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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.07.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080704020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908070402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908070402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-07
- Tag 1908-07-04
-
Monat
1908-07
-
Jahr
1908
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Bezug»-Preit Or Lntp^n »»» imrch onlrr, lrü-er »n» Elxdilnnn« m» Hau« ,edracht r ru»«Ld« 1 in« »»rar»«) ^««ItlnUch s vr, »«>» UL i vr., ilulaa»« S (»»Wen« »iw abend«) tNkll» 4.Ü0 «.. monailxb l.SV «. vurch »«, V»N ,» »qirdr« (2 mal lLglich) maerdalb D«ut!chland» und de« beult««» »olonten meneULorlich L,L M., monatlich l,7ü M. ,ll«lchl Pop. b«s>ellg«lb, tr Oeftrnrrich l» L ÜS p, lliitz-r» 8 ll »lrrt»>ILdrlich ä«rnm in Val» glrn. Dtnamaak, »an DenauSnalrn, Italia», Luiemdurg. Niibrrland«. Nnrw«,«». NuS- land Schwedin, 4<bw«U an» Spanien An alle» Lbrlaen Staaten nur direkt durch dt» «sped. a vl. erdllllich Wwnnrmenl»«nnadmr, VuzuNutplnH 8, »«> unleren irtaern, !dilia>«n, Sveblieure» und vnnadmaftellen, lowte Boktmlrrn ott» VrtrttrLzern. Dl« «iNHeln« «ummer kok«' Iv VfG. ^edaktloa und LrvadtktdtN godannitgalt« x relapboa Nr. I4SSL Nr I4SV3. Nr l«S»a. Abend-Ausgabe v. UchMkrTaBlaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Aales «n- -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Luzeigeu-Preu» ISe Aulerau au» u«v«>> aao ltmaedun» dl« Sarlpalten« P«m««U« L> Pl., Pnanji«!!« ttläal»«, «0«.. Naklaw», W» «»«»««I SV «., «atlant.» l.20 »„«udlaudSOP,.. ftna» «n^l,«»7LV„ «ekla me, UL « S^ruM». veddrd« r u«tl,chr»»«040V vellag^edültt bM. ». Lauleao «xN Pop. arbühr. GelchLftlanzel-en an bevorzugter Stell« «m Prelle erhbbl. Na ball nach Lari« Feperretlt» Lultrlla« künnen alchi zurück- gezogen werden z», da« ltrlch«ine» »» »aptmmtea lagen und Plütze» wir» kein« ldarantt« übernommen >»»et,«.«nu-bm«i Uu,up»dvlatz », hat lümtllcheu Filialen u. allen lllnuoncrid «Maditione» de« I» ,nt> Lu«laude«. Ha>t»r-Utllal« verlt» i P««l>»»ckar, ver»m,l Vanr. tz«s»«ch' handln^, Lttzmoftrab» >L tDalephon Vl. Nr «EP Haudt.-lllal« Vrelbeni Seeltrabe 4.1 <releod-n 4«L>. Nr 183. Sonnabend 4. Juli 1908. 102. Zabrqanq. Das wichtigste. * Eine bedeutend« Vergrößerung deS deutschen Luftschifferkorps ist beabsichtigt. * Wie uns ein Privattelegramm meldet, bereiten die schweizerischen Sozialdemokraten bei den BunveSbehörven eine scharfe Ber- wabrunq gegen die Fahrten deS Graf.» Zeppelin über fckweize- rlsckes Gebiet vor. Das angestrebte Verbot dieser Fahrten in die Schweiz wird aus strategischen und politischen Gründen gefordert. * Die Arbeitskammer zu Parma hat, wie uns ein Prioattelegramm meldet, von neuem den Aus st and der Landarbeiter prolla- miert. (S. Ausl.) * Die Lage in Persien scheint etwas ruhiger zu werden. (S. Ausl.) Deutschland und Mazedonien. Trotz einer ganzen Anzahl mehr oder minder offiziöser Dementis tauchten — fast immer lanziert von Londoner, Pariser und Peters burger Blättern — immer avieder Meldungen auf von bevorstehenden Zusammenkünften des Kaisers mit dem Zaren, König Eduard usw. Nunmehr greift der offiziöse Apparat, der in letzter Zeit so überaus fleissig gearbeitet hat, auch diese Angelegenheit auf und wir können in der „Südd. RcichSkorr." folgendes lesen: „Angesichts gewisser hartnäckiger Treibereien in der ausländischen Presse muß nochmals die Unrichtigkeit aller Meldungen festgcsteUt werden, wonach die deutsche Politik sich um ein Zusammentreffen Kaiser Wilhelms mit dem Zaren, dem König Eduard, dem Sultan oder dem Präsidenten Falliercs bemühen soll — lauter Zusammenkünfte, an die in Deutschland niemand denkt. Bei diesen falschen Ankündigungen ist der Irrtum Pate gewesen, un'ere Diplomatie habe seit der russisch-eng lischen Monarchenbegegnung vor Reval eine ganz besondere Geschäftig keit entfalten müssen, namentlich in Sachen Mazedoniens. Das heißt aber die Lage der Tinge gründlich verkennen. Nicht Deutschland hat in der mazedonischen Frage eine Initiative zu ergreifen, sondern Rußland und England haben sich anheischig gemacht, für die Verbesserung der Zu- stände in den europäischen Wilajets zweckmäßigere Mittel als die bis herigen vorzulchlagen. Nach der von Rußland »nd England fast schon zu Ende geführten Aufstellung des neuen Reformplanes bedarf es für dessen weitere Behandlung keiner Zusammenkunft zwischen Staatsober häuptern, wenigstens keiner, bei der Deutschland beteiligt wäre. Die wegen Mazedoniens etwa noch erforderlichen diplomatischen Verhand lungen werden aller Voraussicht nach, wie cs bisher der Fall gewesen, von den Botschaftern der Großmächte in Konstantinopel zu führen sein. Teutichland hat sich nie berufen gefühlt, Reformen für Gebiets teile des Ottomanischcn Reiches im eigenen Namen auszuarbeiten. Es hat ober, indem es in einer Reihe von Fällen die Resormwünsche ande rer Mächte unterstützte, die Sache eines vernünftigen, d. t. den Frieden Europas nicht gefährdenden Fortschrittes auf dem Balkan zu seinem Teil mitgefördert. Daß auch die neuen Vorschläge Rußlands und Eng lands nur dem Frieden dienen wollen, ist in Reval erklärt und d,e>e Versicherung seitdem öfters wiederholt worden. Der Beweis dafür kann erbracht werden, wenn die englisch-russischen Vorschläge in allen Ein zelheiten bekannt sind, und Menn sie ihre Rückwirkungen zu äußern be- ginnen auf die Pforte, auf die Balkanstaaten und auf das Verhältnis zwischen den Großmächten." Erziehung zur Revanche in Frankreich. Eine Annäherung Deutschlands an Frankreich wird in Deutsch land wohl von allen Seiten als erwünscht bezeichnet. Häufig mag bei uns der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen jein und hat uns dazu geführt, die französische Stimmung zu rosig zu betrachten einzelne wohlwollende Stimmen zu verallgemeinern und Unerwünschrem das Obr zu verschließen. Auch die verschiedenen Annäherungskomitees usw. haben hier und da durch einen Ueberschwang der Gefühlsäußerungen nicht im objektiven Sinne gewirkt. Wenn cs den Franzosen ernst damit ist, den alten Haß zu be graben, so müssen sie bei ihrer Jugend anfangcn, ihnen in der Schule eine Geschichtsdarstellung geben, die sich den gegebenen Verhältnissen anpaßt und iedc Verhetzung beiseite läßt. Aber im Gegenteil! In den Schulbüchern wird in einer Weile mit antideutscher Tendenz ge arbeitet, daß es erst dem reifen Mann gelingen kann, diese Jugendein drücke von sich abzuschütteln. Ter ,,Braunschw. Landesztg." wird von einem Leser ein Auszug aus französischen Schulbüchern zur Verfügung gestellt, dem wir folgendes entnehmen: „Vor mir liegen, so heißt es dort, zwei französische Bücher, zum Gebrauche in den Schulen bestimmt' Oavoir et patrie von A. Burdeau und Jean Felber, Geschichte einer elsässischen Familie, von A. Ehata- met. Ersteres, ein Leitfaden über Moral und die staatlichen Verhält nisse, ist im Gebrauche in Schulen zu Paris, Lyon usw. Wie in diesem Schnlbuche die Kinder für den Revancheacdanken erzogen werden, be- weisen z. B. folgende Stellen: S. 149: „Ein Teil Frankreichs steht in dieicm Augenblicke unter der Herrschaft des Auslandes. Aber die ganze Welt weiß, daß wir entschlossen sind, eines Tages unsere unterdrückten Brüder zu befreien." In Lektion 12. die Brüderlichkeit betitelt, er innert der Lehrer die Kinder an seine Erzählung von Elsaß-Lothringern, die 1870 vor den „Brutalitäten" der Preußen flüchten mußten, und fährt fort: „Weißt du wohl noch, Jakob, daß du da ausricfst, du wolltest eines Tages Krieg mit den Preußen anlangen, damit sic diesen armen Leuten ihr Land wicdcrgcben müßten? lind alle deine Kameraden haben Bei fall gespendet und haben gerufen, daß sie mit dir gehen würden. Ja wohl, Herr, das ist wahr! srufen alle Schülerf. Tas ist wahr! Wir haben es gesagt und werden es tun." IS. 212—213.1 S. 215: „Sie (die Feinde Frankreichs! haben uns unsere Brüder in Elsaß-Lothringen ge stohlen, man muß alles z» ihrer Befreiung vorbereiten." In noch heftigerer Weise schürt das andere Buch — Jean Felber — den Deutschenhaß bei den Kindern. Sein Erscheinen in 48. Auslage zeugt für die Verbreitung in den Schulen und Schulbibliotheken Frank reichs. Von Anfang bis Ende strotzt es von Haß gegen die Deutschen und sucht sie bei der Jugend verächtlich zu machen. Einige Auszüge mögen genügen: S. 7 und 8: „Vergessen wir nichts! Erinnern wir nnL jener Tausende von Landsleuten, die seit Jahren leiden und hoffen, ohne je müde zu werden." „Heute noch, wie am Tage nach dem Siege sind die Deutschen in diesen Provinzen, die sic uns genommen haben, verabscheut. Sie halten sich dort nur durch die Gewalt." . . . „In ihrer Wut verdoppeln sie ihre strengen Maßregeln. Die Gefängnisse füllen sich mit elsässischen Patrioten, unversöhnliche Richter sehen überall Ver brechen." Selbst die kleinen Kinder beunruhigen diese Deutschen, die so stark und so stolz aus ihre Stärke sind. Ja, eure kleinen Kame raden. die Schüler in Elsab-Lothrinaen. werden behandelt als Verdäch tige und Revoltierende. Man verbietet ihnen. Französisch zu sprechen untereinander, in ihren Unterhaltungen und ihren Svielen, und man bestraft sie, wenn sic die geächtete Sprache gebrauchen." „Schande über die Deutschen, die ihre Kanonen gegen die Kathedrale zu Straßburg gerichtet haben." Seite 116: „Wenn sie glauben, daß man lemals die Erinnerung an diese Scheußlichkeiten s1870> wird verlieren können! Aber Geduld, was heute nicht geschieht, kann morgen geschehen: ein Tag wird kommen, an dem wir uns rächen werden." S. 370: „Sei rubia ströstet ein Knabe seinen weinenden elsässischen Großvaters, habe Vertrauen, Großvater, wir sind cs die kleinen Schüler von heute und die Soldaten von morgen, wir sind es, die den Preußen Elsaß- Lothringen wieder abnehmen werden." Wir wollen auch hier nicht verallgemeinern, sondern daran denken, daß auch bei uns in dieser Beziehung in Schulbüchern manches gesündigt wird, immerhin zeigen die angeführten Stellen einen derartig fana tischen Deutschenhaß, daß man in seinem Urteil gegenüber Annäherungs- versuchen einzelner aufgeklärterer Gruppen von Franzosen vorläufig doch, bezüglich der hinter ihnen stehenden Massen, recht steptisch bleiben sollte. Azenirrv. Azemur, das kleine Städtchen an der Mündung des Um-er-Rbia in den Atlantischen Ozean, das bisher noch die alte Sitte bewahrt hatte, daß kein Europäer die Nacht in ihm zubringen durste, ist plötzlich M einer Bedeutung gelangt, die ihm bisher niemand beigemessen hat. Es ist nicht das bißchen Handel mit Fischen und den Erzeugnissen der dor tigen Hausindustrie, auch nicht die vom Meer aus unpassierbare Barre, welche dem Städtchen zur Bedeutung verhalf, sondern die weit wichtigere Tatsache, daß an diesem Orte die französische Doppelzüngigkeit in der Marokkopolitik mit seltener Offenheit gezeigt wurde. Wie schon vor etlichen Tagen berichtet wurde, hatte sich der fran zösische Generalissimus d'Amade von Casablanca aus in südöstlicher Richtung aus den Marsch gemacht, ohne das damals les war am 28. Junis jemand wußte, was dieser Held vorhatte. Von französischer Seite wurde behauptet, die neuen Streitkräfte dienten zur Ablösung oder Verstärkung verschiedener Posten im Schaujagebiet, obwohl doch General d'Amade noch am 27. Juni meldete, das Schaujagebiet sei völlig ruhig. Was cs mit dieser Expedition für eine Bewandtnis hatte, haben wir ans den Nachrichten über die Besetzung Azemurs durch franzö sische Truppen und die nachfolgende Mahalla Abdul Aziz erfahren. Nach einer Meldung der „Agence Havas" hat General d'Amade am 29. Juni ohne Schwertstreich Azemur besetzt, nachdem ans Androhung cineS Bombardements die anfangs geschlossenen Stadttore geöffnet wo»den waren. Der Gouverneur von Azemur ist geflüchtet. Generai d Amcid» zog mit seinem Stabe und den französischen Truppen in die Stadt ein, die bis zur Ankunft der marokkanischen Truppen von den Franzosen be setzt gehalten wurde. Nach einer anderen Meldung hat d'Amade dem hasidischen Gouverneur von Azemur auch mitteilen lassen, daß, Palls bei der Besetzung Azemurs den von Mazagan kommenden Truppen >dcs> Abdul Aziz Widerstand geleistet würde, ein französisches Kriegsschiff die Stadt bombardieren werde. Dieses Vorgehen Frankreichs ist um so bezeichnender, als der Minister Pichon noch am 19. Jnui in der Deputiertenkammer aus drücklich erklärte: Wir haben die Instruktionen, die wir unseren Agenten ständig erteilt haben, aufrechterhalten, nämlich: „Keine Einmischung in den Streit zwischen dem Lultan und einem Prätendenten, wer es auch sei, Muley Hafid oder irgendein anderer; keinem von ihnen irgend einen Teil unserer Truppen zur Verfügung stellen." In der gleichen Rede versicherte Pichon weiter, Frankreich werde „den scherifischen Autoritäten »eigen, daß eS eine direkte „Ein-' Mischung vermeiden" wolle usw. Wenn dies dennoch in so unzweifel hafter Form erfolgt, wie gerade bei Azemur, dann sind eben alle Ver sicherungen vom französischen Ministertischc aus leere Redensarten. Für die übrigen an der Algecirasakte beteiligten Mächte icdoch und namentlich für Deutschland ergibt sich aus dem Vorfall von Azemur von neuem die Erkenntnis, daß Frankreich in der Marolkofrage kein korrektes Spiel treibt, und daß man Frankreichs Haltung nicht nach dem beurteilen darf, was auf diplomatischem Wege wohlsortiert und zurecht gestutzt den Mächten zur Kenntnis gebracht wird, sondern nach dem Vor gehen seiner Agenten. Allerdings darf man sich dann an de'- Seine nicht wundern, wenn auch von anderer Se te an dem Tbronstre't 'n Marokko ein aktives Interesse genommen wird, denn darüber bcst'nd nie ein Zweifel, daß die Herstellung von Ruhe und Ordnung in Marokko aus dem von Frankreich eingeschlagenen Wege am allerwenigsten erreicht werden kann. Nun ist ja allerdings, wie schon in einem Teile unserer letzten Ausgabe mitgeteilt wurde, von Seiten der französischen Negierung eine Erklärung veröffentlicht worden, die man als eine Zurechtweisung des Generals d'Amade ansehen könnte. In Wirklichkeit jedoch ist hier der Zweck der Uebung nur der, offiziell an der Algecirasakte und den in der Kammer abgegebenen Versicherungen festzuhalten und so den deut- scken Nachbar zu beruhigen, während die französischen Faiseure in Marokko in französischem Interesse weiter gegen Muley Hafid und dessen Anhänger vorgehen. Feuilleton. Kein Zwingherr und kein Heer besiegt Den Mann, dec lieber bricht als biegt. > Pfizer. * wiener Lheater. Von Ludwig Hirschfrld. W'en, Ende Juni. Sonst Pflegte das Erscheinen der Schlierseer und anderer Theater, dauern den unwiderruflichen Schluß des Spieljahrcs zu bedeuten. Vor ihrem Juhu-Geschrei. vor ihrem Haxenschlagen nahmen die beherztesten Theaterbesucher, Direktoren, Darsteller und Kritiker ReißauS und flüchteten aufs Land, in die Berge, und zwar in jene, wo es nur völlig undramatischc Bauern gibt. Heuer, in der JutüläumSsaison, war das ganz anders. Alles blieb m Wien; die zartesten Tenors, die bestbezahltesten Primadonnen harrten bei 35 Grad im Schatten pflichtgetreu auf ihren Posten aus — denn man kann sich ja leider Gottes nicht mit Heiserkeit auf den Semmering abmclden, wenn man beim Festzug sein will. Dem Fremdenstrom zu ehren, der nach Wien hätte kommen sollen, verlängerten die meisten Theater diesmal wirklich ihre Saison um einige Wochen und lehnten alle Gastspielanträgc von auswärts stolz ab. Und in dieser sommerlichen Zeit, ,n der wir uns gewöhnlich von Brahm oder Reinhardt die wichtigsten Berliner Novitäten Vorspielen ließen, haben wir ein ganz ansehnliches ein. heimisches Thcatergetriebe aufznweisen gehabt, das uns sogar noch manches Interessante gebracht hat. Das beweist jedenfalls, daß auch in Wien eine Sommersaison keine Unmöglichkeit ist, und es tragt sich nur, ob dazu erst die immerhin ziemlich umständliche und kostspielige Voraussetzung eines Festzuges unbedingt notwendig ist. Als der wertvollste Gewinn dieser Theaterwochen ist wohl die Bekannt schaft mit einem neuen österreichischen Talente, Thaddäu» Rittner, anzu. sehen. Er ist der Sohn des verstorbenen polnischen LandSmannminislcrs Rittner, lebt jetzt in München und hat bisher einige eigenartige Novellen, bücher veröffentlicht. Sein dramatischer Erstling, das dreiaktige Schau- spiel „Das kleine Heim", ist im Deutschen Volkstheater zur Uraufführung gelangt und hat trotz der argen Verspätung einen sehr starken Erfolg erzielt. Freilich war cS hauptsächlich ein literarischer Erfolg, aber in einer günstigeren Zeit hätte das Stück auch auf das große Publikum sicherlich tiefe Wirkung geübt. ES ist ja eigentlich nichts Neue-, die alte dreieckige Ehegeschichte, aber hier wird sie mit einer gewissen Herzlichkeit und Innigkeit vorgcbracht, wodurch sie, wenigstens in den ersten zwei Akten, vom EhebruchSschcma erfreulich abweicht. Es ist eine überaus simple Geschichte: Ein Arzt, ein bloß auf äußeren Schein bedachter Streber, hat sein Verhältnis geheiratet, eine Gnade, die er der Frau dann in der Ehe durch Verachtung und Erniedrigung vergilt. Die kleine und ein wenig dumme Frau erträgt alles geduldig, sie ist ein gutmütiges naives Geschöpf, das für deü kleinsten Bissen Liebenswürdigkeit und Zärtlichkeit dankbar ist — natürlich wird er ihr von einem Dritten gereicht. Ein kurzes Liebesglück, dem ein Schuß des eifersüchtigen Gatten ein Ende macht. Und jetzt, da die Frau tot ist, sieht der brutale Mann erst ein, wieviel ihm dieses verachtete, einfältige Wesen eigentlich war, ihm und seinem kleinen verödeten Heim, und er, den die Geschworenen frei gesprochen haben, geht hin und richtet sich selbst. Das ist, wie man sieht, ein tragischeres „Puppenheim", ohne Ironie und Humor, sondern mit den finstersten Konsequenzen, wie das ja schon die Art junger Dichter ist. Das ganze ist vielleicht mehr eine allgemeine Talcntprobe, als eine wirk liche dramatische Kraftprobe. Aber im ersten und zweiten Akt zeigt Rittner, daß er über einen wunderschönen, innigen und schlichten Ton ver. fügt, was ja den meisten unserer jungen Leute so ziemlich fehlt. Nament. lich die Gestalt der verschüchterten jungen Frau und die Schilderung ihres Liebesglücks, das ist ihm überaus fein gelungen und das wird wohl genügen, daß man dieses neue Talent nicht wieder aus den Augen verliert. Viel unbedeutender war die letzte Novität dieser Bühne, das drei aktige Schauspiel „Brüderchen" von Robert Overwep. Eine ungeschickte Hand veriucht cS, die wirksamen und rührseligen Elemente der Gym- nasiastentrazödie und des Militärstückes zu einer neuen Theatermischung zu vereinigen. Aber sie ist nicht sonderlich gelungen. ES ist ja sehr traurig, wenn ein heranrcifender Kadettenschüler von seinem Vater, einem gestrengen Lbcrst, so überaus knapp gehalten wird, sowohl in Hinsicht des Geldes, als der Liebe, daß er wegen einer PorticrStochter einen Taler ent. wendet und schließlich aus Ehrgefühl in den Tod geht. Von diesem einzigen dramatischen Motiv abgesehen, das aber auch keinen Taler wccr ist, gibt eS in dem ganzen Stücke nichts als schöne Uniformen, Tränen. Pathos, allerlei Gesänge — eine unbeholfene uniformierte Meyer. Försterei. Kein Wunder, daß das Stück bei einem nachsichtigen Juni- Publikum gehörige Wirkung tat. Ein bißchen Literatur bekam man noch an einem Einakter abend des Lustspieltheaterö zu sehen. Zwei kleine Stücke von Courteline: „Sein Geldbrrcf", eine BcamtengroteSke, die wie eine dramatisierte Anekdote aus dem „SimplizissimuS" anmutet, und „Tic Wage", eine scharfe fun kelnde Satire auf französische Justizverbättaisse. echtester Courteline, der hier wieder crnmal die lächerliche Wirklichkeit rrck nßsuränm führt, un. verschämt, frech, aber trotzdem überaus amüsant. Viel unliterarischer ist „Die gute Wirtin" von Mirand und Geroule, ein unappetitliches Stückchen, in dessen Mirtelounkt eine verliebte Alte steht — aber um derartiges zu schildern, dazu bedarf eS schon des graziösen und überleec en Humors eines Maupaisant. Auch die Gcr'chtsszene „Der Brandstifter" ist nicht besonders literarisch, wenngleich sie von Hermann Heijerman» herrührt. Sie könnte ruhig von irgend einem Variete-Schnelloichter stammen, oder dem Repertoire Fregolis angehören. Das ist nämlich der Hauplwitz, daß Zeugen, Angeklagte, Verdächtigte, im ganzen sieben Per sonen, von einem Schauspieler dargestellt werden, und nur dadurch, daß dieser Schauspieler Josef Jarno heißt, der hier seine ganze Charakteri- sierungs- und Nuancrerungskunst sprühen lassen kann, gewinnt das Stück den Anschein künstlerischer Bedeutung. Tas Mirgertheater, das wohl nicht eher seinen Kurs finden wird, als bis es wieder sein Gretchen-Stück hat, ist zur Abwechselung in die spießerhafte Richtung geraten. Man gab ein Schauspiel „Die Gönner" von Oskar Fronz, dem Direktor dieser Bühne. Also ein Stück, das so zusagen zu Hause angefertigt worden ist, was bekanntlich vrel billiger kommt. Auch sonst ist die Sache nicht sehr kostbar, ein Familienstück vom verlorenen und wiedergckehrten Sohn, von Moral triefend, das Ganze höchst erbaulich, um so mehr als es hurtig verschwand, um einen ebenso spießerhaften Schwank Platz zu machen: „Der rechte Mann" von F. O. Luchner und Karl Schönfeld. Das Grundproblcm lautet: Wie kann man nach getaner Ohrfeige der zeitlichen Strafe entgehen? Worauf d.c Autoren antworten: Man läßt sich durch die Wahl zum Abgeordneten immunisieren — was hier als zeitgemäße Anspielung mit Verständnis- vollem Schmunzeln ausgenommen wurde. Dieser Pointe zuliebe ließ man sich auch die übrigen ältlichen Schwankschcrze gefallen. Und schließlich noch eine fragwürdige Uraufführung, nämlich die einer fünsaktigcn Komödie: „Ein LicbcSrausch" von Robert Langendorff, einem Wiener Zahnarzt, der den obersten Grundsatz seines MctierS: Rasch und schmerz, los! hier leider ungetreu geworden ist. Seine umständliche Komödie spielt im Milieu einer Kaltwasserheilanstalt, das schon Ludwig Fulda einmal für Luslspiclzwecke auszunühen versucht hat. Der Wiener Zahnarzt kommt aber blutig ernst, mit einer verwickelten und intrigcnreichcn Liebesgeschichte von kindischer Tragik. Mit diesem Ausflug in» Dilettantische, der erstaunlicherweise Zustimmung fand, schloß das Bürger, theater seine unrühmliche Saison. Was sich auf den übrigen Wiener Bühnen etwa noch zugctragen hat, läßt sich in kurzen Worten registrieren. Im Theater an der Wien gastiert seit einigen Wochen ein von dem bekannten Librettisten Viktor Leon zusammen, gestelltes Ensemble mit der Ovcrctte „Der fidele Bauer", Text vom Veranstalter, Musik von Leo Fall. Sie ist mit Erfolg über viele reichs deutsche Bühnen gegangen und hat im vorigen Jahre bei den Mannheimer Lpcrcttcnfestspiclcn sehr gut gefallen. Hier hat der unechte und scnti. mentale Aufguß von Anzengruber und Birch-Pfciffer trotz der Pracht, lcistungcn PallcnbergS und Treumanns und der vom Autor besorgten wirklich künstlerischen Inszenierung nickt sonderlich gemundet, und da resultierende Gefühl war das des Bedauerns für den reichbegabtcn Leo Fall, dessen melodiöser Erfindung hier eine bäurische ZwangStrackt an. gelegt worden ist. Das Karltheatcr ist nach 427maligem „Dalzertraum" in den verdienten Sommerschlaf verfallen. Das Raimundtheatcr spielte DonnayS „Andere Gefahr", die da» Burgthcater dem verflossenen
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