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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080617015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908061701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908061701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-17
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
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BezuflS-Preit »r ,n» »>ok»rl» durch »ns«» Itt-«r »ad bvrdile«, w« Ha»d ^drachti Ua«4»I>» L <»»r »wr«»«) ttrrttljttzrltch S «., wMiarlich t U»d-a!x I (moro»»4 und abrnd«) vtrttri- ttdrlt» 4.S0 M.. maaatlich !.«) M. D«rch dir »oft ,» de,leben: fl »al Itzllch» innerhalb Deutichlandl und der deutichen Kalanira vierreljthrlich L,2ü M., monatlich I,7b M. »urjchl. Poft- bellellgekd, lür Oesterreich v L S8 v, Uuaarn v L aierteljLdrlich. gaener t» vel» gn», DLnemarl, den Danaustaaien, I lalle», Luremdur,, iltlederland«, Rorwegen, Ruß land. Schwede!^ Schwei, an» Spanien. In alle» üdeloen Staaten nur dirrki durch dt» Lxved.». «l. erb»lkllch. «dlmawnent-Annabme, Lug»ft»«platz 8, bei unlenn LrLaern, gUialen, Spediteure» uad Lnnavmestellen, iowt« Postimtern »»» iSrlellrLgern Lt» «l«i»Inr Nummer kostet bst VkA. ledaktio» und «rv«ditto»: .tovannilgaste 8. releobo» Nr. I«S9L «r. IE. Nr. I46S». Morgen-Ausgabe v. eiMgerTagMaü Handelszeitung. Ämlsvlatl des Rates und -es Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Avzeiqev-Pre»» ch» Jnlerai« aue t!eu>»t- und Um,«d»», bt» stgeipalten» BettlMl« 2L Vl-, stnaa»>rll« Inpela«» St) >i., Reklame» I M.; »»» »»»«an« SV V1-, Reklamen I.Ll M.: damKlallandSVPi., stoan,.kln^,ra75Pt.. Reklamen I^v il». Inserate».«ehoroe» n »miliche»r«tl40Vi ve,lag«ardadr HM.», lauieno exkl. Pvst- aebüdc. »elchäikeon^igen an b«ror»u»Irr Stelle im Prelle erbSht. RadaN nach Larn gefterteUke «uitrtge künnen nicht »urück- ae^ogen werden. Astr da» itrlcheinen an beNlMmten Lagen und PlLhen wir» kein« iSaranti» üdernommen Anzeigen, «nnahinet Aa,uft»«»l»tz 8, bet simtlichen Filialen u. allen Annonee». Elpedmonen de» In« und Äaslanded. Hanvt-Stllal» vrrlt»! Carl Duniter, Oerzogl. ivagr. H es buch« dandiung, Lützmostrake Ist. iTeievhon VI, Nr. LliOZ), chaupt-Siltale Lredde»! Seeslrahe 4.1 (Lelevdoii 4621). Nr. 186. 102. IahMN. Mittwoch 17. Juni 1908. Da» Wichtigste. * Der Kon Fr eß für gewerblichen Rechtsschutz hielt gestern seine erste und zweite Arbeitssitzung ab. (S. d. bes. Art.) * Das Finanzgesetz für die Jahre 1908 und 1909 ist vom König vollzogen worden und wird veröffentlicht. sS. Dtschs. R.) * Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Gesetz zur Ergänzung der Gesetze betreffend die Postdampfschiffahrtsverbindun gen mit überseeischen Ländern. * Der württembergische Minister des Innern er- klärte in der Kommission der Zweiten Kammer, der Entwurf einer neuen Wegcordnung werde den Ständen nicht so bald zugehen, weil der Staat die entstehenden Mehrkosten in Höhe von einer Million bei der gegenwärtigen Finanzlage nicht tragen könne. * In Görlitz trat unter zahlreicher Beteiligung von Gastwirten aus ganz Deutschland der 35. Deutsche Gastwirtstag zu wich- tigen Beratungen zusammen. sS. Neues a. a. W.) * Wie verlautet, ist Termin in der Schwurgerichtsver- Handlung gegen Für st Eulenburg wegen Meineids und Ber- leitung zum Meineid auf den 29. Juni onberaumt * Die Wiedereröffnung der österreichischen Hoch schulen ist für Freitag in Aussicht genommen. sS. Ausl.) ' Die französische Regierung will angeblich gegenüber Muley Hafid Neutralität bewahren. sS. Ausl.) Die tage. Man muß über die internationale Lage sprechen, da es keinen Zweck hat, den Kopf in den Sand zu stecken. ES ist kein Zweifel mehr daran möglich, bah der Kaiser in Löbe- mH im Kreise seiner Generale und, wie man unwahrscheinlicherweisc behauptet, in Anwesenheit fremder Militäraitachvs, eine Anrede ge halten hat, die in den Worten gipfelte: „Sic sollen uns nur kommen!" Der wörtliche Text läßt sich natürlich nicht völlig genau feststellen, uno so sind die offiziösen. Organe, wenn es nottut, in der Lage, »en De- menticrapparat spielen zu lassen. Aber, wie gesagt, an der Tatsache selbst ist nicht mehr zu zweifeln. Es ist um so weniger ein Zweifel möglich, als in engeren politischen Kreisen bereits seit einigen Tagen die Kunde ging, daß der Kaiser eine Rede halten wolle, die die Situa- tion prägnant zusammcnfassen werde. Es würbe viel darüber hin- uno hergestrittcn, ob jetzt ein kriegerischer oder ein friedlicher Ton wirk samer sein werde, schließlich aber neigte sich die Mehrzahl der Politiker, die von dieser Absicht unterrichtet waren, der Auffassung zu, daß es am besten sein werde, wenn gar nicht gesprochen werde. Es gibt eben Situationen, so eigenartig, daß die Wirkung von Reden nicht sicher zu berechnen ist und daß nur Handlungen helfen können. Wie auch der Inhalt der Besprechungen sein mag, die jüngst zwischen dem Zaren und dem König von England gepflogen worden sind, so läßt sich doch nicht leugnen, daß beide Herrscher nach.außen die Ab sicht betont haben, den Frieden zu erhalten. Das bat auch ein offiziöses Organ, die „Süddeutsche Neichskorrespondenz", anerkannt und hervor gehoben: der Stimmungsmache gegen Deutschland sei auch nicht der kleine Finger gereicht worden. Bor dem Besuche des Königs Eduard hatte der Ton der russischen Presse uns gegenüber beinahe alles zu wünschen übriggelassen, unmittelbar nach der Zusammenkunft aber mäßigte sich die Tonart ganz auffallend und es Word klar, daß von oben herab die Parole ausgegeben war, Deutschlands Empfindlichkeit zu schonen. Da sich also gegen die Haltung der Monarchen nicht das Ge ringste einwenden ließ, da beide ihre friedlichen Absichten stark betont hatten, so kann man im Zweifel sein, ob es nützlich war, den Schleier zu zerreißen und offen von kriegerischen Absichten der anderen Mächte zu sprechen. Wir können dadurch gewissermaßen wieder als der böse Nachbar hingestellt werden, der auch den Frömmsten nicht rn Frieden leben läßt. Das Sicherste in solchen unbehaglichen Situationen ist es jedenfalls, sich das Seinige zu denken und auf das Aeußerste vorbereitet zu sein. Es ist ferner für uns unbequem, daß die Worte des Kaisers mit den offiziösen Kundgebungen, die vom Auswärtigen Amt und in letzter Linie vom Fürsten Bülow ausgingen, sehr scharf kontrastieren. Man braucht mit der Schönfärberei, die unsere Offiziösen üben, keineswegs einverstanden zu sein, auch deshalb nicht, weil dabei zu grob vorgegangen wird und die Dekorationen mit dem Maurerpinsel hingestrichen wer den —, aber da nun einmal die Losung ausgegeben war, auch aus dieser Blume nur Honig zu saugen, so wäre es wünschenswert gewesen, daß der Kaiser sich nicht in einen kaum überbrückbaren Gegensatz zu unserer amtlichen Politik gestellt hätte. Die offiziösen Auslassungen erblickten bekanntlich in der Zusammenkunft von Reval so wenig ein Bedrohung des Friedens, daß die „Süddeutsche Reichskorrespondenz" schreiben durfte, aus den Trinksprüchen der Herrscher scheine die aufrichtige Bereitwillig, keit hervorzuleuchten, die Sonderwünsche Englands oder Rußlands an den Punkten zurücktreten zu lassen, wo die Ruhe Europas und der Welt gefährdet werden könnte. Nach außen hin erscheint es nunmehr wieder, als ob unsere auswärtige Politik doppelköpfig geleitet werde und in so schweren Zeiten, wie die es sind, in denen wir leben, ist dieser Eindruck nicht erfreulich. Die Wirkung der Kaiserworte ist nicht zu berechnen. Aber es ist schließlich ja auch möglich, daß sie troddem nützlich wirken. Seitdem Eduard der Siebente beim Frühstück zu Delcasse die Worte äußerte: „Hunde, die bellen, beißen nicht!" Seitdem hat sich im Alande die Vorstellung eingenistet, daß Deutschland alles hinnehmen werde, ehe es zu einer Mobilmachung schreite. Ein solcher Wahn ist natürlich nicht ungefährlich, denn gewisse Mächte könnten überrascht sein, wenn sie unsere Langmut überschätzt und unS die Waffe in die Hand gezwungen haben. Aus der Ansprache des Kaisers wird daS Ausland jedenfalls ersehen, daß die deutsche Geduld auch eine Grenze hat. Eine derartige Mahnung ist aber entschieden angebracht, denn nachgerade gefallen sich die französischen Blätter in einer Tonart, der ein Dämpfer nottut. Der Friede wird immer noch dann am ehesten gesichert, wenn unsere Nach- barn wissen, daß wir mit der Hand am Schwerte bereit stehen. Freilich dürfen wir auch nicht vergessen, daß das Ungeschick unserer Politik zum guten Teil die Lage erst ermöglicht hat, in der wir uns jetzt befinden. Ehe nicht unsere maßgebenden Männer zu der Erkenntnis kommen, daß die deutsche Politik ruhiger und einheitlicher werden muß, eher ist keine Besserung möglich. Indessen ist der Augenblick ernst genug, um über Differenzen zur Tagesordnung iiberzugehen. Und die lautet, wie immer: Für Kaiser und Reich! Zur Wahlrechtssnche. Wir brachten dieser Tage eine von dim Vorsi»tnden der national- l'beralcn Fraktion der Zweiten Kammer ausgehende »rkläruug. die sich gegen den jüngst in der „Nordd. Allg. Ztg. erschienenen Artikel über den Stand der Wahlrechtssoche wendet. Auch da-! vom National liberalen Landesvercin herausgegebene „Vereinsblo.lt" bescyäOjgt sich mit den Auslassungen des Dresdener Briefes der „Nordo. Allg. Ztg.". Es hebt zunächst die Tatsache hervor, daß «um ersten mal seitdem überhaupt Resormversuche aufgestellt wurden, eine Mehrheit für einen Wahlrechtsvorschlag in der Zweiten Kamm.'r zustande kam. Diese Tatsache könne die Regierung unmöglich umerichätzen. Daun heißt es weiter: „Wollte die Negierung jetzt Fleiß und Mühe darauf verwenden, die mühsam genug zusammengebrachtc Mehrheit auscinanderzutreibcn, nur weil es nicht gerade ihr Weg ist, der gegangen werden soll, so würden wir das für eine recht bedenkliche Politik halten. Auffallender weise hat es ein „privater Mitarbeiter" der „Nordd. Allgem. Ztg." für richtig gehalten, diese Politik des Auseinandertreibens zu empfehlen. Er möchte dem Grafen Hohenthal bcispringen, möchte ihm Mut macken zu einer kühnen Tat, zur Auslösung des Landtages. Bezeichnend für seine Auffassung ist der Satz: „Indessen scheint heute schon ziem«, lich klar, daß dieser Äermittlungsvorschlag (nämlich das Kompromiß) nicht zum Ziele führen wird, denn er bedeutet im Grunde nichts ande res, als eine Niederlage der Regierung." Sie wird, droht er, die Konse quenzen ziehen. „Wenn also die Mchrheitsparteien sich nicht noch in letzter Stunde entschließen, der Regierung im Vertrauen aus deren staatsmännische Einsicht und ihren guten Dillen weitere Konzessionen zu machen, sc kann Sachsen mit großer Wahrscheinlichkeit darauf rech nen, daß es noch in diesem Jahre zu einer Landtagsauflösung komint." Der Ratgeber des Grafen Hohenthal meint dann: in diesem Falle werde die Regierung „fast alle Trümpfe in der Hand haben". Eine merk würdige Verkennung der Sachlage! Zunächst setzt der Verfasser seine eigene Beweisführung stark herab. Seine autokratische Logik, wonach der Vermittlungsvorichlag nichts taugt, weil er „im Grunde" nichts anderes bedeutet als eine Niederlage der Regierung, verstehen wir nicht. Wir meinen, die Sache entscheidet und nicht der Gedanke, daß eine Niederlage für die Regierung unerträglich sei. Wenn ein Wahlgesetz aus dem Willen des Parlaments hervorgeht, so ist das ein Geschehnis, das durchaus im Sinne der Verfassung liegt. Ueberdies handelt es sich doch jetzt lediglich um eine Ablehnung eines Gesetzentwurfs, die keines wegs ausschließt, daß die Regierung einen anderen ihr vom Parlament gebotenen Vorschlag übernimmt und unter ihrer Mitwirkung zum Ge setz erbebt. Tut sie das, so ist keine Rede mehr von einer Niederlage: dann hat sie einen Erfolg erzielt — dann bat sie ihr Versprechen, dem Lande ein neues Wahlgesetz zu schaffen, erfüllt. Es wird um so mehr Eindruck machen, je mehr sie alle Gefühle ausschaltet und für das End ziel ihre ganze Kraft emseht. „Fast alle Trümpfe" hat sic bei einer Auflösung des Landtages in der .Hand?! Es mag sein, daß die Herren Ämtshauptleute, wenn sie vom Grafen Hohenthal über die Aussichten eines Wahlkctmpfes befragt werden, dieser Meinung sind. Aber sie ist ganz sicher irrig. Fast alle Trümpfe! Wir meinen, das Spiel wird von einem Trumpf abhängen. Dieser Trumps müßte in der üherwältigenden Zustimmung des Volkes zu dem Wahlgesetzentwurf der Regierung bestehen. Nur dielen einen Trumpf brauchte sie und den hat sie nicht. Glaubt denn die Regierung, das Volk werde, nachdem die konservative, wie die nationalliberale Par tei im Landtage den Hauptteil ihres Gesetzentwurfs, die Wahl der Hälfte der Kammermitglieder durch kommunale Verbände, sofort ablebnten, dieses Urteil für Wind halten und eine Mehrheit in den Landtag schicken, die anders stimmt? Nein. Selbst wenn man annimmt, daß sich eine Anzahl Abgeordneter findet, die bereit wäre, sich mit der Regierung über die Einführung der kommunalen Verbände als Wahlkörper in be schränktem Maße zu verständigen — was hätte die Regierung gewonnen? Dieser Erfolg würde nichts nützen, denn noch viel sicherer« als dieses Ergebnis wäre auf der andern Seite die Verstärkung der entschiedensten Gegnerschaft. Dem Mitarbeiter der „Nordd. Allg. Ztg." dämmert diele Wahrscheinlichkeit ja auch stark genug, schreibt er doch zum Schluß: den größten Vorteil werde leider die Sozialdemokratie aus dem Wahl kampfe ziehen. Ja, warum droht er denn mit einer Waffe, deren Taug lichkeit er bei einiger Ueberlegung selbst bezweifeln mnß? Soviel ist klar: gebessert wird an der Sachlage mit solchen Drohun gen nichts. Bis aus weiteres zweifeln wir auch, daß Graf Hobentbal für das Dreinreden der „Nordd. Allg. Ztg." sehr dankbar sein wird. Für die nationalliberale Partei lehnen wir die Versuchung, durch hinter hältige Quertreiberei auf ihren eigenen Vorteil auszugehen, ausdrück lich ab. Sie hat an Mitarbeit das Mögliche getan und darum ist eine Auslösung für sie keineswegs der Schrecken aller Schrecken. Nur der Sache und des Zieles wegen wünscht ste den Fortgang der Arbeit, die — wir wiederholen das — bis setzt im Einklang steht mit dem Dillen der parlamentarischen Mehrheit." Justiz und fresse. Im neuesten Heft der „Deutschen Jnristenzeitung" veröffentlicht der Dresdner Staatsanwalt Dr. Wulfsen über das gerade in diesen Tagen überaus aktuelle Thema „Justiz und Presse" einen Artikel, der uns nachdrücklichster Beachtung würdig erscheint. Nicht nur, weil er das nicht eben häufige Schauspiel zeigt, wie ein Jurist, und ein Staats anwalt dazu, der Presse feinfühliges Verständnis entgegenbringt und seine Fachgenossen zum gleichen Verständnis auffordert. Auch um der fachlichen Vorschläge willen verdiente dieser Aufsatz kommentiert und weitergegeben zu werden. Dr. Wulfsen geht von der Auffassung aus: Justiz und Presse sind zwei Kulturfaktoren, die gleiche Ziele haben, die aber nur leider einander zu wenig kennten. Die Juristen hätten keine Ahnung von dem Apparat der Tagespresse: sie beurteilten die ganze Presse zu sehr nach den Reportern, die im Gcrichtssaal ihren Weg kreuz- ten; sie wüßten nicht, daß die Leistung des politischen Redakteurs an einem großen Blatt, des Kunst- und Theaterreferenten der amtlichen Tätigkeit des Richters, des Staatsanwalts und Verwaltungsbeamten gleichwertig sei und eine nicht alltägliche Befähigung dazu gehöre, den neuesten politischen, literarischen, künstlerischen Begebnissen aus der Stelle mit einiger Gründlichkeit gerecht zu werden. Und die Wider sprüche in den Aeußerungen der verschiedenen Preßorgaoe? Lieber Himmel! Auch die Urteile der verschiedenen Gerichte sind widerspruchs voll. Auch sonst hätten Presse und Justiz allerlei Gemeinsames: selbst in bezug auf Selbstbewußtsein und Veraniwortuna unterschieden sie sich sehr wenig. Darum, meint der Staatsanwalt Dr. Wulfsen, sollten zu nächst die Juristen sich mehr um die Presse kümmern. Sie sollten, wo fern sie über journalistische Begabung verfügten, nach bestandenem zwei ten Examen in der Presse Verwendung suchen. Dann würden sie leicht eine Ausbildung erlangen, die sie zu leitenden Stellungen (in der Presse, aber auch anderswo) befähigten. Und wörtlich: „Es wäre sicher zum Vorteile des Staates, wenn, wie im Aus lande vielfach geübt wird, in seinem Ministerium Juristen säßen, welche ihre Laufbahn durch die große Presse genommen haben. Da mit wäre der Zwiespalt zwischen Presse und Bureaukratie im wesent lichen beseitigt und das Ansehen der Presse und ihrer Vertreter gehoben." Das wäre schon möglich: sintemalen es in Deutschland noch immer so steht, daß ein Titel oder die Aussicht auf späteren höheren Aufstieg die Leute erst vertraulich machen. Dr. Wulfsen regt dann noch an, daß die Presse ihre Reihen künftighin mehr als bisher durch ausgebildete Juristen ergänzen möge. Die Presse müsse eine eigene sachverständige juristische Meinung haben, wie sie eben nur in der Presse ausgebildete Juristen vertreten könnten. „Gerade auf dem heute so wichtigen juristi schen Gebiet darf die Presse den Juristen nicht nur als Sachverständigen vorführen." Auch dieser Rat ist so übel nicht: nur werden sich, fürchten wir, hier hart im engen Raum die Sachen stoßen. Zum eigenen juristi schen Ressort wird cs nur bei wenig Blättern langen: in der Regel dürfte zudem der Nur-Jurist als Redakteur an Befchäftigungsmangel leiden. Frischer ins volle Menschenleben und, wie uns scheinen will, mit stärkerer Aussicht auf Erfolg, greift Dr. Wulfsen mit anderen Vorschlä- gen. Er rät, was von den Justizverwaltungen (ob nur aus menschen freundlicher Rücksicht auf eine vielgeplagte Menschenfchicht?) bisher ver absäumt worden ist, die Journalisten zum Laienrichtevamt, vor allem beim Strafprozeß, einzuberufen. Die Intelligenz am der Geschworenen bank würde dadurch einen Zuwachs erhalten: die Geschworenen würden dann vielleicht auch häufiger in die Beweisaufnahme eingreifea und so im Wettbewerb müßte sich zeigen, in welcher der beiden Mächte die wert vollsten Kräfte für Schaffung eines volkstümlichen Strafrechts und Strafprozesses bereit lägen. Auch die Notwendigkeit einer verbesserten Gerichtsberichterstattung würde bald allen einleuchten. Wozu wir be merken möchten, daß diese Notwendigkeit allen einsichtigen ZertunqS- leuten längst einleuchtet: weshalb die gewissenhaften und loyalen unter ihnen auch vor endgültigen Urteilen nur auf Grund der durchschnitt lichen Zeitungsrcferate zurückscheuen. Staatsanwalt Dr. Wulften schließt: „Justiz und Presse sind, wie wir gesehen haben, in Gegenwart und Zukunft Jnteressegenossinnen. Möchten ihre Vertreter dies recht bald verstehen, möchten sie freiwillig und berufsfreudig zueinander komme» und sich, wie es ehrlichen Streitern für die Ziele derfelben Kultur zu kommt, in gegenseitiger Achtung und Vertretung die Hand zu gemein schaftlicher Geistesarbeit reichen!" Ja, „möchten sie"! An der Bereitwilligkeit der Presse Wirch es, so weit wir die Dinge zu übersehen vermögen, nicht fehlen. Deutsches Reich. Leipzig, 17. Juni. * Das Finanzgesetz aus die Jahre 1908 und 1909 vom 15. Juni 1908 ist vom König vollzogen worden und gelangt im „Dresdn. Journal", sowie in der „Leipziger Zeitung" zur Veröffentlichung. Danach werden die Gesamteinnahmen und die Gesamtausgaben des ordentlichen Staats haushalts für jedes der Jahre 1908 und 1909 auf die Summe von 346214 925 sestgestellt und wird zu außerordentlichen Staatszwecken für diese beiden Jahre überdies noch ein Gesamtbetrag von 31 287 300 F ausgesetzt. Zur Deckung des Aufwandes für den ordentlichen Staats- haushalt sind, außer den den Staatskassen im übrigen in Gemäßheit des Staatshaushaltsetats zugewiesenen Einnahmen, auf jedes der Jahre 1908 und 1909 zu erheben: a. die Einkommensteuer mit den vollen ge setzlichen Beträgen (Normalsteuer), b. die Grundsteuer nach 4 Pfennigen von jeder Steuereinheit, e. die Ergänzungssteuer, 6. die Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehcn, «. die Schlachtsteuer, ingleichen die Uebergangsabgabe von vereinsländischem und die Verbrauchsabgabe von vereinsausländischem Fleischwerke, k. die Erbschaftssteuer nach Maßgabe der Dandesgesetze vom 13. November 1876 (G.- u. V.-Bl. S. 449), 3. Juni 1879 (G.- u. V.-Bl. S. 218) und 9. März 1880 (G.- u. V.-Bl. S. 16), soweit deren Erhebung nach 86 1 und 3 des LandesgesetzcS vom 5. April 1908 (G.- u. V.-Bl S. 134) und 6 61 des Reichserbschaftssteuer, gesetzes vom 3. Juni 1906 (RGBl. S. 654) noch stattfindet, x. der Ur kundenstempel. Alle sonstigen Abgaben, Natural, und Geldleistungen, die nicht ausdrücklich aufgehoben sind oder noch aufgehoben werden, bc- stehen vorschriftsmäßig fort. Die zu außerordentlichen Staatszwecken bewilligte Summe ist aus den Beständen des beweglichen Staatsver mögens zu entnehmen. Durch das gegenwärtige Gesetz erledigen sich die 68 1 und 3 des Gesetzes, die vorläufige Erhebung der Steuern und Abgaben im Jahre 1908 nsw. betreffend, vom 11. Dezember 1907 (G.- u. V.-Bl. S. 282 flg.). * Botschafter Hill beim Kaiser. Ueber die vorgestrige Audienz des neuen amerikanischen Botschafters Hill beim Kaiser gelegent lich der Ueberreichung seines Beglaubigungsschreibens meldet der „New I)ork Herald": „Der Kaiser war voller kleiner Aufmerksamkeiten für den Botschafter und fand lebhaftes Gefallen an den prompten Antworten des Botschafters auf die verschiedenen Fragen, die im Laufe des Ge spräches an ihn gerichtet wurden. Der Botschafter seinerseits empfing von der fesselnden Persönlichkeit des Kaisers, von seiner zwanglosen Art und von seiner überraschenden Kenntnis der amerikanischen Dinge einen großen Eindruck. Die Audienz trug den Charakter eines starke» gegen seitigen Interesses." — Warum auch nicht. * „Tte Antwort Keims". DaS Antworttekegramm General Keims an den Flottenverein in Danzig war nicht, wie eS fälschlich in der telegraphischen Uebermittelung lautete, aus Glogau, sondern, wie un» der dortige „Verein der ReichStreuen" mitzuteilen bittet, ans Glauchau datiert. Dort hatte General Keim vorgestern im genannten Verein bei einem von ca. 1000 Personen besuchten öffentlichen Volksunter haltungsabend einen Vortrag über „Nationale Pflichten" gehalten. * Preußische LnndtngSwablen. Um k Uhr nachmittags waren gestern die Ergebnisse aus 100 Wahlkreisen bekannt, in denen 133 Abgeord nete definitiv gewählt sind. Darunter sind 30 Konservative, 22 Freikonscr- vative, 28 Nationalliberale, 4 Freis. Volkspartei, 38 Zentrum, 7 Polen, 1 Sozialdemokrat (Linden Stadt und Land), 2 Dänen, 1 Fraktionsloser (Dr. Hahn, Bund der Landwirte). Im Wahlkreise 6. Kassel (Rotenburg, HerSfeld) siegte der konservative Kandidat Landrat Türckc über den bis- herigen Vertreter Redakteur Werner (D. Refpt.). Der Wahlkreis 6. Stade (Verden, Rotenburg, Zeven), der bisher nationalliberal vertreten war, fiel an die Freikonservativen. Im 4. Erfurt (Erfurt Stadt und Land) unterlag der bisherige konservative Abgeordnete JacobSkötter dem nationalliberalen Kandidaten Stadtrat Stenger. Im 1. Münder (Tecklenburg), bisher freikonservativ vertreten, erhielt Regierungspräsident v. Gescher (Koerser-
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