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Bezugs-Preis M L«W^- «d ao»«» «rch Lrtq-r «L S»»dU«» i»< Ha»» Fracht r Su»«a!>« L <»»» virrtüjthrltch » «., »»»»titch 1 «ulaad» I (morae»« und abend«) vterttl. ltdrli« <ü0 M., monatlich l.SV «i. Durch dtr choft »» dr»trhen: (2 »al täglich) innerhalb Deutlchland» and der deulichen Kolonie» virneljLhrlich b,2L M., monatlich I,7ü «. aulichl. Pap. ixIleNgrld, >ür Oesterreich st L 66 I», Ungarn 8 L »irrtellthrlich. gern« in Bel gien, Läiirmarl, den Donaakaalen, Jlaiie», Lurrmdurg, stttrderlaade, ««wegen, «up» iand Schweden, Schwei, an» Spanten. In allen stdriaen Staate» nur direkt durch ich Exped. d. Bl. erhtlUich. «doanemeiu^lnnadmei Bngustntplatz 8, dei u Merrn rrtaern, giliaten, Spediteur« und Annahmestellen, sowie Postämtern na» Di« einzeln« «nmmer loste« 10 chfg. Redaktion und Lrvedition: Iohanntlgasse ch r«l«vdon «r. IE Nr. IE. Nr. l«KSa- Abend-Ausgabe v. MWMTagMaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Mates und -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Lnzrigen-Prew Mr Inserat« au« p«>p,>a uno Umgednng di» «grspalwa, Vetttzeil« 2b Ps.. pnanzielle Snzei^n 8l) Bi„ «etlame» I Di.; v»n an«wärt« SV Ps., «eklamen I.2V M.^ »omSullandbOPI., st«,», ilnt»eigen7SPI Neklam«» llv i». Inserachd.Vehdrde» n «wtliche»L«aMPi Beilagegedstdr b M. p. Dauiend «pkl. Post gebühr. «Leichüil«»»zeigen an devorzngler Stelle im Preise erhitzt, stiabail nach tari gefterieili« «uitrüge können nichi zurück- aezogea w»r»rn gtr da« stricheinen an «stimmien Lage» u»d Plätzen wird kein« Garantt» übernommen Snzeigen-Samihm« i ilngastuöplatz 8, del sämtlich«» giltale» n. alle» iln»oucrn- -xp«ditt»ueu de« I» und «utlandeä H««,r->Utal, Berit», »arl D»»ck„, Herzogl. Ba,r. H»sb»ch> ha»dl»»g, Lützmvstrabe M (Delepbon VI. Nr. «MN. Paupt-Siltale Dretzde», Seestrahe 4.1 (Delevtzon 1621) Nr. 178. Sonnabend 27. Juni 1908. 182. Jahrgang. Das wichtigste. * Die Rosenausstellung im Leipziger Palmengarten ist Leute vormittag eröffnet worden. sS. d. des. Art.) * Eine Erhöhung der Loszahl der Sächsischen Landes, lotterte von 100 000 auf 110 000 soll bereits von der nächsten Lotterie ab stattsinden. lS. Lpzg. Ang.) * Der englischeHandelsminister veröffentlicht ein Gelb- Lu ch über D e u t s ch l a nd. sS. Dtschs. R.) * Das österreichische Abgeordnetenhaus hat eine Resolution angenommen, in der die Regierung aufgefordert wird, der Verstaatlichung der Südbahn ernstlich näherzutreten. * Die Franzosen schaffen mehrere Automobil- mitrailleusen nach Casablanca. iS. Ausl.) * Der Schah von Persien hat eine allgemeine Amnestie erlassen, gleichzeitig aber über das ganze Land den Kriegszustand erklärt. lS. Ausl.) Deutsche weltinarktspolitik. In der „Neuen Revue" veröffentlicht Reichstagsabgcordneter Dr. Strcsemann eine längere Mhandlung über Jndustriepolitik, der wir die nachfolgenden Ausführungen über Weltmarktspolitik entnehmen. Bei den Beratungen über die letzten Handelsverträge hat der Reichs kanzler den Satz ausgesprochen: „Deutschland ist Agrarstaat und Industriestaat." Das ist an sich richtig, aber wenn er den Gang der wirtschaftlichen Entwicklung hätte kennzeichnen wollen, wie er sich vor unser« Augen in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat, so hätte er den gegenwärtigen wirtschaftlichen Zustand so kennzeichnen müssen: „Deutsch land ist gegenwärtig noch Agrarstaat und Industriestaat, die Tendenz der Entwicklung geht aber unzweifelhaft dahin, Deutschland zum über- wiegenden Industriestaat zu machen." Diese Entwicklung, die uns bezüg lich unserer Handelsflotte an die zweite Stelle im Welthandel gesetzt hat, die den in der Landwirtschaft erwerbstätigen Teil immer mehr zurück gehen läßt, die unsere Großstadtbildung bewirkte, und die dahin führte, daß in einzelnen Industriegebieten, wie im Königreich Sachsen, kaum noch 10 Prozent der Bevölkerung zur Landwirtschaft gehören — diese Entwicklung gibt ja den Grund zu jenen vielen Fragen nicht nur volks wirtschaftlicher Natur, die unter dem Motto: „Agrarstaat oder Industrie staat" unsere Bolkserzieher in den letzten Jahren so lebhaft beschäftigt haben. Wir haben keinen Anlaß, irgendeine Entwicklung künstlich zu be- schleunigen, die uns etwa zu englischen Zuständen sichren würde. Um ohne eine ausreichende Landwirtschaft zu existieren, um unsere gesamte Volkswirtschaft auf Industrie und Export aufzubauen, dazu fehlen uns diejenigen reichen Hilfskräfte und dasjenige Fundament des Export staates, das England in seinen Kolonien besitzt. Ebenso müssen wir uns aber andrerseits dagegen wenden, aus übertriebener Furcht vor den Ge fahren des wachsenden Exportstaates unsere Industrie und unfern Ex port etwa künstlich zurückzudämmcn zugunsten einer Zollpolitik, wie sie Fanatiker des Bundes der Landwirte vertreten, die uns in einen Zoll krieg mit allen Ländern der Erde verwickeln und dadurch unsere jetzige wirtschaftliche Entwicklung zerstören würden. Auch hier gilt das Goethesche Wort: Das Erste steht uns frei, beim Zweiten sind wir Knechte. Es hat uns vor einem halben Jahrhundert freigestanden, uns darüber zu entscheiden, ob wir Industriestaat werden wollten oder nicht. Jetzt haben wir mit den gegebenen Tatsachen zu rechnen. Ein Wirt schaftsgebiet, das jährlich für 6000 bis 7000 Millionen Mark an Waren ausführt, das einen großen Teil seiner Arbeiter lediglich durch diesen Export ernährt, muß sich die Frage vorlegen, wie dieser Export zu schützen und zu unterstützen ist, um uns dadurch erhalten zu bleiben und um uns dadurch die Möglichkeit zu geben, den wachsenden Bevölkerungs- zufluß in Deutschland, der gleichzeitig auch unsere militärische Ueber- legenheit gegenüber unfern westlichen Nachbarn gewährleistet, auch für die Zukunft im Lande zu behalten und dasjenige zu fundieren, was sich an Exportindustrie in Deutschland gebildet hat. Uns sind durch unseren Eintritt in die weltwirtschaftliche Entwick- lung neue große Aufgaben gestellt worden. Man vergleicht so oft die Stellung des Deutschen Reiches zur Zeit des ersten Kanzlers mit der- jenigen, die es im Rate der Völker unter dem jetzigen Leiter der deutschen Politik einnimmt. Dabei darf man aber nicht vergessen, daß es wesent lich leichter war, von der Wilhelmstraße aus die Fäden der Weltgeschichte zu lenken, zu einer Zeit, als wir, gestützt auf das größte Landheer der Welt, unangreifbar dastanden und Englands wohlwollender Neutrali- tät uns versichert halten konnten, als in der Gegenwart, wo die Reibungsflächen für uns gerade Lurch die Entwicklung unseres Exports größer gewesen sind, und wo wir an allen Ecken und Enden der Welt mit der Mißgunst derjenigen Nationen zu rechnen haben, denen wir als Kon kurrenten auf dem Weltmarkt unbequem geworden sind. Man braucht kein Pessimist zu sein, um sich dennoch mit banger Sorge die Frage vorzulegen, ob es gelingen wird, unfern Anteil an der Versorgung der Welt durch unfern Export dauernd zu erhalten. Wir sind emporgestiegen auf diesem Gebiet vor allem wohl durch die größere technische und kaufmännische Durchbildung unserer Industrie und unseres Kaufmannstandes. Wir verlangen von unfern jungen Kaufleuten eine ausgedehnte Kenntnis fremder Sprachen, Anpassungsfähigkeit an die Umgangsformen fremder Völker, wir haben unsere Elektrotechnik, wir haben unsere Jngenieurkunst durch angestrengteste Arbeit zur Höhe ent wickelt in einer Zeit, wo die Generationen in England in der B'^e des Körpers, im Tennisspiel, im Fußball, in der Ruderregatta u. a. mehr als nötig aufgegangen sind. Wir haben vor Frankreich das eine voraus, daß der deutsche Industrielle bis an das Ende seines Lebens schafft und arbeitet, um sein Unternehmen auf die Höhe zu bringen, während das Ziel des Franzosen mehr dahin geht, nach Erreichung eines gewissen Wohlstandes den Rest seines Lebens in Ruhe zu vollbringen. Wenn uns das bisher vorwärts gebracht hat, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß England anfängt, dasjenige nachzuholen, was es aufgegeben hat, wobei ihm seine Weltmachtstellung wesentlich zustatten kommt. Die Eröffnung -er Rosen-Ausstellung irn Leipziger Oalrnengarten. Der Gärtner liebt die Morgenstunde. Schon früh hatten sich daher heute die Männer und Freunde der Gartenkunst im Leipziger Palmen garten eingefunden, um Zeuge einer glänzenden Tat des Leipziger Gärtner-Vereins zu werden und die von dieser rührigen Korperation veranstaltete, von der beteiligten Fachwelt so überraschend reich beschickte Rosen-AuSstellung in Augenschein zu nehmen. Zahl reich waren die Mitglieder des in unseren Mauern zum Kongreß versammelten Vereins deutscher Gartenkünstler unv des Vereins deutscher Rosenfreunde zugegen, zahlreich auch die heimischen Berufsgenossen, Gärtner und Rosenzüchier. In seiner Mitte aber begrüßte der Leipziger Gärtner-Verein als Ehrengäste die Herren Amtshauptmann Kammerherr von Nostitz-Wallwitz, Amtsgerichtspräsident Siegel, General der Infanterie d'Elsa, Geb. Regierungsral kaiserlicher Bantdireltor Kalähne, Bürgermeister Dr. Dittrich, Landtagsabgeordneter Dürr und Geb. Ockonomierat Hähnel-Kuppitz. Ebenso erschienen Vertreter der beiden städtischen Kollegien und Mitglieder des Aufsichtsrates des Leipziger Palmengartens. Am südlichen Pavillon des Palmengartens fanden sich die Geladenen ein. Dort hieß im Namen des Leipziger tSSrtnerveretnS dessen Vorsitzender, Herr Hermann Schmidt, alle Erschienenen herzlich willkommen. Als im verflossenen Jahre der Gedanke lebenrig geworden sei, in unseren Mauern eine RosenausstellunH abzubalten, waro er wohl im ersten Moment auss freudigste begrüßt, indessen bald sei man sich auch der großen Schwierigkeiten bewußt geworden, denen ein solches Unternehmen bei der Platzfrage begegnen müsse. Besitze doch unsere schöne Stadt nach dieser Richtung hin keinen geeigneten AuSsEllungs- platz, aber durch die Liebenswürdigkeit der Palmengartengesellschaft, das müffe dankbar anerkannt werden, sei es doch dahin gekommen, einen wunderbaren Rahmen für das herrliche Bild der Ausstellung zu sinken. Anfänglich waren alle Anzeichen für das Gelingen der Ausstellung vor handen, indessen das diesjährige Frühjahr und das Hagelwetter später raubten viel von den Hoffnungen der Kultivateure und brachte ihnen erheblichen Sachen. In allerletzter Stunde gingen aber die Anmeldungen wieder überaus reichlich ein. Redner gedachte dankbar im Namen des Gärtnervereins allen beteiligten Ausstellern, beklagte dann den flühen Heimgang des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Tröndlin, der dem Vereine Berater und Helfer gewesen und allezeit ein freundliches Wort süi ihn gehabt und dankte dann aufrichtig Herrn Bürgermeister Dr. Dittrich, der dem Unternehmen unverzüglich mit dem Protektor zur Seite getreten sei. Redner schloß mit einem weiteren herzlichen Dankeswort an alle Erschienenen, an alle, die zum Gelingen des herrlichen Werkes bei getragen. Er gedachte des allerhöchsten Protektors König Friedrich August und brachte ihm und dem ganzen königliche» Hause ein drei faches Hoch aus. Im Namen der Bürgerschaft und des Rats gab hierauf Herr Bürgermeister Dr. Dittrich der großen und ausrichtigen Freude über das wohlgelungene Werk, das der Gärtnerverein unternommen habe, Ausdruck. Em schönerer Platz, als er ihm hier zur Verfügung stehe, hätte nicht gewäblt werden können und man könne nur unter Dank gegen die Palmengartengesellichast wünschen, daß sie allezeit für solche Unternehmungen zu haben sein werde. Herr Bürgermeister Dr. Dittrich dankte dann allen, die sich um das schöne Werk verdient gemacht, und entbot den zum Kongreß versammelten Mitgliedern des Vereins deutscher Rosenfreunde und des Vereins deutscher Gartenkünstler einen herzlichen Willkommengruß. An gesichts der Entwickelung, die die deutsche Gartenkunst in den letzten Jahrzehnten genommen, könne man sich des Staunens nicht erwehren, und man könne den deutschen Gärtnern nicht dankbar genug sein, daß sie durch Intensität, weiten Blick und Schaffensfreudigkeit der Gartenkunst sich angenommen habe, dankbar um so mehr, als sie im Volke die Liebe zur Blume zu erwecken verstehen. Kein Gebiet des Rats werde so widerspruchslos anerkannt wie unsere Garienverwaltung, aber freilich schaffe sie auch solche garten- künstleriscke Anlagen, die untere Bürgerschaft in hobem Maße erfreue und die Begeisterung für die Blumenwelt erwecke. Nabe dem deutschen Gemüt stehe die Rose als Symbol des Geheimnisvollen, Edlen und Herrlichen. Möchte auch diese für sie bestimmte Ausstellung dazu bei tragen, daß die Liebe zu den Blumen in unserem Volke immer sesiere Wurzeln fasse, beitrage zur geveihlichen Entwicklung der deutschen Gärtnerei und der Gärtnerei reichen Erfolg bringe. Nunmehr wandte sich der Kreis der Erschienenen in längerem Rund gang der Ausstellung selbst zu. Ein Raum im freien Land von rund 15 000 qm ist an der Süd seite des Palmengartens Len Rosengärten erschlossen worden. Die Feuilleton. Als jemand über den Tod einer geliebten Tochter außer sich war, sagte irgendein einfältiger Mensch zu ihm, seine Tränen brächten sie nicht ins Loben zurück, „Gerade darum traure ich", erwiderte dieser. Mirabeau. * Gesammeltes Gelächter. lieber Mangel an Anthologien wird gerade unter den Deutschen keiner klagen wollen. Man schließt die besten Klassikerstrophen in Son derbände, reiht bunte Gruppen von Märchenichätzen auf, gibt moderne Lyritanvlwlogien, bemüht in Zyklen die Auslandspoeten: recht selten hat's viel Wert. Man liest die losgerissenen Stücke, die von den einzel nen Dichtern kein Bild in scharfen Zügen geben können, liest, blättert, langweilt sich. Unv nur wer einen Reigen Lieblingsstücke durch Zufall in solch Bänden findet, blätteri häufiger in künstlerischem feineren Ge nießen. Aber jetzt har einer sein kompilatori'ches Bemühen auf einen originelleren, glücklichen Einfall verwendet: er sammelte Gelächter. Ihm verbot schon der Stoff die Steifheit. Und es ist wirklich riskant, Heiterkeit in Massen aufbicten zu wollen, riskant, auf den Buchritel ein Motto zu setzen, dessen Sinn man dann leicht schuldig bleibt, gerade das ist riskant, vibrierende Zwerchfellwirkung für alle zu versprechen, deren Zwerchfell so verschieden reagiert. Verschiedene lachen über verschie denerlei. Behaglichkeit und gutmütige Derbheil können dort wirken, wo Sarkasmus unverständlich bleibt, Groteske kann Tränen in die Augen zwingen, wen Bier- und Kneipenulk — mag er echt sein — ungerührt lassen. So wird man bei allen nur wirken, wenn man für alle schafft. Die Nuancen des Gelächters sucht. Und auch bei einem Volk allein kann man dann nicht stehen bleiben. Humor der Germanen ist dem Sinn romanischer Groteske fremd. Die Russen lachen anders wie die Briien. Dennoch wird es Deutsche geben, deren Empfindungsgemeinschaft zu den Franzoien führt, andere, die mit den Slawen lachen, wie sich Slawen und Franzosen finden werden, die Wilhelm Buschens Kunst amüsiert. Man wird also auch für die Deutschen allein, will man sie alle besrie- Ligen, alle Völker und aller Völker Art aufnehmen müssen. Es muß ein europäisches Gelächter sein, das obendrein aus allen Zeiten klingt. Norbert Falk hac solch ein „Mcisterbuch des Humors" sVerlag von Ull- stein L Eo., Berlin. Mit zahlreichen Textillustrationen nach Gemachen alter Meister und Zeichnungen moderner Künstler. Preis 3 ^l) kürz lich den Lachern übergeben. Eine Einleitung, die aus den Plan des Buches deutet, plaudert zu nächst über das Weien des Humoristischen, über das Wesen der Humo risten selbst. „Der Humorist bat die Gabe san jedem Tina), beide Seiten zugleich zu sehen, und wenn er sie kontrastierend darstellt, entsteht die komische Situation. Er wird das absurde Verhältnis seines Helden > zu dessen Umgebung, zur Welt und allgemeinen Weltanschauung dar- I stellen und aus dielen Kontrasten die besten Wirkungen ziehen. Man denke an Don Quichotte. Widersprüche des Lebens und Unzulänglichkeiten auszuzeigen, ist das Wesen des Humoristen, aber durch die heitere Lö sung der Konflikte wird er über die Abgründe wegheksen, er wird erlösen und heilen. Der Tragiker läßt an der Unzulänglichkeit alles Irdischen, an Leidenschaften und Mißgeschicken zugrunde gehen: der Humorist zcigc, daß alles nur ein Spiel ist, des Lärms nicht wert, der darüber gemacht wird, und ist darum ein Tröster und befreiender Helfer. Der starren Verneinung sctzl er die freudig lachende Bejahung entgegen uno dem protzigen, wichtigrucnden Allcsbcjahcr wird er die eingebildeten Werte lachend verneinen, ihn eben verlachen." Aber Falk hält sich nicht lang: mit Doktrin auf, die ja schließlich durch des Themas abstrakten Eharakier trotz des hübschen Plaudertons ermüden müßte, knapp und einleuchtend faßt er die Devisen zusammen, nach denen er Rang. Wahl, Stellung seiner Kämpfer bestimmte, geschmackvoll bestimmte: dann mar schieren alle die Lacher auf. Tic Romanen beginnen das Tcsilä. Man fängt mit Cervantes an. dem „Größten der Großen", wie ihn Mauthner nennr, liest den „Auszug des scharfsinnigen Ton Qustote", amüsiert sich über „die zier- lichc Weise, wie Ton Quijote zum Ritter geschlagen wurde", natürlich fehlt auch der Windmühlenkampf nicht und das Abenteuer in der Schenke. Und ein Entree voll schallender Heiterkeit, der Humor aus grotesker, großer, verzerrter Zeit, der über Jahrhunderte unveränder lich reicht. Ter Zeit nach hätte Cervantes wohl nach Boccaccio stehen müssen, aber man bcgrcist's, daß Falk als Symbol im Eingang dcn Spanier wählte. Nach Inhalt, Form und in der Kraft des Lachens muß selbst Rabelais, der derbe, vor ihm zurücktrcten, der die Franzosen mit „Gargantua" einführt. Falk hat Griechen und Römer völlig ver- bannt. Wie überhaupt das Altertum. Vielleicht nicht deshalb, weil die Antike den Humor nicht kannte — sic hatte ihn ja sicherlich so gut wie wir —, aber vermutlich, weil das humoristische Empfinden, der humoristische Ausdruck der Alten uns doch schon ein wenig ungewohnt geworden. Noch ein Reich kam hier zu kurz: der Osten, die Javaner und Chinesen, auf die verzichtet wurde, „weil sie uns doch zumeist eine recht fremde Grimasse zeigen". Sic tun es gewiß nicht aus allen Ge bieten der Kunst, man denke allein an die künstlerische Fülle, die Japans Kvnstgewcrbe der alten Welt gegeben, man denke an die zarte Lyrik, die jetzt aus China kommt, — dennoch: der Humor der gelben Rassen mag unS vorläufig noch so ziemlich entgehen. Man kann ja auch voll Zu friedenheit bei dcn Europäern bleiben. Unter den fünf aufgebotenen Franzosen wird man jeden ohne Reue lesen: nach Rabelais folgt eine Szene aus Molieres „Arzt wider Willen", dann die Repräsentanten des 19. Jahrhunderts Murger, Daudet — natürlich mit „Tartarin" —, zuletzt „Schnapsanton" von Maupassant. Tie Engländer zählen um ein Haupt mehr — ein halbes Dutzend Koryphäen: von Shakespeare über Swift, Tickens, Douglas Jerrold bis zu Rudyard Kipling, an dcn sich noch Mark Twain, der Amerikaner, mit seiner „Zeitunas- schreiberei in Tennessee" anschlicßt. Im Norden und Lasten scheinen die Humoristen spärlicher gesät: aus Täncmark ist Gustav Wied da, der ein paar lustige Seiten erzählt, „Als Baby ins Hotel sollte", Alfred af Hedenstjerna gibt eine schwedische Badchumoreske, von Rußland kommt Anton Tschechow und bringt „Des Hauptmanns Uniform". Einsam steht ein Ungar: Martin Zoldi mit seinem „Roßtäuscher". Daun marschieren die Deutschen auf und es ist begreiflich, daß ihnen Folk den größten Teil seines Buches gab. Unter den Deutschen beginnt der Reigen, der weit zurückführt, mit „Reineke Fuchs" nach der Lübecker Fassung des „Rcynke Le Vos" l1498> und bringt dann ein paar altdeutsche Schwänke: Geiler von Kaifers bergs „Rechthaberei und Widersinnigkeit der Weiber", ein Stück aus Marlinus Mvntanus „Wcgkürzer", Lazarus Sandrubs Rcini'chwank „Von einem Abenteurer und einem Wirt", dann Jörg Wickram, Jacob Frey und Valentin Schumann. Breit ist der Raum, der nach den alt- deut'chen Schwankdichtern dcn Werken anonymen Humors gegeben wird, lustigen Streichen, die vielleicht am drastischsten zeigen, wie man '.in Volk der Deutschen lachte, worüber man lachte, — zwei Schwank sammlungen, denen sich sonst kaum ein Volk in ähnlicher Art rühmen darf: den Streichen Till E ulcnjpicgcls und der Schildbürger. Bald aber strebt man über Hans Sachs und Grimmelshausens „Abenteuerlichen Simplizissimus", über „Münchhausens Abenteuer" und ein Fabelhcer der Gellert, Lichtwer, Gleim, Lessing, Pseffel, Langbein und Fröhlich — sic alle lassen eine Ticrgesellschast von Kuckuck, Elster, Uhu, Tanzbär, Johanniswürmchen und Auster auimarschicren, die immer die edelsten Exemplare der Gattung zeigt — endlich neueren Tagen zu. Man geht über Jean Paul hinweg, der sein bestes Stück, die „Testamentserösi- nung", lassen muß, und steht rasch vor Heines Herrschaften Hirsch Hya cinth und Gumpelino. Man darf es nicht beklagen, daß Norbert Falk in richtigem Instinkt der Vorzeit nur das Glänzendste, das Beste «nt- nahm und näheren Generationen als Entschädigung freieres Spiel schenkte. Man lacht doch noch leichter mit ihnen, als mit. verflossenen Jahrhunderten. Und so liest man von Friedrich Theodor Vischers „Tücke des Objekts", ein paar Strophen von Scheffels „Rodenstein"-Liedern klingen auf. Raabe, Roiegger, Seidl. Busch — keiner von ihnen ist zu verachten. Auch dort, wo die Lustigkeit der Größe entbehrt, wird viel Ergötzliches zu finden sein. Unter den Schri'tstellcrn, die um uns leben, steuert Stcttenheim aus „Wippchen" bei, Pötzl gibt „Wienerisches", Wolzogcn gibt das „Kaisermanöver", Bicrbaum die „Erste Mensur", Thoma eine Lausbubenacschichtc, — — man kann nicht alle nennen. Und wenn man ehrlich ist, auch einaesteben. daß man trotz der Geläufig keit all' der Namen, die hier vorübereilcn, nicht nur manches, sondern sogar recht vieles nicht ganz oder nicht ganz gründlich kannte. Es ist der beste Vorteil dieser Falkschcn Anthologie, daß sie ein lachender Führer und Lehrmeister ist. Man amüsiert sich und lernt Man lacht und wird dabei am Ende ganz schrecklich gebildet. Denn bei jedem der einzelnen Stücke, der Abrisse und Auszüge empfängt man doch dcn Ein druck eines Ganzen, da von Falk die Jnhalteinleitungen und verbin denden Texte sehr geschickt und anpassend in Ton und Stil gegeben sind. Ncitürlich werden die ungekürzten Originale immer noch wertvoller bleiben: für den Forscher, siir den Literaten und Künstler. Aber daS große Publikum, dem die Anthologie ja in erster Linie gilt, hat nicht immer Zeit, einzelne Autoren in Bänden zn studieren Immerhin emv'ängt man hier geschlossene Bilder: wer will, kann sie von selbst er- I weitern, indem er angeregt fort bis zu dcn Quellen schreitet, bk. lsi N