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Eagcsgefchichte. Die „Sachs. Schulzeilung" berichtet, daß das Budget des nächsten Landtages allein Anscheine nach abermals die Forderung von 1 oder 2 neu zu errichtenden Seminaren enthalten werde. Von Seiten der königlichen Kreishauptmannschaft Dresden sind sämmtliche Polizeibehörden des Regierungsbezirks angewiesen worden, so bald ein Fall von Rinderpest konstatirt ist oder dringender Verdacht vorliegt, deshalb, sowie über die ergriffenen Maßregeln sofortige te legraphische Nachricht an die königl. Kreishauptmannschaft gelangen zu lassen. Der deutsche Neichsanz. theilt die kaiserliche Verordnung mit, durch welche der Reichstag zum 22. Februar nach Berlin einberufen wird. Eine Petition an den Reichstag um Wiedcraufhcbung des Impfzwanges, von zahlreichen Aerzten, Gelehrten, Großindustriellen, Kaufleuten rc., auch ganzen Vereinen unterzeichnet, führt zur Be kräftigung ihres Gesuches nicht weniger als 2öl Fälle mit Einzel heiten ans, in denen in Folge der Impfung böse Krankheiten, vor zugsweise syphilitischer Natur, auf die geimpfteu Personen übertragen worden seien und häufig den Tod, sowie anderweite Ansteckungen, nicht selten sogar förmliche Epidemieen zur Folge gehabt haben. Die Petition citirt gewissermaßen als Motto das verwerfende Urtheil, velches die Parlamentsmitglieder Dr. Mitchell, Dr. Brody, Barrow, Coningham und Ducombe im englischen Parlament gegen die Zwangs- mpfung abgegeben haben. Für die orientalische Frage ist die abgclaufene Woche eine be deutungsvolle gewesen. Der Regierungswechsel, welcher sich mit der un Bosporus üblichen Plötzlichkeit vollzog und denjenigen Mann, velcher der schwierigen Situation gewachsen schien, jäh entfernte, bc- »eutet unzweifelhaft eine neue Phase der Entwicklung in der so über aus kritischen Lage; cs ist aber auch heute nicht abzusehen, auf welche mmittelbare und mittelbare Folge die neueste Szene in der Tragödie, sie sich dort unten abspielt, uns vorbereiten soll. Der Knoten ist fest zenug geschüzt, seine Lösung gestaltet sich von Tag zu Tag schwieriger, es ist aber kein Alexander da, der ihn mit dem Schwerte zu durch hauen vermöchte. Die beiden Rundschreiben der Leiter der zumeist interessirten Mächte, des russischen und des türkischen Kanzlers, sind durch die Ereignisse überholt; Rußland bietet die veränderte Sachlage einen willkommenen Vorwand zu neuen diplomatischen Schachzügen, bis es endlich mit seinen Rüstungen fertig sein wird; dem Rundschreiben des türkischen Kanzlers aber, welches die Stellung der Pforte zu der Conserenz nochmals eingehend beleuchtet, kann keine Bedeutung mehr beigemcffen werden, seitdem sein Urheber auf derselben Pacht, deren er sich zur Ueberführung Abdul Aziz' in sein Gefängniß bedient, man weiß nicht wohin fegel'. Wichtiger als die Nachricht aus der Türkei, welche sich natürlich noch immer um das Ereigniß des Tages, den Sturz Midhat Paschas, drehen, ohne indcß mehr Licht in das Dunkel dieser vielleicht für die Türkei verhängnißvollen neuesten Jntrigue zu bringen, ist die Thron rede der Königin von England, mit welcher das Parlament er öffnet wurde, deren auf die Orientfrage bezüglicher Passus wie folgt lautet: „Meine Absicht war stets die Erhaltung des Friedens in Europa und die Herbeiführung einer besseren Verwaltung in den auf ständischen Provinzen, ohne die Unabhängigkeit und Integrität des türkischen Reichs zu verletzten. Die von mir und meinen Alliirten ge machten Vorschläge sind leider! von der Pforte nicht angenommen worden. Das Resultat der Conferenz hat jedoch die Existenz einer allgemeinen Uebereinstimmung der europäischen Mächte gezeigt und dies wird jedenfalls einen materiellen Effekt haben auf die Verhält nisse und die Verwaltung der Türkei. Inzwischen ist der Waffenstill stand zwischen der Pforte und den Fürstcnthümern verlängert worden und noch nicht abgelaufen und wird hoffentlich noch zu dem Abschluß eines ehrenvollen Friedens führen. In diesen Angelegenheiten wirkte ich in vollkommener Uebereinstimmung mit meinen Alliirten, mit denen, sowie mit den anderen fremden Mächten ich fortfahre in freundschaft lichem Einvernehmen zu stehen." Aus Wien kommt die Taube mit einem Oelblatt im Schnabel. Auf dem Bahnhofe in Wien sind sich der russische Botschafter Jg- natieff und der österreichische Botschafter Graf Zichy nicht einmal, sondern zweimal in die Arme gefallen und haben sich geküßt. Halb Wien hat zugesehen, leider die Börse nicht; es war Allen, als ob das lOOOjährige Reich gekommen wäre, wo die Lämmer bei den Pardeln liegen. Wie man der „A. A. Z." aus Wien meldet, werden die serbisch- türkischen Verhandlungen in Belgrad weiter geführt. Fürst Mitan erklärte bei einer Truppenmusterung: der Friede sei keineswegs gesichert. — Die Bataillone erhielten neue Fahnen und Hinterlader. London, 9. Februar. Die diplomatische Correspondcnz in der Orientfrage enthält eine Depesche Salisburys an Derby, datirt Berlin, 23. November, die Audienz beim Kaiser wiedergebend. Die Depesche sagt, der Kaiser drückte die lebhafte Hoffnung auf Erhaltung des Friedens aus und erklärte, er habe seinen möglichsten persönlichen Einfluß bei dem Czaren geltend gemacht zu diesem Zwecke und werde fortfahren ihn geltend zu machen. Der Kaiser meinte, die Politik des Kaiser Alexander sei ihm durch gegebene Umstände auferlegt und durch Opprejsion, der seine Glaubensgenoffen unter türkischer Herr schaft ausgesetzt waren. Der Kaiser hoffte jedoch, daß durch Zulassen vernünftiger Reformen in der Verwaltung der türkischen Provinzen, verbunden mit Garantien für die Ausführung, die Nothwendigkeit einer Occupation des türkischen Bodens umgangen werden könne. Der Kaiser meinte, Europa könne unmöglich länger die bloßen Ver sprechungen der Pforte annehmen, sowie, daß es unumgänglich nöthig sei, daß genügende Garantien gegen die Fortdauer der Uebelstände, unter welchen die Christen in der Türkei litten, gegeben würden. Ein bedenkliches Symlvm bilden die in der Türkei neuerdings wieder überhandnehmenden Greuelsccneu. Uebcreinstimmend mit dem Constantinopeler „Times"-Corespondenten meldet der „Moniteur universal" am geldnen Horn von unaufhörlichen Miffethaten der Muselmänner im ganzen tückschen Reiche. „Briefe aus Sophia und Constantinopel", so wird dem Moniteur vom 26. Januar aus Constantinopel geschrieben, „berichten herzzerreißende Details, die armenischen Journale der Hauptstadt füllen ihre Spalten mit Mel dungen über die Greuel, welche die Armenier in Mönch und anderen Districteu von den wilden Kurden zu erdulden haben. Unter den Augen der ohnmächtigen oder mitschuldigen türkischen Behörden rauben, hängen und morden diese Banden. Ich habe einen Brief vor Augen, welcher schreckliche Dinge über den von den Soldaten der dortigen Garnison angezündeten und ausgeplünderten Bagno in Van meldet. Es ist wahrscheinlich, daß im Frühjahr lange Karawanen von Ar meniern ihr Heimathland verlassen und in Rußland ein Asyl suchen werden, um Gut und Blut in Sicherheit zu bringen." Von der Verbesserung des Looses der Christen sprechend, sagt der Constanti nopeler „Times"-Korrespondent unter Anderm: „In der Türkei und mit den Türken ist es fraglich, ob ein anderes Mittel als der Zwang erfolgreich sein wird. Es ist sogar zweifelhaft, ob Midhat Pascha es ernstlich meint, und mehr als zweifelhaft, ob seine Absichten, auch wenn sie in irgend einen Hafen gelangen, nicht durch die Eifersucht, durch die Hartnäckigkeit und und durch die Vigoterie eines solchen Volkes vereitelt werden." Am 5. Februar fand in Kopenhagen auf dem Norderfcld eine von mehreren Tausend Personen besuchte sozialistische Volksversamm lung statt, um die Frage der hcrrschendenden Arbeitslosigkeit und die Mittel gegen dieselbe zu berathen. Auf Antrag des Sozialistenführcrs Pio wurden folgende Resolutionen angenommen: „1. Die Versamm lung erklärt, daß die herrschende Arbeitslosigkeit und der damit in Ver bindung stehende Stillstand im Handel und Wandel einen solchen Grad erreicht haben, daß es unumgänglich nolhwendig geworden ist, Maß regeln dagegen zu treffen. Da nun die bestehende gesellschaftliche Ordnung den Arbeiter hindert, selbst solchen durch die gegenwärtige Produktionsweise hervvrgcrufcnen gesellschaftlichen Mißständen abzu helfen, ist es Sache der Regierung und der Volksvertretung, diejenigen Mittel zu bezeichnen, Welch diese beiden leitenden und gesetzgebenden Faktoren für zweckmäßig ansehen, den Druck, der so schwer auf den produzirenden Staatsangehörigen Dänemarks lastet, sofort zu beseitigen. 2. Um die Wiederholung solcher Mißstände in Zukunft vorzubeugcn, beantragt die Versammlung, daß der Staal einen Betrag von 200,000 Kronen zur Unterstützung derjenigen Arbeitslosen bewilligt, Welche nach Amerika auszuwandern und dort eine Kolonie zu begründen wünschen, welche aber nicht die zur Reise und zur dortigen Niederlassung erfor derlichen Mittel besitzen." Es wurde alsdann eine Deputation ge wählt, welche dem Conseilspräsidenten und dem Präsidenten des Fol kethings die beiden Resolutionen sofort überbringen sollte. In der Sackgasse. Dorfgeschichte von Marie v. Roskowska. (Fortsetzung.) Abends schlüpfte Else auf die Gaffe und in das Nachbarhaus links, öffnete leise die Stubenihür. Das Ehepvar war allein im Dunkeln drinnen. „Aber daß er so verstört war, kam doch nicht davon her!" be schwichtigte eben Gießel seine Frau. „Ungerechnet, daß er sich beim Brande übernommen hat — es fraß ihm am Herzen, daß er die Else nicht haben sollt'. Um seinethalben hält' ich dem alten Eigen sinn gern ein gutes Wort gegeben, aber es wär' ja doch umsonst ge wesen, wie ich ihn kenne. Er hat sich in eine Sackgasse verrannt, aus der er nicht hinaus kann, selbst wenn er wollte, weil sie zu enge ist zum Umdrehen. Und vollends nach dieser Geschichte mit dem Bau grund. Sahst Du nicht, wie Heines Augen aufblitzten, als ich ihn damals fragte, ob er zu Pärsch gehen wollte? Oder hast nicht auch bemerkt, wie er in der letzten Zeit immer herumlungerte um Pärschens Hof oder Garten? Das Mädchen ist ihm doch sehr an's Herz ge wachsen." „Leider Gottes!" schluchzte die Mutter. „Ich möcht's nicht gern glauben, daß er's that, aber wenn er's doch that, geschah's ja nur darum, weil sie mit dem Andern so schön that." „Wer ist da?" fragte der Bauer. Else hatte aufschluchzen müssen, flüsterte nun kaum verständlich: „Ich - Else!" Ehe sie noch ein Wort hinzufügen konnte, rief die Fran heftig: „Die Frechheit, noch hierherzukommen! Also den armen Jungen erst in's Unglück bringen und dann —" Bestürzt zog Else sich zurück. So hatte sie die Frau ja nie ge kannt! War das der Dank, daß sie durch diesen Besuch dem Zorn ihres Vaters trotzte? Gießel folgte ihr, sagte beschwichtigend: „Mußt es ihr zu Gute halten heute — sie ist ganz außer sich, 's ist auch keine Kleinig keit. Hab' Dank, daß Du kamst — hernach wird es sie doch freuen. Und den Heinrich auch, der hoffentlich bald frei wird, da cs ja doch nur —" Leute kamen, Freunde der so schwer heimgesuchtcn Eltern. Else trat seitwärts, in die vom Brande halb zerstörte Seite des Hauses und schlich dann niedergeschlagen heim. Bei Heinrichs Mutter als die Ursache des Unglücks zu gelten, drückte sie doch sehr schwer.