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2. Beilage zu Nr. 72 des Amts- u. Wochenblattes für Wilsdruff. Freitag, den 7. September 1883. Vaterländisches. Wilsdruff. Das am Montag Nachmittag auf der Schießwiese zur Mitfeier des Sedantages stattgefundene Kinderfest ist nach allen Seiten hin zur Zufriedenheit verlaufen. Auf dem Festplatze ange kommen, hielt Herr Schuldirektor Gerhard eine herzliche Ansprache an die Kinder, ihnen die hohe Bedeutung des Tages von Sedan ans Herz legend, woran sich der Gesang „Den König segne Gott" anschloß. Hierauf begannen in Abtheilungen die verschiedentlichsten Spiele, welche sowohl Kinder wie Erwachsene, zumal der Himmel ein immer heitereres Gesicht zeigte, bis zum Abend belustigte, wozu aber auch die dargereichten Würstchen mit Brodchen und Bier, sowie namentlich die theilweise reichlichen und werthvollen Geschenke beitrugen. Während des ganzen Nachmittags fand auf der Festwiese Conzert statt. In der achten Abendstunde fand festlicher Einzug nach der Stadt statt, wobei viele Kinderfreunde zum Jubel der Kinderschaar bengalische Flam men anzündeten. Auf dem Marktplatz angekommen, wurde mit Mu sikbegleitung von allen Anwesenden die „Wacht am Rhein" gesungen, worauf Herr Schuldirektor Gerhardt den Kindern in einer Ansprache nochmals ans Herz legte, wie ihnen der verlebte Tag wiederum ein Tag der Freude, ein Tag der Erinnerung und ein Tag des Dankes sein müsse, verflocht damit zugleich den Dank an Alle, welche das Fest durch freiwillige Spenden an Geld u. anderen Geschenken zu Stande gebracht und sonst durch ihren Beistand unterstützt hatten und forderte die Kinder zu einem dankbaren Hoch auf die Stadt Wilsdruff auf, was dieselben in voller Begeisterung ausbrachten. Zum Schluß wurde und zwar wiederum mit Musikbegleitung „Nun danket Alle Gott" gesungen, wodurch der für Jung und Alt schöne Festtag einen höchst feierlichen und würdigen Abschluß fand. — In der königl. Porzellan-Manufaktur zu Meißen wird wie der gegenwärtig auf Befehl Sr. Majestät des Königs eine große Porzellanvase hergestellt, welche zum Geschenk für den deutschen Kaiser bestimmt ist. Auch wurden in dem weltberühmten Etablisse ment in letzter Zeit zwei prächtige Leuchter aus Porzellan gefertigt, welche König Ludwig von Bayern eigens bestellt hatte. Dieselben stellten Weinstöcke dar, an deren Füßen die 4 Elemente symbolisch dargestellt waren. Der bayrische König hat der königl. sächs. Porzel lan-Manufaktur schon mehrfach größere Aufträge ertheilt, wie denn u. A. auch für ihn eine Lohengrin-Figur mit dem Schwan in weißem Porzellan angefertigt wurde, welche durch ihre Schönheit die vollste Zufäedenheit des Monarchen gefunden hat. — Einen wunderlichen Vorfall erzählt die „Zitt. M. Ztg." Das 10 Wochen alte Kind eines Zittauer Einwohners war an einem der letzten Tage verstorben. Der kleine Leichnam wurde in die städti sche Leichenhalle geschafft, von welcher aus die Beerdigung erfolgen sollte. Als die trauernden Eltern am Tage des Begräbnisses in der Halle erschienen, um den Sarg mit Blumen zu schmücken, lag in dem selben der Leichnam eines ihnen wildfremden Kindes. Die angestellten Recherchen ergaben, daß das gesuchte Kind irrthümlich Tags vorher und zwar unter Betheiligung eines katholischen Priesters nach katho lischen Ritus beerdigt worden war. Man kann sich das Gefühl, das sich der Eltern bemächtigte, als sie die Verwechselung bemerkten, wohl vorstellen. Auf Meldung des unliebsamen Vorfalles an maßgebender Stelle soll die Exhumirung des irrthümlich beerdigten Kindes ange ordnet sein. — Einem Gutsbesitzer in Zettlitz wurde in der Nacht zum Sonnabend seine ganz hübsch versorgte Räucherkammer radikal ausge räumt; 4 Schinken, 5 Speckseiten, 1 Dutzend Bratwürste, 1 Dutzend Blutwürste und 10 Stück Kochfleisch, Attes gut geräuchert, ist die Beute der Diebe geworden, die freilich ihre Adresse nicht zurückgelassen haben. — In den letzte» Tagen haben in Leipzig und Umgegend wie der polizeiliche Haussuchungen wegen sozialistischer Propaganda statt gefunden und es ist dabei zum Theil sehr gravirendes Material vor gefunden worden. In Reudnitz wurde sogar in Folge dessen ein Marklhelfer verhaftet. — Es gibt böse Leute, sogar unter den höflichen Sachsen. In Leipzig schlägt Einer vor, eine deutsche Nationalkirche herzustellen und zu diesem Zwecke alle katholischen und protestantischen Geistlichen so lange ins Conclave eiuzusperren, bis sie einig geworden seien. Das würde die beste Feier des Lutherjubiläums sein. Vermischtes. * Ein französischer Deportierter meldet sich beim Geistlichen der Strafkolonie, weil er eine Deportirte heirathen will. — „Waren Sie schon in Frankreich verheirathet?" fragte der Geistliche. — „Ja wohl." — „Ist Ihre Frau todt?" — „Ja." — „Wo ist der Todten- schein?" — „Habe keinen!" —„Dann kann ich Euch auch nicht trauen." — „Warum denn nicht? Sehen Sie nur in den Akten nach, ich bin ja auf zeitlebens deportiert, weil ich sie todtgeschlagen habe!" — „Das genügt freilich," meinte der Geistliche. Die Braut athmete jedenfalls erleichtert auf, daß nun der Vermählung mit ihrem „lieben süßen Schatze" kein Hinderniß mehr im Wege stand.