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Wochenblatt für - für die König!. Amtshauptmannschaft zn Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiundvierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich S Mal (Dienstag und Freitag AbonncmentSprei» vierteljährlich 1 Mrk Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps Jnseratenannahwe Montags u. Donnerstag bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) Abonnement-preis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps. E Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Amtsblatt Rr. 14. Fmtag, dm 17. Febriler 1882. T agesgeschichte. Berlin, 13. Februar. Die sogenannten Ministersitzungen deS Bundesraths, welche seit Einführung der neuen Geschäftsord nung desselben angeordnet worden sind, bis jetzt aber kaum stattge funden baben, sind, wie wir zuversichtlich erfahren, für Ende März in Aussicht genommen. Muthmaßlich werden sich diese Konferenzen mit dem Tabaksmonopol und dem neuen Nnfallversicherungs- gesetz zu beschäftigen haben. Der Entwurf des Tabaksmonopolgesetzes ist im Schatzamt jetzt vollständig fertig gestellt und das Uufallversiche» ungsgesetz dem Abschluß nahe. Beide Vorlagen sollen dem preußischen Volkswirthschaftsrath unterbreitet werden, dessen Berufung für Ende dieses oder Anfang des nächsten Monats in Aussicht steht. Wie weit alle diese Dispositionen verwirklicht werden, kann dahingestellt bleiben. Dagegen ist hierdurch der Möglichkeit einer Berufung des Reichstags im Frühjahr erweiterter Spielraum gegeben, wie wenig auch inWirk- lichkcit Aussicht für eine derartige Eventualität vorhanden ist. — Der Stellvertreter des Reichskanzlers, v. Bötticher, hat dem Bundesrathe den Entwurf eines Normalinnungsstatuts ans Grund des ReichSgesetzes von 1881 nebst Erläuterungen zur Beschlußfassung zugehen lassen. Wegen seines prinzipiellen Inhalts erscheint der Z 2 „Ausgaben der Innung" der Wiedergabe werth: „Die Innung ist be stimmt, die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern. Sie wird zu diesem Zwecke folgende Ziele im Auge haben: 1. Vervollkommnung des Gewerbebetriebs der JnnungSmeister und Gesellen durch Vorträge, Modell- und Mustersammlungen, Fachbiblio thek und Fachschule; 2. Abhaltung von Meister-und Gesellenprüfungen nebst Ausstellung der bez. Zeugnisse; 3. Errichtung eines allgemeinen Rohstofflagers, einer Verkaufsstelle für JnnungSmeister, Anschaffung von Hülfsmaschinen zu gemeinsamer Benutzung für die Jnnungsmeister; 4. Errichtung einer Vörschußkasse für Vie Jiiliuiigsliieister und Ange hörigen, sowie für Gesellen und Lehrlinge; 5. Errichtung von Kranken- und Steibekassen; 6. Errichtung eines Schiedsgerichts. Zum Eintritt ist jeder Großjährige berechtigt, der ein Gewerbe im Jnnnngsdezirk selbständig betreibt, sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindet re. Der zweite durch den Posten an der Jnvalidensäul e verwundete Knab», Hermann Büttner, ist, nachdem sein Tod fälschlich bereits vor einigen Tagen gemeldet worden, nun ebenfalls an den Folgen des unglücklichen Schusses gestorben. Starker Tabak wurde dieser Tage in der Kammer in Bayern geraucht, aber kein Monopol-Tabak. Abg. Schels, ein bekannter Heißsporn, regte die Anti-Monopol-Debatte an, obgleich er selber, wie er sagte, in seinem Leben weder eine Pfeife Tabak, noch eine Cigarre geraucht hat. Er beantragte den König zu ersuchen, daß er den bay erischen Bevollmächtigten im Reichsrathe gegen die Einführung des Monopols instruire, und dieser Antrag wurde unter vielen kräftigen Reden mit großer Mehrzahl angenommen, obgleich ein paar Abgeord nete meinten, das Monopol werde und müsse kommen, das Reich brauche das Geld. Stärker fast noch als gegen das Monopol sprachen mehre Abgeordnete, Schels, Kopp u. A., gegen die Minister, namentlich den Cultusm inister Lutz, der für die Römlinge das Lamm ist, welches das himmelblaue bayerische Wasser trübt. Die Minister, klagten sie, seien nicht bayerisch blau, lieferten ein bayerisches Recht und eine bayerische Eigenthümlichkeit nach der andern an das Reich oder vielmehr an den „preußischen Einheitsstaat" aus, so daß von dem Hellen, wohnlichen bayerischen Haus wenig übrig bleibe u. s. w. Wichtig für die Kennt« niß der Stimmung in dem größten Staate nach Preußen sind diese Vorgänge immerhin. Vom königl. Landgericht München I wurde der Kaufmann und Spiritussabrikant Hamburger wegen eines fortgesetzten Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz, begangen durch Weinfälschung, zu 2 Monaten Gefängniß und 300 M. Geldstrafe, welche eventuell in 30- tägige Haftstrafe zu verwandeln sind, verurtheilt. In Petersburg herrscht eine abnorm milde Witterung. Die Blätter melden, daß eine auS dem Gouvernement Archangel einge- ttofsene Sendung von 80,000 Stück Wild in Folge der warmen Witterung verdorben sei und von den Adressaten verweigert werde. Händler und Bauern erleiden dadurch allein einen Schaden von 70,OM Rubeln. Ferner sind, wie alljährlich mit dem ersten Schnee, Bauern aus den Gouvernements oft ein paar hundert Werst weit mit Pferden und Schlitten in Petersburg eingetroffen, um sich für die Wiaterdauer als Lohnkutscher zu verdingen. Auf dem Stadtamte haben in diesem Jahre 5102 solcher Bauern Billete als Droschkenkutscher gelöst; nun fehlt aber der Schnee und die armen Leute sind meist nach Wochen bitterer Sorgen schließlich zezwungen worden, Schlitten und Pferd zu veräußern, nur um wieder in ihre Dörfer zurückkehren zu können. Man kann indessen heute noch solche Kutscher sehen, die auf den blanken Steinen — denn es liegt keine Spur von Schnee — mit den eisen beschlagenen Schlittenkufen herumfahren und die abgemagerten Gäule fast zu Tode schinden, blos um nicht selbst hungern zu müssen. Zu diesem Elende gesellen sich noch Krankheiten in besonders hoher Zahl, namentlich fordern Typhus und Diphtheritis viele Opfer. — Ter Bodensee ist so tief gefallen, wie seit 1805 nicht vorgekommcn. In der Kirche des heiligen Grabes zu Jerusalem ist eS leider zu einer der Sceuen gekommen, wie sie sich in früheren Jahren so häufig dort infolge des religiösen Fanatismus der verschiedenen Sekten ereigneten. Wie dem armenischen Patriarchaten und der Pforte in Constantinopel gemeldet ward, stürmten gegen 60 Chaldäer den ar« menischen Altar am heiligen Grabe, zerstörten denselben, und die über demselben angebrachten Heiligenbilder, schlugen den armenischen Diakon und verwundeten eine Anzahl Armenier, die ihnen Widerstand ent gegensetzten. Dem Gouverneur, der persönlich mit Truppen an Ort und Stelle erschien, gelang es nur mit großer Mühe, dem Tumult Einhalt zu thuu. WaterläudifcheS. Wilsdruff, 16. Februar. Gestern hat die mit vieler Spannung erwartete Sitzung der Zweiten Hohen Ständekammer stattgefunden, i« welcher die Finanzdeputation tt derselben über die auf Erbauung von Eisenbahnen gericht-ten Petitionen Bericht erstattete. Für die Gegend Dresden - Wilsdruff - Deutschenbora liegen mehrere, zum Theil von einander verschiedene Projecte vor. Die Deputation ist bei der Prüfung zu der Ueberzeugung gelangt, daß das dring lichste Ziel sei, die Stadt Wilsdruff mit dem Schienennetze in Verbindung zu bringen, und daß dies auf dem kürzesten Wege von der Strecke Dresden-Tharant aus geschehen könne, daß ober alle weiter- gehenden Pläne sich zur Zeit als solche darstellen, welche auf eine längere Reihe von Jahren noch recht gut ruhen können. Der Finanz- Minister erklärte, zunächst könne nur das Projekt bis Wilsdruff in Frage kommen; für eine Schmalspurbahn von Potschappel bis Wils- drufs seien Erörterungen angestellt worden, nach denen mit einem Auf wand von etwa 500,000 Mk. die Bahn zu bauen sei. Die Regierung behalte sich vor, dem nächsten Landtage dieses Project vorzulegen, über die weitergehenden Projekte könne sie jedoch zur Zeit eine Er klärung nicht abgeben. Die Deputation beantragt hiernach die Peti tionen, soweit sie ans Erbauung einer Sekundärbahn von Potschappel nach Wilsdruff gelichtet sind, der Regierung zur Erwäg u n g zu empfehlen, im Uebrigen aber auf sich beruhen zu lassen. Die Kam mer schloß sich, nachdem sich namentlich die Herren Abgeordneten Müller-Freiberg, Ackermann, Klopfer und Philipp warm für Wilsdruff und Umgegend verwendet hatten, in der Hauptsache dem Deputationsbericht an und beschloß einftimmig, den Bau gedachter Linie der Regierung zur Erwägung zu empfehlen. — In den nächsten Tagen wird sich der Landtag über den Steuererlaß schlüssig zu machen baben. Wie schon oft erwähnt, schlagt die Regierung einen Erlaß von 30 Prozent der Einkommen- steuer-Zuschläge vor. In der Finanzdeputation der 2. Kammer hat man den Vorschlag, die Zuschläge nicht unterschiedslos zu ermäßigen, sondern die untersten Klassen ganz von den Zuschlägen zu befreien, in näheren Betracht gezogen und eS ist auch ein Theil der Deputation geneigt, daS zu beantragen. Doch wird eS zu dieser Art des Steuer erlasses kaum kommen. Man hält ein, daß in Sachsen eigentlich nicht die untersten Klassen, die 50 bis 100 Pfg. Einkommensteuer zahlen, besonders Ursache haben, über Steuerdruck zu klagen; weit eher sind die mittleren Klassen belastet. Wie man hört, hält der Herr Finanz- Minister es sür die dringendste Aufgabe, die Steuerzuschlägc überhaupt gänzlich zu beseitigen, und er ist der Hoffnung, daß sich bis zum nächsten Landtage die Finanzlage des Königreichs so weit gebessert haben wird, daß er in dem nächsten Budget auf die Steuerzuschläge überhaupt verzichten kann. Damit aber ein solches Normalbudgck möglich ist, dürfte man jetzt keinen noch weiteren EinnahmcauSfall eintreten lassen. — Die in letzter Zeit theils in öffentlichen Blättern, thcils von Pastoren verbreitete Nachricht betreffs des in allernächster Zeit er scheinenden neuen Landesgesangbuches ist, wie man aus einer Bekanntmachung des evangelisch-lutherischen Landcskonsistoriums er sieht, noch etwas verfrüht. Heißt es doch u. A. in dieser Bekannt machung, daß die definitive Feststellung des in Frage kommenden Landesgesangbnches kaum vor Ablauf eines Zeitraumes von zwei Jahren zu erreichen sein werde und weiter: Nicht minder findet Bor bemerktes vollständige Rechtfertigung, da von dem Landcskousistorium Genehmigung zum Druck neuer Auflagen des bisherigen Dresdner Gesangbuches ertheilt worden ist. Zweifellos dürfte Vorstehendes da zu beitragen, die große Ungewißheit zu beseitigen, welche bis jetzt daS Publikum vom Kauf von Gesangbüchern abhielt, andererseits auch die dadurch geschädigten Geschäftsleute, namentlich jetzt vor Ostern, wo das Gesangbnchsgeschäft in größte Blüthe kommt, in bessere Stimmung zu vcrsctz-n. — Dresden. Der zur Investitur Sr. Maj. des Königs mit dem Hosenbandorden hier anwesend gewesene k. großbritannische Be vollmächtigte Earl of Fife hat vor seiner Abreise von Dresden der hiesigen Armenkasse durch einen höheren Hofbcamten 1M Pfund Sterling (ca. 24M M.) znr Vertheilung unter die Armen zugehen lassen. — Langenberg bei Riesa. Beim Schlittschuhfahren auf dem Kanal brach am 12. Februar der 9 Jahre alte Knabe Heckt Heu er aus Nünchritz ein und ertrank. — Chemnitz, 11. Februar. Bis zu welchen Spezialitäten das in unserer Stadt sehr entwickelte Vereinswesen fortgeschritten ist, zeigt sich u. a. darin, daß hier ein „Verein für freiwillige Bestattung un glücklicher Selbstentleibter" das Licht der Welt erblicken konnte. Die Möglichkeit der Existenz eines solchen Vereins erinnert von neuem an die schmerzliche Thatsache, daß die Selbstmordmanie nirgends so uni sich gegriffen hat, als in unserer dicht gedrängt lebenden Bevölkerung. — In Neudorf bei Chemnitz versuchte ein Cigarrenarbeiter seine Braut zu erschießen und machte darnach mit demselben Revolver seinem eigenen Leben ein Ende.