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Dienstag, den 1. Mai Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. — Znseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr T, 33. Dienstaa. den 1. Mai 1877. MochcMalt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. . Amtsblatt sör die König!. Amtshauptmmnschast zu Meißen, das König!. Gerichtsami und den Siadirath zn Wilsdruff. loser Jubel, so schreibt man der Pol. Korr, aus Petersburg vom 24. d., ertönt von den Straßen. In dichten Schaaren zieht das Volk vor das kaiserliche Palais; vor den Plakaten, welche die er hebenden Worte des Monarchen verkünden, staut sich die Menge. Der Czar und der Krieg sind in Aller Munde; und allseitig ertönen die Rufe der vollen Opfcrbereitschast für die heilige Sache, laute Segenswünsche werden in den gedrängt vollen Kirchen auf das Wegen Reinigung der Localitäten bleibt das hiesige König!. Gerichtsamt Sonnabend den 5. Mai d. I. geschloffen. Königl. Gerichtsamt Wilsdruff, am 27. Apr» 1377. vr. Gangloffs LaupWung -er städtischen und freiwilkgen Ieuerwehr. Sonntag, den 8. Mai dieses Jahres, Vormittags V2II Uhr, soll auf der hiesigen Schießwiese eine Hauptübung der hiesigen Feuerwehren abgehalten werden und haben sich hierzu sämmtliche Mitglieder der städtischen und freiwilligen Feuerwehr, Abtheilungs- fuhrer und Mannschaften, unter Anlegung ihrer Dienstabzeichen pp., bei Vermeidung von 1 Mark Ordnungsstrafe pünktlich einzufinden. Wilsdruff, am 30. April 1877. Der Stadtgememde-Rath. Fick-r. Tagesgeschichte. Die lange besprochene und oft widerrufene Kaiser-Reise nach den Reichslanden steht nunmehr amtlich fest. Die Begrüßung Sr. Mas. Seitens der Altdeutschen wird eine enthusiastische sein. Was die Eingebornen betrifft, so wird zwar die Ankunft des neuen Herr schers sie wieder lebhafter an den Wechsel menschlicher Geschicke er innern, sie aber nicht abhalten, dem Reichsobcrhaupte einen achtungs vollen, ehrenden und würdigen Empfang zn bereiten. Zahlreiche An zeichen lasten bereits hierauf schließen. Wie man hört, Hal der Landesausschuß einstimmig beschlossen, Se. Majestät zu bitten, in corpore seine Huldigungen darbringen zu dürfen. Ebenso liegt es in der Absicht der Bezirkstage von Ober- und Unter-Elsaß, dem Kaiser auszuwarten. Aus verschiedenen Kreisen verlautet weiter, daß die Bürgermeister in Amtslracht, d. h. mit der schwarz-weiß-rolhen Schärpe umgürtet, sich krcisweise dem Kaiser vorzustellen wünschen. Die Municipalität von Hagenau, wo bis vor Kurzem die ultra- montane Partei das Heft in der Hand halte, hat Se. Majestät ein Diner, welches indessen mit Rücksicht auf die bereits getroffenen an derweiten Dispositionen dankend abgelehnt ist, angeboten und für würdigen Empfang gleichzeitig einstweilen 5000 Mark bestimmt. Die sämmtlichen Bürgermeister des Kreises Erstem haben nm die Ehre gebeten, für den Fall des Besuches des nahe am Kreise belegenen Odilienberges dem Kaiser ein Dejeuner anbieten zu dürfen. Noch eine Reihe anderer ähnlicher Vorgänge beweist, wie auch die ein heimische Bevölkerung bestrebt ist, unbeschadet ihrer politischen Ge sinnungen, den Tribut hoher persönlicher Achtung und Ehrfurcht dem greisen Herrscher nicht vorzuenthalten. Das Programm ist bis jetzt dahin festgestcllt: I. Mai Abends 5 Uhr: Ankunft und Empfang Sr. Majestät in Kehl. 9 Uhr Zapfenstreich; hernach Serenade der Gesang-, Krieger- rc. Vereine. 2. Mai Vorm. 10 Uhr: Parade (4 Infanterie-Regimenter, 1 Reg. Ulanen, 1 Reg. Dragoner au.sHage nau, 1 Reg. Fuß-Artillerie, 1 Abtheiluug Feld Artillerie, 1 Pionier-, 1 Train-Bataillon.) Nachmittags 2 Uhr Besuch des Münster, an dessen Portal der Bischof, umgeben von seinem ganzen Klerus, den Kaiser empfangen wird; Besuch der evangelischen und Garnisonskirche St. Thomä, sowie der Universität (70—80 Professoren.) 8 Uhr Fackclzug der Studenten. 9 Uhr Abendgesellschaft beim Oberpräsidenten. 3. Mai. Besichtigung der Forts. Besuch Les Mililärcasinos. 8 Uhr Abends Beleuchtung des Münster und der öffentlichen Gebäude. 4. Mai. Besichtigung der Forts. Fcstvorstellung im Theater. 5. Mai: Abreise von Straßburg nach Metz. Wie schon früher angenommen wurde, hat sich der erste Zu sammenstoß der russischen und türkischen Armeen nicht aus eu ropäischem Boden, sondern in Kleinasien ereignet. Eine Depesche aus Constantinopel vom 26. April meldet hierüber, daß die Russen bei ihrem Vordringen auf Datum, dem vielgenannten Hafen platze am Schwarzen Meere, in der Nähe dieser türkischen Festung bei Tschuruk geschlagen und zurückgeworsen worden seien. Weitere Vor- postcngefechle, denn als solches ist das Rencontre bei Tschuruk wohl zu bezeichnen, sollen auch auf einer anderen von Alexandropol aus gehenden Marschlinie stattgesunden haben. Von diesem Theile des Kriegsschauplatzes und von der Grenze von Montenegro können wir daher wohl eher wirkliche Kriegsnachrichten erwarten, als von dem der Donau. An der montenegrinischen Grenze giebt die von den Türken beabsichtigte Entsetzung des von den Montenegrinern cernirten NiksitS die Veranlassung zu ernstlichen Kämpfen. Sollte es den Türken nicht bald gelingen, die Blockade dieser Grenzseste auf zuheben, so dürfte dieselbe demnächst den Montenegrinern in die Hände fallen, da sie nur auf kurze Zeit verprovianlirt ist. Wenn man den offiziösen Stimmen glauben darf, so herrscht eitel Freude im heiligen Rußland über den Ausbruch des Krieges. „End Haupt des Monarchen hcrabgefleht. In die kalte Masse ist eine un beschreibliche Bewegung gekommen. Die Zeit des stillen Vorwurfes gegen die Mäßigung der Regierung ist vorüber. Die Wirkung der Worte aus Birsula ist eine um so größere, als sie aus dem Munde eines Monarchen kommen, dessen Friedensliebe und Fricdenswünsche sich mehr, als der öffentlichen Meinung in Rußland lieb war, be- thütigt haben." Die Russen haben auch alle Ursache fidel zu sein! Kein Geld im Beutel, ein Polizeiregimeut sonder Gleichen, Sibirien und die Knute für die nicht orthodoxen Unterlhanen, unter den Orthodoxen der wie ein zerstörendes Gift immer weiter um sich fressende Nihi lismus und dazu einen frischen, fröhlichen Krieg vor der Thüre, der im ungünstigsten Falle Rußland den ernstesten Verwickelungen ent- gegensührt, im besten Falle aber ganz außerordentliche Opfer an Geld rind Menschenleben für ein Phantom fordert, welchem Rußland am allerletzten nachzujagen Veranlassung hätte, so lange noch der große Balken in seinem eigenen Auge steckt — das sind Zustände und Aus sichten, die jedem patriotischen Russen das Herz im Leibe lachen müssen! In Wirklichkeit sieht es denn auch in Petersburg ganz anders aus und der gemachte Kriegsenthusiasmus wird vortrefflich durch die Thatsache illustrirt, daß der Czar seine Reise zur Armee in der aller- auffälligsten Weise verheimlichen mußte, um nicht von den Liebkosungen seines enthusiaSmirten Volkes erdrückt zu werden! Wie ernst die Türkei den nunmehr begonnenen Krieg auffaßt, geht aus einer Maßregel hervor, die durch Nachrichten aus Con stantinopel bestätigt worden ist. Der Sultan hat die gesammte muselmännische Bevölkerung zum heiligen Glaubenskriege aufgcrufen. Das Telegramm, welches aus diesem Anlässe der Sultan an die Armeecommandanlen gerichtet hat, lautet wörtlich: „Nachdem Rußland den Krieg erklärt Hal, sind wir gezwungen, zu den Waffen unsere Zuflucht zü nehmen. Wir haben stets den Frieden und die Ruhe ge wollt, wir haben den Rathschlägen der Mächte in dieser Richtung Gehör geschenkt. Allein Rußland will unsere Rechte, unsere Unab hängigkeit, unser Land vernichten. Rußland hat uns angegriffen, Gott, der Beschützer des Rechts und der Gerechtigkeit, wird uns den Sieg verleihen. Unsere Soldaten werden das von unseren Vorfahren erworbene Land mit ihrem Blute vertheidigen und mit der Hilfe Gottes die Unabhängigkeit der Osmanen sicherstellcn. Die Nation wird Frauen und Kinder der Soldaten in Schutz nehmen, wenn es nöthig sein wird. Ich werde mich mit der geheiligten Fahne des Kalifats und des Sultanats zur Armee begeben und bin bereit, mein Leben für die Ehre und Unabhängigkeit des Landes zu opfern. Vis zum 26. April halten die Türken noch keine offensive Be wegung gegen die rumänische Grenze unternommen, es ist demnach für die Russen noch genügende Zeit vorhanden, die strategisch wichtigen Punkte des linken Donauufers zn besetzen, aus denen sich die ru mänischen Truppen zurückgezogen haben. So soll Kalafat, welches durch seine dominirende Lage der Festung WiLdin gegenüber ganz besonderen Werth besitzt, ebenfalls von den Rumänen geräumt worden sein, andererseits liegt aber auch noch keine verbürgte Nachricht vor, daß es von den Russen occuvirt wäre. Trotz der Mangelhaftigkeit der Verkehrsmittel vollzieht sich der Anmarsch der Russen gegen die Donau sicher und mit einer unerwarteten Schnelligkeit; die Lehren des letzten deutsch-französischen Krieges scheinen doch nicht spurlos an den russischen Feldherren vorübergegangen zu sein.