Volltext Seite (XML)
für Wilsdruff, Tharandt, Stoffen, SieVenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt iir die Königs. Amtshauptrmmrschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zn Wilsdruff. Di.PS Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark.— Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittags 12 Uhr. 19. Dienstag, den 6. Marz 1877. Bekanntmachung, die Einstellung von durchziehendem Rindvieh in Gehöfte betr. In Wilsdruff ist zwar die Rinderpest mit heutigem Tage als erloschen anzusehen, dagegen ist dieselbe ganz neuerdings wieder in mehreren Ortschaften des Dresdner Regierungsbezirkes (Dohna und Hosterwitz) in überraschender Weise ausgebrochen, so daß die Ein schleppung in die Ställe nicht anders als durch Menschen oder fremdes Vieh erklärt werden kann. Die Königliche Kreishauptmannschaft Dresden hat daher die etwa weiter zu ergreifenden Maßregeln dem Kreisausschusse zur Berathung vorgelcgt. Hiernach erscheint es geboten, die Viehbesitzer auf diese, rücksichtlich ihres Ursprunges unermittelt gebliebenen Seucheausbrüche aufmerksam zu machen und zu ermahnen, mit größtmöglichster Vorsicht zunächst selbst darüber zu wachen, daß einer weiteren Ver schleppung der verheerenden Krankheit durch eigene Aufmerksamkeit nach Kräften vorgebeugt werde. Vor Allein ist daher das Zusammenbringen von fremden, getriebenem Vieh mit dem in den Ställen befindlichen strengstens zu vermeiden. Zu Durchführung derartiger Maßregeln ist feiten der Königlichen Kreishauptmannschaft im Einverständnisse mit dem Kreisaus schusse unter Hinweis auf die Strafbestimmungen in Z 328 des Reichsstrafgesetzbuchs bis auf Weiteres untersagt worden, durchziehendes Wich, auch wenn dasselbe mit Erlaubnißfchein versehen ist, in Gehöfte, in denen Ninder stehen, einzustellen. Gasthöfe mit eigenem Rindviehbestande sind von diesem Verbote nicht ausgenommen. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot werden zunächst an dem Eigenthümer des Gehöftes, welcher die Einstellung gestattet, nach Befinden aber auch an dem Besitzer des durchziehenden Viehes geahndet. Die Gensdarmerie und Polizeiorgane haben diese Maßregel — insbesondere durch häufige Revisionen der Ställe in Gasthöfen — streng zu überwachen. Meißen, am 1. März 1877. Königliche Amtshauptmannschast. von Boffe. Lagesgeschichte. Dresden, 4. März. Roch immer hält die Angelegenheit be treffs der Berlin-Dresdner Bahn die Gemächer in Spannung. Wie der Conflict enden wird, ist noch nicht abzusehen. So sehr wir den selben bedauern, können wir uns doch nicht verhehlen, daß er auch seine gute Folge gehabt hat. Diese besteht darin, daß den Re gierungen der Mittelstaaten klar geworden ist, daß in den cen- tralischeu Bestrebungen, welche in Berliner leitenden Kreisen stark vertreten sind, eine ernste Gefahr liegt. Als Beweis dafür, daß man dies erkannt hat, darf die Abstimmung des Bundcsrathes über den Sitz des obersten Reichsgerichts angesehen werden. Früher war man nur zu geneigt, dem größten Bundesstaate möglichst willfährig zu sein, und man hat diese Willfährigkeit nachgerade bis an die Grenze des Möglichen ausgedehnt. Jetzt erfährt Preußen im Bundesrathe zum ersten Male eine ernstliche Niederlage. Es konnte in der That den Mittelstaaten vom praktischen Standpunkte aus gleichgiltig sein, ob das Reichsgericht in Berlin odcrLeipzig seinen Sitz erhielt. Daß im Ernste Niemand daran geglaubt hat, daß die Richter jenes Gerichtshofes sich würden durch die „Hofluft" in Berlin den klaren Blick trüben lassen, (wie ein vorsichtiger Theoretiker be fürchtete) steht wohl fest. Von der Million Einwohner, die Berlin jetzt hat, spüren wohl kaum V? Procent etwas von der „Hofluft". Auch die Richter des Berliner Stadtgerichts, Kreisgerichts, Kammcr- gerichts und Obcrtribunals dürfen selten einen Hauch derselben em pfinden. Die Ablehnung der Vorlage erfolgte einzig und allein des halb, weil man Ursache' hatte, in derselben ein neues Symptom für Centralisationsgelüste zu erblicken. So ist dieses Volum des Bundesrathes ein Beleg dafür, daß selbst die früher Indifferenten den Zeitpunkt als gekommen erachten, wo es gilt, unitarischen Neig ungen eine Schranke zu setzen. Dazu aber, daß man nämlich zu dieser Ueberzeugung gelangt ist, hat ohne Zweifel das Vorgehen der preußischen Regierung in Sachen der Berlin-Dresdner Bahn wesentlich beigetragen. Von dieser Stimmung des Bundesrathes erhoffen wir nun auch ein ablehnendes Votum im Betreff des Ankaufs der ge nannten Bahn durch den preußischen Staat. Man scheint in Berlin auch schon auf ein solches Resultat gefaßt zu sein, denn unter der Hand taucht schon ein neuer Vorschlag auf. Danach soll jedes Land (Sachsen wie Preußen) den auf seinem Territorium gelegenen Theil der Bahn erwerben. Hiergegen wäre nichts zu erinnern. Aber der hinkende Bote kommt nach: Preußen will den ganzen Betrieb über nehmen und die Ueberschüsse für die sächsische Strecke an Sachsen auszahlen. Das scheint uns ziemlich dasselbe zu sein, wie der erste Vorschlag, und wir hoffen, daß unsere Negierung sich durch die et was veränderte Gestalt nicht wird über die wahre Absicht täuschen laßen. Weshalb will Preußen den Betrieb übernehmen? Kann Sachsen das nicht auch? — Ob es freilich dazu geneigt fein würde, ist eine andere Frage. Eine weitere Frage ist die, wie hoch sich wohl die „Ueberschüsse" belaufen dürften, die Preußen event. an Sachsen herauszahlen würde. Die Bahn ist angeblich nahe daran, „noth- leidend" zu werden, und Preußen will den rettenden äous sx maolnua. spielen. Es scheint uns schon als das wichtigste, daß Jeder seinen Theil erwirbt und verwaltet. Etwaige Bedenken gegen einen gc- theilteu Betrieb lassen sich durch unzählige analoge Fälle entkräften; z. B. durch Hinweis auf die Berlin-Anhaltische Bahn, bei welcher dieselbe Praxis noch heute besteht. Die Mißstände bei dieser Bahn waren aber aus ganz anderen Ursachen hervorgegangen. Schließlich wollen wir noch einer Ansicht Erwähnung thun, die wir in der Berliner „Volks-Zeitung" ausgesprochen fanden, und für welche sich sehr namhafte Rechtslehrer erklärt haben sollen. Nach jener Auf fassung wäre der Bundesrath gar nicht competent, in dieser Streitfrage zwischen Sachsen und Preußen zu entscheiden. Nach Art. 6 der Reichsverfassung entscheidet der Bundesrath allerdings bei Streitfragen zwischen zwei Bundesstaaten, doch meinen die Ver treter obiger Ansicht, daß das nur für bundesstaatliche Angelegen heiten Geltung habe, währen!) es sich in Sachen der Berlin-Dresdner Bahn nur um eine Angelegenheit rein civilrechtlicher Natur handle. Die Entscheidung darüber müssen wir Fachmännern überlassen. Die „Kreuzzeilung" schreibt: Seilens der Fraktion der deutschen Konservativen wird beabsichtigt, die Frage einer Revision der Ge werbeordnung, insbesondere hinsichtlich der Beschwerden des Hand werkerstandes, im Reichstage zur Sprache zu bringen. Wahrscheinlich wird deshalb zunächst eine Interpellation an die Reichsregierung ge richtet werden. Am Himmel voll Wolken ist doch wieder ein Stückchen Blau zu sehen. Die Türken und Serben haben Frieden gemacht. Die Türken haben vollständig Amnestie ertheilt und ziehen ihre Truppen in 12 Tagen aus Serbien zurück. Ein viel größeres und erfreulicheres Stück Blau zeigt der deutsch-französische Himmel, und es ist Berliner Blau. Dieses Wunder hat nicht nur die jüngste Thronrede des Kaisers Wilhelm, sondern die jahrelange friedliche Politik Bismarks hervorgebracht. Die größten und angesehensten Pariser Zeitungen rühmen beide mit so vollen Backen und ausnahmsweise ehrlichen Augen, daß man ganz erstaunt ist. Man hört aus den Pariser Stimmen heraus, daß man in Frank reich ein böses Gewissen und Furcht hatte, die deutsche Thronrede werde Frankreich herausfordern. Sie sind ehrlich genug zu gestehen,