen des Gutsbesitzers Grollmuß. — Ein gräßliches Unglück hat sich am Dienstag Nachmittag 5 Uhr in der Zöblitzerstraße in Olbernhau ereignet. Ein im 7. Lebens jahre stehendes Mädchen des Bretmühlenbesitzers E., welches auf dem Heimweg ans der Schule sich befand, begegnete unweit dem Reichel'- schen Hotel dem schwer beladenen elterlichen Geschirr. Leider gerieth das Kind unter das rechte Vorderrad des Wagens und zwar so un glücklich, daß ihm sofort die linke Kopfseite vollständig zermalmt wurde. — Drebach, 7. Juni. Das Unwetter am 30. Mai d. I. hat entschieden einen schwereren Schaden verursacht, als man im Anfang wahrgenommen, da durch dasselbe namentlich die Felder und Wiese» in einer Weise gelitten, daß jahrelange Mühe kaum im Stande sein wird, den abgeschwemmten Boden und die versandeten Wiesen wieder herzustellen. Viele der Grundbesitzer sind nicht in der Lage, diese Schäden allein zu überwältigen, zumal die Gemeindeansprüche durch Zerstörung der Straßen und Brücken gewaltig sich steigern werden und Schulden dem armen Gebirgsbauer bei seiner mühevollen Arbeit doppelt schwer fallen. Es ist darum gelungen, die ani meisten ge schädigten Orte in einem Centralhilfscomitee zu vereinigen, das einen Aufruf (siehe Inserat) erlassen hat, dem sich eine große Anzahl höchst angesehener Herren gleichsam als Zeugen der Wahrheit angeschlossen haben. Möchte die christliche Barmherzigkeit reiche Früchte tragen, daß recht viele Gaben diesem gemeinschaftlichen Comitee zufallen, da auch die kleinste Gabe an dasselbe jedem schwer heimgesuchten Orte des Hilfskomitees Unterstützung gewährt und nicht ein einziges bevorzugt. Der Schlag war so furchtbar, die Erkenntniß so schrecklich, daß nicht dringend genug auf die armen Kalainitosen aufmerksam gemacht werden kann. Die kgl. Amtshauptmannschaft in Marienberg ist gern bereit, Gaben anzunehmen und darüber öffentlich zu quittiren. — Zwickau, 9. Juni. Ueber die Schädigungen, welche das Unwetter vom 30. Mai hier angerichtet hat, erfährt man nunmehr Bestimmteres. Die Zahl der hier zertrümmerten Fensterscheiben schätzt man annähernd auf gegen 10 OM. Unter den Feldfrüchten hat das Winterkorn in den westlichen Stadtfluren am meisten gelitten, indem dasselbe zu einem großen Theil total verhagelt ist und geschnitten werden muß, während die Sommerfrüchte weniger gelitten haben. Nächst dem Hagel hat aber ganz erheblichen Schaden die Hochfluth der aus dem Niederschlagsgebiet des Wolkenbruchs nach dem Stadt" bezirk fließenden vier Bäche: des Planitz-, Galgengrund-, Mittelgrund- und Marienthaler Baches, angerichtet. Wiesen und Felder sind ver schlämmt, steinerne Brücken und Stege weggerissen und Straßen und Wege überschwemmt und theilweise zerstört worden. Allein von den unter der Verwaltung der Stadt stehenden Straßen sind nach Ausweis einer erfolgten Zusammenstellung nicht weniger als 14 durch die Fluth reparaturbedürftig geworden und der unansehnliche Galgengrundbach, der im Sommer nahezu verstecht, hat eine hohe, steinerne Fahrbrücke so total zerstört, daß von dem Mauerwerk derselben, welches, zum Theil noch zusammenhängend, ein großes Stück von den wilde» Fluthen fortge tragen wurde, auch nicht ein einziger Stein stehen geblieben ist. Der Schaden, der die Gemeinde Zwickau und deren Mitglieder hiernach betroffen hat, ist durchaus nicht gering anzuschlagen, wenn auch zuge geben werden muß, daß mehrere arme Gemeinden im höheren Gebirge viel schwerer gelitten haben und zu wünschen ist, daß für diese sich die Herzen mildthätiger Menschen öffnen möchten. — Die diesjährigen Gerichtsferien werden am 15. Juli be ginne» und am 15. September endigen. Während derselben werde» nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen getroffen. Feriensachen sind: Strafsachen, Arrestsachen und die eine einstweilige Verfügung betreffenden Sachen, Maß- und Marktsachen, Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von Wohnungs- und anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben, so wie wegen Zurückhaltung der vom Miether in die Miethsräume ein gebrachten Sachen, endlich Wechselsachen und Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines augefangenen Baues gestritten wird. Das Ge richt kann auf Antrag auch andere Sachen, soweit sie besonderer Be schleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnen. Auf das Mahn verfahren, das Zwangsvollstreckungsverfahren und das Konkursver fahren sind die Ferien ohne Einfluß. Ebensowenig wird die Befuguiß des Richters, Termine für die Zeit nach den Gerichtsferien anzube raumen und die diese Termine betreffenden Ladungen und Zustellungen zu erlassen, durch die Gerichtsferien berührt. Für die Erledigung der Feriensachen werden bei dem Reichsgericht und bei den Oberlandesge richten besondere Ferienkammern gebildet, wogegen die Amtsgerichte sich gegenseitig Aushilfe leisten müssen. Verschlungene Mahnen. Zeitroman von Ferd. Kießling. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Viertes Kapitel. Es war eine trübe, sternenleere Nacht. Die Wolken, die bisher dem Monde noch vergönnten, hier und da einen Blick durch ihre Schleier zn werfen, hatten sich zusammengezogen und ein leichter Wind schien sein neckisches Spiel mit ihnen zu treiben. Eben hatte die Schloßuhr die zehnte Stunde geschlagen und der Wächter kündete das Beginnen seines Dienstes durch weithinschallende dumpfe Hornstöße an. Im Schlosse Söllnitz war das Bibliothekzimmer wiederum erleuchtet und in ihm schritt bleich und verstört der Justizrath auf und ab. „Noch eine Stunde," murmelte er, „und ich bin von dem Dämon, der sich drohend an meine Fersen heftet, befreit!" Er schob sich einen Sessel an das Bogenfenster und schaute hin aus in die dunkle Nacht; doch das Auge gewahrte nichts, als undurch dringliche Finsterniß. Diese finstere Nacht schien vier Männern zu statten zu kommen, die sich vorsichtig und mit kaum hörbare» Schritten einen Weg durch den den Schloßpark einschließenden Wald bahnten. An einer Lichtung angelangt, wo sich zwei Wege kreuzten, blieb der eine stehen und flü- sterte seinen Gefährten zu: „Diesen Weg haltet besetzt. Du, Herbert, schleichst Dich vorwärts bis an den Park und giebst, wenn jemand naht, das bestimmte Zeichen. Ihr Anderen zieht euch in das Gebüsch zurück, und ich selbst werde hinter den hohen Buchen Posto fassen." Die Gestalt und Stimme des so Sprechenden lassen uns keinen Augenblick in Zweifel, daß der Baron v. Jllnow der Mann war, der diese Befehle austheilte. Er trug dieselbe Kleidung, in welcher wir ihn bei dem Justizrath antrafen, doch fein Gesicht war heute noch mit einer grünen Maske bedeckt, die nichts als die unheimlich blitzenden Augen sehen ließ. Kaum eine Viertelstunde mochten die Männer in ihren Verstecken zugebracht haben, als sich in der Ferne der Ton eines Nachtvogels vernehmen ließ. „Achtung!" flüsterte der Baron, „nur im Nothfalle macht Ge brauch von den Waffen, und sorgt dafür, daß uns der Bursche lebend in die Hände geräth." Bald darauf ließen sich leise Schritte vernehmen; ein Mann erschien auf dem Kreuzwege, und nachdem er sich sorgfältig umgeschant, legte er sich geräuschlos in den Graben, welcher zu beiden Seiten des Weges hinlief, machte die mitgebrachte Büchse schußfertig und schaute aufmerk sam um sich her. — Plötzlich wandte er den Kopf, denn ein kaum hörbares Knistern drang an sein geübtes Ohr; allein dann trat tiefe Stille ein. „Es war nichts!" murmelte er, „doch bald muß er kommen, und der Lohn wird rasch verdient sein — dann Justizrath, bist Du in meiner Hand und —" Er konnte feine Worte nicht beenden, denn plötzlich fühlte er sich von vier gewaltigen Fäusten gepackt und gewahrte aufblickend zwei Männer, von denen der eine ihm den Hals umschloß, während der andere bemüht war, ihm die Büchse aus den Händen zu winden. Es war ein langer und erbitterter Kampf, aber endlich blieben die Angreifenden Sieger, und ein gewaltiger Ruck brachte die Büchse in die Hand des einen der Männer; allein er mochte wohl etwas un vorsichtig dabei gewesen und dem Stecher zu nahe gekommen sein, denn Plötzlich entlud sich das Gewehr, und der Schuß krachte in den Wald hinein. In demselben Augenblicke fühlte sich aber der Angegriffene auch zu Boden geworfen und eben war man damit beschäftigt, ihn mit Stricken zu binden, als der Maskirte hinzutrat. Er schaute den Daliegenden an und sprach: „Dachte ichs doch, Dich zu treffen, Bursche. — Führt ihn tiefer in den Wald hmein, und bei dem geringsten Laut, den er von sich giebt, stoßt ihm ein Messer zwischen die Rippen." Die Männer leisteten dem Befehle Folge und Friedrich — denn dieser war der Gebundene — ließ sich willenlos dahin führen. In einem mit wildem Gestrüpp und dichtem Unterholz bewach.