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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.07.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080701010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908070101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908070101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-07
- Tag 1908-07-01
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Monat
1908-07
-
Jahr
1908
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konnte? — Zeuge: Nein, er war nur Anhänger der Homöopathie und iprach zeitweise davon. — Berteidigrr: Die Angeklagte behauptet, dog ein Teil der Geschenke, deren Kauf Sie gesehen haben, nicht au sie, sondern au eine andere Person gelangt sei. Wissen Sie, ob die Geschenke die von Ihnen angenommene Bestimmung erreicht hoben. — Zeuge: Nein. — >ieuge Obrrwachtmeister Schirckr-Chemnitz sogt über den Fund der Reiche aus, sowie über die Vernehmungen der Bewohner des HauirS, in dem die Tat vollbracht wurde: Danach ist die Beier im Hanse gesehen worden, man hat anch Wortwechsel gehört und ich habe angenommen, daß die Tat in der Aufregung über die Unterredung vollbracht wurde, zu der der Brief der Italienerin, der aus dem Schreibtisch lag, die Veranlassung gegeben haben tonnte. Tie Leute, die ich darüber fragte, wußten nichts von einer früheren Ehe PreßlerS. An einen Mord konnte niemand denlen, es war für die Polizei die einfache Aushebung der Reiche eines Selbstmörders. — Bors.: Tic Angeklagte baue dem ^pscr die Augen verbunden. Ist Ihnen das nicht auf. ge'ollcn'? - Zeuge: Nein, das kommt auch bei Selbstmördern vor. — Zeugin Frau Wrvdcr, die Aufwartefrau Pretziers: Ich habe anfangs geglaubt, Preßler schliefe in seinem Sessel, cs war alles in schönster I rdnung und ich machte erst sein Schlafzimmer zurecht. Später sab ich mn Schrecken, daß er tot war. Eine Hand war blitzblau, die andere kreideweiß. Im übrigen bringt die Aussage nichts Neues. — Eine Hauc-genosfin, Frau Möser, bestätigt im wesentlichen die vvr- au'gegangenen Aussagen und den bisher bekannten Tatbestand. Sie sagt, daß der Schuß allgemein in der Nachbarschast gehört worden sei. Alle sahen ans den Fenstern, aber niemand wußte, wo er gefallen war. — Tic Hausbesitzerin, Frau Fa uscher, bestätigt ebenfalls, daß die ganze Umgebung anfänglich durch die geschickten Manöver der Beier gelauscht worden ist. — Es tritt hierauf eine Pause ein. Nach Wiederaufnahme der Verhandlung wird zunächst die Schwester des Ermordeten, Iran verw. Klein kecker, vernommen. c sagt ii. a. aus: Tas Zyankali, das die Beier meinem Bruder ent- Wendel bat, stammt von meinem Manne, der cs ihm zu photo graphischen Zwecken gegeben hatte. In die Echtheit des Testaments habe ich von Anfang an Zweifel gesetzt. — Ter Bruder des Ermordeten, Tr. Paul Pretzier, sagt über die Wirkung eines Brieses aus, den Mertcr an seinen Nivalen geschrieben hatte, und in welchem ihm nnt- gctcilt worden war, datz M. in intimen Beziehungen zu seiner Braut gestanden habe. Er ist von seinem Bruder aufgesordert worden, sich zu erkundigen, aber aus einem Briefe des Ermordeten, der die Angelegen heu behandelt, gebt hervor, datz Pretzier an die Schuld der Brant auch nach jenem Briese nicht glauben konnte. Er freute sich vielmehr, datz dieser Brief nicht mehr anonmym sei, sondern datz er, falls die Be schuldigungen sich als unwahr Herausstellen sollten, woran er nicht zweifelte, den Verleumder mit der Hundepeitsche züchtigen wolle. Nach der Tat ist auch die Familie des Ermordeten durch die Bcronibricse ebenso getäuscht worb'en, wie durch das gefälschte Testa ment. — B o r s.: Fiel Ihnen nichts an dem Testament auf, kam Ibn.cn die Schrift nicht merkwürdig vor? — Zeuge: Anfangs nicht. — Bors.: Sic erkannten bas Testament glatt als richtig an? — Zeuge: Ja. — Vorst: Auch Ihre Frau Mutter? — Zeuge: Ja. — Bors.: Fiel Ihnen nicht der Passus im Testament auf: „Lustig gelebt und selig gestorben . . .?" — Zeuge zuckt die Achseln. — Vorst: Waren Ihnen die Veronibriefc nicht ausfällig oder unwahrscheinlich? — Zeuge schweigt. — Bors.: War Ihr Bruder überhaupt in Italien, so datz die (beschichte wahr sein konnte? — Zeuge: In Italien war er. — Damit ist das Verhör dieses Zeugen beendet und die beiden Geschwister verlassen sofort den Saal. — Die nächste Zeugin ist die ehemalige Logiswirtin Pretziers, Frau Fürst. Sic bekundet u. a.: Zu mir hat Pretzier unmittelbar nach seiner Verlobung gesagt: Bin ich denn verrückt oder wahnsinnig? Ich soll mich verlobt haben. Später hat er mir einen Brief von seiner Braut gezeigt, in dem diese schrieb, er solle nicht glauben, was der Ingenieur Tschicknitz ihm sagen werde, er solle nur seiner Braut glauben. In einem späteren Stadium hat mir Merker einen Besuch cemocht, bei dem er mir sagte, die Beier werde nie den Pretzier heiraten, die Möbel würden nicht für ihn, sondern für Merker gekauft. Dann schrieb er mir kurz vor der Tat der Beier einen Brief, in dem es bictz, ich würde staunen, was in zwei bis drei Wochen passiert, da würde Pretzier nicht mehr Oberingenieur und Beier nicht meyr Bürgermeister sein — V o r s.: Sie haben aber nie etwas gemerkt, was -«an' eine frühere Heirat Pretziers schließen lassen konnte? — Zeugin: Nein. — Bors.: Hat er nie Besuch bekommen? — Zeugin: Er hat nie Damen empfangen. — V o r s. Hat P. unlautere Beziehungen zu ^ILncn gehabt, — Zeugin: Nie. — Vorst: Sie hatten eine Nichte. — Zeugin: Ja, was soll mit ihr sein? — Vorst: Hatten Sie nicht einmal Aussicht, daß der P. sie heiraten würde? — Zeugin: Ja, er batte es ihr einmal versprochen, ich war aber dagegen wegen des Stan- desunterschiedes. — Vorst: Hat P. dann nie Annäherungsversuche ge macht? — Zeugin: Nein, es war ein durchaus freundschaftliches, an- ständiges Verhältnis. — Vorst: Sie können also P. das Zeugnis eines durchaus ehrenhaften Mannes geben? — Zeugin: Ja. — Bert.: Sie haben geäußert, daß Sie sich durch die Verlobung und die Aussicht aus eine Heirat des P. benachteiligt gefühlt hätten. — Zeugin: Ja, weil ich seinetwegen eine große Wohnung gemietet hatte. — Vert.: Hatte Ihnen P. nicht angeboten, die Wohnung als sein eigenes Heim zu übernehmen? — Zeugin: Ja. — Vert.: Sie haben sie ihm aber nicht gegeben. Zeugin: Weil sich die Wirtin von ihrem Zimmerherrn nicht hinausdrängen läßt. — Vert.: Sie haben uns verschwiegen, daß Sie einmal nach Brand gefahren sind und den Eltern der Braut mit geteilt haben, er hätte früher mit einer Frau ein Verhältnis gehabt. — Z c u g l n: Ich wollte nur Gewißheit haben, ob und wann die Heirat stattfinden würde. — Vert.: Dann wäre die Mitteilung nicht nötig gewesen, Sie hatten offenbar ein Interesse daran, die Verlobung zu Hintertreiben. — Zeugin: Ich gebe zu, daß die Mitteilung über flüssig war und sie tut mir heute leid. — Vert.: Das genügt. Hieran^ tritt die Mittagspause ein. In der Nachmittagssitzung. die um 4 Uhr begann, wurde das Zeugenverhör fortgesetzt. — Vorher machte der Vorsitzende die Angeklagte daraus aufmerksam, datz sic in der letzten großen Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter nichts von den unlauteren Anträgen gesagt habe, die sie angeblich zu der Tat in letzter Linie veranlaßt haben sollen. Die Angeklagte erklärt die damalige Aussage für unwahr und hält ihre jetzige Darstellung ainrecht. Tarain beginnt die Vernehmung der Zeugin Frl. Ger st en- Freiberg, die früher mit der Angeklagten befreundet war. Sie gibt die Antworten aus die Fragen des Vorsitzenden sehr unsicher und zögernd ab und erklärt wiederholt, daß sie sich nicht mehr aus die einzelnen Vor gänge entsinnen könne. — Vorst: Die Angeklagte ist unmittelbar nach dem Morde bei Ihnen gewesen, haben Sie ihr da nichts angemerkt? — Heugin: Nein. — Vorst: Es ging damals wohl sehr vergnügt bei Ihnen zu? — Zeugin: Nicht mehr als bei vielen anderen Gelegen heiten. — Zeuge Polizeiwachtmeister F ä h n d r i ch-Freiberg macht einige Angaben über das Verhalten der Beier in der Angelegenheit der Erbschaft-Hinterziehung, die zu der ersten Verhaftung führte. Er schil- dcrt die Beier als äußerst verstockt und als eine sehr geschickte Lügnerin, und fährt fort: Der Eindruck, den die Mutter Beier bei dieser Sache machte, war sehr wechselvoll, ich war einmal nahe daran, mich von ihr düpieren zu lassen, kam aber immer wieder zu der Ueberzcugung, daß die Mutter bei dieser wie bei anderen Gelegenheiten mehr die Hand im Spiele halte, als man bisher allgemein anniwmi. Ter Einfluß der Mutter trat immer wieder stark zutage. Auch Merker scheint mehr gewußt zu Haden, als zugegeben wird, denn er hat Pretziers Tod wiederholt vorausgcsagt. . Später wurde dann behauptet, er habe sich weiter nichts bei seinen Redensarten gedacht. Zeuge hat dann noch Erhebungen über den Leumund Pretziers iiigestclli, die nichts Nachteiliges ergeben haben. — Zeuge Oberingcnicur Tschicknitz aus Ebemnitz hat 8 Jahre mit dem Ermordeten gearbeitet. Er hält ihn auch für einen etwas schroffen, aber gutmütigen slNcnichcn. Seine ausführliche Darstellung der einzelnen Vorgänge vor und nach der Verlobung bringt nichts wesentliches Neues. Anch auf ibn hat die Beier anfangs einen sehr guten Eindruck gemacht, ec ist aber schon durch den ersten anonymen Brief mißtrauisch geworden, während Preßlcr sehr vertrauensselig war. Die Zeugenaussage Merkers, der aus der Hast vor geführt wird, bringt wieder cm stärkeres Interesse in die Verhandlung. * Freiberg, .10. Juni. (Privattelegramm.) Itzrete Beier wurde ;nm Tote verurteilt. »lc. Dresden L9. Juni. Ter Ttülpncr der Dresdner Heide. Eine Gerichtsverhandlung nach der Dresdner Heide hatte die 5. Strafkammer deS Dresdner Landgerichts auf heute nnberaumt, um dort im Walde über einen berüchtigten Wilddieb, den seine Bekannten den „Stülpnrr der Dresdner Heide' nennen, zu Gericht zu sitzen. Tas Gericht sah aber schließlich von einer Verhandlung im Walde ab und ver handelte iin Sitzungszimmer des Gemeindeamtes Bühlau, wohin der der gewerbs- und gewohnheitsmäßigen Wilddiebereien angeklagte 43jährige Steinmetz Robert -Hermann Rosenkrantz gebracht wurde. Am 26. Januar d. I., einem Sonntage, sand ein Waldarbeiter der Dresdner Heide auf der sogenannten Schattenwieie an der UNensdorser Straße einen ausgeweideten Hirsch, der mit Reisig zugedcckt war. Sofort umstellten Walvarbeiter und Foritgehilien in weitem Umkreise die Fundstelle und warteten anfangs vergeblich auf den Wilderer. Erft »ach einer dreistündigen Wartezeit erschien ein Mann, der von allen Anwesenden iofort als der Angeklagte Rosenkrantz erkannt wurde. Der Wilverer mußte aber llnheil gewittert haben, den er verließ sowrt, nachdem er sich von dem Vor handensein des ausgeweidcteu Hirsches überreugt halte, den Wald und eS gelang den Forstleuten nicht, den vorsichtigen Wilddieb zu stellen. Man schritt dann später zu seiner Verhaltung, voch bestritt R. von Anfang an jede Schul». Er gab zwar zu, im Besitze der Gewehre gewesen zu sein, jedoch habe er damit nur .Hunde, Katzen und wilde Tauben geschossen. Seine Hausgenossen bekundeten, daß R. nie seiner Berufsüeschästigung nachgegangcn, aber regelmäßig abends und nachts auf dem Posten gewesen sei und nach jedem nächtigen Ausgange in verdächtiger Weise in seinem Schuppen hantiert habe. Di« nächsten Orts bewohner betrachteten R. als einen leidenschaftlichen Jäger und verschlagenen Wilddieb und hatten ihm deshalb den Spitznamen „Stülpnrr" bcigelegt. Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen Wilddieberei zu tJahr Gefängnis und 3 Jahren Ehrenrechtsverlust und sprach ferner die Polizeiauslicht für zulässig aus. Der dritte Lewandowski-Prozeß. (Fortsetzung.) sk. Berit«, 29. Juni. Aus der Sonnabendsitzung ist noch folgender Zwischenfall nachzutragen. Der Gefängnisaufseher Heinrich erschien an Gerichtsstelle und machte Mittei lung, daß Frau Lewandowski versucht habe, eine Frau Hautmann, die sich in Untersuchungshaft befindet, zu einem Meineide zu verleiten. Frau Hautmann wurde sofort als Zeugin geladen und während Frau Lewandowski abgeführt war, machte die Zeugin folgende Angaben: Frau Lewandowski, mit der sie zu- sommen in einer Zelle im Untersuchungsgefängnis saß, habe sie veranlassen wollen, vor Gericht zu erscheinen und auszufagen, sie sei früher bei ihr als Plätterin beschäftigt gewesen. Ueber die zu machende Aussage habe Frau Lewandowski ihr einen Zettel übergeben, den sie der Ober aufseherin übergeben Labe. Die Zeugin bekundete weiter, daß die An geklagte Frau Lewandowski mit der als Zeugin bereits vernommenen Untersuchungsgesangenen Fräulein Reimers in mehreren Fällen beim Spazier gange im Gesängnishofe Kassiber gewechselt habe. Die Reimers, nochmals eingehend vernommen, erklärte hierauf, daß sie ihre abgegebene AnSfage nicht beschwören wolle. Sodann wurde noch eine zweite Untersuchungsgefangene vorgeführt, die ebenfalls von Frau Lewandowski einen Zettel zugrftectt erhalten hat. Auf dem Zettel stand nur: „5LOO .^l" Sie hat den Zettel zerrissen und weggeworsen. — In der heutigen Sitzung wurde in der Zeugenvernehmung fortgefahren. — Ein Gerichtsvollzieher bekundete, daß er vom Januar 1906 bis Juni 1907 40—50 Zwangsvollstreckungen bei der Familie Lewandowski vorgenommen habe. — Darauf wurde die Untersüchungsgefangene Frau .Hautmann nochmals vernommen. Die Zeugin gibt an, daß etwa vier- bis fünfmal Kassiber von der Frau Lewan- dowski an andere weitergcgcben worden seien. — Frau Lewandowski gibt an, daß aus dem Zettel nur die Worte gestanden: „Wenn etwas mächtiger ist als das Schicksal so ist es der Mut, der ihn unerschütterlich trägt." Die Zeugin erklärt, daß es ihr geschienen habe, als ob Frau Lewandowski die Reimers gar nicht gekannt und daß Frl. Reimers wahrscheinlich gar nicht bei Frau Lewandowski in Stellung gewesen fei, daß also Frau Lewandowski sie erst zu der falschen Aussage verleiten wollte.— Der Kaufmann Rosenthal hat dem Grafen für 1800 Anzüge geliefert. Dieser hat versprochen, sie zu bezahlen, denn er wolle in feinem Walde für 100 000 Mark Hol; schlagen lassen. — Nach einer Pause verkündete der Vorsitzende, daß der Gerichtshof zahlreiche Anträge ter Verteidigung auf Ladung neuer Zeugen abgelehnt habe. R.-A. (Lohmann (der an Stelle des R.-A. Dr. Halpert jetzt den Angeklagten verteidigt! stellt fest, daß Frau Lewandowski das Geld für die in Umlauf gesetzten Wechsel eingezogen habe und daß der Graf immer leere Taschen halte. — Ter Vorsitzende teilt dann mit, Laß der Mitinhaber der Firma Berger L Collani, Herr Kurth, schon seit mehreren Wochen verschwunden ist, sich aus Lehnitz bei Oranienburg gemeldet Hot und als Zeuge jetzt erscheinen wolle. — Darauf kamen verschiedene Zeugen zum Wort, die von Frau Lewandowski veranlaßt worden find, dem Grafen ein Automobil zu liefern. Ein Automobil kostete 40 600 und wurde mit Wechseln von 50 000 bczablt, wobei sich Fran Lewandowski noch 1000 herauszahlen ließ Drei Stunden nach dem Kauf wurde das Automobil wieder versetzt. Ein anderes Mal kaufte der Graf selbst ein Automobil für 25 000 >6, das dem Vorbesitzer nur 12 004 gekostet hatte. — Verschiedene Zeugen, über die Wechselasfärea des Grafen vernommen, er- klären, daß sie die Wechsel nur deshalb genommen, weil ein Pastor und ein Reichsgraf unterschrieben hatten. Um 5 Uhr wird die Sitzung auf DienStag 9 Uhr vertagt. Der Mörder des Ltatthalters Potocki vor den Geschwornen. —x. Lemberg, 3). Juni. (Trlegramui.) Heute früh nahm, wie schon kurz gemeldet, vor dem hiesigen Schwurgericht der Prozeß gegen den ruthenischen Studenten Johann Andreas Miroslaw Sieczynski unter großem Andrange der galizistlen Bevölkerung seinen An fang. SieczynSki ist augeklagt kcS Meuchelmordes, den er aus politischen Motiven begangen bat. Sein Opfer war Graf Potocki, der Statthalter von Galizien, den er am 12. April dieses Jahres während einer Audienz erschossen bat. Sieczynski gehört schon seil langer Zeit zu den radikalen ukrainischen Agitatoren, er hatte bereits an den Demonstrationen, die unter dem Minister präsidenten Körber siattgcsunden hatten, lebhaften Anteil genommen. Obwohl das bekannt war, batte man ihn zum Gratcu Potocki vorgelassen, da der Statt halter Anweisung gegeben Halle, jeden Audienzbeivcrbcc zuzulancn. Beim Ein- tritt in den Audienzsaal hatte sich der Statthalter dem vermeintlichen Bittsteller Sieczynski genähert Als er ibm etwa auf zwei bis dritte Schritte nahe ge- kommen war, zog Sieczynski plötzlich eine Browningpistole und feuerte einen Schutz auf de« Grafen Potocki ab, der diesen in die Stirn traf. Der Statthalter sank in die Knie, erhob sich aber gleich wieder, woraus Sieczynski nochmals drei Schüße auf ihn abfeuerte. Tödlich getroffen sank nun der Statthalter zu Boden. Man bemächtigte sich sofort deS Attentäters. Beim Abführen rief er mehreren rnlheniichrn Bauern, die ebenfalls auf eine Audienz warteten, zu: „DaS ist für die Wahlen und für die Euch angetane Unbill." In ähnlicher Weise äußerte er sich dann noch auf der Polizei, daß er sich für das den Rutbenen zugesügte Unrecht gerächt habe. — Den Vorsitz in der Verhandlung führt Landgerichtspräsident Hosrat Prziluski, die Anklage vertritt Staatsanwalt Bart, die Verteidigung liegt in den Händen der Abgeordneten Rechtsanwälte Konstantin Levitzki, Dr. Parasolski, Okuniewski und Dr. Zachaliewitscb, sämtlich auö Lew- berg, sowie des Rechtsanwalts Golubowitsch ans Taranapol. Noch in letzter Stunde wäre es beinahe zu einer neuen Vertagung der Verhandlung gekommen, da der Verteidiger Ang. Levitzki noch ein Gesuch eingebracht hatte, in welchem er mit Rücksicht aus die in Lemberg herrschende feindselige Stimmung gegen Le» Angeklagten die Delegierung eines «flgalizischen oder bulowinensischen Schwurgerichts beim Oberlandesgericht beantragte. Das Oberlandesgericht hatte jedoch dieses Gesuch in einer am Sonntag stattgehabtcn Sitzung ab gelehnt. Die Anklage war ursprünglich auch gegen die Mutter des Angeklagten Olina Sieczynski wegen Anreizung ihres Lohnes zu dem Verbrechen des Meuchelmordes erhoben worben, das Verfahren wurde jeboch wieder eingestellt. Zur Ausrechterhaltung der Sicherheit und zur Verhinderung von irgendwelchen Attentaten sind die weitcst- gehenden Vorsichtsmaßregeln getroffen worben. Es ist ein umfangreicher Polizei- und Justizwachtdienst vorbereitet. Militär ist in der Nähe des Schwur- gerichts untergcbracht. Um '/r9 Uhr begann die Verhandlung. Der Angeklagte benahm sich voll- kommen ruhig und blätterte in verschiedenen 'Een, die vor ihm lagen. Nachdem der Vorsitzende den Angeklagten über seine Personalien gefragt hatte, wurde die Anklageschrift in polnischer Sprache verlesen. Verteidiger Tr. Levitzki protestiert dagegen und begehrte Verlesung der Anklage in ruthenischer Sprache, welchem Antrag der Gerichtshof Folge gab. Dann begann daS Verhör Les Angeklagten. Präsident: Bekennen Sie sich schuldig? — Angekl.: Ich bekenne mich schulbig, die Tat ausgesührt zu haben, allein ich bekenne mich nicht schuldig, ein Verbrechen begangen zu haben. Ausdrücklich möchte ich zunächst betonen: Was ich getan habe, geschah ohne Verabredung, ohne Mitschuldige und vhne Verleitung vvn irgend einer Seite. Ich habe die Tat nicht plötzlich begangen, sondern nach langer reiflicher Ueber- legung und Vorbereitung. Ter Angeklagte erklärte weiter, daß er schon vor einem Jahre den Entschluß gefaßt habe, den Statthalter, den er als den Führer der polnischen Adelspartei betrachte, zu beseitigen. Der Statthalter habe in Galizien wie ein Tyrann gewirtschaftet. Ter Angeklagte beipricht in fast zweistündiger Rede die politischen Vorgänge der letzten Jahre, die Unruhen in Ladzkic und die Exzesse in Hornzko. Ich wußte, daß Graf Potocki die ruthenischen Universitätsskandaie provoziert habe, ich wußte, daß der Statthalter ein Feind der selbständigen ruthenischen Universitäten sei. Graf Potocki, so resümierte sich der Angeklagte, sei ein ausgesprochener Feind der Ruthenen und habe dies fort während betätigt. Schließlich erklärte er, er sei genötigt gewesen, zu illegalen Mitteln seine Zuflucht zu nehmen, da nach seiner Meinung der innere Feind nicht anders bekämpft werden tonnte. Er habe dabei au den Kampf der Re volutionäre im benachbarten Rußland gedacht. Er wollte den Gedanken an das Attentat ursprünglich nicht in sich aufkommen lassen und sich ganz seinen Studien widmen; allein aus der Universität habe man ja weniger das Lernen im Auge als die Politik. WaS hätte mir leid tun sollen? Zunächst mein junges Leben, denn ich wußte, daß ich in den Tod gebe. Es tat mir auch um die Person des Grasen Potocki leid, der mir ja als Mensch ganz indifferent war. Ich war mir bewußt, daß ich ein Unrecht begehe an seiner Frau und an seinen Kindern. Aber ick dachte mir, dafür gebe ich in den Tausch die Tränen meiner Mutter und meiner Schwestern um mich. Der Angeklagte verwahrt sich endlich noch dagegen, meuchlings gehandelt zu Halen und erklärt, daß er seine Tat nicht bedaure; denn bedauern hieße eine Schuld bekennen, und er bekenne sich nicht schuldig. Sodann begann der Präsident das Verhör mit dem Angeklagten. (Forts, folgt!) HG voiri »O. Wien-Berlin. Die von dem Deutschen Radfahrerbund veranstaltete große Radsernfahrt über 598,1 km endete mit einem glänzenden Resultat für die Marke Brcnnabor. Der 1., 5., 8. und 9. in Ler Gruppe mit starrem Zahn kranz, sowie Ler 3„ 6. unL 9. in der Gruppe mit Bremsnabe benutzten aus dieser großen Fahrt obige Marke und konnten ein derartig glänzendes Resultat darauf erzielen. Oeselli-vknll^ielso 18. ckuli dis 8 Xusnst. 22 T». 8.-28- II. Li. naok Uvoekeo — Ltarn- beraor Lev — VValekooses — Kittvnrcalä— Ivns- driiak — Lterriux— Lrixcn— Lt. LIrick i. 6röäen (Dolomiten) Lorca, ab Leiprig 352 )l»rk. I'rosp. ilurck cleu Veranst. I'»ul Lrenckvo-X., Uospitnlstrassv 13. k'ernspr. 573». so?
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