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Verein selbstständig, und es ist vorauszusehen, daß beide Vereine sich bald feindlich gegenüber stehen werden. Daß in nicht zu langer Zeit im Königreich der Niederlande keine Stadt mehr gesunden werden wird, in der die Socialdemokratie nicht ihre Vertreter hat, darf als sicher angenommen werden, wie auch, daß von Seiten der Regierung nichts geschehen wird, um die vielleicht jetzt noch ungefährliche Be wegung in solche Bahnen einzulenken, daß dem gemeingefährlichen Charakter derselben dadurch die Spitze abgebrochen würde. Vom bosnischen Kriegsschauplatz liegen aus Serajewo unterm 5. d. folgende Nachrichten vor: Am 1. September Abends brachten Kundschafter die Nachricht, daß eine bedeutende Jnsurgenten- schaar hinter Mokro erschienen sei. FZM. Baron Philippovich ließ sofort alarmiren, entsendete mit nächstem Morgengrauen die Division Tegetthoff und dieselbe rückte am 3. bis Mokro, am 3. in drei Colounen auf Romanja vor; Oberst Pittel machte mit zwei Ba taillonen und einer halben Gebirgsbatterie den Frontangriff. Die Insurgenten, Anfangs Stand haltend, wichen zurück, als sie sich durch die linke Flügelkoloune, die FML. Tegetthoff selbst führte, im Rücken bedroht sahen. Sie verloren viele Todte; unser Verlust beträgt 10 Tobte und 50 Verwundete; ein Officier todt, einer verwundet. Der Vertreter Serbiens ist beim Grafen Andrassy am 4. d. in Wien erschienen und hat neuerdings den festen Entschluß Serbiens angekündigt, die Durchführung des Berliner Vertrags loyal zu fördern. Er sprach sein Bedauern aus, daß die öffentliche Meinung Oester reichs so mißtrauisch gegen Serbien sei, versicherte, daß Serbiens innerste Lebensinteressen ihm eine loyale Haltung gegen Oesterreich vorschreibcn, und führte an, daß die orthodoxe Bevölkerung von Tissowats, die sich in Belgrad Raths über ihr Verhalten der öster reichischen Okkupation gegenüber erholte, den Rath erhalten habe, die österreichischen Truppen freundlich aufzuuehmen, was sie auch wirklich gethan. Die Katastrophe aus der Themse. lieber daS schreckliche Unglück auf der Themse berichten Lon doner Blätter Folgendes: Die „Princeß Alice", einer der größten Salondampfer der Themse, der 899 Passagiere befördern durste, hatte Morgens (3. September) eine Vergnügungsfahrt nach Gravesend und Sheerneß augetreteu und war Abends 6 Uhr von Gravesend abge fahren. 'Im etwa 8 Uhr war der Dampfer, auf welchem sich zwischen 500 und 600 Passagiere befunden haben sollen, bis in die Nähe des Arsenals bei Woolwich gekommen und fuhr mitten im Flusse, als bei der City of London Gasanstalt zu Beckton, etwas unterhalb der North Woolwich Gardens und fast an derselben Stelle, wo vor 10 Jahren die schreckliche Kollision zwischen der „Wentworth" und der „Metis" passirte, ein anderer Dampfer, die „Bywell Castle" heran kam und die „Princeß Alice" ansegelte. Auf welche Weile der Zu sammenstoß erfolgte, ist bis jetzt noch schwer zu sagen. Alles, was man in der grenzenlosen Aufregung bisher erfahre» hat, ist, daß die „Princeß Alice" an der Backbordseite vor dem Radkasten augeranut wurde und nun eine Scene folgte, die jeder Beschreibung spottet. Wenige, nur sehr wenige Passagiere suchten sich an dem fremden Dampfer festzuhalten, die meisten stürzten nach dem Hintertheile der „Princeß Alice", da der Bug allmählich unter Wasser versank. Das Hülseschreien war schrecklich und doch konnte nichts geschehen, um das Leden der Ertrinkenden zu retten. Es waren zwar etwa ein Dutzend Retttungsgürtel an Bord, auch hingen einige Böte in den Davits; .aber selbst wenn man sie hätte in's Wasser lassen können, was würden sie viel genützt haben? Der Dampfer sank tiefer und tiefer und be reits fünf Minuten nach dem Zusammenstöße legte er sich auf die Seite und verschwand in der Tiefe. Zufälligerweise waren einige kleine Böte, sowie ein derselben Rhederei gehörender Dampfer, der „Duke of Kent", in der Nähe, die zur Hülfe herbeieilten, allein es konnten nur wenige gerettet werden, der Fluß war überall voll von um Hülfe jammernden Ertrinkenden. Wie ein Passagier auf dem letztgenannten Dampfer erzählt, ist die Zahl der Geretteten nur eine sehr, sehr kleine, aber auch die Zahl der aufgefundenen Leichen ist bis jetzt noch eine äußerst geringe. Am Lande war ein Schuppen ausgeräumt, um die Reichen vorläufig aufzunehmen, wenn sie von den Böten an das Land gebracht wurden. Die Ortspolizei und die Beamten des Arsenals waren beschäftigt, um jeder Leiche eine Nummer anzuheften, da an eine Jdentifizirung nicht zu denken war. Der größte Theil der Umgekommenen sind Frauen und Kinder. Der Maschinist ist gerettet, der Kapitän aber und mit ihm wohl die ganze übrige Besatzung sind ertrunken. Der Inspektor der Dampfschifffahrts- gesellfchaft befand sich mit Frau und sechs oder sieben Kindern an Bord; er selbst war in Gravesend ausgestiegen, seine ganze Familie ist umgekommcn. Im Plumstead Arbeitshaufe hatte man sofort An stalten getroffen, die Geretteten zu erquicken und mit trockner Kleidung zu versehen. Die Lustbarkeiten in den North Woolwich Gardens wurden, als die Nachricht von der Katastrophe eintraf, sofort be endet. Späteren Nachrichten zufolge sollen noch etwa 25 Personen am Nordufer gelandet und sofort nach London hinaufbefürdert fein. Unter den Geretteten befindet sich auch der zweite Steward des Dampfers, Law. Derselbe erzählt: „Ich befand mich bei dem Zu sammenstöße im Salon, wo etwa 15 Personen waren. Der erste Stoß war nicht sehr heftig, so daß ich glaubte, ein Leichterschiff habe den Dampfer berührt. Als dann aber ein zweiter Stoß erfolgte, lief ich an Deck und sah die Verwirrung, bemerkte auch, wie das Wasser in deu Raum stürzte und das Schiff sank. Ich rief sofort bie Paffagiere aus der Kajüte, nahm dann meine Braut auf den Arm und sprang mit ihr über Bord, um als guter Schwimmer das Nordufer zu erreichen. Beim Sprunge entglitt mir das Mädchen aber oder wurde mir entrissen und ich konnte sie nicht wieder er greifen, trotzdem ich nach ihr untertauchte. Ich sah dann einen dem Ertrinken nahe» Herrn, faßte ihn und hielt ihn so lange über Wasser, bis wir gerettet wurden." Herr Law erzählt weiter, daß der fremde Dampfer keine Hülfe geleistet, sondern seine Fahrt fortgesetzt habe. Er selbst habe deu vielen hundert Ertrinkenden — nach seiner An sicht befanden sich etwa 700 Personen an Bord — keine weitere Hülfe leisten können. Eine junge Frau klagt, ihr Säugling sei aus ihrem Arm gespült, ihr Mann und ihre andern drei Kinder seien ebenfalls vrtrunken, Ein Herr, dem es mittelst eines Rettungsgürtels gelungen ist. das Ufer zu erreichen, erzählt, er habe seiner Frau und seinen Kindern gesagt, sie sollten ebenfalls über Bord springen, sie seien aber sämmtlich umgekommen. Mehrere der Geretteten konnten nur mit größter Mühe inS Leben zurttckgerufen werden. Der Ka pitän der „Princeß Alice" ist nach der Katastrophe nicht mehr ge sehen worden, befand sich aber kurz vor derselben auf seinem Posten.* Vor dem Zusammenstöße hörte man den Ruf: Abhalten! Wahr scheinlich ist derselbe aber mißverstanden worden und ist so die schreck liche Kollision herbeigeführt. Unter den Geretteten befindet sich auch ein Herr Lever, der vier Kinder im Alter von 7—20 Jahren ver loren hat. Den letzten Nachrichten zufolge haben sich 801 Personen, einschließlich der aus 15 Mann bestehenden Besatzung an Bord be funden, von denen nur etwa 150 gerettet sind. Daß die Zahl der letzteren eine so geringe ist, liegt zum größten Theile daran, daß die Ufer der Themse an der betreffenden Stelle so wenig bewohnt sind und zur Zeit gerade starke Ebbe ging, welche die Unglücklichen mit sich sortriß. Die starke Ebbeströmung ist auch wohl die Ursache, daß der Zusammenstoß der beiden Schiffe ein so heftiger war. Drei Lebenstage von H. Rtichsheim. (Fortsetzung.) „Er hat recht!" murmelte er, „dahinter steckt in Wahrheit ein grausiger Zusammenhang; dieser Graf von W, als Wüstling hin reichend bekannt, spielt wirklich eine Hauptrolle in diesem blutigen Drama. „Nein!" fuhr er leise, fast schmerzlich fort, „in diesen reinen, himmlisch schönen Zügen kann keine verlorene Seele nisten; das Ant litz ist der Abdruck des Innern Menschen, mich betrügt man so leicht nicht mit einer Maske, doch hier ist ungeschminkte Wahrheit, das Bild rührender Unschuld. Ein betrogenes Opfer, aber wie? rein sind diese Züge, das Laster hat den Blülhenstaub von den Flügeln dieses Engels noch nicht verwischt, darauf wollte ich das Sacramant nehmen." „So ist sie betrogen um ihr Lebensglück, vielleicht durch schänd liche Kabale; und dann dieser Mord, dieser vorsätzliche scheußliche Mord von einem Manne, den die Kunst als einen Liebling bezeichnet. Ich will und muß dieses Räthsel ergründen und Dir, Du Arme, den Frieden wiedergeben; mir hat der Tod alles genommen, Weib und Kind. Als einen Wink der Vorsehung will ich dieses wunderbare Gefühl, das zum ersten Mal mein altes erstorbenes Herz bewegt, ansehen, und, wenn der Himmel mein Werl mit Erfolg krönt, Deiner unglücklichen Jugend ein Valerhaus zu geben. Du sollst mein Kind sein, vielleicht grünen auch mir dann noch Freuden in dem welken Kranze meines Alters." Lange betrachtete er die Schlummernde, deren Schlaf von wilden Träumen durchwebt schien, denn oft bebte sie convulsivisch zusammen und schwere ängstliche Seufzer entstiegen dem wunden Busen. Wunder bar schien dieses kindlich schöne Gesicht, ans dem nur der Gram mit leiser Hand seine schmerzlichen Züge verzeichnet, den alten rauhen Mann, den eine lange ausgebrcilete Praxis, abgestumpft für die weichen Gefühle des Herzens, anzuziehcn; doch war es nur daS reine väterliche Gefühl, das ihn erfüllte und ihn zum ersten Mal »ach längern Fahren das trostlose Alleinstehen empfinden ließ. So eben wollte er sich entfernen, nachdem er der Wärterin strenge Verhaltungsregeln eingeschärst, als die Thüre leise geöffnet wurde, und ein hochgewachsener Mann im dunkeln Mantel, eine Mütze tief in die Augen gedrückt, langsam und vorsichtig hereintrat. Einen durchdringenden Blick warf der Docior aus den Ei»- trelenden, dann flüsterte er der Wärterin rasch zu, sich zu entfernen und sagte leise aber barsch: „Wer Hal es Ihnen erlaubt, dieses Zimmer zu betreten, mein Herr!? Mein Befehl lautet, Niemand, ohne Ausnahme, hereinzulassen." Gleichzeitig nahm der Angeredcte die Mütze ab und erwiderte spöttisch lachend: „Kennen Sie mich nicht, Doctor?" „Wer sollte Sie nicht kennen, Gras W.?" sagte der Arzt kalt und bedeutungsvoll, „und wäre es nicht, dann würden mich die Ficberlräume dieser Unglücklichen hinreichend über sie belehrt haben." Der Graf biß sich heftig aus die Lippen und fragte dann über rascht: „Sie lebt? so hat der Schuß sie nicht tödtlich getroffen?" „Allerdings lebt sie noch, ein wirres entsetzliches Dasein," ver setzte der Doctor rauh, „und deshalb muß ich Sie ersuchen, das Krankenzimmer zu verlassen, damit Ihr Anblick nicht meine Kunst zu schänden macht." „Sie sprechen in Räthscln, mein lieber Doktor! Meine Tante hat mich hergeschickt, um über das Sein oder Nichtsein ihrer so tragisch ermordeten Gesellschafterin Nachrichten einzuziehen, und jetzt geberden Sie sich, als stände der Mörder vor Ihnen. Auf Ehre, Docior! Sie müßten es doch besser wissen, wie viel auf die verrückten Phantasie» einer Kranken zu geben?" „Das weiß ich, mein würdiger Graf!" erwiderte der Doctor strenge, „und befehle Ihnen grade deshalb, augenblicklich das Zimmer zu verlassen. Der Mörder, dem die Nemesis daS unglückselige Pistol in die Hand drückte, und der diesen Mord vielleicht mit dem Tode sühnen muß, steht nicht vor mir; mit welchem Antlitz jedoch der eigentliche Urheber dieses scheußlichen Mordes dereinst vor seinem Richter stehen wird, da die irdische Gerechtigkeit an solchem Jesujtis- mus ihre Machl verloren, das will ich nicht zergliedern, und sage nur noch soviel, nicht der Mörder, von blinder heftig aufgestachelter Leidenschaft beherrscht, ist der Strafbarste in meine» Augen, sondern der Schändliche, der durch seine Machinationen dem Blinden die Waffe in die Hand drückte und damit die eigentliche Blutschuld auf seine schwarze Seele ladet. Glauben Sie mir, Graf! meine Measchcn- kenntuiß reicht weiter als die gewöhnlicher Menschen; ich schaue durch die frivole spöttische Maske den nagenden Wurm des Gewissens, de» kein Hohn und Spott zum Schweigen bringt." Eine zornige G.uth bedeckte des Grafen Gesicht, und wechselte schnell mit einer tödlliche Bläffe. Der Doctor hatte ihn durchschaut, das fühlte er, und dieses Gefühl erfüllte ihn beschämenden widerwärtigen Empfindung, die er kaum bcmcistcrn konnte. „Ihre freche beleidigende Anspielung geht weit, Herr Doctor! begann er endlich finster. „Wer hat Sie zum Richter ernannt, der cs wagen darf, mich zu inquiriren? Ich warne Sie, Ihre Zwei deutigkeiten einen Dritten hören zu lassen, oder ich werde Angeklagter und Richter in einer Person." Darauf wandte er sich zu dem Bette der Kranken, ohne den Be fehlen f des Arztes nachzukommen und betrachtete die im Halbdunkel ruhende holde Gestalt mit frechem lüsternen Blick. „Elender Schuft!" murmelte der Doctor zornig, „ich werde Dich hinauswerfen lassen, trotz Deines hochklingenden Namens." In diesem Moment schlug Leontine die Augen auf, und blickte