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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentes)» und die Umgegenden. Amtsblatt sm die Königs. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königs. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags ».Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhk. 97. Freitag, den 7. December 1877. Die Kornkammer unserer Zeit. Das Mississippithal und die Küste des stillen Oceans sind die Kornkammern der modernen Welt geworden. Eine Hungersnolh, wie sie noch 1847 viele Länder Europas heimsnchle, ist heute kaum noch denkbar, seit es dem Weltverkehr gelungen ist, dem amerikanischen Getreide allenthalben in Europa einen Markt zu verschaffen, und noch ehe einige Jahre vergangen sind, wird es der fortschreitende Verkehr dahin gebracht haben, daß die Berichte über Hungersnolh in Ostindien zu den Seltenheiten gehören. Die Vereinigten Staaten gehen rasch der Zeit entgegen, wo sie mit ihrem Ueberfluß an Korn, Wein und Oel die ganze Welt versorgen können. Was namentlich das ameri kanische Korn betrifft, so kann jene Bemerkung einer englischen Prin zessin noch zur tiefen Weisheit werden. Bei einem Brod - Cravalle bemerkte sie über das Schreien nach Brod: „Warum essen die Leute keinen Kuchen, wenn das Brod so lheuer ist? — Die Vereinigten Staaten können bald alle Welt in den Stand setzen, Kuchen zu essen, denn ihr Weizen-Uebcrschuß gestattet ihnen diesen Luxus. Nach einer Berechnung der französischen Regierung werden in Eu ropa an Cerealien (Brodfrüchten) 4994 Millionen Bushcl (amcrikan. Scheffel) gezogen. Die Vereinigten Staaten bauen davon etwa 1,600 Millionen Bushcl. Das ist allerdings nicht einmal der dritte Theil des Getreide-Baues Europas, aber nm den Vonheil zu verstehen, muh man folgendes in Betracht ziehen. Jene 4,994,000,000 Bushcl des in Europa gezogenen Getreides vcrtheilen sich auf 309,200,000 BcMhner, was auf den Kopf kaum 16 Bushel ausmacht, in den Vereinigten Staaten aber kommen bei 40 Mill. Einwohner etwa 40 Bushel auf^Hen Kopf. Da aber nicht alle Vrodfrüchte zu Brod ver backen werden, sondern Brennereien und Brauereien einen großen Theil der jährlichen Ernte erfordern, so wird der Getreidebcdarf in Europa nicht mehr erzeugt und dasselbe würde schon Getreide ent führen müssen, selbst wenn die 309,200,000 Einwohner nur eine große Familie wären. Viel augenscheinlicher noch stellt sich aber das Ver- hältniß heraus, wenn wir den Getreidebau und den Verbrauch der einzelnen Länder in Betracht ziehen. Rußland, das bedeutendste Gc- treideland Europas, baut etwa 30 Bushel st Kopf seiner Bevölkerung, England dagen kaum 4 Bushel, die Amerikaner aber 40 Bushel. Nun ist durch den großen Krieg der Ackerbau Rußlands nicht nur lahm gelegt, sondern auch die Verkehrsverhültnisse sind gestört und England, das seit Jahrzehnten von der Newa und aus dem Schwarzen Meer seine Getreidcflotte erwartete, ist plötzlich fast ganz auf Amerika angewiesen. Aber nicht allein England, sondern auch verschiedene Mittelmeerländer, sowie der eurapäische Norden erwarten künftig aus Amerika Getreide. Während der letzten 4 Jahre hat sich die ameri kanische Weizenmehl- und Mais-AnSfuhr jährlich durchschnittlich auf 100 Mill. Dollars beziffert. Im Jahre 1868 wurden aus Amerika nur 14,597,000 Vushel Weizen ausgeführt, im Jahre 1876 dagegen 52,697,000 Bushcl. Während der letzten 5 Jahre hat sich die ge- sammle Ausfuhr von 56 Mill, auf 126 Mill. Bushel erhöht. Englische Geldmänncr lassen jetzt 6 große Eisenschiffe bauen für den Transport vom amerikanischem Getreide, indem sie darauf rechnen, Laß die Nach frage Europas künftig noch weil großartiger sein wird als seither. Was die Befähigung Amerikas betrifft, jeder Nachfrage zu ent sprechen, so ist dieselbe geradezu unbeschränkt. Die 1877er Ernte ist die reichste, welche das Land je gemacht hat. Minnesota, Iowa, Wisconsin und Kansas berechnen ihre Weizenernte auf 117 Mill. Bushel, während sie im vorigen Jahr nur 67 Mill ernteten. Der Ertrag in Michigan, Indiana, Ohio, Kentucky und Tennesse ist etwa 40 Mill. Bushel größer als im vorigen Jahr. Wird der Weizen ans erster Hand zu 90 Cents st Bushel verkauft, so erhalten die Bauern in den 9 Staaten allein die enorme Lumme von 86,400,000 Pfund Sterling mehr als im vorigen Jahre. Und der Getreidebau drüben läßt sich noch steigern und kann noch auf Jahrhunderte hinaus an weniger glück!icke Länder abgcbcn. (H. Dsztg ) Tagesgeschichte. In deutschen Handelskreisen wird der Vorschlag Oesterreichs, den bestchenden Handelsvertrag mit Deutschland auf 6 Monate zu ver längern, bekämpft. Die Verlängerung müsse wenigstens auf ein Jahr ausgedehnt werden. Dic Neichsregieruug scheint diese Ansicht zu lheitcu. Unsere junge deutsche Flotte hat von England in glänzendes Z'ugniß ausgestellt bekommen, das um so mehr werth ist, als die bekanntlich ein scharfes Auge hat. Die Londoner „Times" die Thalkrast und Voraussicht der deutschen Flotten-Leitung, - ^rtreffliche Fahrzeuge und Häsen und vor allem eine vor- tressltche deutsche Seemannsch geschaffen und geschult. Wilhelms- wenigen Jahren einer der größten und vollständigsten Seehafen der Welt geworden, Kiel werde bald ebenbürtig sein und Danzig werde ungemein verbessert. Schon jetzt führten die deutschen Kriegsschiffe last mir deutsche Kohle und die deutsche Industrie sorge fast ausfchtleßtich für die Schiffsausrüstung, während diese früher von ! England habe verschrieben werden müssen. Times schließt: Eine erste Seemacht wird Deutschland in nächster Zeit noch nicht werden, aber „es ist ein festländischer Staat vorhanden, der im Hinblick auf See kriege dieselbe Methode, Wissenschaft und Geduld verwendet, durch welche in jüngster Zeit die Kunst des Landkrieges einen Umschwung erlitten hat. Es ist keineswegs undenkbar, daß betreffs des Seekrieges ein ähnliches Ergebniß sich zeigte. Der arme Sultan, scheint's, thut so ziemlich das Gegentheil von allem, was er will. Er machte für sein Leben gern seinen Frieden mit Rußland, aber er darf nicht. Sein Schwager Mahmud Damat Pascha — den seine Feinde immer nur das Mammulh nennen — will auch Frieden machen, er wurde aber entlassen und der neue Minister- und Militär-Nath beschloß, den Krieg bis zum Aeußersten fortzusetzen und keinen Frieden zu schließen, außer wenn von Ler Türkei kein Stücklcin abgerissen werde, während doch ein halbes Dutzend — Leute nach einem Stücklcin schnappen. So wird denn der Krieg, wenn nicht ein unerwartetes Ereigniß dazwischen fährt, noch größer und grausamer werden. Gegen die Serben, die mit Einmarsch drohen, sollen 10,000 Baschi-Boschuks und der türkische Landsturm losgelassen werden; dem Gesandten Griechenlands, der eine Drohnote überreichte, wurden seine Pässe zugeschickt. In Asien hat Mukhtar Pascha 17 Offiziere wegen Feigheit erschießen lassen. In Plcwna liegt Osmmr Pascha mit seinem Heer zusammengeballt Wie ein Igel und die Russen haben schon wieder einen Versuch gemacht, den Balkan bei Delscpol hinaufzukrabbeln; Las erschreckt die Türken; denn es ist der Weg nach Adriauvpel. In den nächsten Tagen tritt das türkische Parlament wieder zusammen. Während der „P. C." aus Simnitza berichtet wird, daß Plewna bis zum IO. December kapituliren dürfte und kein Sturm angriff unternommen werden Wird, drückt der Generalmajor Sir Henry Havctock, der bis vor Kurzem in der Eigenschaft als Spezialcorrc- Ipondeiil der „Times" im russischen Hauptquartier vor Plcwna Weillc, in einem aus Sistowa, 15. November, dalirlen Brief an das Par lamentsmitglied Oberst Gourlay die Meinung aus, daß die Vertheidigung von Plcwna nicht länger als bis Mitte December oder der darauf folgenden Woche dauern könne. Was den montenegrinischen Feldzug anbelangt, so scheint sich das bisherige Waffcnglück der Montenegriner auch den türkischen Panzerschiffen gegenüber stichhalligerweisen zu wollen. Zwei türkische Schisse sind vor Anlivari cingetroffen und haben die Stadt und das von den Montenegrinern besetzte Fort bvmbardirt. Der „Presse" wird darüber aus Cetlinje, 29. November, gemeldet: Gestern, um 4 Uhr Nachmittags, kamen zwei türkische Kriegsdampfer vor den Hafen von Anlivari und bombardirten das Fort. Dic Montenegriner erwiderten das Bombardement. Nach einer Stunde culsernlcn sieb die Dampfer außer Sicht. Zu gleicher Zeit sand ein starkes Bombardement auf Anlivari statt. Der Fürst stand persönlich am Hasen inmitten der Truppen, welche jubelnd die Dampfer relirircn sahen. Der türkische Landsturm aus dem Vilejat Kossova hat be reits Fahnen und Munition erhalten. Einzelne Bataillone werden von Christen kommandirt. Wien, 2. December. Der Kaiser hat dem vom Schwurgerichte in Bozen zum Tode verurihcilten Tourville die Todesstrafe im Wege der Gnade nachgeschen und eS dem obersten Gerichtshöfe überlassen, statt derselben eine entsprechende Freiheitsstrafe zu bemcssen. In Folge dessen wurde Tourville zu achtzehn Jahren schweren Kerkers verurlheill. Paris, 4 December. Man behauptet jetzt im Elysce die Ge wißheit zu haben, daß sich im Senate sür dic Auflösung der Te- puliUenkammer eine Majorität von mindestens 13 Stimmen finden werde. Heute Abend, nachdem die Vorgänge in Versailles bekannt geworden waren, herrschte in Paris eine gewisse Aufregung. Die Boulevards waren mit Menschen überfüllt, welche über die Situation diskulirlen. Nicht ohne Interesse ist eine von dem Pariser „Figaro" bewerk stelligte Statistik Uber die Ministerwechsel, welche Frankreich seit dem 4. September 1870 erlebt hat. Danach gab es innerhalb der letzten 7 Jahre in Fraukicich 7 Ministerpräsidenten, 5 Minister des Aeußern, 19 Minister des Innern, 7 Kriegsminister, 8 Marineminister, 8 Justizminister, IO Finanzministcr, 9 Unlerrichisministcr, lOBautcn- mimster und 11 Ackcrbauministcr. Aus London 28. Nov. wild geschrieben: Auf dic Stürme der letzten Tage ist mildes, sonniges Wetter gefolgt. Wie böse aber das Wetter im Kanal nun schon seit Langem ist, läßt sich daraus am besten ermessen, daß es nach vier Wochen jetzt erst möglich war, den Wächtern des zwischen Cornwall und den Scilly-Jnseln gelegenen Lcuchtlhurm einige Nahrungsmittel zuzuführen. Die Wächter selber jedoch abzulösen vermochte man auch gestern noch nicht. Ocrtliches und Sächsisches. Wilsdruff. Bezüglich des in vor. Nr. d. Bl. in der Beilage enthaltenen Artikels „Die Kürze des Lebens" gehen uns von hochge schätzter Seite betreffs des Satzes: „Die Bibel geht freilich mit den Jahren nicht sehr zurückhaltend um, die Bücker Mosis sogar sehr vcr- ! schwenderisch, aber solche Angaben sind fabelhaft und wenig be glaubigt", einige berichtigende Bemerkungen zu, welche wir hier gern wiedergeben: „In uralter und alter Zeit rechnete man vielfach nicht