Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080627017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908062701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908062701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-27
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Rr. 17«. 1VL Jahr«. erteilen lieh, um die Ruhe d«S Kaisers von China zu wahren. Bald werden wir einen Abdul A»i« mongolischer Rasse aus den Schultern haben." Vie Lage in ^evsten. Die Nachrichten über die Revolution in Persien, die In de» lebten Tagen von privater Seite ringegangen sind, finden durch die allmählich entlaufenden amtlichen Berichte leider volle Bestätigung. Die „Peters burger Telegrapchrn-Agentur veröffentlicht jetzt eine ausführliche Dar stellung der persischen Vorgänge. Sie enthält im wesentlichen eine Schilderung der bereits bekannten Ereignisse und schreibt die Haupt- schuld an der Revolution dem Prinzen Zill e d SuIlan zu, der sich des Thrones bemächtigen wolle. In bezug auf die Haltung der russischen «ud englischen Regierung beißt cs, die russische und englische Regierung haben in aufmerksamer Verfolgung LeS Ganges der Dinge i» Teheran und von dem anfrich- ngen Wunsche beseelt, die Beruhigung des Landes zu fördern, sich jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes enthalten und sich darauf beschränkt, eine durch den Notfall erforderliche, mäßigende Einwirkung anszuüben. Da- der übermittelte auf Bitten der gemäßigten Elemente des Medschlis der russische Gesandte nach Rücksprache mit dem englischen Gesandten dem Schah den Wunsch der gemäßigten Parteien nach Beilegung des Kon- slikis. Ter Schab verlangte eine Garantie für die Integrität seiner Person und die Dvnastie, sowie Zügelung der Endschmncas, die Trennung der legislativen und exe- lutiven Gewalt, den Oberbefehl über die Armee, sowie die Auslieferung von liius Führern der Revolution. Die Verhandlungen scheiterten an :em lehtcn Punkte, worauf die bekannten blutigen Ereignisse rintraren. Taranihin wiesen der englische und der rnffifcke Gesandte den Schah auf die Notwendigkeit bin. Maßregeln zum Schn he der Europäer zu treffen, und erteilten ihm auch im Namen der Mächte sei: freundschaftlichen Rat, die Konstitution nicht anfzn- heben. Der Schah versprach auch, das Medschlis zu erhalten unv sicherte den Schuß der Fremde» zu. Die letzten Nachrichten, so fchließt aas Eomtnuniauö, lassen eine Festigung der Stellung des Schah er nennen. — In oer Nacht vom Donnerstag zum Freitag und am Freitag ist weiteren Meldungen zufolge dir Rune nicht gestört worden. Am DonncrStag abend wurde auö dem Hause des Gouverneurs von Reicht auf vorübermarschierende Truppen geschossen. Das Haus wurde sofort zerstört. Patrouillen der persischen Koiakenbrigade Eten die Ordnung aufrecht. Die Bevölkerung wirb ent waffnet. Prinz Meid cd Dan lech wurde zum General gouverneur von Teheran ernannt. Für jeden Augenblick wird doS Erscheinen eines Manifestes über die Wahrung der Konstitution und die Neuwahlen für den Medschlis erwartet. Alle Anzeichen deuten auf einen ernsten Umschwung in der öffentlichen Meinung zugunsten des Schahs hin. Im Palaste finden ununterbrochen Beratungen mit den Ministern und anderen Persönlichkeiten statt. Es werden Maßnahmen ausgcarbeitct, die die Aufrechterhaltung der Ord nung verbürgen. — Mit dieser Meldung im Widerspruch steht die Nachricht, die einem Londoner Blatt zntzegangcn ist und nach der die Verhaftungen und Plünderungen sorlgefetzt werden. Der Schrecken nimmt überhand. Alle Zeitungsbureaus und Geschäftsräume der poli tischen Klubs werden geplündert und geschlossen. Die Gattin Zahirs cd Dauleh, e i n e T a n t c d e s S ch a h s, bc g i n g, als ihr Hans zer stört wurde, Selbstmord. Da der Staatsstreich des Schahs hauptsächlich mit Hilfe der Ko saken durchgesnbrt wunde, wird die Aufmerksamkeit ans das persische Heereswescn gelenkt. Von einem militärischen Mitarbeiter wird uns darüber geschrieben: Da ich mich längere Zeit in Persien aufgchalten und auch mit persischen Offizieren Verkehr habe, 10 darf ich mir wohl ein Urteil über persische HeereSocrhältnisse zumute». Die Kosakenbrigade, die jetzt auf selten des Schahs steht, ist die einzige Truppe Persien«, die man als wirklich brauchbar bezeichnen kann. Kriegsmäßige Ausbildung besitzt nur eigentlich sie. Allen übrigen Truppen kann man das Zeugnis auS- stellen, daß sie für einen Feldzug direkt untauglich sind. Die Aus- rüstung läßt viel zu wünschen übrig, da die Regimentskommandeure cs vorziehen, die Gelder für die Beschaffung der Uniformen zum größ ten Teile für sich zu behalten. Wenn man bedenkt, daß die Soldaten nur etwa 3,30 .-l für den Monat erhalten, so kann man sich denken, welcher Leistungen sie fähig sind. In zerlumptem Zustande, sich: man sic nicht selten, oft betteln sie und dienen als Arbeiter Privatleuten. Die Korruption im Heere ist hauptsächlich der Ausbeutung der Untergebenen durch die Vorgesetzten zuzuschrctbcn. Die Sollstärke des Heeres beträgt 80 Regimenter Infanterie zu etwa 800 Mann und eine Kosakenbrigade, die von russischen LeipMer Lagedlatt. Offizieren und Unteroffizieren ausgebildet wtzrd. Die Brigade zählt etwa 300 Mann Infanterie, die zeitweise beritten gemacht werden, 250 Mann Kavallerie und 500 Mann Artillerie. Sie stellt hauptsächlich die Macht dar, aus die sich der Schah stützt. Ferner steht in JSpaban ein weiteres Kosakenregiment in der Stärke von etwa 100 Mann. Die unregelmäßige Kavallerie wird auf etwa 12 000 Pferde veranschlagt. Zu ihr gekört auch die Leibwache des SchahS (drei Regimenter Ghülainf, die etwa 1500 Mann zählen. An Artil lerie sind 18 Regimenter und 13 Halbkompanien, sowie 2 Kosaken batterien vorhanden. Neuerdings hat der Schah mehrere Abteilungen Maschinengewehre augeschafft, auch sind etwa 200 gezogene Geschütze auS aller Heren Länder vorhanden. Im ganzen soll die Stärke des „regulären" Heeres etwa 70 000 Mann betragen. Es besteht weder eine Wehrpflicht noch eine bestimmte Dienstzeit, auch Vorschriften für Aus- Hebung und Entlassung sind nicht vorhanden. Im allgemeinen hat sich der Brauch herauSgebildet, daß die fünf nördlichen Provinzen die Mannschaften für die Infanterie und Artillerie stellen, während die übrigen sechs Provinzen, die meist von Nomaden bewohnt werden, die irreguläre Kavallerie füllen. Deutsches Reich. Leipzig, 27. Juni. * Ter Bun-eSrat stimmte dem Entwürfe von Bestimmungen über die Statistik de« Verkehrs unv der Wasferstände auf den vrutfchrn Wasserstraßen, der Vorlage betreffend Abänderung der Verordnung über da« Verfahren und den Geschäftsgang des Aufsichtsamte« für die Privatversicherung und der Vorlage wegen Zulassung von Börsentermin- gefchästrn in Anteilen von Bergwerks- und Fabrikantennnter- tiehmungen zu. * Au« Eulenbm--Prozesse erhalte» wir folgende Information: Daß der Prozeß gegen den Finsten Eulenburg am nächsten Montag erst um 11 Uhr vormittags beginnen wird, ist darauf zurückzusühren, daß der Fürst, der sich an Morphium gewöhnt hat, am Morgen in einem Zustand zu sein pflegt, der eine VerhandluiigSfähigkrit aus schließt. Da übrigens der Fürst durch die Aufregungen, die für ihn feit dem ersten telegraphischen Berichte feines Anwalts über den Münchner Prozeß nicht ausgehört haben, nervös sehr heruntergekommen ist, werden die Verhandlungen jeweils nur vou kurzer Dauer sein. Man rechnet mit einer dreistündigen täglichen Verhandlung und einer Woche DerhandlungSdauer Die Oeffentlichkeit dürfte wahrend des Verfahrens nur scbr selten unv auf iurze Zeit ausgeschlossen werden. Wie wir werter mstteilen können, ist es eine Zeitlang zweifelhaft ge wesen, ob Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel selbst die Anklage vertreten würde. Er selbst hat von Anfang an dielen Wunsch gehegt und ibn so energisch vertreten, daß man ihm schließlich willfahren hat. Der Ober staatsanwalt dürfte im Lause der Verhandlungen oder im Plädoyer wohl einiges über die Art und Weife Mitteilen, in der ihm Fürst Eulenburg die Ueberzeugung von seiner Unschuld zu suggerieren wußte. Man wird daun leichter verstehen lönuen, wie es kam, daß er sich über alle Verdachtsmomente binwegsetzle, die für die Schuld des Fürsten Eulenburg zu sprechen schienen. Der hat wohl bei dem hohen Spiel, das er spielte, keinen Einsatz gescheut. Ancb von einem Ehrenwort, das er gegenüber dem Kriminalkommissar v. TrcSkow abgegeben haben soll, dürste im Lause der Verhandlungen wohl die Rede fein. — Vor einiger Zeit hatten wir berichtet, daß ein im Eulenburg-Prozeß als Zeuge geladener früherer Diener des Fürsten sich der Vernehmung durch die Flucht entzogen habe. Zn dieser etwas dunkeln Angelegenheit wird der „B. Z. am Mittag" noch aus Stettin telegraphiert: Der in dem Stettiner Vorort Pode- juch vermißte frühere Diener Prechter, der, nachvem er zwei Vor ladungen — eine schriftliche und eine telegraphische — zu dem Eulenburg- Prozeß erhalten bat, plötzlich spurlos verschwand, ist bisher nicht nach seinem Wohnsitz znrückgekehrt. Der Vermißte, der sich als früherer Diener ein hübsches Vermögen erworben haben muß, halte sich in Podejuch als Rentier niedergelassen. TaS luxuriöse Auftreten teü Mannes erregte in dem Orte Aufsehen. Da der Verschwundene über sein Grundstück keinerlei Bestimmungen getroffen hat, tonnen die Mieter in dem Harise nach Gutdiinlcu schalten nuv walten. * Ter Erlös ans Beitragsmarken der 3l deutschen Versicherungs anstalten betrug im Mai d. 9. 13,52 Millionen Mark gegen 13,25 M. im Mai 1907. Uebcr eine Million Mark wurden in drei Versicherungs anstalten vereinnahmt und zwar 1,7 Million Mark in der Rheiuproviuz, 1,3 Million Mark im Königreich Sachse» und 1,04 Million Mark in Schlesien. — An Renteuzahlungen und BeitragSerstaltungen wurden im April d. I. rund 12,3 Millionen Mark geleistet und zwar cm Invalid en - Tounabertd, 27. Jrmi 1908. reuten 10,05 Million««, an Krankenrenle» 0,3 Million au Altersrenten 1,3 Millionen und «m BeitragSerstattungeu 0,7 Million Mark. Im vor- jagrigen April wurden für die gedachten Zwecke ausgrwendet rund 12 Millionen Mark. * Ltekknechl« abgelrhnte» Urlaubsgesuch. Die telegraphische Ant wort des OberreichSanwaltS auf da« Gesuch Liebknecht« war an die Kommandantur in Glatz gerichtet und hatte folgenden Wortlaut: „Gesuch de« Festungsgesangenen Rechtsanwalt Liebknecht, ihn für die Zeit vom 2k. bi« 28. dieses Monats zu beurlauben, wird abgelehut, da ausreichende Gründe für eine Unterbrechung der Strafvollstreckung nicht vorliegen. Ich bitte dem dies Liebknecht zu eröffnen. Obetreich^anwalt Zweigert." * Tte IunggescUeusteuer ein Witzk Eine Persönlichkeit, die zu den Gästen der „Ozeana" zählte und sowohl die Rede wie auch die späteren Aeußerungen des Kaisers mit anhörte, erklärt dem ,D. T.*, daß die, Bemerkung des Kaisers, die auch gleich von der Versammlung mit großer Heiterkeit ausgenommen wurde, nichts weiter war und sein sollte als ein Witz." Daß diese Auffassung zutrifft, habe sich noch besonders aus einem Nachtischgespräch ergeben, in dem der Kaiser ans seine Be merkung zurückkam und keinen Zweifel daran ließ, daß es sich um einen Scherz gehandelt habe. * Ein Bciipicl polnischer Agitation. In einem längeren Arti'el de« „Kurier Poznanski* werden die Zoppot besuchenden polnischen, namentlich aus Warschau staiumeuven Badegäste ausgeforvert, durch Vcrteiluug polnischer Schriften und durch tägliche polnische Konversation die Polonisierurrg der kassubischen Kinder zu fordern. * Eine internationale Konferenz für Automotztlwcfen. Der französische Ministerrat bestimmte, einem Pariser Telegramm zufolge, daß die Regierung eine internationale Konferenz zusammenberusen solle, um Leu Automobilverkebr zu regeln und zu erleichtern. Die Konferenz wird zu gleicher Zeit mit dem internationalen Kongreß für Wegebau in Paris znsammentreten. . Deutsch« Kolonien. * Tiamauteu in Tcutjch-Luowestafrika. In Berlin lies die tele graphische Meldung des Gouverneurs von Deutsch-Südwestafrika ein, daß an der Bahn Lükeritzbucht—-Kectmawshop von einem dort arbeitenden Geologen kleine Diamanten gesunden worden seien. Nähere Details fehlen noch. Der Ausdruck „au der Bahn" dürste im weiteren Sinne des Wortes zu verstehen t«n, auch soll, laut des „Berl. L.-A." Erkundungen an maßgebender Stelle, noch nicht feststehen, ob und wieviel Les Diamanten fübrcuden TernainS »och Negierungsland resx. bereits iu andern Besitz übergegangen ist. Wahrscheinlich dürfte es Dr. Range sein, der den ersten wirklich bestätigten Diamantensund in Deutsch-Südwc» gemacht hat. Anslanö. Italic»». * Tie Ltrciktust in der Provinz Parma ist noch nicht erloschen. N v in , 26. Juni. (Telegramm.) Der Ausstand der Land arbeiter im Parmcnslschen ist, wie bereits gemeldet, ohne formelle Beendigung im Abflauen, und die Erntearbeit ist ziemlich im Gange. In der Stadt Parma droht ein neuer gewcrv- licher Streik als Antwort auf die gestern begonnene Aussperrung in vielen Fabriken. Tie Arbcitskammer triumphiert über die als glän zender Sieg gefeierte Erzwingung der Rückgabe ihrer Lokale und droht mit Forderungen der Lohnerhöhung, falls die Aussperrung fortdaueri. Acht Ausständige wurden gestern wegen Steinewerfens gegen einen Eisenbahnzug mit Arbeitswilligen zu Gefängnis bis zn sechs Monaten verurteilt. Die in Bologna, Spezia, Pisa, Neapel nnd Nom geplanten Prote st aus stände sind ge scheitert. In L i v o r n o führten heftige Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Arbeiterschaft zu Gewalttätigkeiten, Krawallen und Verhaftungen. Frankreich. * Politische Komödien spielten sich im Senate ab. P a r i s, 26. Juni. (Telegramm.) Im Konferenzsaal des Senats spiesten sich gestern während der Stimmenzählung über die Verstaat lichung der Äestbahn allerhand Komödien ab. Solange man glaubte, Feuilleton. Richard Wagner nnd Gustav Adslph Aietz Am Mittwoch starb zu Leipzig als Sljähriger der Bildhauer Gustav Adolph Kietz, einer der letzten von Richard Wagners Vertrauten. Als Siebzehnjähriger betrat Kietz, der in Dresden bei Rietschel sich ausbildete, des Meisters Haus, kurz vor der ersten Anf- sühritna des „Rienzi", und berichtete über feine Besuche nach Hause: . Ich gehe jetzt oft zu Wagners und bin gern bei ihnen; es sind prächtige Leute." Später wurde Kietz an bestimmten Wochentagen der regel mäßige Tischgast Wagners, und wie hoch er diesen Verkehr zu würdigen wußte, beweist eine andere Briesstelle: „Wagner hat sich meiner «n geistiger Beziehung auf das teilnehmendste angenommen, er ging aus meine Fragen ein, regte mich nach allen Seiten hin an, lieh mir Werke aus seiner Bibliothek; kurz, ich bin ihm zeitlebens dankbar gewesen für das, was er mir in meiner Jugend war. Die in feinem Hause verlebten Stunden sind die schönsten meiner Jugendzeit; er wurde immer berz- licher im Umgänge, war immer voll heiteren, sprudelnden .Humors." Die Aufzeichnungen, Briese und mündlichen Mitteilungen des Bildhauers Kietz, dem wir jene wundervolle, in ihren Zügen wahrhaft dem Leben abgelauschte Büste Richard Wagners verdanken, enthalten ungemein Wertvolles über den Meister und seine Umgebung. Der innge, für alles Bedeutende so überaus empfängliche Künstler lernte lenen Zauber kennen, der damals von Werken wie „Rienzi nnd „Der ^liegende Holländer" ausging, erlebte die denkwürdige Ausführung der Beethovenschen „Neunten Sinfonie" unter WaHiiers Leitung in Dres den und gewann im Hause wie auch gelegentlich des und jenen, in Dresdens schöner Umgebung sraitgehadten Sommerausenthcilts viele Einblicke in des Meisters Privatleben,- seine Gepflogenheiten und „Menschlichkeiten" deren nicht wenige ihn in so schönem Lichte er- 'chcinen lasten. Dankbare Erinnerung veranlaßte die Familien Kietz- Geisbcrg, das seinerzeit von Wagner in Groß-Granpe bei Dresden be wohnte Haus im Sommer 1891, dem Jahre der ersten „Lohengrin"-Aus- nihrung in Bayreuth, mit einer marmornen Gedenktafel zn schmücken. Gegen Kietz äußerte sich Wagner nicht selten und unumwunden über seine Pläne und was sonst sein Inneres bewerte. Kurz nach Vollendung der „Lohengrin"-Partitur sagte er, er trüge sich jetzt mit Ideen zn einem neuen großen Werke aus der deutschen Mythologie, „er fürchte aber, es werde ihm dazu an Muße schien, ja daß er überhaupt schon zu alt dazu sei; er hätte es in jüngeren Jahren unternehmen müssen." Dieses Werk aber war der Nibelungen-Mythus, von dem Wagner zunächst die Dich- iung zu „Siegfrieds Tod" vollständig ausgesührt hatte. Kietz erhielt, wenn er „nichts Besseres zu tnn habe'', von Wagner die Einladung, der ersten Vorlesung Les Gedichts in Wagners Behausung bcizuwvdnen. Tie anderen Gäste waren der Architekt Semper, Ehordirektor Fischer, Bülow, Ritter u. a. Nach der Vorlesung sprach sich Wagner selbst noch über die Art und Weise der musikalischen Behandlung seiner Dichtung cm». Und als Wagner Beethovens „Neunte" zum dritten Male dirigiert hatte, gehörten zu seinen Zuhörern Hans von Bülow und der Russe Bakunin, der trotz aller ihm drohenden Verfolgung und Gefahr das Konzert besucht hatte nnd, wie Wagner Kietz erzählte, in die begeisterten Worte ausgebrochcn sei: alles werde zu Grunde gehen, nichts mehr bleiben, nicht nur die Musik, auch die anderen Künste, nur eins werde ewig bleiben und nicht vergehen: die neunte Sinfonie! Wertvoll sind auch die Aussprüche Kietz' über die Vorgänge während der Revolution in Dresden, die er selbst als Mitglied der „Akademischen Legion" erlebte. Auch ans dem von Kietz Mitgeteilten geht evident Her oer, daß Wagner sich an senen Vorgängen nicht eigentlich beteiligt hat Auch in Bayreuth blieb Kretz selbstverständlich im engsten Kreise, her sich um den Meister gebildet batte und wußte in seinen Erinnerungen aar manchen charakteristischen Zug dcS gemeinsamen Lebens mjtzuteilen. Wagner stellte feinen Freund auch den Angehörigen de- au» Bürgermeister, Rektor, Professoren und Regierungsveamten bestehen- den Stammtische« vor, jenes „historisch - politischen -tzrSnzchen-*, Seit dem Jahre 1861 bereits mußte jeder Teilnehmer dieser tleinen Gesellschaft den ersten Trunk aufs Wohl des Deutschen Kaisers tun. Erst zehn Jahre sväter aber konnte dieses in Wirklichkeit geschehen! Die Besuche des Bildhauers in Bciyrcuth mehr ten sich. Auch wurde ein Zimmer der im Bau begriffenen Villa Wahn- fricd als Atelier hergerichtet, fo daß Kietz mit allem Rechte von sich sagen durfte, er sei der erste Besucher dieser denkwürdigen Stätte gewesen. Wagner kam täglich zur „Sitzung" und mochte dem Künstler die Arbeit zuweilen recht durch seine Späße, Grimassenschneiden und Singen er- schweren. Diese Sitzungen wurden aber zuweilen abgekürzt, wenn schlechtes Wetter den Aufenthalt im Neubau gar so unbehaglich machte. Man zog dann vor, „zu Augermann" zu gehen und Weibenstepban zn trinken. Nachdem Kietz' Arbeit bis zum Gypkabguß nach dem Modell fortgeschritten war, stand auch WagnerS Gattin Cosima dem Künstler Modell. Es sei hier auf die Kietzschen „Erinnernngen" selbst verwiesen, die eine Unmenge von allerliebsten, von belehrenden und Wagners Leben und Umgebung charakterisierenden Einzelheiten bringen, wie sie eben im Verkehr des tagtäglichen Lebens erschaut und erlebt wurden. .Zum Schlüsse sei noch mitgetcilt, wie Kietz Wagners „Parsisal"-Dichtung kennen lernte. Des Bildhauers Bericht kautet: „Nach Tisch sollte Wagner lesen. Frau Cosima sagte: Richard, du wolltest uns doch den „Hamlet" zn Ende lesen. Ach nein, entgegnete er, das kann ich beute nicht, die beiden letzten Akte greifen mich zu sehr an — was machen wir nur? Er suchte nach einem spanischen Dichter und Werken von Felix Dabu. Plötzlich sagte er: Halt, ich weiß es. Als er wieder aus seiner Bibliothek trat, hatte er ein Buch in Quartformat in der Hand. Es war das Buch, ein Geschenk seiner Frau, in welches er den Entwurf zu „Parsisal" geschrieben. Wagner las — ich bin überzeugt, daß es das Schöilste ist, was je gedichtet. Und w i e las er die Dichtung vor! Man sah alles plastisch vor Augen und wurde vom tiefsten Leid ergriffen: cs ist etwas Unsagbare-! Als er geendet, saßen wir alle stumm, du nie- niand vor Ergriffenheit eines Wortes fähig war. Da stand Wagner auf, öffnete den Flügel und spielte, um uns gleichsam aus dem Bann zu lösen, den „Jungfcrnkranz"! Aber so zart, mit einer solchen Innigkeit nnd Lieblichkeit, daß cs mir klang, als wären noch neue .Harmonien mit ein verwebt. Dann sagte er: Sehen Sie, lieber Kietz, ich kann nicht nur dichten, ich kann auch den Jungfcrnkranz spielen." 2. 8. * * Berliner Theater. (Berthold Helds Sommerdirektion der K a m m e r sp i e l c: „Gelbstern", Groteske in 3 Akten von Jacques Burg und Walter TurczinSkY.) ES war gut, daß die Autoren ihr Stück „Groteske" nannten. Sonst hätte ihnen niemand das Stück ge- glaubt. Denn es ist voll von Unwahrheiten. Ein einziger von allen, die hier agieren, wird als anständiger Mensch gezeichnet; die übrigen, Mann- lein nnd Weiblein, sind Schufte. Und das würde vielleicht doch nicht stören, wenn sie nickt von Hau« aus so angelegt wären, daß sie mit ihren Schurkereien selbst immer hcrauSplatzen. sich „allezeit" rühmend, Schufte zu sein. Und das eben scheint uns die stärkste Unwahrheit dieses Stückes. Nirgends wohl gibt es eine Gesellschaft von Schurken, die es allen, mit denen sie umgehen, direkt unter die Nase reiben, daß sie Schurken sind. Aber, wie gesagt: Burg und TurczinSky nennen ihr Konfektionsstück eine „Groteske", und damit haben sie sich einigermaßen reingewaschen, «sonst enthalten Liese drei Akte, die, wie schon telegraphisch berichtet, freundlichen Erfolg gehabt haben, manche lustige, schlagkräftige Szene, die einen lachen macht, und ein paar Karikaturen aus der KonfektionSbranchc, die nicht ohne Witz und mit wirksamer Sicherheit hingeschmissen sind. Da läuft sich zum Beispiel in dem Berliner Konfektionshause Bernius ein Jung, ling aus Rawitsch die Füße platt, der das Original eines Laufburschen ist. Spricht im Jargon und tut so, als ob er schon Chef wäre. Und dann ist ein anderer da, der Löwcnherz heißt, seines Zeichens Reisender ist, ein Witzbold und gerissener Junge zugleich. Auch sein Freund Törwuld, der Prokurist, steht ihm in nichts nach. Und der Chef d«S Hauses? Er hat ein Verhältnis mit einer seiner Konfektioneusen, hat aber da« Pech, daß sie ihn mit Dörwald und Löwenherz betrugt. Den Dörwald liebt sie sogar. Aber der ist zu „ehrgeizig", um ernste Absichten zu haben. Er will hoher hinaus, möchte Chef werden. Und da gibt ihm Löwenherz zur rechten Zeit einen guten Tipp. Bernius' Tochter hat nämlich mit ihrem Chauffeur „geschwärmt", und nun glaubt sich Dörwald für den richtigen Mann, ihr Gatte zu werden. Bernius willigt ein. Aber der „Gelbstern", der Dor wald liebt, schwört Rache. Fränze, die Konfektioneuse, erzählt ihrem Chef, nachdem er sie mit 30 000 „abgefnnden", daß sein zukünftiger Schwiegersohn ihn betrogen habe. Und das läßt sich ein Ehrenmann wie Bernius nicht bieten: die Verlobung geht in die Brüche und das Trifolium Dörwald, Fränze und Löwenherz fliegen ins Freie. Dörwald und Löwen herz aber sind solche Charaktere, daß sie jetzt um FränzeS Hand anhalten. Wen von beiden sic nimmt, ist einerlei. Denn die Hauptsache bleibt, daß sie ihnen die 30 000 -St zur Gründung einer „Konkurrenz" zur Verfügung stellt. Und Fräpze wird auch besiegt. Sie wird Frau Dörwald und Frau „Chefeusc" . . . Lauter ehrsame Menschen also. Ein einziger bloß ist »in ehrlicher Kerl, und der ist ein blutarmer Agent, der immer wieder, wenn er den Musterkoffer zeigen will, aus dem Geschäft gewovfen loird. Schildkraut spielte diesen prächtigen Menschen mit wundervoller Dis kretion. Auch die übrigen Mitwirkcnden waren gut. Brillant ein Herr Gottowt als Jüngling aus Rawitsch. Die beiden Autoren wurden wiederholt gerufen. ck. * Karlsbader Mo;art-Festspiele. Bei den im Karlsbader Stadttheatcr in der ersten Hälfte Les nächsten Monats stattfindenven Mozart-Festspielen werden, wie nnS von dort geschrieben wird, folgende Künstler mitwirken: Lilli Lehmann, Frau Herzog, die Herren Jörn und Lieban von der Kgl. Hofoper in Berlin; Egeniess von der Berliner komischen Over; Frau Hilgermanu, Maikl, Moser, Lucy Weidt von der Hofoper in Wien; Boseki und Sieglitz von der Kgl. Hofoper in München; die Herren Rapp und Schreiber vom Stadttheater in Leipzig. Außerdem wird man MitglleLer der Opernbühnen Hannovers und Kölns bören können. * Hochfchulaachrtchten. An der Universität Halle sind die Privat- dozenten Dr. Phil. August Schulz und Dr. Phil. Ernst Küster, sowie Dr. jur. Amtsrichter Fleischmann zu Professoren ernannt worden. — Die Robert-Koch-Stistung bat nunmehr die landesherrliche Genehmigung er halten. Der Borstand setzt sich anS elf Mitgliedern zusammen. Es sind Robert Koch selbst, der das Recht hat, sich einen Nachfolger zu bestellen, dem wieder die gleiche Befugnis zusteht; weiter ein vom Kaiser ernanntes Mit glied, dann der Präsident deS ReichSgesundheitSamteS, der Direktor des Instituts für Infektionskrankheiten, je ein Vertreter des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, LeS ReichsausschosseS für ärztliches FortbildungS- weseu, LeS Deutschen AerztevereinSbundeS und vier vom Vorstande gewählte Mitglieder. Das Stiftungskapital beträgt zurzeit 900 000 — An LaS Pharmakologische Institut der Berliner Universität ist Privatkozent Dr. Friedberger» Assistent am Hygienischen Institut zu Königsberg i. Pr, al« Leiter der Abteilung für experimentelle Therapie berufen worden. * Kleine Chronik. Am Mittwoch, den 1. Juli werden Käthe Franck- Witt und Anton Franck im Leipziger Schauspielbause in dem französischen Lustspiel „Der Hausfreund" ein längere- Gastspiel, und Herr Kurt Junker, dem es gelungen ist, sich von bereits früher »ingegangenen Sommer- Verpflichtungen zu befreien, einer Einladung der Direktion Folge leistend, rin kurzes Sommcrengagement antreten. — Die Gemäldegalerie des Kaiser - Friedrich-MnseumS in Berlin hat eine große FelSIandschast LeS Neapoli taner« Salvator Rosa erworben, von dem die Galerie schon einen „Leesturm", eine« seiner selteneren Motive, besaß. — In einer Auktion bei Lhristie in Loudon wurde ein Turner, die „Mortlake Terrasse", zum RekordpreiS von 264 600 ^1 verkauf». Der „Sturm" brachte 115 500, der „Morgen nach dem Sturm" 161 700 — „Unsere alte Gnädige" betitelt sich eine neue Komödie von Gustav Wied, die am Berliner Kleinen Theater anfang nächster Saison zur Aufführung gelangt. — Gustav Davis »ud Felix Dörmaun haben sich zn einer gemeinsamen Arbeit vereinigt. Sie schreiben eine im sechzehnten Jahrhundert spielende Komödie für das Wiener Bürger theater. (Kritik siehe 3. SciteI inst alle der rnn dad der So nal Te die son lo« licl Ve un! nai ver odc Gr Re mä gek m« vei sei Bc rii St wi mc lir
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)