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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.06.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080613029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908061302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908061302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-13
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
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Bezugs-Preis M L»gqt» imL >Uor»rt« durch unser« trtger und S»«dit«« iu» Hau« gebracht» Lutaab« 4 taue muraeul) vierteljthrltch 8 M., wenatlich 1 M.; Hu»gade 8 (morarnl und abend») viertel, jährlich 4.ÜÜ M., monatlich I.sv M. Durch die Volt M drziehe»: (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deuUchen Kolonien merteljahrlich b,2L M., monatlich 1,7L M. au»Ichl. Posi- bestcllgeld, ,ür Oesterreich v L SS b, Ungarn 8 L vierteljährlich, ferner tu Bel gien, Däuemart, den Donauftaaten, Italien, Luremvurg, Niederlande, Norwegen, Nub- land Schwede«, Schwei, und Spanten. Ja allen ädrigen Staaten uur dtrekt durch dt» «rped. d. «l. erhältlich. «bounement-Annabme: Au-ustn.vlatz 8^ bei unseren Dräger», Filialen, Spediteur« und glanahmestellen, sowie Postämtern und «ries träger«. Li« einzelne Nummer kostei IS Pfg. "Redaktion und Lrpeditton: Iohanniggasse 8. Delevbo» Nr. I46SL Nr. I4SS3. Rr. I4S»«. Abend-Ausgabe 8. rWMTagMaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Luzeigru-Prew sstr Inserat« au» Uelpzia und Umgebung dte «aespalten, PetUzeil- 2b PI., stnanzteste SaMge» 80 PI., Reklamen I M.; d« au»wtrt» SV Ps., »ieklamen 1.2V M.; »M» Nu» la ad Sil PI., st »an, dlazetgeuVLPI., Neklamea llv M. Inserat«».vehärdeni, »mllicheuDetl«0PI. Beilage,ebüdr b M. p. Dausend »xkl. Post gebühr. »eschäst»anzeigen an bevorjugler Stell« im Preise erhöht. Rabatt nach Dartl Festerteil le Susträge kännen nicht »urück- ae»ogea werde». Für da» «trscheineu an destimmten Tagen uud Plätze» wird kein» Garantie tbernommen Nntzeig«. «nuahme, Bugustu-platz 8, bet limtltchen Filiale» u. allen iännonceu- Erpedtttauen de» Jo- und Nnälande». »aupl.Stliale Berit» i »arl Duaiter, Herzogi. Bahr. H»fd»ch> Handlung, Lützowftrahe Kl. «Telephon VI, Nr. 4-X»). Haupt-FNiale Lresdru: Seestrah« 4.1 lTelevdon 4621). Nr. 1K2. Sonnabend 13. Juni 1908. 1V2. Jahrgang. Das wichtigste. * Wie verlautet, soll in Regierungskreisen die Absicht bestehen, den Grafen Posadowsky für das Oberpräsidium der Pro vinz Posen zu gewinnen. iS. Letzte Dep.) * Die nächste Tagung der internationalen krimina listischen Vereinigung wird in Brüssel stattfinden (S. Der.) * Der Deutschkoloniale Frauenbund erhält den Namen „Deutsche Kolonialgesellschaft sFrauenabteilung)". lS. d. bes. Art.s * Die Duma wird voraussichtlich am 20. Juni a. St. in die Ferien gehen. iS. Ausl.) * Die Vereinigten Staaten von Nordamerika werden die Republik Panama voraussichtlich annektieren. lS. Ausl.) Deutschland und der neue Dreibund. Selbstverständlich wird es das Bestreben des Reichskanzlers sein, bei der Revaler Zusammenkunft besonders das friedfertige Moment zu betonen und der ganzen Angelegenheit eine für die deutsche Politik möglichst geringe Bedeutung beizumessen. Immerhin wird doch in einer Auslassung der „Süddeutschen Neichskorrespondenz" offen der Ernst der Lage zugegeben. Besonders das „nicht ohne weiteres" im zweiten Absatz gibt zu denken. Wir geben die hochoffiziöse Kund gebung im folgenden wieder: „In englischen, russischen, französischen wie auch in deutschen Blättern ist mit mehr Eifer als Urteil verbreitet worden, durch die Monarchenzusammcnkunft in Reval seien England und Rußland in eine Frontstellung gegen Deutschland eingcrückt. Gegen diese Aus- legung haben sich die Kabinette von St. Petersburg und London recyt- zeitig verwahrt, und es mutz ohne Rückhalt anerkannt werden, datz in den Trinksprüchen von Reval der beliebten deutschfeindlichen Stim mungsmache auch nicht der kleine Finger gereicht worden ist. Die Worte des Zaren und des Königs sind von dem Wunsch erfüllt, Be ruhigung und Vertrauen zu Wecken. Die starke Betonung ver Sorge um den Weltfrieden klingt gerade in diesen Reden nicht wie die Wieder holung einer hergebrachten Formel. Sie erklärt sich aUS wohl, erwogenen eigenen Interessen Englands wie Rußlands. Auch die Ansicht, nach Reval werde die Bewegungsfreiheit der deutschen Politik vermindert sein, scheint nicht ohne weiteres begründet. Deutschland hat keine Pläne, bei deren Durchführung es Feindschaft oder Entfremdung zwischen England und Rutzland zugrunde legen mützte. Aber die Entwicklung unserer genugsam bekannten Inter essen in Afrika und Asien, im nahen wie im fernen Osten wird weiter verfolgt. Wir glauben nicht, datz in Reval verabredet worden ist, Frankreichs Tätigkeit in Marokko zum Nachteil Deutschlands zu steigern, oder unsere Handels- und Kulturbestrebungen im Orient zu lähmen, oder die mazedonischen Angelegenheiten in Zukunft ohne Rück- sicht auf die Erhaltung der Einmütigkeit zwischen den Großmächten zu behandeln. Aus den Trinksprüchen scheint vielmehr eine aufrichtige Bereitwilligkeit hervorzuleuchten, die Sonderwünsche, die England oder Rußland in einzelnen Fragen haben könnten, an den Punkten zurück treten zu lassen, wo die Ruhe Europas und der Welt gefährdet werden könnte." Vom Deutschen Kchulverein. Demnächst wird in Konstanz der Deutsche Schulverein seine Tagung abhalten. „Deutscher Schulverein" — so sagte man bisher. Jetzt will man daraus machen: „Verein für das Deutschtum im Auslande". Wir können uns noch nicht gleich an den neuen Namen gewöhnen, und so wird es manchem gehen. Allerdings mutz man beachten, daß der bisherige amtliche Name: „Allgemeiner deutscher Schulverein zur Erhaltung des Deutschtums im Auslande" war. Das war freilich umständlich. Ader die Abkürzung „Deutscher Schulverein" war handlich und hübsch sachlich. Freilich erschöpfte sich die Tätigkeit des Vereins nicht in der Schulpflege, aber es braucht doch nicht in jedem Namen eine Definition enthalten zu sein. Die Sprache hält sich an hervorstechende Kennzeichen; der Wunsch, gleich in dem Namen eine Definition zu geben, ist dem lebendigen Sprachgeist fern und hat uns manche verfehlte Wortbildung beschert. Muß man denn gleich bei der ersten Vorstellung sein ganzes Wesen ent hüllen? Aber ob nun „Deutscher Schulverein" oder „Verein für das Deutschtum im Auslande", er soll uns lieb sein als treuer Kamerad deutscher Männer und deutscher Familien im Auslande. Er sah ge fährdetes Deutschtum im Morgenlande und im Abendlande, eingekeilt zwischen fremde Bestandteile und nicht genügend widerstandsfähig gegen die Neigung oder den manchmal sanften, manchmal auch harten Druck, sich Her umgebenden eingeborenen Bevölkerung oder bei farbigen Völkern dem herrschenden europäischen Stamme anzugleichen Die Sprache zu erhalten, war ein Hauptbestreben des Vereins; den Kindern der Deut schen im Auslande wurden Schulen zugänglich gemacht, wo möglich solche, an denen sie die gleichen Berechtigungen erlangen konnten, wie ihre Altersgenossen in der Heimat. Das war natürlich ungeheuer viel wert. Es wird aber jetzt anläßlich der Konstanzer Tagung des Schul vereins die Frage aufgeworfen, ob er nicht daneben noch etwas anderes leisten könne. Er soll, so mutet man ihm zu, nicht nur oder nicht Haupt- sächlich seine idealen kulturellen Ausgaben betonen, sondern ein Schritt macher der deutschen Exportindustrie werden. Das ist nun allerdings ein dem bisherigen Hauptzwecke, die Kindlein zu unterrichten, so fernliegcnder Zweck, daß der Reformgedanke vielleicht in manchen Kreisen zunächst Bedenken erregen wird. Man wird sich fragen müssen, ob der Verein beide Aufgaben nebeneinander leisten oder ob er der Schulaufgabe dadurch entfremdet werden wird, ob überhaupt die Organe des Vereins in den Geschäften so erfahren sind, datz sie die neue Ausgabe erfüllen können, ob cs sich empfiehlt, besondere Organe für diesen Zweck zu bestellen, ob die Exportindustrie nicht schon ihre eigenen Organe für den angcdeuteten Zweck hat, oder im Begriff ist, sie anderweitig zu be schaffen usw. Wer beobachtet hat, wie schwer es den Menschen, die durch ihren ganzen Bildungsgang gewiesen waren, andere zu lehren, was wahr ist, und in geistigen Ideen zu leben, durch ihre innere Gemütsverfassung ge macht wird, auf ein Gebiet SberMgehen, wo der Profit herrscht und wohl herrschen muß — denn ohne Profit raucht nach dem bekannten Ausspruch Bebels kein Schornstein —, der wird sich einen Begriff machen können von der radikalen inneren Umkrcmpelunz, die dem Schulverein angesonnen wird. Hauptversammlung des Deutschen Flottenvereins. Danzig, 12. Juni. In der alten Hansestadt Danzig haben sich bereits zahlreiche Mit glieder des Flottenvereins emgefunden, denn am nächste» Sonntag tritt im Schützenhause der Deutsche Flottenverein zu seiner 8. ordentlichen Hauptversammlung zusammen. Mehr als je sehen die Anhänger des Vereins und weite politische Kreise den dies jährigen Beratungen und Beschlüssen mit Spannung entgegen. Handelt eS sich doch darum, den Flottenverein aus einer Krisis herauszubringen, die sich seit Jahren bereits hinschleppt, die seit dem verflossenen Herbst jedoch akut geworden ist, und handelt eS sich weiter doch darum, an vie Stelle des am 19. Januar d. I. auf der außerordentlichen Hauptver sammlung in Kassel zurückgetretenen Präsiviums ein neues zu wählen, das den Verein aus den brandenden Wogen der Politik hinüvcrsührt in ruhigere parteilose Pfade. Die Krisis im Deutschen Flottenverein ist genau so alt wie dieser selbst. Der Streit um die Frage, welche Wege der Verein zu wandeln habe, welche Aufgaben er erfüllen soll, hat nie aufgehört, deshalb bat seit dem Bestehen des Vereins saft alljährlich ein Pcrionenwechsel bald im Präsidium bald in der Geschäftsstelle stattgefunven. Waren es in den ersten Jahren mehr Streitigkeiten persönlicher Art, so wurden bald, nachdem General Keim vor vier Jahren ins Präsidium eintrat, ernstere politische Fragen Gegenstand dieses Streites. Dem General Keim gingen die Pläne des Reichsmarineamts nicht weit genug, er verlangte einen schnelleren Ausbau der Flotte und griff die Taktik des StaalssckrelärS von Tirpitz scharf an. Sehr bald kam er auch in Widerspruch mit dem Zentrum, das seinen Einfluß in Flottenfragen gefährdet sah. Die schleichende Krisis gewann einen akuten Charakter bei den letzten Neichstazswahlen. In der Geschäftsstelle des FlottenvereinS wurden Briese gestohlen und dem Zentrum in die Hände gespielt, aus denen hervorging, daß der Flottenvereiu die Wahlparole der Regierung: „Gegen Zentrum und Sozialdemokratie" durch eine umfassende Agitation unter stützt hatte. Von diesem Augenblick an begann eine lebhafte Agitation des Zentrums und seiner Freunde gegen das Präsidium des Flotten vereins, insbesondere gegen den Fürsten Salm und den General Keim. Der Bayrische Verband, der Verband für die Mark Brandenburg und andere Vereine schlossen sich der Agitation gegen General Keim an. Aus der vorjährigen Hauptversammlung des Deutschen Flottenvereins in Köln wurde der Riß uberkleistert, der Sturm brach aber mit neuer Kraft los, als General Keim im Herbst vorige» Jahres zum gelchästs- sührenden Vorsitzenden des Vereins ernannt wurde und diese Wahl auch annahm. Der Bayrische Landesverband verlangte den Rücktritt des Generals Keim, und als diese Forderung zurückgewiesen wurde, machte der Protektor deS Bayrischen Landesverbandes, Prinz Rupprecht, diese Forderung zu der seinigen. Dem Prinzen Rupprecht folgte schließ, lich auch der Kaiser und sein Bruder, Prinz Heinrich. Damit trat eine ernste Krisis ein, zu deren Beseitigung das Präsidium eine außerordentliche Generalversammlung auf den 19. Januar nach Kassel berief. Die Bayern verlangten dort, daß der Flotteuverein sich von jeder politischen Agitation fcrn- zuhalten habe. Sie blieben mit dieser Forderung in der Minderheit. Trotzdem legte das Präsidium die Geschäfte nieder und es trat eine präsiviumSlose Zeit für den Flottenvereiu ein. — Dieses Interregnum soll nun in Danzig beseitigt werden. In der Zwischenzeit haben zwei Mitglieder des alte» Präsidiums, Geheimrat Busley und Geheimrat Ravenö, provisorisch die Geschäfte geführt. Zu wiederholten Malen haben Vorstandssitzungen stattgefunden, die letzte am 12. April in Berlin. Der Vorstand wird in Danzig für die Wahl eines Präsidiums eine Liste von Männern vorlegen, die das System Keim verwerfen und den Verein für unpolitisch erklären. Der Großadmiral Koester soll an die Stelle des Fürsten Salm treten, als weitere Mitglieder sind in Aussicht genommen Graf Euleuburg-Prafsen, Herr v. d. Planitz-Sach'en, Geheimrat BuSley-Berlin, Kammerherr v. Dürkheim-Hannover, General v. Thaeter, Fabrikbesitzer Körner-Bayern u. a. Die Zahl der Anhänger Keims bat sich vermindert, ist aber immer noch ver hältnismäßig groß. Sie sind besonders in Thüringen, Hessen und Württemberg. Diese Gruppe verlangt die Rückkehr des alten Präsiviums, insbesondere des Fürsten Salm und deS Generals Keim, andere wieder verlangen die Ernennung des Fürsten Salm zum Ehrenpräsidenten und des Generals Keim zum Ehrenmitgliede. Des weiteren fordern sie eine Aenderung der Statuten dahin, daß der Deutsche Flottenverein seinen Zwecken und Zielen gemäß für einen Feuilleton. In der Industrie wie In der Wissenschaft ist die Ver öffentlichung einer Erfindung die erste und heiligste der Pflichten. Proudhon. O Ueber -ar Selbstbewufttsein -es Genier. Jedes Genie hat das sichere Bewußtsein seines Wertes, und keine Herabestzuna des Hasses und Neides seiner Zeitgenossen ist imstande, dem Genie die Ueberzeuaung zu rauben, zu d?n Besten seiner Zeit zu gehören. Es weiß, daß der Wert seiner künstlerischen Arbeit und der Nutzen, den die Allgemeinheit daraus ziehen wird, sicher einmal, wenn auch erst nach seinem Tode, die verdiente Anerkennung erlangen wird. Der Stolz des Genies und das damit zusammenhängende Selbstbewußt- fein steht in einem gewissen korrelativen Verhältnis mit der Gesund heit des Nervensystems. In der Art und Weise, wie dieses Selbst bewußtsein sich äußert, haben wir also auch sichere Anhaltspunkte über die geistige Gesundheit des Genies. Gerade an diesen Aeußcrungen des Selbstbewutztfeins bringt sich aber auch das Pathologische mancher Genies sehr auffallend zur Geltung. Fast von jedem Genie liegen solche Aeußcrungen des Selbstbewußtseins vor. Ich lege dem Leser nur einige der am meisten charakteristischen vor. Ovid hatte selbst in der Verbannung in Tomi, wo sein Stolz, wie seine Briefe beweisen, bereits ganz gebrochen war, noch so viel Selbst gefühl als Künstler, daß er ausrief: „Solange die siegreiche Roma von ihren sieben Hügeln aus den Erdkreis überschaut, wird man mich lesen." Das Selbstgefühl des Lukan war fast noch größer, wenn er sagt: „Unsere „Phorsalia" wird leben, solange die Lieder Homers leben, und von keiner Zeit der Finsternis preisgeaeben werden." Dante sagt in seiner größten Verlassenheit zu sich: „Folge deinem Stern, ein glorreicher Hafen wird dir sicher sein." Und in seiner Schrift „vü mmmreki» hebt er hervor, daß er der erste auf seinen Bahnen nicht nur sei, sondern auch heißen wolle. Bacon vermacht seinen Namen den nächsten Zeitaltern und fremden Völkern, und sein Werk „liovarn Orxsnon" nannte er das größte Er eignis der Zeit. Kepler war von der Wichtigkeit seiner Arbeiten so überzeugt, daß er sagte: „Ob meine Bücher von meinen Zeitgenossen oder von der Nachwelt werden gelesen werben, ist gleichgültig. Sie können immer ein Jahrhundert auf einen Leser warten, wo doch Gott 6000 Jahre ge wartet hat, bevor er einen Beobachter wie mich gesandt." Paracelsus sagt in seiner tiefsten Not folgendes: „Ob mir die hoben Schulen folgen wollen oder nicht, was kümmert's mich? Mehr will ich richten nach meinem Tode gegen sie als bei meinem Leben, wo sie mich verachten, daß ich allein bin, daß ich neu bin, daß ich deutsch bin." In nächster Zett erscheint tn I. y. Lehmanns Bertas tn München ein gr»b<re« Lgert Dr. Albert ReibmahrS: .Di« Entwicklungsgeschichte des Talentes und Genie«', aus dem wir den Teil eine» Kapitel« schon heut« zu veröffentlichen in der Lag« sind. Es hat lange gedauert, bis dieses Selbstbewußtsein sich bewahr heitet, denn die hohen Schulen haben es doch verstanden, das Genie dieses Mannes so zu verdunkeln, daß erst unsere Zeit ihm vollkommen gerecht werden konnte. Je höher ein Genie steht, desto mehr und besser sieht es auch stets die Folgen seiner reformatorischen Gedanken voraus. So sagt Galilei von seinem Werke: „Es wird durch meine Entdeckungen der Zugang zu einer höchst umfassenden und vorzüglichsten Wissenschaft erichlossen werden, für welche diese unsere Arbeiten die Elemente bilden müssen und in welcher tieferdringende Geister das Verborgene und Entlegenere bemeistern werden." Tolomei sagt in den Gesprächen des Franzesco de Holland«, daß die tüchtigen Künstler seiner Zeit sich für so hochgeboren halten, daß sie niemanden als ebenbürtig betrachten wollen. Torguato Tasso sagt direkt: „Der Dichter steht doch wohl höher als der Fürst", welcher Meinung auch Schiller und Beethoven waren. Die erhebende Wirkung eines solchen hohen Selbstbewußtseins schildert sehr schön Giordano Bruno: Micht blinder Wahn der Zeit, des Schicksals Tücke, Nicht offene Wut, noch Hasses giftiges Flüstern, Nicht Bosheit, roher Sinn und freches Trachten Vermögen je den Tag mir zu verdüstern, Mir zu verschleiern meine Hellen Blicke, Noch meiner Sonne Glanz mir zu umnachten." Auf große Sicherheit des Selbstbewußtseins deutet auch der Spruch Lessings: „Wie lange währt's, so bin ick hin Und einer Nachwelt unter Füßen. Was braucht sie, wen sie tritt, zu wissen, Weiß ich nur, wer ich bin." Sehr charakteristisch hat das geniale Selbstgefühl Byron aus- gedrückt in folgenden Versen: „Wer herrschen will, muß dienen, schmeicheln, bitten, Stets auf der Lauer allwärtsspäh'n und eine Lebendige Lüge sein, wer mächtig unter Den Niedrigen will sein. Und niedrig ist Die Menge. Ich verschmähte selbst als Führer, Mich unter dieser Wölse Troß zu mischen: Der Löwe jagt allein — so tu auch ich." Haman sagt: „Ein Schriftstellcc, der eilt, heute und morgen ver- standen zu werden, läuft Gefahr, übermorgen vergessen zu werden, tzuacl cito fit cito parit. Meine Welt möge die Nachwelt sein, deren Kräfte die Kinder dieses Saeculi nicht zu schmecken imstande sind." Und anderswo: „Nicht der Beifall des gegenwärtigen Jahrhunderts, das wir sehen, sondern des zukünftigen, das uns unsichtbar ist, soll uns begeistern. Wir wollen nicht nur unsere Vorgänger beschämen, sondern ein Muster für die Nachwelt werden." Schopenhauer hebt auch die biologische Ursache dieses genialen Selbstbewußtseins sehr gut hervor: „Der Beste selbst aber erkennt sich als solchen an, daß er sieht, wie flach der Blick der anderen war, wie vieles noch dahinterlag, das sie nicht wiedergcben konnten, weil sie es nicht sahen, und wieviel weiter sein Blick und sein Bild reicht. Ver stände er die Flachen so wenig, wie sie ihn, da müßte er verzweifeln; denn gerade, weil schon ein außerordentlicher Mann dazu gehört, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die schlechten Künstler ihn aber so wenig hochschätzcn können, wie er sie, hat auch er lange an seinem eigenen Beifall zu zehren, ehe der der Welt nachkommt. — Inzwischen wird ihm auch jener verkümmert, indem man ihm zumutet, er solle fein bescheiden sein. Es ist aber so unmöglich, daß, wer Verdienste hat und weiß, was sie kosten, selbst blind dagegen sei, wie daß ein Mann von sechs Fuß Höhe nicht merke, daß er die andern überragt. Ist von der Basis des Turms bis zur Spitze 300 Fuß, so ist zuverlässig eben soviel von der Spitze bis zur Basis. Horaz, Lukrez, Ovid und fast alle Alten haben stolz von sich geredet, desgleichen Tante, Shakespeare, Bacon von Verulam und viele mehr. Daß einer ein großer Geist sein könnte, ohne etwas davon zu merken, ist eine Absurdität, welche nur die trost lose Unfähigkeit sich einreden kann, damit sie das Gefühl der eigenen Nichtigkeit auch für Bescheidenheit halten könne. Tas Genie ist sein eigener Lehrer, denn das Beste, was einer ist, muß er notwendig für sich selbst sein. Wenn wir zu einem großen Mann der Vorzeit hinauf blicken, denken wir nicht: „Wie glücklich ist er, von uns allen noch jetzt bewundert zu werden, sondern wie glücklich muß er gewesen sein im unmittelbaren Genuß eines Geistes, au dessen zurückgclassencn Spuren Jahrhunderte sich erauicken." Doch die Glückseligkeit des Genies liegt nicht im zukünftigen Lohn für sein selbstloses soziales Handeln — im zukünftigen Ruhm, sondern sie liegt vielmehr im Bewußtsein der höchsten Pflichterfüllung, in der Selbstachtung, in dem Bewußtsein der eigenen wahren Menschenwürde. Als Cartyle sein Hauptwerk, die Geschichte der französischen Revo lution, beendet hatte, schrieb er in sein Tagebuch: „An Geist und Körper bin ich krank, doch habe ich eine Art heiligen Trotz. Es ist nnr klar ge worden, daß ich, aufrichtig geredet, mehr Kraft und größere Fähigkeiten besitze als die meisten Menschen, denen ich begegne. Ebenso klar war es mir stets, datz keine ehrlich aufgewandte Kraft je ganz verloren gehen kann. Sei cs auch lange Jahre nach meinem Tode in weit entlegenen Gegenden und unter aanz verschiedenen Namen, wird die gesäte Saat doch einmal aufgehen." Je größer bei der künstlerischen Tat die Anstrengung für das Genie war, desto größer ist auch hierüber seine Befriedigung und der Zuwachs des Selbstbewußtseins, welches beim Genie vom Lobe der großen Menge viel unabhängiger ist, als dies beim Talent der Fall ist. Jedoch trägt zum Selbstbcwußtsein de? eigenen Werte? besonder? die Würdiaung eines anderen Genie? sehr viel bei. So sagt Schiller in einem Briefe: „Ich erkenne meine Armut, aber meinen Geist schlage ich Höller an, al? bisher geschehen war . . . Mich selbst zu würdigen, habe ich den Eindruck müssen kennen lernen, den mein Genius aus den Geist mehrerer entschieden großer Meiffchen macht. Ta ich dielen nun kenne und den Vereinigungspunkt ibrcr verschiedenen Meinungen von mir ausfindig gemacht habe, so fehlt meinem Urteile von mir selbst nichts mehr."*) *) Zitiert in der Einführung Chamberlains zum Briefwechsel von Goethe und Schiller.
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