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Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stndtrath zu Wilsdruff. Dreiun-vierzigfter Kahrgang. Erscheint wöchentlich S Mal Dienstag und Freitag AbonncmenispreiS vierteljährlich 1 Marl. Eine einzelne Nummer kostet-10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag. Abonnementsprcis vierteljährlich l Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pj. Jnseratenannahme MontagS u. Donnerstags bi« Mittag 12 Uhr. für Wilsdruff, Tharandt, Nr. 94. Freitag, den 23. November 1883. Vorladung. Der Müllergeselle Ferdinand Damm aus Helbigsdorf hat sich auf mehrere wegen Diebstahls gegen ihn hier vorliegende Anzeigen zu verantworten. Da der gegenwärtige Aufenthalt des genannten Beschuldigten unbekannt ist, so wird derselbe hierdurch geladen, binnen 3 Wochen behufs seiner Vernehmung vor dem Unterzeichneten zu erscheinen oder seinen Aufenthalt anher anzuzeigen. Zugleich werden alle Polizeiorgaue ersucht, Damm im Betretungsfalle auf diese Vorladung aufmerksam zu machen und Nachricht davon anher zu geben. Wilsdruff, den 21. November 1883. Der Königliche Amtsanwalt. Lange, Ref. Tagesgeschilhte. Verfehlte schon die Thronrede bei Eröffnung unseres sächsischen Landtages in ihren allgemeinen Umrissen nicht, auf die Finanzlage unseres Landes ein sehr vortheilhaftes Licht zn werfen, und allgemeine Befriedigung hervorzurufen, so ist dieselbe nur noch vermehrt und ge sichert worden durch den Inhalt der Budgetvorlage und durch die Rede, mit welcher der Herr Finanzminister von Könneritz die Gene raldebatte über den Staatshaushalt-Etat eiuleitete und die von dem Beifall der Kammer begleitet war. War schon in der vorigen Finanz periode das Nettovermögen des Staates um 18 Mill, gestiegen neben einer Verminderung der Staatsschulden um mehr als 4Vr Millionen, so erwartet der Minister für die laufende, mit 1883 zu Ende gehende Finanzperivde einen Ueberschuß von 17 bis 18 Millionen, bei einer gleichzeitigen Abnahme der Staatsschulden um 12 Millionen. Das sind gewiß erfreuliche, vertrauenerweckende Resultate, und wir werden die Früchte derselben alsbald vor Allem in dem Wegfall des Zuschlags zur Einkommensteuer genießen, während nicht minder die Abschaffung des Chausseegeldes in sickerer Aussicht steht und möglicherweise ein Theil der Schlachtsteuer fällt. Wir werden aber auch von den Ue- berschiissen noch neue Eisenbahnen bauen, Gütertarife ermäßigen, er hebliche Summen für Kunst und Wissenschaft verwenden können. Die bei der Eröffnung des preußischen Landtags gehaltene Thronrede macht nicht ganz diesen günstigen Eindruck bezüglich der inneren Lage und speziell der Finanzverhältnisse. Dort ruft man wieder die Hülfe des Reichs durch Schaffung neuer indirekter Steuern an, um die gestiegenen Bedürfnisse des Landes befriedigen zu können; Einnahmen und Ausgaben halten sich dort in der Budgetvorlage nur die Waage. Die schönste Gabe, welche diese Thronrede bringt, ist die ohne alle Einschränkung gegebene Versicherung, daß der Friede nicht gestört werden wird. Berlin. Es liegt in der Absicht der Regierung, dem Reichstage ein neues Gesetz über das Erwerbs- und Wirthschaftsgenossen- schaftswesen vorzulegen. Die Nothwendigkeit einer Revision des bestehenden Gesetzes ist vom Reichstage in der Sitzung vom 18. Mai 1881 anerkannt und sind darauf bezügliche Anträge der Regierung als Material überwiesen worden, nachdem der Staatssekretär des Reichs justizamtes, Dr. v. Schelling, die Erklärung abgegeben hatte, daß die verbündeten Regierungen mit einer Revision des Genosseuschaftsgesetzes beschäftigt feien. Der Kaiser kommt! Wie gebannt bleibt Alles ohne Unter schied der Stände und der politischen Gesinnung stehen; Hüte und Mützen fliegen von den Häuptern; Väter und Mütter heben ihre Klei nen empor; das gewaltig pulsirende Verkehrsleben in den belebtesten Hauptstraßen pausirt augenblicklich bei dem Rufe: Der Kaiser kommt! Das Lastfuhrwerk drückt sich seitwärts, Equipagen und Droschken halten an und fahren im Schritt; ehrfurchtsvoll erheben sich die Fahrgäste; von den Verdecke» der Omnibusse schnellt es empor; mit Hast drängt Alles auf die Perrons der Pferdebahnwagen, wenn Kutscher oder Kondukteur die froh-geheimnißvoüe Meldung machen: Der Kaiser kommt! — Da ist der milde hoheitsvolle Greis! Wie froh und klar sein Auge aufblitzt, wenn es auf dem grüßenden Volke haftet; wie er freundlich und unermüdlich nach allen Seiten hin dankt nnd nickt! Sein Anblick erfüllt die Glücklichen mit Stolz; mit unbegrenztem Ver trauen in seine Macht und Bereitwilligkeit zu helfen nahen sich ihm die Unglücklichen und Hilfsbedürftigen. Wo es auch ist, in den stillen Fahrwegen des Thiergartens oder in der belebten Prunkstraße Unter den Linden, des Mittags, wenn die Wachtparade aufzieht, vor dem historischen Eckfenster oder des Sonntags vor dem Portale des Doms, vor der Thür eines Spitals oder vor der Rampe eines Fürstenpalais: sobald des Kaisers Wagen sichtbar wird und sein theures Antlitz sich zeigt, da ist der Einzelne wie die Gesammtheit elektrisirt, da ist jeder Streit vergessen, jede Meinungsverschiedenheit geschlichtet durch das mächtige Zauberwort: Der Kaiser kommt! So berichtet das Tage blatt aus Berlin. Die strafrechtliche Untersuchung gegen den Reichstagsabgeordneten Antoine in Metz ist entgültig eingestellt. Die Reihe jener glänzenden Bilder, aus denen sich ohne Zweifel die Reise des deutschen Kronprinzen nach Spanien und sein dortiger Aufenthalt zusammensetzen wird, hat mit dem festlichen Empfang in Genua ihren Anfang genommen. In der Nacht vom Sonntag zum Montag traf der Kronprinz, schon an der schweizerisch-italienischen Grenze vom Generaladjutanten des Königs Humbert empfangen, kurz nach Mitternacht in Genua ein. Trotz dieser späten Stunde harrten Tausende am Bahnhofe und den anstoßenden Straßen des deutschen Kaisersohnes, dessen Namen ja schon lange im italienischen Volke einen guten Klang hat und dementsprechend wurde Kronprinz Friedrich Wilhelm bei seiner Fahrt von dem prächtig geschmückten Bahnhof durch die tageshell erleuchtete Via Balbi nach dem königlichen Palaste von der freudig erregten Menge mit stürmischen Evivvas begrüßt und noch bis in die dritte Morgenstunde wogten die Massen vor dem Ab steigequartier des hohen Gastes hin und her, singend und Hochrufe ausbringend. Bemerkenswerth auch ist, daß sich unter den Personen, welche den Kronprinzen am Bahnhofe begrüßten, auch die Offiziere zweier russischer Corvetten befanden, welche vom Kaiser von Rußland eigens zur Begrüßung des hohen Herrn nach Genua entsendet worden waren, eine Aufmerksamkeit des Czaren, welche man am Berliner Hofe wohl zu würdigen wissen wird. Am Montag Nachmittag 2 Uhr fand die Einschiffung des Kronprinzen nach Spanien statt, wobei er die Uniform eines Feldmarschalls mit italienischen Ordensabzeichen trug. Als der Kronprinz an Bord des „Prinz Adalbert" ging, zogen sämmt- liche im Hafen liegende deutsche, italienische und russische Schiffe die Galaflaggen auf, die Matrosen waren auf den Raaen, Musikkorps spielten die deutsche und die italienische Nationalhymne und unter dröhnenden Artilleriesalven und enthusiastischen Hurrahrufen der zahl reichen Menge stach das deutsche Geschwader in See. Möge der so überaus herzliche und glänzende Empfang, den Kronprinz Friedrich Wilhelm auf italienischem Boden gefunden hat, ein günstiges Omen auch für seine fernere Reise sein. Nach den bis jetzt getroffenen Dis positionen wird der Kronprinz des deutschen Reichs Freitag Nachmit tag in Madrid eintreffen und von dem König und dem gesummten Hofe, sowie von den Ministern am Bahnhof empfangen werden. Der „Standard" bespricht die Wirkung der Reise des deutschen Kronprinzen nach Spanien auf die Franzosen und sagt: Deutsch land sei stark, aber höflich gegen alle Welt; Frankreich sei nicht so stark, als es wohl sein könnte und habe doch nur wenige höfliche Worte für England, Italien oder Spanien; es müsse etwas nicht in Ordnung sein in seiner Politik, welche Italien zu einem offenen Bundesgenossen Deutschlands und Spanien, wenn auch nicht zum Bundesgenossen, so doch zu einem warmen und dankbaren Freunde mache. Die monarchischen Parteien in Frankreich beginnen wieder Lebenszeichen von sich zu geben. Der Prinz Viktor Napoleon, der Sohn Jerome's, welcher eben sein Freiwilligenjahr absolvirt hat, sucht die Aufmerksamkeit der französischen Nation dadurch auf sich zu lenken, daß er eine Wallfahrt nach Chiselhurst unternimmt, um das Grab mahl der beiden dort ruhenden Napoleons und die Wittwe des letzten Kaifers zu besuchen. Darauf kehrt der Prinz nach Paris zurück, um einem Bankette beizuwohnen, das ihm seine Kameraden angeboten haben. Sollte wider Erwarten dabei von Politik gesprochen werden, so würde der Prinz sich darauf beschränken, zu antworten, daß sein Vater der Chef der „großen nationalen Partei" und er gegenwärtig nur der Sohn seines Vaters sei. Die vielfach angezweifelte Demission des Leiters der auswärtigen Politik Frankreichs ist nun zur Thatsache geworden. HerrChalle- mel-Cacour ist aus Gesundheitsrücksichten zurückgetreten und seine Funktionen sind auf den Ministerpräsidenten Ferry übergegangen. In Wien hat die Polizei eine geheime Druckerei saisirt, aus welcher in der letzten Zeit wiederholt sozialrevolutionäre Flugschriften verbreitet wurden. Ein neues großes Eisenbahn-Unternehmen von internationaler Be deutung ist jetzt auf österreichischem Boden vollendet worden. Es ist die Vollendung des Arlberg-Tunnels und seine am Montag erfolgte Eröffnung, welche uns abermals eine hochbedeutsame Leistung der mo dernen Eifenbahntechnik vorführt. Der Arlbergtunnel durchbohrt den gleichnamigen Gebirgsstock, welcher die Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg bildet, in einer Länge von mehr als zehn Kilometern und stell: eine direkte Verbindung zwischen den österreichischen Bahnen und dem Bahnnetze der Ostschweiz her. Die eigentlichen Eröffnungsfeier lichkeiten fanden in St. Anton, am östlichen Eingänge des Tunnels, statt, und wohnte ihnen u. A. auch der österreichische Handelsminister bei, welcher Medaillen an die Arbeiter und Werkmeister vertheilte und Ansprachen an sie hielt. Die Erbauung des Tunnels kostet 16,200.000 Gulden. Es ist eine alte Erfahrung, daß in den Augen des englischen Gesetzes das Eigenthum heiliger gehalten wird als das Leben, und Vergehen gegen das letztere weniger streng bestraft werden, als solche