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Tagesgeschichte. In der badischen Abgeordnetenkammer haben seit einer länger» Reihe von Jahren die Liberalen über eine entschiedene Mehrheit ver fügt, und trotz aller Anstrengungen vermochten weder die Klerikalen, noch die Konservativen bei den Wahlen nennenswerthe Erfolge zu er ringen und die Minorität zu verstärken. Bei den am Montag statt gefundenen Wahlen eines Theils der Abgeordneten hat nun jetzt die liberale Partei eine empfindliche Niederlage erlitten und sechs Sitze an die Klerikalen und einen Sitz an die Konservativen verloren. Auf einige Einbuße war man gefaßt, auf eine immerhin so ansehnliche indeß nicht; am empfindlichsten ist die Nichtwiederwahl des leitenden Staatsministers Turban und des bisherigen Vizepräsidenten der Kammer. Der Landtag in Bayern steht vor einem Defizit von 9 Mill. Mark und einer Steuererhöhung von 20 PC. Man kann sich die Verblüffung und die Verstimmung denken, es bleibt eben für alle Parteien nichts übrig, als auf alle Liebhabereien und Streitigkeiten zu verzichten und gemeinschaftlich den Weg zu suchen, wie die Erhöh ung der Steuern am niedrigsten ausfällt. Die Regierung trifft keine Schuld, der neuen Anforderungen sind zu viele, der einzelne Staat ist ihnen nicht gewachsen. Ein Fingerzeig für die Nothwendigkeit der Finanzreform des Reiches. Das Reich muß größere eigene und möglichst wenig drückende Einnahmen bekommen, damit die Einzelstaaten namentlich von den hohen Matrikularsteuern entlastet werden. Der frühere Finanzminister Hobrecht hat sich in seiner Marien- Werderschen Kandidatenrede über die wirthschaftspolitischen Reform pläne des Reichskanzlers abweisend ausgesprochen, es ist bekannt, daß Hobrecht schon als Minister Gegner des Monopols war und seine Kommissare anwies, in der Tabakcnquetekommission gegen das Monopol zu stimmen, was für seinen Rücktritt mit entscheidend war. Es stimmten damals nur die Delegirten des Reiches, Fabricius und Bur chardt, sowie der württembergische Kommissar v. Moser für das Mo nopol, während die preußischen, bayerischen und sächsischen dagegen stimmten. In der erwähnten Kandidatenrede hat Hobrecht namentlich auf die finanziellen Bedenken gegen das Monopol hingewiesen. Zu den Berühmtheiten gehört der Julinsthnrm in Spandau. In ihm liegt der deutsche Kriegsschatz von 120 Mill. Mark, ferner der Jnvaliden-Fond und die für den Parlamentsbau bestimmte Summe. In den nächsten Tagen werden die Schätze revidirt. Der Thurm, den die Jllustrirte im Bilde bringt, kann nur dann geöffnet werden, wenn zwei Mitglieder der Reichsschulden-Tilgungskommission zu Stelle sind und gleichzeitig mit ihren Schlüsseln das Hauptschlvß öffnen. Breslau, 5. October. Die „Breslauer Zeitung" meldet aus Schweidnitz: Heute früh um 8V4 Uhr sand hier in der Sparkasse eine bedeutende Gasexplosion statt: die Gewölbe wurden zerstört, das Theater beschädigt und die Fensterscheiben der gegenüberliegenden Häus-r zertrümmert. Der Kastellan wurde schwer verletzt. Die französische Regierung hat die Einberufung der Kammern so weit als möglich, bis auf den 28. Oktober, hinansgeschoben, weil sie die Hoffnung hegt, daß die tunesische Expedition, deren bisheriger ungünstiger Verlauf die Stellung des Gouvernements zu erschüttern geeignet ist, bis dahin eine glücklichere Wendung genommen haben wird. In der That bekunden aber die nicht offiziös gefärbten Meldungen vom Kriegsschauplätze eine so heillose Verwirrung, daß sich schwer ab sehen läßt, wie bis zu diesem Zeitpunkte Wandel geschaffen Wwden. Auch der Korrespondent des regierungsfreundlichen „Temps" giebt der Besorgniß Ausdruck, daß in demselben Augenblicke, wo die französi schen Truppen ihren Marsch nach der „heiligen" Stadt Kairouan an- treten, der Fanatismus unter den Muselmännern eine derartige Stei gerung erfahren würde, daß jene unter den Europäern ein allgemeines Massacre veranstalten. Ueber die Zustände der französischen Armee in Algier schreibt ein Korrespondent der „K. Z.": Ein Offizier der bei Oran operirenden Truppen hat einen Brief an den algerischen Petit Colon gerichtet, in dem er die schwersten Vorwürfe gegen die Intendanz richtet. Daß weder für postalische noch telegraphische Verbindung ge sorgt ist, könnte zur Noth noch verschmerzt werden, daß aber, wie der Schreiber des Briefes sagt, die Soldaten vier Monate lang in Lumpen gehüllt, selbst ohne Schuhwerk herumlaufen mußten, das ist schon ein ärgerer Vorwurf; vollends schlimm ist aber die Behauptung, daß von allen in den Kämpfen bei und um Chcllala verwundeten Soldaten fast kein einziger gerettet worden sei, weil es an Aerzten, an Hospitälern, an Krankenwagen, kurz an allem, was zur Pflege Verwundeter gehört, gefehlt habe. In einem ander» Privatbricfe eines Soldaten der tunesischen Expeditionsarmee wird gesagt, daß die Compagnie, der der Betriffende angehörte, mit einem Bestände von 130 Mann auSrückte, von denen nach Verlauf einiger Wochen 30 im Lazareth ausgenommen wurden und 10 starben. Wohl gegen 20 an dere sind so krank, daß die Aerzte sie gern in ein Lazareth schicke» möchten, wenn nur die vorhandenen nicht schon vollständig überfüllt wären. Paris, 3. Oktober. Die furchtbare Heftigkeit der revolutionären Redner der letzten Versammlungen, besondels der gestrigen, veranlaßte mehrere Blätter, auf diese Gefahr hinznweisen, denn die revolutionären Vereine orga»isiren sich täglich strammer und gewinnen immer mehr Einfluß. Zwar ist die Gefahr, sagt der „National", noch nicht dringend, wir haben noch Polizei und Armee, man vergesse aber nicht, daß hier zu Lande der Wahnsinn ansteckend ist. — Die heutigen Berichte aus Tunis lauten sehr beunruhigend. Ali Beys Armee ist von den In surgenten aufgeriebcn, nun haben dieselben auch noch die Eisenbahn in ihre Hände bekommen. Die Passagiere eines von Ghardimaou nach Tunis abgegangenen und noch eingetrosienen Zuges fanden alle Telegraphen au der Bahn abgebrochen, der Bahnhof von Ouedzargua brannte, die Eisenbahubediensteten sahen sich gezwungen, zu fliehen. Vaterländisches. Wilsdruff. Wir verweisen heute auf die in den Tagen des 14, 15. und 16. d. M. im Saale des Gasthofs zum goldnen Löwen allster stattfindende Ausstellung von Lehrlingsarbeiten und schließen unS dem Wunsche des Äusstellungs-Comitees an, daß der Besuch derselben ein recht zahlreicher sein möge. Wen» auch das Bild dieser Ausstellung kein so großes ist, als wie das einer Ge werbeausstellung, so sind wir doch überzeugt, daß das Interesse an den Arbeiten der jungen Leute ein immerhin reges sein wird; find ja doch zunächst Eltern, Geschwister und Angehörige der jugendlichen Aus steller veranlaßt, volles Interesse an der Ausstellung zn nehmen; ja wir glauben, daß die ganze Stadt ein hohes Interesse daran haben muß, zu sehen, wie es mit der Ausbildung der jungen Leute in ihr steht, Möge auch dies kleine Unternehmen zu Nutz und Frommen unserer Stadt, sowie zur Ehre unserer Handwerker recht gut gelingen. Glück aus! — Die Weinernte der Lößnitz lockt jetzt viele Hunderte Besucher nach den beliebten Orten Radebeul, Weintraube, Kötzschenbroda, Cos wig, Meißen rc. und entwickelt sich infolgedessen an Tagen günstiger Witterung auf dem Leipziger Bahnhofe ein Verkehr, der der regen Frequenz in den Sommermonaten nichts nachgiebt. Am letztvergan genen Sonntag mußten 6 Extrazüge nach und von Meißen und 2 dcrgl. nach und von Kötzschenbroda abgelaffen werden, die alle gut besetzt waren. — In althergebrachter Weise fand am Sonnabend Morgen die alljährliche Bergparade mit darauffolgendem Gottesdienst der Frei herr!. v. Burgk'schen Knappschaft statt. Einen stattlichen Anblick bot der über tausend Mann zählende Zug, als er unter dem Geläute der Glocken und bei klingendem Spiele des Bergmusikchors vormittags halb 10 Uhr an der rothen Schänke vorüber nach der Kirche zu Pöt sch app el bewegte. Der kalte Nebel an diesem Morgen wich den ersten Strahlen der Sonne, als die Kirche ziemlich erreicht war, und ließen dieselben die Paradeuniformen im besten Lichte erscheinen. Der Bau herr, Kammerherr Freiherr von Burgk, war selbst in Paradeuniform erschienen und betheiligte sich inmitten seiner Beamten nnd Arbeiter an dem Zuge. Nach vorhergegangenem Gesang und Verlesung des Textes hielt Diakonus Pache' aus Döhlen die Bergpredigt. Nach beendigtem Gottesdienste konnten sich Beamte und Arbeiter ihren Fa milien widmen, denn an diesem Tage ruhte die Arbeit auf sämmtlichen Schächten der Frhrl. v. Burgk'schen Stciukohlenwerke. — Aus Geithain wird geschrieben: Der Stellmacher Wagner in Wenigossa gab am Montag seinem 60 Jahre alten Ges-llen Feier abend. Was thut dieser? Er geht zum Oberboden, steckt das Haus in Brand und entfernt sich in der Richtung nach Ossa. Dort ist er vorgestern erhängt aufgefunden worden. Vermischtes. * Warum kommt derKaufmann so schwer zu eincrFran? Der Kaufmann ist in der Regel ei« Geldmensch, d. h. ein Mensch, der nach viel Geld sucht. Die Mädchen aber lieben die Männer nicht sehr, die erst Geld suchen, sondern welche viel Geld besitzen. Der Kaufmann betrachtet Alles als Waare und er liebt auch?nur solche, die nicht lange auf Lager bleibt. Nun ist es aber bekannt, daß viele Mädchen Morgens gern liegen bleiben; und erst recht, wenn sie einmal Frau geworden. Der Kaufmann setzt einen Artikel, wenn er beginnt att zu werden, im Preise herunter, eine Frau aber will um so medr gelten, je älter sie wird. Der Kaufmann nimmt allenthalben gern den Mund voll, der Frauen liebstes ist es aber, wenn der Mann hübsch fein den Mund hält und der Frau das letzte Wort läßt. Jeder Kaufmann ist ein zweitheiliger Mensch, denn er besteht aus Soll und Haben, die sich wie zwei feindliche Brüder zu einander verhalten. Nun sind aber die Frauen viel zu friedliebend, um einen so zwie spältige« Menschen lieben zu können. Heirathet nun der Kaufmann dennoch, so ist Er offenbar das Soll und Sie das Haben. Beim Kaufmann ist aber das Soll oft größer als das Haben; das kann Sie jedoch nicht dnlden, bei ihr muß das Haben stets größer sein als das Soll. Der Kaufman» ist ein Mensch, der kauft und losschlägt. Ein Mädchen, wenn es einmal Frau geworden, will aber nicht loS« geschlagen, sondern ewig behalten sein. Ferner giebt der Kaufmann sich gern mit Wechseln ab. Die Frauen könne» aber das Wechseln nicht leiden, sondern sie sagen: Du hast nur eine» Prima« und Sola- Wechsel, das bin ich, und ü vmta hast du mich stets einzulösen. Bei der Mannichfaltigkcit des kaufmännischen Geschäfts endlich muß ein Mädchen, um das ein Kaufmann freit, sich so viele Fragen stellen, daß ihr die Lust zum Heirathen darüber ganz vergehen mag. So z. B.: Will er dich auch fest behalten, oder nur in Commission? Werde ich auf ein gutes Lager kommen oder werde ich bald wieder übertragen, zur Disposition gestellt oder remittirt werden? Wird er dich als einen ordinären Artikel betrachten mit Rabatt, oder sollst du ins Netto ge worfen werden und als Baar-Artikel bald wieder abgehen? Gewiß haben die Mädchen Ursache, dergleichen Fragen aufzuwerfen, denn die jungen Kaufleute sind mit der Zeit gar zu spekulativ, auch in der Liebe. Darum ist eS mein wohlgemeinter Rath: bessert euch, betrachtet die Mädchen nicht als Waare, die man nur deshalb nimmt, um dabei zu profitiren, oder um ein Etikett daran zu heften, sie als Aushänge schild oder gar als Ladenjuilgfer zu benutzen, während ihr euch un Wirthshause gütlich thut. * Ein originelles Dienstzeugniß. Eine Hausfrau in der Leopoldstadt in Wien hat ihrer Köchin folgendes Zeugniß ausgestellt: „Ludmilla S., aus Königgrätz in Böhmen gebürtig, hat ein Jahr weniger 11 Monate 14 Tage bei mir im Dienste gestanden und sich während dieser Zeit fleißig — am Hausthore, genügsam — in der Küchenarbeit, sorgsam — für sich selbst, gescheit — im Ausreden, freundlich — gegen Mannespersonen, treu — ihrem Liebhaber, und ehrlich — wenn alles verschlossen war, gezeigt." — Ob die Köchin sich auch mit diesem Zeugnisse einverstanden erklären wird, das ist allerdings eine andere Frage. * Komplot? Aus Washington wird gemeldet: Mr. Bay ley, ein Beamter des Army-Medica Museums, hat der Polizei die Mittheilung gemacht, daß er, während er in der Nacht am Montag im Bette lag, gehört habe, wie zwei Männer in der Straße ein Komplot zur Ermordung des Präsidenten Arthur besprachen. Er stavd auf und sah die Männer sich entfernen, aber er erklärte, er würde sie wiedererkennen. Verhaftungen sind bis jetzt auf Grund dieser Aussage nicht erfolgt. * Der Ort Dalherda an der Rhön, weitbekannt durch Fabri kation und Handel von Holzwaaren, wurde durch eine Feuersbrunst am 26. September Vormittags größtentheils zerstört. Der Brand kam in einem Backofen aus. Circa 100 Gebäude, darunter 58 Wohn häuser, wurden ein Raub der Flammen; 79 Familien sind obdachlos. Die Feuerspritze des Ortes verbrannte, ein Feuerwehrmann fand den Tod. Die umliegenden preußischen und bayerischen Gemeinden steuerten der ersten Nolh durch Beschaffung von Lebensmitteln. Kirchtunachrichten ans Wilsdruff. Am 17. Trin.-Sonnlag Vormittags predigt Herr lll. vr. IVuIrl. Den geehrten Bewohnern von Wilsdruff und Mb^ Umgegend zur gesälligen Nachricht, daß ich von Kaufvach nach hier gezogen bin und mich zum Haus schlachten bestens empfehle. Oustriv irilLLnsi, Hausschlächter, Freibergerstraße. Jiedaclwn, Druck und Verlag von H. A. Berger in Wilsdruff.