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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Ämtsblatt snr die Königl. Amtchauptmanuschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Disies Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags mF kostet pro Quartal 1 Mark.— Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittags lI Nbr. 31 24. ?Mii-ssideisNQMrsi^ 18771 Anher erstatteter Anzeige zufolge sind in der Nacht vom 13. znm 14. dieses Monats aus einem Gute in Neukirchen die nachstehends sub <Z aufgeführten Victualien und Effecten entwendet worden, was zur Ermittelung des oder der Thäter und Wiedererlangung des Ge stohlenen hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Königl. Gerichtsamt Wilsdruff, am 21. März 1877. Dr. Gangsoff. s 5 Stück Barbiermesser nebst Scheiden, 1 großer Schlüssel, 2 Nähscheeren, eine größere und eine kleinere, 1 neue Kartätsche, 1 Brille mit Futteral, worauf „Thierfelder aus Nossen" sich gedruckt befunden, 1 Spindeluhr mit weißem Zifferblatt, deutschen Ziffern und dem Wort „Paris" in lateinischen Buchstaben, welches sowohl auf dem Zifferblatt, als dem innern Deckel der Uhr zu lesen gewesen, 1 etwas desectes Portemonnaie von schwarzem Leder mit Stahlbügel und einem aus 5 Silberthalern bestehenden Inhalt von 15 Mark —5 Schlüssel, Pfd. Kaffee, 1 Pfd. Zucker, 1 thöuerne Flasche, 6 Flaschen Wein, 2'/, Stückchen Butter, 15 Kuhküse, 5 Töpfe mit Fett, 10 Speckseiten und mindestens 20 Blutwürste. Das 5. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1877 enthält: No. 22. Verordnung, die Aushebung von Pferden u. s. w. für den Bedarf der Armee betreffend; vom 1. März 1877. No. 23. Verordnung, die Abtretung von Grundeigenthum zu Erbauung einer von St. Egidien über Lichtenstein, Callnberg und Oelsnitz nach Stollberg auf Staatskosten zu führenden Loeomotiv-Eisenbahn betr.; vom 14. Februar 1877. No. 24. Verordnung zur Ausführung von Z 13 des Gesetzes vom 9. April 1872, die Reorganisation des Landesculturrathes be treffend, sowie des Gesetzes vom 15. Jnli 1876 wegen Abänderung einiger Bestimmungen des vorgedachten Gesetzes; vom 19 Februar 1877. No. 25. Bekanntmachung, die Feststellnng der Beiträge zur Deckung des Bedarfs des Landescultnrraths betreffend; vom 20. Februar 1877. No. 26. Bekanntmachung, die Kinderheilanstalt zu Dresden betreffend; vom 22. Februar 1877. No. 27. Verordnung, die an die Standesbeamten abznliefernden Duplicate von Leichenbestattungsscheinen betreffend; vom. 24. Februar 1877. No. 28. Bekanntmachung, die Bewilligung einer in dem Regulative über die Pensionirung der städtischen Beamten und die Bildung einer Pcnsionskasse in Löbau enthaltenen Ausnahme von bestehenden Gesetzen betreffend; vom 27. Februar 1877. Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt in hiesiger Raths-Expedition zur Einsicht aus. Wilsdruff, am 22. März 1877. Der S L a d L g e m e i n d e r a t h. KiEer. Verfängliche Redensarten. Man treibt im Lager der Russenfreunde einen so schnöden Miß- brauchsmit dem Wort „europäischer Friede," daß es nicht Wunder nehmen soll, wenn in Folge eines so gemeinten Friedens der euro päische Krieg ausbricht. Rußland wird immerfort glorifizirt wegen seines Bestrebens, den „europäischen Frieden" zu erhalten. Bei Lichte betrachtet heißt dies aber nicht anderes: Rußland will sicher sein, daß keine europäische Macht es hindert oder ihm in den Weg tritt in seinen Gelüsten nach dem Gebiet der Türkei. Wer solch einen europäischen Frieden will, der will den orientalischen Krieg; wer dergleichen befürwortet, der Wünscht eine Kriegsepoche eingeleitet, deren Ende unabsehbar ist. Einen nicht minder schlimmen Mißbrauch treibt man mit dem Worte: „Reformen in der Türkei." Unzweifelhaft giebt es keinen Freund politischer Freiheit, der nicht lebhaft die Zeit herbciwünscht, wo der Fortschritt der europäischen Zivilisation und Bildung in das alte Kulturland Asien wieder eindringt, und eine im Absolutismus erstarrte und in Völkerverwildernng versunkene Welt neu belebt wird mit allen Segnungen eines geordneten Staats- und Volkswesens. Eine wirkliche Reform der Türkei wäre ein gewaltiger Segen nicht blos für das Gebiet der türkischen Herrschaft, sondern auch für ganz Europa. Ju Asien ist des Himmels Segen weit und reich ausgestrent über Hunderttausende von Quadrat-Meilen, die jetzt brach liegen und eine in Unbildung und Faulheit verkommende Bevölkerung kaum er nähren. Bildung und freien Arbcitssiun dorthin verbreiten, heißt dnmpfe Völkerschaften znr segensreichen Thätigkcit erziehen, ihre üppigen Landesprodukte für uns nutzbar und genießbar machen und diese Völ kerschaften befähigen, unsere Arbeit, unsere Industrie, unsere Kunst produkte zu genießen. Die gewaltige Dampfkraft, welche die Ent fernungen auf dem Erdenrund ganz verschwinden macht, führt die Möglichkeit herbei, aus allen Welttheileu die Uebersebüsse der Pro duktion leicht auszutauschen. Die Zivilisation würde Asien zu einer immensen Produktionsstätte von Natur-Erzeugnissen machen, die Eu ropa braucht, und zu einer Konsumtionsstätte, welche den Ueberschuß des Arbeitsleißes in allen Industrie-Produkten Europa's genießen könnte. Solch' einen Zustand austreben, das heißt „die Reform der Türkei" im wirklichen Sinne der Kultur fördern. Wer hierzu den Impuls giebt, der erwirbt sich um Europa in der vollsten Bedeutung des Wortes ein hohes Verdienst. Was aber verstehen Rußland und seine deutschen Leibkosaken unter „Reform der Türkei?" Zunächst werden sehr bald bei Anbruch milder Witterung die Insurgenten den Kommentar zu dieser Kultur- Phrase liefern. Unter dem Titel der „ckristlichcn" Zivilisation treiben sie jetzt bereits wieder die Kunst, die Völkerschaften zu blutigen Fehden anszureizen, um beim Einschreiten der linkischen Behörden das Ge schrei gegen fanatische Verfolgung erheben zu können. Russische Agenten sind jetzt wieder frischauf thätig, um in den unglücklichen Ländern nene Erhebnngen wach zu rufen, damit das Einschreiten Ruß lands den Schein der Zivilisation und des Interesses für die leidende Christenheit gewinne. Sorgen wirklich die europäischen Mächte dafür, daß Niemand das Werk Rußlands störe, so wirb der Brand des Krieges sehr bald die ganze Balkan-Halbinsel ergreifen und eine Krisis herbeiführcn, welche trotz der Phrasen vom europäischen Frieden ganz Europa zu kriegerischer Aktion treibt. Was unter solchen Umständen aus der „Reform der Türkei" wird, ist leicht ersichtlich. Der Krieg ende mit einem Siege oder einer Niederlage Rußlands, er wird unter allen Umständen die Verwüstung und Verwilderung herbeigcführt haben, die Länder und Völker vernichtet. In der That wäre es eine Schmach für Europa und seine Zi vilisation, wenn es Rußland die Rolle zugcstehen wollte, als Refor mator der Türkei aufzutreten. Rußland selbst besitzt so weite Strecken asiatischen Gebietes, daß es im wahren Sinne des Wortes durch eine Reform seines wirthsebastlichen Systems zum Wohlthäler seines Volkes und des in enger Verkehrsverbindung mit ihm stehenden Europa werden könnte. — Wie erfüllt es diese natürliche Aufgabe der Kultur? Wirthschaftlich verkommen im Innern, so daß es nicht einmal im Stande ist, sein Papiergeld auf der Höhe der Metall-Münze zu er halten, schmachtet es nach Anleihen im Auslände, damit cs den Er oberungsgelüsten fröhncn könne. Ueberreich an Naturprodukten und