Volltext Seite (XML)
Unterthauen finden würde." — (Mau sagt tu Rom, der Papst habe den besten Millen, den Frieden in Deutschland herzustellen, stoße aber auf den Widerstand der Jesuiten in Rom und der Centrums partei in Deutschland. Die Jesuiten sollen sogar gedroht haben, die Sammlung der Peterspfennige einzustcllen. In Frankreich spukt es in den Kreisen, die Mac Mahon nahe stehen, schon wieder. Die ciericale Partei versucht dem Mar schall den Glauben beizubringen, die Republikaner wollten einen Staats streich ausführen. Der „Soir" erzählt die albernsten Dinge, wie die republikanische Partei zu Werke zu gehen gedenkt. Gambetta's Reden, die dieser auf seiner Reise durch Südfrankreich gehalten, geben dem genannten Blatte Veranlassung zu den Erdichtungen. Dieselben würden kaum der Erwähnung verdienen, wenn nicht, wie verlautet, in der Umgebung des Marschalls die düsterste Sümmung herrschte. In Rußland kommen noch immer Dinge vor, die einen Er klärungsgrund für die in allen Kreisen der Gesellschaft herrschende Unzufriedenheit abgeben können. Die „N. Fr. Pr." erzählt einen dahin gehörigen Fall. Ein alter Beamter polnischer Abstammung bewohnte nahe bei Warschau mit Tochter, Schwiegersohn und Enkeln eine kleine Sommerwohnung, nicht weit von der Gegend, wo die russische Infanterie ihre Uebungen hält. Zu den modernen Ma- növern gehören auch Scheinanfälle auf Häuser, in welchen Alles de- molirt, die Einwohner gctödtet und das Haus verbrannt werden soll; wahrscheinlich eine aus dem Türkenkriege entlehnte Praxis. Eines Morgens stürzten einige Soldaten in die Wohnung des Be amten, attalirteu mit dem Bajonnet die Tochter und ein Kind und warfen mit höllischem Geschrei die Möbel um, wodurch die De- molirung des feindlichen Hauses, die Vernichtung der Einwohner dargestellt werden sollte. Die Tochter des Beamten siel vor Schreck zu Boden, das Kind fällt in Krämpfe; da stürzt der alte Mann, durch den Lärm erschreckt, ins Zimmer, fragt den Unteroffieier um den Grund des Anfalles, und als er von demselben die gutmüthige Aufklärung entgegennimmt, daß Alles blos ein Scheinmauöver wäre, kann sich der Greis in seiner Entrüstung nicht halten, macht Vor würfe, daß man die Attake ausgesüyrt habe, ohne die Einwohner davon zu verständigen, und läßt dabei unglücklicherweise ein scharfes Schimpfwort fallen. Der Unteroffieier meldet den Vorfall der Be hörde, und der Mann wird nach 38jährigem Dienste abgesetzt mit Verlust des Rechtes auf Pension. In London haben sich durch die Erhebungen über den Unter gang der „Prince Alice" 2 seltsame Thatsachen herausgestellt: 1) Daß viele Leichen bisher noch nicht erkannt wurden; 2) daß bei der Polizei nach vielen Verunglückten Erkundigungen eingezogen wurden, die sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, gar nicht an Bord des ver sunkenen Dampfers befunden hatten. Beide Punkte werfen ein eigen- thümliches Licht auf die Zu st än d e dieser Ries enstadt. Von den Leichen, die bisher nicht festgestellt werden konnten, gehören die meisten Frauen an, welche anscheinend in behaglichen Umständen lebten. Darauf deutet die Feinheit ihrer Kleider, deutet der Umstand, daß sie goldene Uhren und sonstige Schmucklachen bei sich trugen. Schon um dieser wegen, wenn nicht aus Mitgefühl, hätten, so müßte man glauben, Verwandte oder Freunde ihrem Schicksal nachforschen müssen. Daß dies in so vielen Fällen nicht geschah, bezeugt eben nur wieder, wie viele Menschen in diesem Babel leben und vergehen, ohne daß sie eine befreundete Seele besäßen, der ihr Sein und Nicht- ' sein die geringste Theilnahme einflößt. Solch einsam lebende Ge schöpfe können ertrinken oder ersäuft werden, ohne daß Jemand sie vermißt und sie sucht, ohne daß es deshalb der Polizei immer mög lich wäre, auch nur ihre Wohnung und ihren Namen ausfindig zu machen. Anderseits wird durch die ungeheure Ausdehnung Londons und die Abwesenheit jeder polizeilichen Buchführung über seine Be wohner und zeitweiligen Besucher das freiwillige Verschwinden einem Jeden, der eben verschwinden will, ungleich leichter gemacht, als in anderen Städten Europas. Derartige verschwmdungssüchtige Per sönlichkeiten gibt es offenbar mehr, als man denken sollte. Denn kaum je ereignet sich ein Unglück, wie das des genannten Themse- Dampfers, ohne daß hinterdrein bei der Polizei Anfragen wegen Vermißter gestellt würden, von denen sich erweisen läßt, daß sie sich gar nicht im Bereiche der Unglücksstätte befunden haben. Sie be nutzen eben nur die ihnen passende Katastrophe, um Hinfort todt ge glaubt zu werden. Die Einen mögen dazu durch Familienverhältnisse, die Andern durch finanzielle und sonstige Gründe bewogen werden. Wer kann dies wissen! Genug an dem: sie verschwinden und werden zu den Todten geworfen, während sie in irgend einer Colonie oder gar in einem entlegenen Theile Londons unter neuem Namen eine neue Existenz beginnen. Ab und zu sind derartige Verstorbene später in recht erträglicher Leibesversassung durch einen leidigen Zufall wieder entdeckt worden. Zuweilen melden sie sich, wenn es ihnen paßt, selber wieder gehorsamst unter den Lebenden. Deutliches und GächfifcheS. Dresden. Der am 5. April d. I. hier verstorbene Graf Hermann v. Wartensleben hat durch letztwillige Verfügung das Asyl für Obdachlose zum Miterben seines Nachlasses eingesetzt und ist dem Verein der auf das Asyl entfallene Erbantheil mit 17,627 M. jetzt baar ausgezahlt worden. Pirna. Am Sonnabend wurde beim Brückeustraßenbaue von den mit Wegräumen der Bodenmasse beschäftigten Arberbeitern ein alter irdener Tvpf mit. 69 Stück alten Münzen gesunden. Die Münzen, welche gut erhalten, sind in der Größe von Einmarck- bis Zweimarckstücken, aber nicht stärker als ein Zwanzigpfenniger, so genannte alte Meißner Groschen ohne Angabe der Jahreszahl, die selben sind sehr alt, wie ans der auf den Münzen befindlichen Mönchs- fchrift zu ersehen ist. Zwickau. Die Vorstände des Gewerbevereins, Handwerker vereins, Kaufmännischen Vereins, Städtischen Vereins, der Schutz gemeinschaft für Handel und Gewerbe faßten in einer vor Kurzem avgehaltenen Versammlung zur Bekämpfung der Wanderlager folgende Beschlüsse: 1. periodisches Annonciren in der Presse, um das kaufende Publikum über derartige Geschäfte zu belehren; 2. alle Hausbesitzer zu veranlassen, etwaige freistehende Verkaufslokale an Inhaber von Wanderlagern nicht zu vermiethen; 3. eine Petition an den Stadtrath zu richtens dahingehend, daß er bei Entwerfung des neuen Anlagen regulatives darauf besonders Bedacht nehme, Wanderlagergeschäfte zur städtischen Steuer heranzuziehen. Schließlich wurde noch eine Nus je 3 Mitgliedern der oben genannten Vereine bestehende Com mission zu dem Zwecke der Ueberwtchnng von Wanderlagergeschäften und Waarenanktsoneit gewählt, Treuen. Am 25. September brach auf noch unermittelke Weise in der Scheune des Bäckermeisters Schmalfuß Feuer ans, wodurch 5 Wohnhäuser und 2 Scheunen in Asche gelegt wurden. Dem Zwickauer Wochenblatt wird aus Chemnitz berichtet: „Zur Herstellung eines von dein Oberförster Baumgarten in Grüna er fundenen F l ü g e l l u s t s ch i s f e s Hal sich eine Acliengcscllsckast con- stiluirt; für die Realisiruug dieser Cfindung sieb Jntcresfirende finden also Gelegenheit, ihre Theilnahme durch die Thal zu beweisen." Drei Lebenstage von H. Neichsheim. (Fortsetzung.) Wieder starrte der Arme vor sich hin, und die Angst seines Innern malte sich in seinen bleichen Zügen; mühsam arbeitete die Erinnerung in ihm und vcrzweiflungsvoll preßte er beide Hände vor's Gesicht. Endlich rief er leise: „Ehe der Tod ihn umarmte, zertrat er die Schlange, auch sie mußte sterben!" langsam und ängstlich setzte er hinzu: „Hab' ich denn cs gelhan? Sp: cclu, ihr bösen Mächte, habe ich sic ermordet? Vater! Vater! tritt nicht so drohend vor mich hin; sie war mein, ich konnte sie tödten, falich war sie, treulos wie der lose Schaum. Fordere sie nicht von mir, sie ist todt — todt die schönste Blume der Schöpfung!" Seine Gedanken schienen sich bei dieser marternden Erinnerung zu ordnen, der starre unheimliche Ausdruck seiner Züge verlor sich nack und nach, sanfte Thränen rollten langsam aus seinen Augen, und seufzend und klagend ricf er den Namen: „Leontine!" Ein leiser Schrei, der wie ein Ausjauchzen klang, drang Plötzlich durch die lautlose Stille, und mit bleichem Gesicht, durch Thränen lächelnd, außer sich vor Entzücken und Angst, stürzte Leontine zu feinen Füßen und bedeckte seine Hand mit glühenden Küssen leiden schaftlicher Liebe." In athcnrloser Angst standen Julia und die beiden Ac.zw hinter dem Gebüsch, das diese Scene verhüllte und horchten lautlos dem Erfolge. Wie vom tödtlichen Entsetzen gefesselt, starrte Bernard auf die Geliebte; ein dumpfes Stöhnen entrang sich seiner Brust und bebend flüsterte er: „Hal das Grab Dich herausgegcbcn, um Deinen Mörder zu holen? Verflucht der Vater den Sohu, der die Todsünde auf sich geladen, oder sendet er Dich als erbarmenden Engel?" „Mein Einziggelicbter!" ries Leontine in tödtlicher Angst, indem sie ihre Arme um ihn schlang, „ich lebe und bin Dein in Liebe wie immer. O! blicke mich nicht so sonderbar, so entsetzlich an, kennst Du Deine Leontine nicht mehr? Das Grab Hal mich nicht verschlungen; der AUbarmhcrzige hat das schauerliche Verbrecht» von Dir genommen, und versöhnt segnet unsern Bund auf's Neue der verklärte Vater." Ein Strahl unsäglicher Freude blitzte in Bernards Augen, und das Helle Licht des geistigen Bewußtseins schien wie ein lciscr Strom in seine zerstörte Seele zurückzukehren. Bebend drückte er sein Antlitz an ihren Busen, umschlaug sie heftig und flüsterte: „Du bisl's! es ist keine Täuschung. Ich halte Dich in meinen Armen und schaue Dein himmlisch mildes Auge. Der Golt der Liebe und des Erbarmens hat die Sünde von mir ge nommen und ein Heller Gnadenhimmcl lacht mir aus Deinem Blick! Doch wie ist mir! fuhr er plötzlich auf, und es schien, als träte das Bewußtsein wieder zurück in die wirre Nacht des Wahns, „war es denn nur ein wilder furchtbarer Traum, der mich umfangen? Welcher unheimliche Geist flüstert mir die Worte „Untreue und Rache" in's Ohr? Lebe ich denn oder haben mich die Dämonen der Unterwelt schon gepackt? Wüste Erinnerungen tanzen wie höhnende Kobolde vor meinem Geist! Fort, Schlange! Du hast mich betrogen!" swrie er wild aus, „hat Dich die Hölle ausgespicen, um mich auf's Neue zu umstricken? Elende Buhlerin! Deine Macht ist an mir verloren, ich gehöre dem Tode an!" Hcstig stieß er sie von sich und lautlos wie eine geknickte Rose brach Leontine bewußtlos zusammen. Wie ein Reh, athemlos und zitternd, flog die Nvsclli in das Gartenhaus, wo sie den Grafen ver borgen hielt. „Nasch, rasch, Felix, sonst ist Alles verloren!^ und erstaunt folgte der Gras ihr mit eiligen Schrillen. „Jetzt gill's!" flüsterte sie mit glühenden Äugen, „bekenne reuig, mein Felix! es soll die letzte Probe Deiner Liebe sein, ich schwöre es bei den Wunden Christi!" Mechanisch, von der seltsamen Silutation überrascht, ließ der Graf sich willig von ihr in die Grotte ziehen, wo Bernard mit siusterm unheimlichen Blick aus die Hingesunkene schaute. „Keine Komödie!" flüsterte Felix, „diese Erniedrigung wäre zu. groß, Julia! selbst um den Preis Deiner Liebe, ich will und kann es nicht!" „Feiger Thor!" spöttelte Julia leise, „Du begehst lieber einen hinterlistigen Mord, als männlich und offen aufzutreten. Noch heute Abend reise ich mit Dir und Du zögerst, so nah am Ziel, den kost baren Preis zu gewinnen?" „Nur zu, schöner Satan und ginge es in die Hölle!" „Dann folge meinem Beispiele!" mit diesen Worten kniete Julia bei der ohnmächtigen Lconuue und zog den Grafen neben sich auf die Kniee. „Er ist's!" kreischte Bernard wild bei diesem Anblick, „in die Hölle mit Dir, Verführer! und knirschend wollte er sich aus den vor Wuth erbleichenden Grasen werfen. „Sie ist unschuldig!" rief Julia laut und feierlich, „so wahr uns Gott helfe, armer Betrogener! rein wie der blaue Himmel dort oben, der mild wie das Auge des Herrn aus uns hcrniederschaut, ist Deine Leontine, und wir beide klagen uns des Vcrrathcs an; sprechen Sie, Graf v. W, hat die Braut dieses Mannes Sie jemals geliebt?" Der entsetzliche Blick des Künstlers durchbohrte den Grasen, als dieser ein lautes trotziges „Nein, so wahr mir Gott helfe, Nein!" erwiderte. Bernard preßte beide Hände vor die Augen und blieb stumm und unbeweglich stehen; nach einer langen Pause ließ er die Hände sinken und blickte mit einer unaussprechlichen Dankbarkeit empor. Das malt erloschene Auge strahlte im sanften Feuer, die bleichen Wangen rötheten sich, und mit einer stolzen Bewegung erhob er das Haupt. Neues Leben schien wie mit einem Zauber durch die malt- schlagenden Pulse zu rollen, und hell und klar brach der Morgen des Geistes in die düstere Seele. Ohne den Sünder eines Blickes zu würdigen, kniete er bei der ohnmächtigen Braut und nahm das hin gesunkene Köpfchen in seine Arme; mit strömenden Thränen und sanften Licbesgeflüster küßte er ihren bleichen Mund. Fieberisch zu-