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sei. So würden wir mitarbeiten an der Weiterentwickelung Deutsch lands, doch sorglich hütend seine föderativen Grundlagen und wahrend die in der Verfassung uns garantirte Selbständigkeit. Zu meiden sei demnächst allzugroße Konnivenz gegenüber den regierenden Kreisen. Das gelte nicht von Sachsen, sondern vom Verhältniß der Konser vativen im Reichstage. Man müsse bei aller Loyalität und bei aller Dankbarkeit und Bewunderung insbesondere auch für den Reichskanzler dennoch selbstständig sein. Aber insofern der Reichskanzler der Haupt vertreter konservativen Ideen sei, indem er den Mittelstand in Industrie und Landwirlhschast, diesen eigentlichen Hort des Konservatismus, schütze, insofern könne und müsse man ihn freudig unterstützen. Der geistvolle, mit großer Frische und Lebendigkeit und frei gehaltene Vor trag machte einen ganz außerordentlichen Eindruck auf die zahlreiche und ausgezeichnete Hörerschaft. Beifall und Dank wollten kanm ver stumme». Nicht minder erntete lebhaften Applaus der folgende Redner, Vorsitzender des Landesvereins, Baron v. Fink, der in geistreich poin- tirter Weise über den Stand der Reichstagswahlen in Sachsen und die Aussichten der konservativerseits aufgestellten Kandidaten berichtete. — Meißen. Das am 13. Oktober kurz nach I Uhr niederge- gangene Granpelwetter begleitete ein heftiger Sturm, welcher einer Windhose glich. Durch ihn sind wieder viele Bäume umgebrochen und an Dächern und Umzäumungen mancher Schaden herbeigeführt worden. Auf dem oberen Theile der Meifastraße wurde ein Schul kind vom Stnrm erfaßt und durch das eiserne Geländer in die Tiefe geschleudert, wodurch es am Kopfe erheblich verletzt worden ist md stark geblutet. Der angeschwollenen Triebisch nach hat das Wetter die obere Triebischthalgegend bedeutender betroffen. — Meißen. Bezirksfchulinspektor Wangemann in Cölln beging am 12. Oktober sein vierzigjähriges Amtsjubiläum, das durch ein von der Lehrerschaft des Schulinspektionsbezirks Meißen veranstaltetes Festmahl und einen Familienabend des Meißner Lehrervereins gefeiert wurde. Bei dem Festmahle wurde dem Jubilar eine Votivtafcl von künstlerischer Ausstattung übereicht. Weiter wird über diese Feier be richtet: Morgens 7 Uhr brachte der Männerchor des Meißner Leh rervereins dem Jubilar einen Morgengesang. '/2l2 Uhr mittags be gaben sich die Vorsitzenden der Zweigkonferenzen in die Wohnung des Inspektors, um denselben zu beglückwünsche« und zugleich zu einer Feier in dem „Gasthof zur Sonne" abzuholen. Beim Erscheinen des Jubilars daselbst stimmten die erschienenen Fest genossen den Vers an: „Allein Gott in der Höh' sei Ehr!" Darauf überreichte der Schul direktor Rau-Meißen im Namen sämmtlicher Lehrer des Meißner Be zirkes eine Votivtafel. Der aufs Tiefste ergriffene Jubilar sprach den Anwesenden seinen wärmsten Dank aus, reihte daran einen kurzen Ab riß seines Lebens- und Bildungsganges und schloß mit dem demüthigen Bekenntniß: „Herr, ich bin zu geringe rc." Hierauf fand ein Fest mahl statt, das viele ernste und heitere Toaste würzten. An Ehren gästen bemerkten wir den Rektor Prof. Dr. Peter der Fürstenschule zu Meißen, Schulrath Berthel-Dresden, Bürgermeister Hirschberg- Meißen und mehrere Geistliche. Abends hatte der Meißner Lehrer verein noch einen Familieuabend veranstaltet, bestehend in musikalischen Vortägen und Ball. — Freiberg, 13. Oktober. Unsere Gewerbeausstellung hat einen bessern Abschluß erzielt, als die Industrieausstellung zu Halle, welche ein Defizit von 140,000 Mk. zu decken hat, denn nach dem vom Buchbinder Lorenz erstatteten Ansstellungskassenbericht beträgt die Einnahme 12,384,79 M., die Ausgabe 6664,90 M. Der Bericht schließt mit einem Reingewinn von 6291 M. 30 Pf. Der Uebcrschuß der Ansstellungslotterie hat vorbehältlich der etwa noch zu reklamireuden Auktionserlöse von Gewinnen 537,16 M. betragen. Besucht wurde die Ausstellung von 28,198 Personen. — Ueber eine neue und besonders für Schuhmacher interessante Erfindung schreibt man aus Freiberg: „Jeder der Herren Zunft genossen weiß, daß er zur Abführung des Sohlenrandes Glas ver wendet und das Glätten des abgetriebenen Randes mit dem Putzholz besorgt. Daß dieser Vorgang verhältnißmäßig viel Zeit beansprucht, wird jeder der Herren Fußbekleider gern zugestehen. Wie dem ab zuhelfen sei, darüber hat Schuhmachermeister Schenk hier viel nach gedacht und nach mehrfachen Versuchen ist cs ihm endlich gelungen, einen Stoßhobel herzustellen, der sich trefflich bewährt. Wir haben uns selbst überzeugt, daß in ganz kurzer Zeit mit diesem Jnstrnmentchen der bewußte Sohlenrand höchst nett und sauber hergcstellt ist." — Dresden, 14. Oktober. Ueber das Befinden Sr. königlichen Hoh. des Prinzen geht dem „Dr. Journ." folgende Mitlheilung zu: Se. königl. Hoh. Prinz Albert haben zwar keine Blutverluste wieder erlitten, der Appetit fehlt aber noch fast immer vollständig, und der hohe Kranke nimmt fo wenig Nahrung zu sich, daß eine Aenderung in Bezug auf die Kräfte bis jetzt noch nicht eingetreten ist. — In der Strehlaer Ausstellung befindet sich ein sehr inter essantes Werk des Riesaer Uhrmachers Schmidt. Dasselbe ist eine Erfindung, welche für einsame Junggesellen ganz besonderen Werth hat und dieselben von der Furcht besreit, Morgens eventuell ohne Kaffee ausrückeu zu müssen. Tas Werk besteht in einer Weckuhr, welche mit einem Spriritnskochapparat in Verbindung gebracht ist. Sobald der Wecker anslvst, drückt eine kleine Vorrichtung ein Rcib- zündhölzchen gegen eine Reibfläche nnd führt dasselbe bis zu einer Spiritusflamme herauf, die dadurch entzündet wird und hiureicht, ein Gefäß mit einigen Tassen Wasser zu erhitzen. Der kleine Apparat arbeitet sehr extrakt. — Aus dem Voigtlande kommt eine Mittheilung, die gewiß auch für unsere Landwirthe von Interesse fein dürfte. Herr Benja min Müller in der Schotenmühle halte im heurigen Frühjahr 3 Kar toffeln im ungefähren Gewicht von 3 V, Pfund in der Weise aufs Feld gelegt, daß er dieselben schnitt nnd j des Auge einzeln legte. Diese gediehen bei der ausgezeichneten Witteruung nun so vortrefflich/ daß der Genannte von den drei Samenkartoffeln in diesen Tagen eine Ernte von 126 V-r Pfund (beinahe Scheffel) erzielte. — Die erste schmalspurige Eisenbahn unseres Sachienlandes, die Linie Wilkau-Kirchberg, soll in den nächsten Tagen dem Verkehre übergeben werden; allgemein ist maudaraufgespannt, wie das System, das bei dieser Linie zur Anwendung kommt, sich bewähren wird. — Durch Generalverordnnng der k. Lotteriedirektion vom 3. Oktober 1881 ist den Kollekteuren eröffnet worden, daß von der 101. Lotterie ab für die Lvofe der k. sächsischen Laudeslotterie eine Reichsstempelabgabe, welche 5 Proz. vom planmäßigen Preise (Nenn- werth der Loose) beträgt, abzusühren ist und daß das k. Finanzmi nisterium beschlossen hat, diese Abgabe von den Spielern entrichten zu lassen. Infolge dessen erhöht sich von der nächsten Lotterie ab der Preis des Looses um 10 M. Pro ganzes Loos für alle fünf Klassen, sodaß künftig '/i Loos 42 M. und Vi«, Loos 4 M. 20 Pf. pro Klasse kosten wird. Diese Ncichsstempelabgabe ist gleichzeitig mit der plan mäßigen Einlage und der Schreibgebühr zu entrichten und wird hier über dem Inhaber des Looses in dem Texte desselben quittirt. Für zweckmäßig ist erachtet worden, mit der Erhöhung des Preises der Loose auch eine Erhöhung der niedrigsten Gewinne eintreten zu lassen und ist dies, sowie die sonstigen Abänderungen d-s Spielplancs aus dem Plane zur 101. Lotterie zu ersehen. Bei Gewinnen der ersten bis vierten Klasse werden die Stempclabgaben auf Vollloose, die für spätere Klassen voransbezahlt sind, wieder zurückerstattet. Wilsdruff. Am Freitag Vormittag 9 Uhr wurde im Löwen- faale die Ausstellung von Lehrlingsarbeiten in geplanter feierlicher Weise eröffnet; es hatten sich hierzu die Lehrherren, deren Lehrlinge, welche ausgestellt hatten, die städtische Behörde, Herr ?. l)r. Wahl, die Gewerbevereinsmitglieder sowie viele Andere eingesunden. Herr Bürgermeister Ficker hielt vor der mit den Büsten Ihrer Königlichen Majestäten geschmückten Rednerbühne aus eine warmempfundene An sprache namentlich an die Lehrlinge, ihnen das sinnige Sprichwort ans Herz legend: „Bete und arbeit, so hilft Gott allezeit!" Mit einem Hoch auf Se. Majestät den König Albert, als dem Beschützer von Handel und Gewerbe, schloß der Redner, worauf vom Stadt musikchore die Sachsenhymne gespielt wurde. Der Vorsitzende des Gewerbevercins hielt hierauf eine kurze Ansprache über das Unter nehmen selbst und wie es ihm dabeihauptsächlich mit darum zu thun gewesen, zu beweisen, daß in der Stadt Wilsdruff nicht allein die Landwirthschaft sondern auch das Gewerbe eine hervorragende Rolle spiele und wie es ihn freue, dies heute abermals beweisen zu können, wünschend, daß auch diese Ausstellung zum Segen der Stadt gedeihen möge, schloß Redner mit einem Hoch auf den Gewerbestand,iworauf nochmals die Sachsenhymne gespielt wurde. Hierauf nahmen nun die zahlreich Erschienenen eingehend Kenntniß von den Arbeiten und vielfach konnte man den Ausspruch des besten Lobxs über die guten Leistungen der zum Theil sehr jugendlichen Lehrlinge hören. Auch der in den Nachmittagsstunden anwesende Herr Amtshauptmann von Bosse aus Meißen sprach seine Freude über die Leistungen der jungen Leute ans, dabei betonend, daß ein gut Stück Lob den Herren Lehr- meistern gebühre. Auch die Gewcrbevereinsbibliothek nahm der geehrte Herr in Ängenscheia und ließ sich berichten über die Zahl der Bände (400) und der Mitglieder (ca. 90), worauf sich derselbe freundlichst verabschiedete. Die Ausstellung wurde Freitag und Sonnabend leid lich, Sonntag aber trotz des schlechten Wetters zahlreich besucht, so daß dem Gewerbeverein ein finanzielles Opfer nicht bevorfteht. Auch der Loosverkanf war in den Tagen der Ausstellung ein flotter, da die vielfach an wcrthvollen Gegenständen angebrachten Worte „Zur Vcrloosung angekauft" zum Kauf reizten. Die Verloosung der ange kauften Gegenstände erfolgt heute Vormittag im Ausstellnngslokal. Noch können wir nicht unerwähnt lassen, daß vor der Eröffnung der Ausstellung die jugendliche Kapelle unseres Herrn Stadtmnsikdireklors Kießig vor dem AnsfteUnngslokale und später in dein Ausstellungs lokale unter Leitung des Herrn Kammermusikus Pflaum trefflich konzertirte und dabei gleich anderen Lehrlingen Probe von ihren Leistungen ablegte, die auch anerkannt wurden. — Am heutigen Tage feiert unser Herr Stadtmusikdirector Kisssig ein seltenes Jubelfest, das 50jährige Fest seiner Thätigkeit als Di rigent. Wohl alle diejenigen vor ihm, die einen ähnlichen Jubeltag erlebten, werden mit ihm fühlen, daß in diesem langen Zeitabschnitte wohl manches Schöne und Gute aber auch auch manches Trübe zu durchleben war. Schließen wir uns am heutigen Tage den Wünschen der Kinder, Enkel und Freunde des geehrten Jubilars an und wün schen ihm dauernde Gesundheit und einen recht sonnigen Lebensabend. Wilsdruff, 17. October. Gestern Abend in der 11. Stunde brannte eine dem Gutsbesitzer Kretzschmar in Grumbach gehörige einige 60 Schock Weizen enthaltende Feime nieder. Entstchungsur- sache unbekannt. Die Wirkungen der liberalen Hesehgeöung haben nicht lange ans sich warten lassen. Das Niederreißen früherer Schranken erfolgte in dem Jrrthum, welcher den Grundfehler des ganzen Liberalismus bildet, daß die Menschen besser seien, als sie wirklich sind. Die Abschwächung der Lchrlingszucht beruhte auf der Annahme, daß die Lehrlinge ihren wahren Vortheil erkennen und aus eignem Antriebe das Rechte thun würden: man übersah die Träg heit und Kurzsichtigkeit der Jugend. Den Lehr Herren ließ man in der Annahme, daß der Gemeinsinn bei ihnen genügende Wirkungen thun könne, zu viel Freiheit im Lehrlingswesen: man beachtete nicht, daß alsdann zwar der Gewissenhafte sich selbst Schranken setzen, der Gewissenlose dagegen zum dauernden Nachtheile des Lehrlings schalten werde. Die Gesellen und Fabrikarbeiter überhob man der Ver pflichtung, ein Zeugniß über ihre bisherige Beschäftigung zu führen und bedachte nicht, daß der Zwang zur Führung eines Arbeitsbuchs Manchen vom Unrechten, insbesondere vom Vagabondiren abgehalten hatte, der nun zum Strolch wurde. Man schaffte die Wuchcrgesetze ab, in der Hoffnung, daß der Wucher durch die Verachtung der Ehr lichen erstickt werden würde, und mußte »ach traurigen Erfahrungen, in Folge der Ueberhandnahme dieses schändliche» Gewerbes, wieder zum Strafrecht greife». Ma» gab die Schankmirthschaftcn frei, weil man glaubte, dieselben würden sich nur nach Maßgabe des vor handenen Bedürfnisses vermehren und bedachte nicht, daß in Folge der Schwäche der menschlichen Natur Gelegenheit nicht blos Diebe, sondern auch Trinker macht. Man verleugnete aber überall die vom Christen thum uns zu Bewußtsein gebrachte Erfahrung, daß wir von Natur der Sünde zugeneigt find und deshalb auf Erden der be wahrenden Schranken und jenseits der erlösenden Gnade bedürfen. Die Handwerker aber wie das übrige Publikum fühlten nur zu bald, daß die Eröffnung der fchrankenlosen Gewerbefreiheit die Gewissenhaften, Rücksichtsvollen und Gutmüthigen, welche sich selbst Schranken auferlegen, schädige, während sie den Gewissenlosen und Eigennützigen Vortheil brachte. Während ehedem der Geist sittlicher Ordnung und strenger Zucht in den Werkstätten herrschte, ist jetzt llubotmäßigkcit der Gesellen imd Kvntraktbrnch an der Tagesordnung. Frech tritt der 15 jährige Bursche seinem Meister in dem grauen Haupte gegenüber! Eine Lehre im guten alten Sinne des Wortes giebts nicht mehr. Wagt aber einmal ein Meister einem Geselle» der „Jetztzeit" wegen liederlicher Arbeit oder liederlichen Lebenswandels wohlgemeinte Vorwürfe zu machen, so wirst ihm dieser die Arbeit vor die Füße, und bei alledem bleiben dennoch die'liberalen Herren Gesetzgeber dabei, daß die jetzigen Zu stände für die Handwerker eizr großer heilsamer Förtsch^ seien, den man um alles in d'ebWelt nicht wiederrückgängig machen dürfe! An der Wiederaufrichtung der grundlos be-