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— Die Lutherfeier Dresdens ist durch die Gnade des Himmels vor einem schweren Unglücke bewahrt worden. Es war Sonn abend, als gegen '^5 Uhr eine finstere Wetterwolke aufzog, die ihre Nähe durch heftiges Windesbrausen ankündigte. Diese Windstöße er- griffen auch den Thurm der neugebauten Johanneskirche und rissen von zweien der kleineren gothischen Thürme, welche de» Hauptthurm in dessen Mitte stankiren, die Kreuzesblumen herab. Mit Donnerge- polter stürzten die mehreren Centner schweren Steinmassen auf das Pflaster vor dem Kirchplatze an der Pillnitzerstraße hernieder. Glück licherweise wurde Niemand von den zahlreichen Passanten getroffen — einige Stunden später, wenn die Gläubigen zum Tempel des Herrn wallten, und das Unglück wäre unabsehbar gewesen. Der betreffende Theil des Platzes wurde sofort abgesperrt und ist es noch jetzt. Da das Ereigniß so gnädig vorübergegangen, so erlitt die Feier selbst keinen Eintrag. — Sicherem Vernehmen nach wird der Landtag nächsten Mitt woch Mittags 12 Uhr im königl. Schlosse durch Se. Maj. den König in Person mittelst Thronrede eröffnet. — In der Dresden benachbarten Ortschaft Gruna ist eine Heil quelle entdeckt worden. Die chemische Zentralstelle hat i» dem Wasser des Brunnens des dortigen Baumschulbesitzers Hopfer de L'Orme das Vorhandensein von 0,04 doppelkohlenjanrem Eisen und 0,05 Chlor natrium konstatirt; es würde mithin die Zusammensetzung der minera lischen Beschaffenheit der von Franzensbad gleichkommen. Das ge- sammte Areal des -Besitzers ist eben im Handel, und ein Konsortium beabsichtigt, die Idee der Errichtung eines Bades dort in die Hand zu nehmen. — Leipzig, 8. November. Einer Bekanntmachung des hiesigen Stadtraths zufolge macht sich sür künftige Ostern die Anstellung von 24 Volksschullehrern in provisorischen Stellen mit einem Anfangs- gehalt von 1500 M. hier nöthig. Die Reflektanten, welche die Wahl fähigkeitsprüfung bestanden haben müssen, haben die Gesuche mit Zeug nissen bis Ende dieses Monats einzureichen. — Meißen. Die feierliche Einweihung der neuerbauten, im Triebischthal gelegenen katholischen Schule erfolgte am 6. Novem ber. Unter Begleitung des Pfarrers und Lehrers begaben sich die Schulkinder im Festzuge von dem alten nach dem neuen Schulhause, woselbst Konsistorialpräses Stolle, Vikariatsrath Staatsanwalt Lufft, Konsistorialrath Machaczek, Hofprediger Wahl, Landbauinspektor Hüller aus Dresden, Bezirksschulinspektor Wangemann, Bürgermeister Hirsch berg, Stadtrath Fischer und zahlreiche Mitglieder der katholischen Schulgemeinde anwesend waren. Präses Stolle hielt die Weihrede. Alsdann brachten Bezirksschulinspektor Wangemann und Bürgermeister Hirschberg, Letzterer im Namen der Stadt, der neuen Schule ihre Glückwünsche dar. Das neue Schulgebäude enthält außer 2 geräumi gen Schulzimmern die Wohnung des Pfarrers und Wohnräume für 2 Lehrer. Voraussichtlich wird man im nächsten Jahre mit dem Baue der Kirche, für welche man in unmittelbarer Nähe der Schule Areal erworben hat, beginnen. — In der Zeit vom 1. November dis 31. Mai dürfen Krebse gleichviel ob sie aus geschlossenen oder nicht geschlossenen Gewässern herrühren, weder feilgeboten, noch verkauft und in nicht geschlossenen Gewässern während dieser Zeit auch nicht gefangen werden. Gelan gen beim Fischen in nicht geschlossenen Gewässern Krebse während der geordneten Schonzeit lebend in die Gewalt des Fischers, so sind dieselben sofort wieder in das Wasser zu setzen. — Auf der Straße von Pleißa nach Limbach wurden am Abend des 3. November eine Näherin von Pleißa angefallen und ihres Portemonnaies mit 12 M. beraubt, außerdem wurden ihr 2 Pfund Schweinefleisch, daß sie bei sich führte, weggenommen. — Im August vorigen Jahres reisten ans Sebnitz eine größere Anzahl Europamüder nach Texas ab. Hiervon ist nun vorige Woche schon der Zweite mit arg getäuschten Hoffnungen wieder zurückgekehrt, Während von mehreren Anderen ebenfalls bekannt ist, daß sie lange Das nicht gefunden, was sie gesucht, und gern wieder in die alte Hei- math zurückkehren würden, wenn sie die erforderlichen Mittel besäßen — Zwei 14 Jahre alte Schulknaben von Thalheim versuchten Spielmarken für 20-Markstücke auszugeben, bezw. zu wechseln. In dem einen Falle war es ihnen auch gelungen, ehe der betreffende Handelsmann die Spielmarke erkannte, mit dem auf 20 M. heraus bekommeneu Gelde zu entkommen. Obwohl die Knaben hier erkannt wurden, machten sie noch einen zweiten Versuch mit dergl. Spielmar ken, welcher ihnen aber nicht gelang. Noch am selbigen Abende wur den die jugendliche» Betrüger ermittelt und das fragliche Geld von 20 M. bis auf 50 Pf. Fehlbetrag, wofür sie sich zur Kirmeß Kuchen gekauft hatten, wieder erlangt. — Die vor Kurzem erst in Okrilla bei Gröbern erloschene Maul- und Klauenseuche ist aufs Neue ausgebrochen. — In der Nacht zum 6. d. brannte in Eppendorf bei Oede ran das Hunger'sche Gut gänzlich nieder. Leider Gottes fiel den Flammen dabei ein Menschenleben zum Raube; der Kuhhirt ist ver brannt. Auch 2 Pferde, 6 Kühe und sämmtliche Schweine sind um gekommen. — Eine junge Dame aus Freiberg hatte sich mittels Benzin ein Paar Glaceehandschuhe gereinigt. Ich Begriff dieselben anzuziehen, stand sie in der Nähe einer brennenden Lampe. Eine ausgehende Stu benthür verursachte nun Plötzlich eine seitwärts aus der Lampe schla- gende Flamme und im Nu stand die eine Hand, an welcher der Hand schuh saß, in Flammen nnd erlitt die Dame deshalb schwere Brand wunden. In Euerbach feierte der protestantische Pfarrer Fleischncr jüngst sein 25jähriges Amtsjubilänm und der katholische Pfarreuratus Schwein fest hielt ihm die Festrede. Er sprach: „Wir lesen in den heiligen Büchern des alten Bundes, daß einst von Gott dem Herrn an Abra ham der Rus erging, seinen Wohnsitz zu ändern. Mit ihm zog sein Weib, und alles, was sein war. Mit dem Wohnsitze änderte Abra ham nicht seinen Beruf, er war und blieb ein Hirte. An seinem neuen Wohnsitze hatte sich ebenfalls ein Hirte niedergelassen, seines Bruders Sohn Lot. Und Abraham sprach zu Lot: Möge doch nicht Streit sein zwischen mir und dir, zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind ja Brüder! — Und sie weideten nebeneinander ohne jeglichen Streit ein Jeder seine Heerde. So erzählt die Bibel und ihre Erzäh lung hat uns alle jederzeit mächtig ergriffe». Wir wollens festhalten auch in den Stunden dieses Festes. Vor 25 Jahren zog unser heu tiger Jubelpfarrer aus anderm Orte hierher als Seelenhirte. Und hier im neuen Berufskreise weidete und weidet neben ihm eine andere Herde, ein anderer brüderlicher Seelenhirt, der katholische Geistliche. Sie übersetzten Abrahams Wort: „Möge nicht Streit sein zwischen mir und dir, zwischen meinen und deinen Hirten und Herden; denn wir sind ja Brüder." 25 Jahre hindurch in die Praxis, in ihr Leben. Sie waren alle Zeugen. Als zeitlicher Hirte dieser brüderlichen Herde muß ich diesem Verdienste unseres Jubilars heute diese öffentliche Anerkennung zollen. Man braucht ja seine Grundsätze nicht aufzuge ben, um im Frieden zn leben, sondern lediglich nach dem Spruche des alten Kirchenvaters zu verfahren: „Ju »othwendigen Dingen Einigkeit, in zweifelhaften Freiheit, in allen aber Liebe." Und bas hat unser Jubilar verstanden. Mein Spruch gilt dem freudigen vivat, üoroat orosoat gegenseitiger Friedfertigkeit, moderner ausgedrückt To leranz, diesem edlen Charakterzug in dem Leben und der Thätigkeit unseres Jubilars! Aus Madrid wird gemeldet, daß der deutsche Kronprinz um die Mitte dieses Monats dort zum Besuch des Königs AlfonS eintreffen werde. Ein Generaladjutant des Kaisers ist bereit- mit einem eigenhändigen Handschreiben desselben abgereist, um den Besuch des Kronprinzen als seines Vertreters anzusagen. Der Kron» prinz^reist, Frankreich vermeidend, über Genua, wo drei deutsche Kriegs schiffe seiner harren, um ihn nach dem „Lande des Weins und der Gesänge" zu geleiten. Die Nachricht, daß der deutsche Kronprinz bereits in nächster Zeit als Vertreter des Kaisers den Besuch erwidern wird, den der König von Spanien im September dem Kaiser abgestattet hat, hat vielfach überrascht. Man ist allgemein geneigt, diesem schnellen Ge- genbesnch zumal im Hinblick aus die bekannten Vorgänge während der Anwesenheit des Königs von Spanien in Paris eine politische Bedeutung beizulegen. Ein meist gut unterrichteter Berichterstatter meldet sogar, daß Fürst Bismarck selbst die Reise des Kronprinzen »ach Madrid veranlaßt habe. Thatsache ist, daß der vom Kaifer nach Madrid gesandte Generaladjutant General von Loe, Kommandeur der 5. Division, der den Besuch des Kronprinzen in Madrid ankün digen soll, nicht nur in längerer Audienz vom Kaiser empfangen wor den ist, sondern auch mit dem Staatssekretär des Aeußeren, Grafen Hatzfeldt, konferirt hat. General von Loe ist zunächst »ach Paris ge reist, wo er noch mit dem Botschafter Fürste» Hohenlohe eine Unter redung haben und dann nach Madrid reisen wird. General von Loe steht im Rufe diplomatischer Talente; cs wird auch bemerkt, daß der Kronprinz nicht durch Frankreich, sondern mit drei Kriegsschiffen von Genua aus zu See reisen wird. Aus Paris kommt die übrigens noch nicht verbürgte Nachricht von der Verlobung der Prinzessin Amalie, der ältesten Tochter desGrafen vonParis, mit dem Großfürsten Alexis, zweiten Bruder des Kaisers von Rußland. Die Orleanisten feiern dies als ein großes politisches Ereigniß. Die in Paris weilenden Großfürsten Wladimir, Alexis, Sergius und Paul haben einer glän zenden Jagd bei dem Herzog von Aumale in Chantilly beigewohnt. Durch Schlagende Wetter sind am 7. ds. aus der Kohlengrube Monkfield bei Accrington in der englischen Grafschaft Lancaster über 60 Bergleute ums Leben gekommen. Die guten Dummen. Erzählung aus der Wirklichkeit. Von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Wenn der Gerichtsrath all' die Baumgarten belastenden Momente zusammenfaßte, dann konnte er auch an der Schuld Baumgartens nicht länger zweifeln, und seltsam genug, sobald er den Angeklagten sich gegenübersah, in dies ernste, männliche Gesicht schaute, aus dem so deutlich ein tüchtiger, ehrlicher Charakter sprach, wurden doch wieder all' seine juristischen schwer wiegenden Grundsätze erschüttert. Diese offene gerade Natnr konnte kein gemeiner hinterlistiger Verbrecher sein! Und so lag bei dem treffliche» Gerichtsrath. der Physiognomiker mit dem Juristen beständig in Streit. * * 4- Seit der Verhaftung Otto Baumgartens legte Frau Reimann eine Schwermuth an den Tag, die nur zu deutlich bewies, wie sehr ihr Herz noch immer an den ehemaligen Geliebten gefesselt war. Die sonst so heitere, lebenslustige Frau ließ sich in keiner Gesellschaft mehr sehen und brach den Verkehr mit ihren früheren Bekannten ab. Auch der Laden blieb fortan geschlossen, denn sie hatte auf der Stelle daS Gewerbe ihr s ManneS aufgegeben. Der Geselle erhielt sür die näch sten Wochen noch seinen Lohn und wurde entlassen. Nur den Lehr ling, Gustav Hammerschmidt hatte sie auf seine dringenden Bitten noch behalten. Dem Bnrsche» mußte es doch bisher gefallen haben, daß er gar nicht fortzubringen war und de» Meisterin nicht eher Ruhe ließ, als bis sie sich endlich erklärte, er möge noch bleiben. Für diese Gunst schien er ihr undenklich dankbar zu sein, denn er wußte sich in Hans und Hof überall nützlich zu machen und hing an seiner Her- rin mit der rührenden Treue eines Hundes. Ihre tiefe Niedergeschla genheit machte ihn ebenfalls ganz traurig; trotz seiner sonstigen Be schränktheit ging er seitdem grübelnd umher, als sinne er darüber nach, wie er seiner verehrten Meisterin helfen könne. Frau Reimann ließ es an ihren Bemühungen, die Unschuld ihres ehemaligen Verlobten nachzuweisen, nicht fehlen. Dieser Gedanke allein beschäftigte sie und rüttelte sie immer wieder aus ihrer Schwermuth auf. Sie suchte in aller Stille etwaige Zeugen zu ermitteln, die Baum gartens Alibi Nachweisen konnten. Auf seinen einsamen Wanderungen mußten ihn koch Leute bemerkt haben, .und wenn sich beweisen Ueß, daß Otto in jener verhängnißvollen Nacht an ganz entgegengesetzten Orten sich aufgehalte» hatte, da»» war auch an seiner Unschuld nicht länger zn zweifeln. Aber wie diese Beweise sich verschaffen?! Da fiel ihr Gustav ein; er hatte ihr stets solche Ergebenheit gezeigt, und bei all' seiner Beschränktheit besaß er doch eine weit größere natürliche Schlauheit, als die Leute gewöhnlich in ihm suchten, und sie sollte sich in ihm nicht getäuscht haben. Kani» hatte sie ihm auseinander gesetzt, auf was es aukomme und was er ermitteln solle, so verzog er sein breites Gesicht zu einem frenndlichen Lächeln und sagte mit einem Ausdrucke von Verschmitztheit: „Ich weiß schon. Verlassen Sie sich darauf, Frau Meisterin, das werde ich schon ausspüre»!" Es hätte wohl kaum des Versprechens bedurft, daß er im glücklichen Falle einen ganz neue» Anzug erhalten solle, um ihn zu den größten Anstrengun gen anfzustacheln. Frau Reimann gab ihm noch einige Thaler und er machte sich sogleich auf den Weg, um in der ganzen Gegend um herzuschweifen. Der Bursche hatte gleich gesagt: ich werde wohl ein paar Tage brauchen und komme nicht eher wieder, als bis ich die nöthigen Zeu gen aufgetrieben habe: aber es vergingen drei volle Tage und Gustav Hammerschmidt ließ sich nicht wieder sehen. Frau Reimann wurde unruhig. Sollte sie auch dieser sonst so gutmüthige dumme Mensch hintergehen? Endlich am vierten Tage fand sich der Bursche Plötzlich ein. Schon sein Aussehen verrieth, daß er sich mußte fleißig in der Um gegend umhergetrieban haben, denn er war ganz verwildert und schmutzig und sah wie ein echter Landstreicher aus. Noch ehe seine Mei sterin eine Frage an ihn richten konnte, rief er mit triumphirendem