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stürzen. Viele vorzeitig begonnene Bergwerks- und Eisenbahnbauten haben verlassen werden müssen; zahlreiche Fabriken blieben halbsertig oder wurden bald wieder außer Betrieb gesetzt. Hunderte von Banken und Aktiengesellschaften sind bankerott und langsam vollzieht sich die Ernüchterung und Einschränkung der Unternehmer, die Zurückziehung der Capitalicn aus riskanten Geschäften in sichere Erwerbszweige und die Rückitrömnng vieler Arbeiter aus den Städten nach dem Lande, aus den Fabriken in die kleinen Werkstätten der Handwerker. Huiidcrt- tausende von jungen Burschen, welche in den Gründungsjahrcn ihren Lehrherren davon liefen und trotzdem eine Zeitlang unverdient hohe Löhne erhielten, werden jetzt von Bauplatz zu Bauplatz, von Werkstatt zu Werkstatt als unbrauchbar verbannt und müssen erst wieder an fangen, etwas Ordentliches zu lernen. AlleWeltmuß sich wieder einschränken und dies wirkt wieder auf die Herstellung von Waaren zurück. Es ist offenbar am bequemsten, die Gesetzgebung und das hartherzige Capital und die Unternehmer für alle diese Üebelstände und Entbehrungen, für Arbeiter-Entlassungen und niedrige Löhne ver antwortlich zu machen, aber nützlicher ist es, den Ursachen der sozialen Erscheinungen nachzuforschen und die harten Thatsachcn des Lebens verstehen zu lernen, anstatt sie zu beschimpfen. Wenn auch manche Unschuldige von der Krist« betroffen worden, so ist die Mehrzahl der Verluste doch nicht zufällig und unverdient. Auch das kleine Bürger- tbum wollte seine bescheidenen Ersparnisse lieber zu 6 und 8 PC. anstatt zu 4 PC. verzinsen und förderte dadurch auch seinerseits den Tanz um das goldene Kalb. Es ziemt daher allen Volkskreisen hübsch in sich zu gehen und nach kurzem Traume von raschem Er werben uno leichten Gewinnsten zu größerer Arbeitsamkeit und Spar samkeit, zu Ordnung und Zucht zurückzukchren. Noch immer gilt Franklins Wort: Aendert Euch selbst, so werden sich die Zeiten ändern! Dresden, 5. Januar. Die Zweite Kammer verwies in ihrer heutigen Sitzung nach kurzer Discussion einen Antrag der Abgg. Ackermann und v. Ehrenstein — dahin gehend, die Staatsregicrung zu ersuchen, die säwmtlichcn vorhandenen Gerichtsämter, einschließlich derjenigen unter ihnen, deren Aushebung nach dem vorläufig aufge stellten Plane der Negierung in Aussicht genommen oder in Frage gestellt ist, bis auf Weiteres fortbestehcn zu lassen und seiner Zeit in Amtsgerichte umzuwandeln, zur Aufhebung des einen oder andern derselben aber erst dann zu verschreiten, wenn sich aus den seit Ein führung der deutschen Neichsjustizverfaffung zu gewinnenden, nicht vor Ablauf von 2 Jahren zum Abschluß zu bringenden Erfahrungen die Entbehrlichkeit desselben herausstellen sollte — an die Gesetzgcbungs- deputation. Berlin, 4. Januar. Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Bei Ent gegennahme der Neujahrsglückwünsche der Generale sprach der Kaiser seinen Dank und die Freude aus, sie auch in diesem Jahre begrüßen zu lönnen, da ja seine Gesundheit dieses gestatte. Nachdem der Kaiser Moltke und die einzelnen Erschienenen persönlich begrüßt hatte, drückte er sein Bedauern aus, daß Wrangel nicht mehr an dieser Stelle stehe, er sei aber der festen Ucberzeugung, daß Alle demselben ein ehrendes Andenken bewahrten, besonders im Hinblick auf seine großen Ver dienste um die Armee. Im Weiteren die Armee berührend, hob der Kaiser hervor, daß er auch im vergangenem Jahre Gelegenheit gehabt habe, sich zu überzeugen, daß die Armee Vorzügliches leiste und er danke den Versammelten, denen ein so großer Antheil an der Tüch tigkeit der Armee zufalle. Mit den Worten: „Was das künftige Jahr bringt, wissen wir nicht!" sei der Kaiser von den Vertretern der Armee geschieden. Die vollständige Lösung der deutschen Kanzlerkrisis ist erst nach Eröffnung des Reichstages zu erwarten. Die Besprechungen, welche Fürst Bismarck mit Bennigsen, dem Präsidenten des Abge ordnetenhauses, in Varzin gepflogen und denen zuletzt der kaiserliche Flügeladjutant Graf Lchndorf im Auftrage des Kaisers beigewohnt hat, haben das öffentliche Interesse sehr in Anspruch genommen. Die Pläne Bismarcks gehen auf eine Verbindung der wichtigsten Reichs ämter mit den entsprechenden Zweigen des preußischen Staatsdienstes und auf eine Heranziehung von Männern, welche eine unmittelbare Fühlung mit der Mehrheit des Reichstages und des Abgeordneten hauses vertreten. Als solche Männer werden vor allen andern v. Bennigsen und v. Forckenbeck, Präsident des Reichstages, genannt. Suleimann Pascha befindet sich in Adrianopel, von wo er unterm 3. Januar den glücklich vollzogenen Rückzug der türkischen Armceabtheilnng von Kamarli nach Slantza meldet: In Petersburg will man wissen, daß er aus Bulgurien nur 40,000 Mann nach Rumelicn mitgenommen, 70,000 Mann aber in den bulgarischen Festungen und in den Plätzen Rasgrad, Eski-Djuma, Osmanbazar und Basardschik gelaffen habe; auch meldet ein offizielles Telegramm auS Bogol vom I. Januar, eine am 31. December unternommene große Nekognoszirung habe ergeben, daß die Türken die Lomlinie noch besetzt halten und die Brücke über den Kara-Lom, sowie den Weg nach Schumla scharf bewachen. Aus Erzerum wird den „Daily Netos" unterm 21. December telegraphirt, daß das Geschick von Erzerum wahrscheinlich in Baiburt entschieden werde. Dieses liegt etwa 150 Kilometer nord westlich von Erzerum an der Siraßc nach Trapezakt. Dort koiizen- triren die Türken ihre Truppen, nachdem sie unter Kurv Ismail Pascha nur eine Besatzung in Erzerum gelassen haben, und auch die Ruffen bewegen sich allmählich in jener Richtung hi»; cs dürste also hier zuerst wieder zum Kampf kommen. Ob Mukhtar Pascha sich noch in Baiburt befindet, ist unbekannt; in Erzerum glaubte man, es sei ihm ein Commando aus den europäischen Kriegsschauplatz übertragen. — Ein direkter Angriff der Russen auf Erzerum selbst scheint in nächster Zeit nicht bcvorzustehen, wenigstens läßt flch das wohl aus dem Umstande folgern, daß General Loris Melikoff, dir Höchstkom- mandirende der russischen Armee, sich nach Tiflis begeben und dem General Heymann einstweilen das Commando übertragen hat. Auf ihren Marsch nach Baiburt umgehen die Russen die Festung im Süden. Deutsche Rache. Episode aus dem letzten Kriege von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) m (Fortsetzung.) „Pardon, mein Fräulein!" versetzte Otto finster, „ich leistete der Dame einen Dienst, den ich vielleicht besser unterlassen hätte. Ich kann nichts dafür, wenn mein deutscher Name so barbarisch klingt, daß eine Französin daran stirbt." Als die junge Dame die blauen Augen vorwurfsvoll auf ihn richtete und sich dann zärtlich mit der Großmutter beschäftigte, sah er erst, wie schön, wie reizend sie war, und fühlte sich beschämt, so rauh gewesen zu sein. Was konnte das arme Kind für die Schuld der Großeltern. Wie konnte er diesen schönen deutschen Augen zürnen? . r „Entschuldigen Sic meine Rauheit, gnädiges Fräulein!" begann er nach einer Weile mit etwas stockender Stimme, „der Krieg kennt keine Galanterien. Wenn Sie es erlauben, werde ich die Kammer frau herbeirufen." Es wurde ihm recht unbehaglich, diesen blauen Augen gegen über, weshalb der sonst so tapfere Lieutenant auf einen raschen Rückzug bedacht war. „Wo ist der deutsche Offizier?" Hörle er plötzlich die alte Mar quise fragen, „ist er fort?" „Nein, Großmama," erwiderte die junge Dame leicht, „doch wird er sich jetzt entfernen." „Er soll hier bleiben," fuhr jene hastig fort, „geh' in Dein Zimmer, Kind, ich will mit ihm allein reden." Es geschah. Großmutter und Enkel standen sich allein gegenüber. Die alte Dame schaute einige Minuten lang mit starrem Ausdruck auf den Todten, dessen Züge einen finstern Groll noch zeigten. Dann richtete sie sich stolz empor und sagte: „Treten Eie näher her zu mir, mein Herr!" Es lag ein so verletzender Hochmuth im Blick und Ton der Marquise, daß Otto jetzt etwas wie Haß und Verachtung gegen sie empfand. Ohne der Aufforderung Folge zu leisten, versetzte er mit schneidender Kälte: „Ich glaube, Madame, daß diese Entfernung besser ist für Sie wie für mich." Sie zuckle leicht zusammen und richtete die noch immer schönen Augen auf den jungen Mann, der ihren durchdringenden Blick so fest und mit einem so seltsamen Ausdruck erwiderte, daß sie verwirrt die Augen senken mußte. „Man sagte mir oft," fuhr er in demselben Tone fort, „daß ich meinem verstorbenen Großvater, dessen Namen ich führe, sehr ähnlich sehe." Wieder zuckle sie zusammen und wieder richtete sie den Blick auf ihn, aber diesmal schon wie das böse Gewissen, und wieder mußte sie das schuldige Auge vor dem festen Blicke des Enkels senken. Die stolze Frau fand keine Antwort, so sehr sie auch darnach rang. „Sie scheinen den gegenwärtigen Krieg als einen Fluch des Himmels zu betrachten, Madame! Er ist's in der That für dieses Haus, für Frankreich, Gott straft die Sünde der Eltern an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied. Seine mächtige Hand lödtete den Enkel jenes Mannes, der einst mein Vaterhaus verwüstete und das Glück desselben vernichtete, — er wird das Geschlecht dieses Frevlers vertilgen und die Rache vollsührcn, woran der Sohn einst verhindert wurde; und was Frankreich an dem deutschen Volke Jahr hunderte lang verbrochen, es wird heule gerächt im vollen Umfange. Ja, Madame, der Fluch des Himmels geht furchtbar in Erfüllung und die Saat des Verbrechens wird heute von dem Schnitter der göttlichen Gerechtigkeit, gemäht. Wenn ich, der Enkel des Vcrrathcnen, des so furchtbar Betrogenen, dem Sohne des Verrälhers heute einen Liebesdienst erzeigte, so wird «ein Vater mich segnen ob dieser deutschen Rache. Sie können Ihren Enkel ruhig begraben, Madame, ich verpfände Ihnen mein unbeflecktes Ehrenwort, daß Sie ihn un behelligt beweinen mögen!" Er verbeugte sich und schritt nach der Thür. Die Marquise stand da wie ein Gerichtete, Angesichts des Enkels, Angesichts des Lebenden, da ihr hochmüthiger Trotz noch immer ver leugnen wollte, empfand sie die rächende Hand der Nemesis, die jedes Verbrechen, jede Sünde unerbittlich trifft. Da sank sie plötzlich, als Otto die Thür öffnete, mit einem Angstschrei auf die Kuiee und streckte flehend die Arme nach ihm aus. „O, Vater! mein Vater, Du bist gerächt!" murmelte er tiefbe wegt und vor dem Engelsbilde, das drüben so angstvoll bittend auf der Schwelle des Nebenzimmers sich zeigte, zerschmolzen die wilden Gefühle des Hasses und der Rache. Noch an demselben Abend besuchte er das Lazareth, wo der Marquis de Constans sich befand. Sein Zustand hatte sich derartig verschlimmert, daß der Arzt seinen baldigen Tod prophezeite „Er wird vielleicht die Nacht nicht mehr überleben," hieß es. Otto ging zu ihm, der Kranke erkannte Ihn auf der Stelle. Als jener ihm miltheilte, daß er seinen Wunsch erfüllt, zog ein dankbares Lächeln über sein Gesicht. „Auch mich — bald — bald!" flüsterte er mit einem flehenden Blicke. (Schluß folgt.) (Eingesandt.) Die Erwartungen, welche man an Herrn Direktor Korb und seine Mitglieder stellte, haben sich jedenfalls erfüllt. Beweisen wird das die rege Theilnahme, welche sich von hier und der Umgegend kundgiebt. Um so schmerzlicher berührt es, daß Recensionen sehr spärlich im „Wochenblatt" zu lesen sind. Wer Frau Korb, Frau Graf, Fräulein Margreiter, Fräu lein Bernau, sowie die Herren Graf, Leischner und Reulecke sprechen hört, der erkennt, daß es den geehrten Mitgliedern Ernst ist, Künstlerisches zu leisten! Mag der Schauspieler noch so tüchtig sein, wenn es au väterlicher Zurechtweisung und an freundlicher Aufmun terung fehlt, so wird schließlich das gediegenste Genie ein oberfläch licher Darsteller werden. An die geehrten wissenschaftlich gebildeten Männer ergeht hier durch die höfliche Bitte: Recensionen über's Theater zu schreiben, damit auch das Publikum sich die rechte Vorstellung über Theater machen kann. Der Dank von beiden Seiten wird hoffentlich nicht ausbleiben. El. Redactionsbemerkung: Wir sind jederzeit gern bereit, Recensionen und Referate über Theater, Concerte, Versammlungen u. s. w. unentgeldlich aufzunehmen. Berichtigung. Jrrthiimlich ist in den letzten Kirchennachrichten bei den Getrau ten Clara Luise Vogel, statt Emma Hulda Vogel gesetzt worden. Sonntag den 13. Februar Har im ober» Gasthofe zn Kesselsdorf, wozu ergcbenst entladet Lekarks.