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Aus Altenberg wird geschrieben: Unsere weitere Umgebung scheint wieder von einer Diebesbande heimgesucht zu werden, welche es besonders auf Ladenberaubungen und größere Einbrüche abgesehen hat. In der Nacht zum 10. Mai wurde in Frauenstein ein von einem jungen Geschäftsmann ncucingerichteter Laden im Garküchen grundstück total ausgeräumt, und sollen in derselben Nacht noch in mehreren Häusern Einbruchsversuche gemacht worden sein. In der Nacht zum II. Mai wurde in der Brauhofstraße in Dippoldis- Walde der Laden des Schneidermeisters Thümmel erbrochen und daraus 15—20 Herrenkleiderstoffe, 3 Stück Sammet, 9 Umschlage tücher, 3 Ballen Leinewand u. s. f. geraubt, so daß der Schaden auf 1200 bis 1500 M. sich berechnet. ' (Eingesandt.) Daß es mit der deutschen Industrie so traurig steht, mit Ausnahme einzelner Gebiete, daran soll die deutsche Freihandels» Theorie auch ihr Theil mit beilragen. Die Berl. Börs.-Ztg., bez. die „Nachrichten" berichten darüber sehr interessant. Statt daß man sich nun über den Zustand der Industrie recht eingehend unterrichtete und energisch bemüht wäre, vereint zu wirken, zieht man die Mütze über die Ohren und jammert: „Ach ja, es ist recht schlimm!" Wenn wird sich die, fast sprichwörtlich gewordene, deutsche Schlafmützigkeit zu festem Handeln ausraffcn? Vorstehendes gilt hauptsächlich dem Handwerker stand.Einband w c r k er. Äirchennachrichtcn aus Wilsdruff. Pfingstsonntag Vormittags predigt Herr ?. Schmidt. Nachmittags predigt Herr Schuldirektor Beck. Pfingstmontag Vormittags predigt Herr k. Schmidt. Nachmittags: Betstunde. Collecte sür den Kirchcnfonds. Omnibus - Fahrplan Abfahrt von Wilsdruff, Dresdner Straße daselbst. zwischen Wilsdruff, Kesselsdorf und Dresden. vom 15. März 1877 an. Abfahrt von Dresden, Gasthaus zum Sachs. Hof, Breitestr. Nr. 2. früh 6^ Uhr u. Nachm. 3 Uhr. Sonn- u. Festtags 4 Uhr. Tourbillets früh nach Dresden und Abends von Dresden L Billet 80 Pf. Ulliel» früh 7 Uhr und Nachm. 5 Uhr. Sonn- u. Festtags 6 Uhr. Tourbillet früh von Dresden und Nachm. n. Dresden st Billet 1 Mk. IV Hsrirnamr. Um Mchts - Hmngt empfiehlt LittLanseu. 1 Sopha, 1 Wäschschrank, 1 Kinder- wagen, 1 paar Waffcrkannen, 1 Uhr und andere wirtbschaftliche Gegenstände sind zu verkaufen Zella'sche Straße No. 4V. Kavallerie und Artillerie bestehendes russisches Corps ist nach Ueber- setzung der Donau bei Potbachi in die Dobrudscha eingedrungen. Bereits ist der Kampf entbrannt. Der Großfürst Nikolaus Hal nicht etwa vorübergehend sein Haupt quartier nach Plojeschti verlegt, sondern wie ein Privatbricf der Presse mittheilt, das Besitzthum, welches er zu bewohnen beabsichtigt aus ein ganzes Jahr gemielhet und die Mielhe im Betrage von 4000 Dukaten im Voraus bezahlt. AuS dieser Maßnahme ist unseres Erachtens nicht wie die N. fr. P. meint auf eine Verzögerung des Donauübcrganges sondern darauf zu schließen, daß man sich russischer Seils auf einen langwierigen Krieg gefaßt macht und das Haupt- quartier während des Winters in Plojeschtiauszuschlagen gedenkt. Das Haus -es Unfriedens. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Trotz seiner Strenge konnte der Beamte dem Angeklagten seine Theilnahme nicht versagen. „Es soll geschehen," entgegnete er trocken; aber den klugen, an Beobachtung gewöhnten Augen Ferdinands ent ging nicht die günstige Stimmung des Gerichtsraths. „Ich danke Ihnen," sagte er leise und tiefbewegt. „Haben Sie schon Familie?" fragte der Beamte weiter. „Ja, ein kleines Mädchen." „Und wer pflegt das, wenn die Mutter krank?" „Ich habe meiner Frau in den letzten Wochen eine besondere Krankenpflegerin gehalten, die sich auch um das Kind bekümmern muß." „Dann müssen Sie ja sehr viel Geld gebraucht haben." Grohmann ahnte sogleich, wohin der Untersuchungsrichter damit zielte, und er entgegnete rasch: „O, ich stand mich bei Frau Jordan sehr gut; denn sic war mit mir vollkommen zufrieden." „Wie viel bekamen Sie?" „80 Thlr. Lohn und 20 Thlr. Weihnachtsgeschenk; aber mit den vielen Trinkgeldern halte ich mehr als das Doppelte." „Wie viel brauchte ihre Frau an Wirtschaftsgeld?" „So lange sie gesund war, durfte ich ihr gar nichts zahlen. Meine Frau ist eine sehr geschickte Schneiderin und verbrauchte nicht einmal ihren ganzen Verdienst sür den Hausstand." „Daun haben Sie wohl Geld zurückgelegt?" „Ja, wir haben schon ein paar hundert Thaler erspart." „Wie haben Sie das Geld untergebracht?" „Ich habe es meinem Schwager geborgt," und jetzt kam die Antwort schon zögernd heraus. „Wie heißt der?" Nun stockte Ferdinand völlig mit der Antwort, und der Ge- richtsrath mußte seine Frage wiederholen; dann erst sagte der Jn- quirirte zaghast: „Schlossermeister Jordan," — und aus seinem Ge sicht prägte sich deutlich eine gewisse Unruhe aus. „Ist das ein Verwandler der Frau Jordan? „Ihr Stiefsohn." Der Beamte stieß unwillkürlich ein bedeutungsvolles „Hm" heraus. „Warum fällt cs Ihnen plötzlich so schwer, diese Angaben zu machen?" fragte er rasch. „O- Herr Gerichtsralh, Sie werden cs begreifen," antwortete Ferdinand mit großer Offenherzigkeit. „Es haben sich unstetiger Weise schon so viel Verdachtsaründe auf mich gehäuft, und wenn es nun herauskommt, daß der Stiefsohn der Frau Jordan mein Schwager, dann, —" er zögerte, den Schluß daraus selber zu ziehen. „Dann?" wiederholte der Untersuchungsrichter und sah ihn mit stincn durchdringenden Augen forschend an. „Dann wird man denken, wir Beide stecken unter einer Decke." „Sie fänden das also selbst ganz in der Ordnung?" „Und doch bin ich unschuldig, und auch meinem Schwager ist ein solcher Gedanke nicht einmal eingefallen," betheuerte Grohmann mit großer Lebhaftigkeit. „Verkehrten Sie viel mit dem jungen Jordan?" „Selten," entgegnete Ferdinand eifrig, „er ist mir zu roh und wüst und behandelt seine Frau, meine Schwägerin^ zu schlecht. Das mochte ich mir nicht gern mit ansehen. Wir bekamen vielmal Streit; denn so bald ich ihm seine Trunksucht vorhielt, wurde er gleich grob!" „Und dennoch haben Sle ihm Ihr Geld geborgt?" „Meine Schwägerin bat mich so sehr, ihr Mann war gerade in großer Geldverlegenheit; — ec ist cs freilich immer," — setzte der Bediente unruhig hinzu, bereute aber schon im nächsten Augenblick seine Ücbereilung. Wie leicht konnte dies unbesonnene Wort seinem Schwager gefährlich werden. „Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen?" fragte der Gerichtsralh. „ „O, das ist lange her!" rief Grohmann rasch. Plötzlich schien ihm etwas einzufallen, und er erschrak selbst darüber. „Doch nicht," setzte er langsamer hinzu, „daß ich nicht lüge, ich war vor etwa acht Tagen bei meinem Schwager." „Und warum?" „Er wollte wieder Geld geborgt haben, wie mir meine Frau mitgetheilt, und da ging ich hin, um ihm zu sagen, daß er von mir nichts mehr bekommen könne." „Aus welchen Gründen?" „Erstens hatte ich selbst nicht so viel, wie er wünschte, und zweitens mocht' ich ihm nichts mehr borgen; denn es sind nun schon tausend Thaler, die er hat. Damals tröstete er mich mit seinem Proceß; da wolle er Alles zurückzahlen; aber den hat er jetzt schon in zwei Instanzen verloren." Dem Gerichtsralh war die Erbschaftsangelegcnheit unbekannt, und er fragte deshalb: „Welck en Proceß?" „Mein Schwager hat gegen seine Stiefmutter geklagt, weil er mit dem Testamente seines Vaters nicht zufrieden war; er wollte schon jetzt sein väterliches Erbtheil haben; aber er ist mit seiner Forderung in zwei Instanzen abgewiesen Wörden und will nun an's Ober- Tribunal gehen, und deshalb brauchte er dies Geld." „Sie haben es ihm also nicht geliehen?" „Nein," war die bestimmte Antwort. „Wie nahm ihr Schwager Ihre Erklärung auf?" „Er wurde wie immer sehr grob, und wir gingen nicht gerade sm Guten auseinander." „Wann war das?" Grohmann sann einen Augenblick nach. „In vergangener Woche, es wird Freitag gewesen sein, ja richtig Freitag," setzte er mit größerer Bestimmtheit hinzu. „Frau Jordan war an diesem Tage eingcladen, und so hatte ich am besten Zeil." „Wenn Ihr Schwager gegen seine Stiefmutter geklagt hatte, dann lebte er auch natürlich mit ihr in Feindschaft, nicht wahr?" „Das ist richtig," bestätigte Ferdinand. „Hat er sich darüber gegen Sie ausgesprochen? Haßte er seine Stiefmutter?" „Mein Schwager schimpfte wohl auf Frau Jordan, die jetzt Tausende verschwende und ihn um das Seinige gebracht habe; aber gehaßt hat er sie wohl nicht." „Wie sind Sie in den Dienst der Frau Jordan gekommen? Hat Sie Ihr Schwager dahin empfohlen?" „Behüte! Er hat, so viel ich weiß, ihr Haus nie betreten." „Dann war es ihm Wohl sehr unlieb, daß Sie bei seiner Stief mutter eine Stelle angenommen?" Grohmann merkte doch wieder mit gewohntem Scharfsinn die versteckte Absicht, die in diesen Fragen des Untersuchungsrichters lag; denn etwas wie ein verschmitztes Lächeln glitt über sein Gesicht. „Das könnte ich nicht sagen," antwortete er unbesangen. „Es war ihm sogar lieb; denn nun hörte er doch, wie es wirklich indem Hause der Frau Jordan zuging. Die Leute hatten ihm schon Wunderdinge davon erzählt, und, wie wüthend er auch ans seine Stiefmutter war, konnte er doch seine Neugier nicht unterdrücken." „Er Hal also viel mit Ihnen über seine Stiefmutter gesprochen?" Ferdinand bejahte cs. „Hat er Sie niemals gegen Frau Jordan aufzuhetzen gesucht?" „Nein, denn er wußte zu gut, daß es ihm doch nichts nützen würde!" „Und warum nicht?" fragte der Gerichtsrath weiter. „Weil ich meiner Herrin aufrichtig zugelhan war," entgegnete Ferdinand, und aus seinen Worten klang die ehrlichste Empfindung. „Dem jungen Jordan muß ja der Tod seiner Stiefmutter sehr erwünscht gekommen sein," bemerkte der Untersuchungsrichter. „Hat er nie das Verlangen nach ihrem baldigen Ableben aus gesprochen?" „Wenigstens niemals gegen mich," antwortete der Angeklagte mit großer Bestimmtheit. „Haben Sie ihm gelegentlich die Ocrllichkeit des Hauses be schrieben?" Dem Bedienten entging es nicht, daß der Gerichtsrath einen be stimmten Verdacht gegen seinen Schwager gefaßt hatte und darauf hin seine Fragen stellte. „Ich erinnere mich nicht;" er sann wieder einen Augenblick nach, dann setzte er hinzu: „Es ist doch möglich; aber das muß schon früher geschehen sein, und so genau, daß er sich in unserm Hause zurechtfindcn konnte, ist es nicht geschehen." „Haben Sie ihn niemals von dem Vorhandensein verborgener Thüren und der wunderlichen Einrichtung des Seitenflügels gesprochen?" Grohmann mußte wieder ein Wenig nachdenken, dann sagte er ohne weiteres Zögern: „Da fällt mir ein, daß ich mit ihm bald nach dem Verlobungsfestc von der wunderlichen Geschichte geplaudert habe, die der fremde Herr bei Tafel erzählt." Halte der Angeklagte all' diese kleinen Umstände wirklich vergessen, oder rieth ihm hinterher seine Klugheit, lieber die Wahrheit ganz offen zu bekennen, um nicht seine Sache zu verschlimmern? — Das blieb freilich zweifelhaft. (Fortsetzung folgt.)