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Gerade dies Benehmen konnte die Andere für den Tod nicht aus stehen; ein lebhafter Widerspruch wäre der energischen, heißblütigen Frau weit lieber gewesen, und mit gewohnter Rücksichtslosigkeit brach sie von Neuem los: „Soll ich Ihnen offen sagen, daß mir Ihr Wesen nicht gefällt? Einer folch kriechenden Demuth habe ich mein Lebtag nicht getränt, wer Alles so still und gelassen hinunterschlnckt, der sucht dafür um so heimlicher sein Gift auszuspritzen. Ich habe von der Welt ein gut Stück mehr gesehen als dieses Dorf und weiß, was von solch' stillen Schleichern zu halten ist. Nun, ich werde die Augen schon offen behalten," — und, Edith auf den Arm nehmend, die über diesen neuen hestigen Austritt ihren Wunsch vergessen hatte, wanderte sie rasch dem Schlosse zu. Auch jetzt, wo die Kammerfran allein war, zeigte sich weiter keine Bewegung in ihrem Gesicht. Sie nagte nur ein Wenig an ihrer Unterlippe und sah der Tavoneileuden lange nach; dann strich sie mit der Hand über die Stirn, als müsse sie dort auf- steigende Gedanken verscheuchen; ein leiser Seufzer hob ihre schmale Brust, auf der ein ewiger Druck zu lasten schien; dann verlor sie sich in den einsamsten Gängen des Parkes. * * Frau Harper fühlte sich den Rest des Tages über höchst unbe haglich; selbst am Abend kam sie nicht zur Ruhe. Sie hatte sich doch von ihrem lebhaften Temperament hinreißen lassen und machte sich darüber Vorwürfe. Gerade die Demuth, mit der die Kammerfrau all die bittern Worte hingenommen, kam ihr jetzt beinah rührend vor. Wußte sie doch selbst, was eine abhängige Stellung zu bedeuten hat und wie hart das Brot des Dienenden ist. Es war Unrecht, ihr in dieser Weise zu begegnen, und im Grunde hatte sie eigentlich kein Recht dazu, das fühlte sie jetzt selbst. Wie alle leicht erregbaren Naturen hatte nun auch Henriette keine Ruhe, bis sie sich mit der gekränkten Frau wieder ansgesöhnt. — Es war bald neun Uhr, und trotzdem sie in dem Zimmer der Kammer frau kein Licht bemerken konnte, beschloß sie doch, sie aufzusuchen. Auf ihr mehrmaliges Klopfen erfolgte kein Ruf; aber in ihrem Ver- föhnungseifer achtete sie nicht darauf, sondern trat ohne Weiteres ein. Jede Andere würde sich auf der Stelle zurückgezogen haben; denn ähren Gruß erhielt sie nicht beantwortet, und ihre, an die im Zimmer herrschende Dunkelheit noch nicht gewöhnten Augen konnten niemand, bemerken; doch Frau Harper schritt hastig bis in die Mitte der Stube, und jetzt hatte sie schon ihre Bewohnerin entdeckt. Die Kammerfrau lag regungslos auf dem Sopha und schien fest eingeschlafen; denn selbst auf Henriettens Frage: „Was fehlt Ihnen, liebe Frau Berthold," gab sie keine Antwort. Nun trat diese besorgt dicht heran und beugte sich über die Schlum mernde, die noch immer die Augen fest geschlossen hielt, und deren Athem kaum zu hören war. Ein solch' fester Schlaf zu dieser frühen Stunde war ja etwas ganz Ungewöhnliches; denn die Baronin ging in der Regel erst nach Mitternacht schlafen, und mindestens so lange mußte auch ihre Kammerfran wach bleiben. Deshalb fühlte sich Frau Harper über den Schlaf bennruhigt, und, anstatt sich zurückznziehen, fragte sie die Schlummernde noch lauter: „Sind Sie krank?" und sie berührte dabei leise ihre Schulter. Erst jetzt schlug Frau Berthold die Augen auf und betrachtete ganz erstaunt die vor ihr Stehende. — „Ja, sehen Sie mich immer an," lachte diese. „Ich hab' Sie vorhin recht beleidigt, und nun thut mir's Leid, daß ich so heftig war. Seien Sie mir nicht böse; ich bin einmal so aufbrausend wie unge löschter Kalk, aber ich hoffe, Sie werden mir's verzeihen," und reichte Ler Kammerfran die Hand. Diese zeigte sich sehr verwirrt, und in ungewöhnlicher Aufregung murmelte sie abgebrochen: „O, es thut gar nichts, aber ich bin nicht ganz wohl und — und —". Sie stand hastig auf und gab deutlich zu verstehen, daß es ihr angenehm wäre, wenn sich ihr unerwarteter Besuch so rasch wie möglich wieder entferne. „Ich sehe schon, Sie wollen mich fort haben. Sie grollen mir also noch und stoßen die Hand der Versöhnung zurück." „Nein, nein," entgegnete die Kammerfrau ängstlich, „ich zürne Ihnen gar nicht," und sie versuchte zu lächeln; „aber ich war so ab gespannt, — und jetzt hab ich noch so viel zu thun, und, nicht wahr, wir plaudern uns ein ander Mal," — und sie reichte Henrietten wie verabschiedend ihre glühend heiße Hand. Frau Harper wurde jetzt doch empfindlich. Sie war in der ver söhnlichsten Absicht gekommen uud wurde schnöde zurückgewiesen, — Ja, diese stillen Gewässer! — Mit einem kurzen „gute Nacht" verließ sie das wunderliche Geschöpf und zog sich auf ihr Zimmer zurück. Nun fchlug ihre freundliche Stimmung in das Gegentheil um. — Gewiß tobte in der Kammerfrau der heftigste Groll und Aerger, den sie nur geschickt zu verbergen wußte. Wie hatte ihre Hand förm lich im Fieber gebrannt. Sie war vielleicht im Grunde auch eine heftige, leidenschaftliche Natur und legte nur künstlich eine solch' uner schütterliche Gelassenheit zur Schau. — Henriette fühlte sich jetzt von dem Auftreten der Kammerfrau gedemüthigt. Hatte sie es doch gewagt, ihrem Besuch sehr unzwei deutig die Thür zu weisen. — Das war eine unerhörte Unverschämtheit! Auch ihr tiefer Schlaf war sicher nur Verstellung. In ihrem heim lichen, tiefen Groll hatte sie diese kleine Comödie aufgeführt, um nicht genöthigt zu werden, ihrer verhaßten Gegnerin zu antworten. Verdrießlich wanderte Frau Harper in ihrer Stube auf und ab. Sie konnte das Benehmen dieser verschlossenen, unangenehmen Person nicht aus dem Kopfe bringen. Jetzt erwachte wieder ihr altes Vor urtheil mit verstärkter Kraft. Das ganze Wffen dieser schweigsamen, blassen Frau gefiel ihr gar nicht. Sie konnte kein Gemüth haben, denn sie zeigte sich bei allen Gelegenheiten kalt und theiluahmlos. Warum nur die Baronin eine solche Person nm sich litt?" — Sie selbst hätte eine solche Froschnatur nicht um sich dulden mögen. — Zuletzt erinnerte sie sich, daß ihre Huasi-Verwandte eine Engländerin war, „und die haben auch Fischblut in ihren Adern," fuhr sie in ihrem Selbstgespräch fort: „diese Leute lassen sich nun einmal nicht gern außer Fassung bringen, und selbst den größten Schmerz wissen sie unter der Form des äußern Anstandes zu beugen." — Wie sie uumuthig so nachsann und sich solch' stille, gelassene Charaktere gar nicht erklären konnte, da flog die Thüre auf, und die Baronin stürzte todtenblaß und mit blutender Stirn herein. Ihre Augen rollten wild umher, und mit fliegendem Athem keuchte sie her vor: „Mein Kind, mein Kind!" — Wo war jetzt die ruhige Englän derin, die Henriette noch so eben in Gedanken gescholten hatte? Eine furchtbare Angst und Verzweiflung prägte sich in ihren Zügen, in jeder ihrer Bewegung aus. Frau Harper blickte erschrocken in das aschfarbene, völlig entstellte Antlitz ihrer Verwandln,. „Was ist Ihnen? Sie sind verwundet," und sie wollte sich thcilnahmvoll um sie bemühen. Die Baronin wehrte sie ab: „Das ist nichts. Ich bin hinge- faüen; aber wo ist mein theures, einziges Kind? Wo ist Edith?" — „Ich habe sie frühzeitig heimgebracht uud der Kinderfrau über geben," sagte Henriette, die nun zuerst bemüht war, jeden Vorwurf von sich abzuwälzen. „Ist sie nicht schon in ihrem Bettchen?" „Nein, ich fand sie nicht darin, und die alle Antonie saß einge schlafen auf einem Stuhl. O mein einziges, theures Kind," klagte die Baronin und rang verzweifelnd die Hände. — (Forts, folgt.) Vermischtes. * Kaiserin Elisabeth von Oesterreich hält sich nicht nur viele Reit- und Jagdpferde, sondern auch 50 bis 60 Jagdhunde. Diese Hunde haben in Gödöllö in Ungarn ihr eigenes Haus und in dem Haus Schlaf- uud Badesäle uud mehrere Küchen. Jeden Tag werden sie nach der Jahreszeit kalt oder warm gebadet. * In Paris zeigt ein Zahnarzt dem Publikum an, daß er für die Winterfeste vollständige Gebisse oder auch einzelne Zähne für Hochzeiten, Bälle, Tafelfeste rc. — ausleiht. * Fataler Gegenbeweis. In Paris ereignete sich kürzlich vor dem Zuchtpolizeigerichte folgende ergötzliche Szene: Ein Mann war angeklagt, eine Hose gestohlen zu haben; der Richter spricht ihn wegen mangelnder Beweise frei. Trotzdem verharrt jener unbeweglich auf der Anklagebank. Sein Vertheidiger machte ihn darauf aufmerksam, daß er frei sei; er blieb aber sitzen — schon ist der Saal zum größten Theil leer. Unwillig fragt ihn sein Vertheidiger, was er denn noch wolle. Nun beugte sich der eben Frcigesprochene zum Ohr desselben und sagte mit leiser Stimme: „Bevor die Zeugen sich entfernt haben, kann ich nicht gehen." — „Warum denn nicht?" — „Ich habe die gestohlene Hose an!" * Zur Auffrischung. Pfarrer: „Aber Sepp, warum schlagt Ihr denn allemal Eure Frau, ehe Ihr zur Beichte geht?" — Sepp: „Soll ich beichten, Hochwürden, so kann ich mich nicht aller meiner Fehler erinnern; prügle ich aber meine Frau, so wirft sie mir sicher alles Böse vor, was ich die Zeit über gcthan habe." Solirrt? -VLarlrs. Maria Lenao von Ooaat Paris !S7I Berlin im Rothen Schlosse gegenüber llem Königlichen Schlösse. Leht allein, wenn sich auf der Vorderseite eines jeden Hustenkar tons od. Flasche nichts Anderes gedruckt findet, als die wcllberühmtcn vier Worte: Marja 8»nno von vonst. Laut einem Gutachten der höchsten Mcllirinal-Lehöröe in Deutsch land ist nach Lage der Gesetzgebung ein strafrechtliches Einschreiten gegen mein alleiniges Genußmittel Minerslqucll - itustencaramsls, echter pariser Malr-Lxtract und Lacaothec Maria Lenno von llonat nicht angängig. Tritt allgemeine Schwäche hinzu, so versäume man nicht, einen wissenschaftlich gebildeten Arzt zn kvnsultiren. portwäbrenck frisch mit Gebrauchs-Anweisung in Französischer, Englischer, Spanischer und Deutscher Sprache in billigster Packung zum Engros- u. Alleinverkauf bei Herrn Th. kittbausön in tzikilsüruss. Mlier Ar kimMiell. «rt«. Gewissenhafte Ausführungen be mäßigen Ueeisen. 13 s. Schäferstraße 13 I-, Dresden. Du. L. K eller I-, Dresden (Pr agerstr. 31.) Ueber 34SO StaarZlinLe glücklich operirt (»Künstliche Augen). Für Familien und Lesecirkel, Bibliotheken, Hotels, Safes und Restaurationen. Abonnements-Preis vierteljährlich e Mark. — Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 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