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De batte. Herr von Langsdorfs. Die Raisseisen'schen Darlehnskasseu- Verein» sind mir am Herzen gelegen, weil ich sie in ihrer Einrichtung näher kennen gelernt habe- da ich mit dem Gründer täglich in Berührung gekommen bin; ich habe die Ersolge gesehen. Er hat seine ersten Vereine in nothleidenden Orten gegründet und durch die Vereine die Noth der Landwirthe zu beseitigen gesucht; er ist dort, der Landwirth, in den Händen der Wucherer. Wenn er seine Prvducte verkaufen will, muß er sich an dieselben wenden. Die Raißeiscüschen Vereine mit ihren durch und durch humanen Tendenzen, sie haben es möglich gemacht, daß die Gemeinde sich aus den Händen der Wucherer in kurzer Zeit herausgerissen hat. Wenn man unter solch schweren Umständen, wie dort, derartige Ersolge zu erreichen >m Stande gewesen ist, so kann man hier unter viel mehr geordneten Verhältnissen mit geringerer Mühe einen gleichen Ersolg erzielen. Bei uns sind die Landwirthe aui persönlichen Credit angewiesen. Tie Hauptaufgabe wird sein, sür eine richtige Verthcilung des Capitals durch Vermittlung der großen Creditinstitute. Dem Vorschußvelein macht man zum Vorwurs, daß er sehr viele Mitglieder habe, von denen man nicht weiß, wie sie stehen. Die landwirthschastlichen Creditvereine unterscheiden sich von den Vorschußvereinen dadurch, daß sie nur aus einem ganz bestimmten, eng begrenzten Bezirk Mitglieder aufnehmen. Es wird sür die Zukunst diese Frage in einem Hetzern Grade wichtig werden, als jetzt. In dem neuen Reichsjustizgesetz soll ausgeschlossen sein, daß die bewegliche Habe des Landwirths pfandfähig wird. Die Creditsähigkeit ist in einem wesentlichen Grad eingeschrenkt; der Landwirth muß einen Ersatz haben. Es wird dies im vollkommensten Maaße erreicht werden können, daß sich der Landwirth an einen örtlichen Creditverein anschlicßt. Die örtlichen Creditvereine sind für die Zukunft kür den Landwirth im höchsten Grade erstrebungswürdig. Herr Director Mehnert nimmt die städtischen Vorschußvereine in Schutz. Als Schulze-Delitzsch die Vereine gegründet, kann man nicht anders sagen, als daß dieser Mann Großes in ganz Deutschland verbreitet hat. Wenn nicht alles vollkommen ist, so ist der Mißbrauch des Vertrauens schuld. Das ist bei jedem andern Geschäfte auch. Wir sehen es bei Haase, wo 5 Mll. Mk. eingelegt worden sind, und bei Rothe in Freiberg; die haben das Vertrauen gehabt, wenn sie es mißbrauchen, so verlieren die, die ihnen das Vertrauen geschenkt haben. Es ist nicht die solidare Haftbarkeit, sondern die Vertrauensseligkeit von den Mitgliedern. Die Schulze-Delitzsch-Vereine sind gegründet worden, um vorzugsweise den Gewerbtreibeuden zu dienen, sie haben großen Nutzen gebracht. Der Credit, den der Landwirth braucht, ist ein andrer, als der, den der Gewerbtreibende braucht. Wenn unsre Landwirthe persönlichen Credit selten brauchen, so kann doch die Zeit kommen, wo eine derartige Hilse er forderlich ist; wünschenswerth ist es, auf die Weise vorzugehen, wie Herr Vorsprecher gesagt hat. Halten die Landwirthe znsammen! Geschieht das ortsweise, so kann eintreten, daß man nachhilst. Ich bin aber nicht dasür, daß man denen helfe, die zu viel schuldig sind. Stadt und Land müssen zusammengehen und gegenseitig fest- halten. Durch gleichmäßige Hilfe kann Großes geleistet werden. Herr Schulze ist nicht einverstanden, daß den Verschuldeten wenig geborgt werde, ihnen soll geholfen werden. Vortheilhaft ist, daß der Stammantheil so hoch Wie möglich beschasft würde, dadurch kommt Ler Vorschutzverein nicht so in Cala- mität. Ich bedaure, daß nur landwirthschaftliche Vereine gegründet werden sollen. Stadt und Land müssen zusammengehen, wenn nur jeder Borschußverein das thut, was vorgeschrieben ist. Herr Leut ritz. Halten wir zusammen! Er schloß mit dem Goethschen Worte: „Und kannst du nicht setbst ein Ganzes sein, so schließe dich dienend den Andern an." Tagesgeschichte. Berlin, 13. September. Der Kaiser wird, Mitthcilungen aus gutunterrichteten Kreisen zufolge, in nicht allzuferner Zeit die Leitung der Regierungsgeschäfte wieder selbst übernehmen. — Die Dauer der jetzigen Reichtagssession läßt sich jetzt noch nicht bestimmen; dieselbe gilt an maßgebender Stelle nach wie vor für eine außer ordentliche, welche nur das Sozialistengesch zu berathen hat, und hierauf, ohne weitere Vorlagen zu erledigen, geschlossen wird. Die nächste ordentliche Session soll, soviel bis jetzt feststeht, zur gewohnten Zeit berufen und durch eine Thronrede eröffnet werden, in welcher auch die auswärtige Politik eine hervorragende Stelle einnehmen Dürfte. G a st e i n , 14. September. Se. Maj. der deutsche Kaiser hat, heute Vormittag 11V2 Uhr unter begeisterten Hurrah- und Hochrufen und unter den Klängen der preußischen Volkshymne das Bad Gastein verlassen. Damen spendeten Blumen - Bouquets. Fürst Bismarck, Eulenburg, Sydow und noch viele andere preußische und öster reichische Honorationen waren zum Abschied im Badeschlosse ver sammelt, von welchen sich Se. Maj. mit liebevollen, bewegten Worten verabschiedete. Bei der Vorüberfahrt an der evangelischen Kirche tönte Sr. Maj. der Choral „Lobet den Herrn" entgegen. Der Kur ort ist reich beflaggt, das Wetter günstig. Der Ersolg der Kur ist bei Sr. Maj. über alle Erwartungen vortrefflich. Die Körpe.kräfte des hohen Patienten haben vortrefflich zugenommen, das Schreiben mit der rechten Hand ist wieder ohne Anstand möglich. Der „Deutschen Zeitung" wird aus Brood gemeldet, im Offi- ziercorp habe auf die Kunde, daß bei den letzten Kämpfen die In surgenten an den gefangenen österreichisch - ungarischen Soldaten mit beispielloser Bestialität Greuelthaten verübten, insbesondere auf die Nachricht, daß am 6. in einem der erstümten Jnsurgentenlager ganze Haufen von Köpfen österreichischer Soldaten aufgefunden wurden, die während der Rückzugskämpfe von Tuzla bis Doboj todt oder verwundet in Feindeshand gerathen waren, eine tiefgreifende Er bitterung platzgegriffen; man spreche von der Nothwendigkeit des Er lasses eines Martialgesetzes, kraft dessen jeder während des Kampfes oder ber Verfolgung gefangene Jnfurgent gehenkt werden soll. Seitens Montenegros steht, wie das „N. W. T." be richtet, die erneute Offensive gegen die Türkei bevor. Von Cettinje werden ununterbrochen Turppen nach der Grenze dirigirt. Eine größere Anzahl Belagerungsgeschütze ist zur Verwendung gegen Pod- goritza und Sputz beordert worden. Ueber die Ermordung Mehemed Ali's wird noch berichtet: Die unmittelbare Veranlassung zu der Katastrophe war eine Versammlung von albanischen Häuptlingen, in welcher der Marschall sich dahin aussprach, man möchte sich doch der Ordnung der Dinge, wie sie der Berliner Congreß festgesetzt habe, fügen. Darauf brach in der Ver sammlung ein Sturm der Entrüstung los, der sich bis auf die Straße sortpflanzte; es kam auf der Stelle zu einem blutigen Kampfe zwischen den Albanesen und der Begleitmannschaft Mehemed's, in welchem 100 Personen theils getödtet, theils verwundet wurden. Es gelang dem Marschall, mit einem Theil seines Gefolges zu entkommen ; am nächsten Tag aber wurde sein Zufluchtsort von den fanatistischen Horden, die in ihm einen Vaterlandsverräther erblickten, ausgespäht; die Albaner schritten sofort zum Angriff und metzelten den Marschall und 39 Mann seiner Begleiter nach einer verzweifelten Gegenwehr nieder. Die türkische Regierung hat sofort Truppen entfandt und will eine exemplarische Bestrafung der Schuldigen eintreten lassen. Wilsdruff. Wenn nach den aufgeregten, äußerst lebhaften Tagen unserer Ausstellung man die Befürchtung hegte, um fo weniger werde unsere Kirmeß lebhaft sein, so hat uns der gestrige erste Kir- meßtag eines Anderen belehrt, denn der Besuch von Fremden ist seit einigen Jahren nicht so bedeutend gewesen, als gerade gestern; der der große Festplatz, unsere zu Volkssesten geradezu geschaffene Schieß wiese, war den ganzen Nachmittag bis in die spätern Abendstunden gedrängt voll, reges Leben entwickelte sich an allen den vielen ver schiedenen Würfel- und Schaubuden, die beiden fchmucken Carroussels machten flotte Geschäfte mit der lieben Jugend, während im Schieß- Haus- und Löwensaalc lustige Weisen für Tanzlustige aufgespiclt wurden. Der heutige sehr windige Tag wird allerdings ein weniger großes Publikum auf die Festwiese locken, dafür aber bietei der Abend ein Militair-Concert und wie immer üblich der morgende dritte Feier tag Concert und Ball vom Stadtmusikchor, so daß die lieben Wils druffer mit ihren Kirmeßgästen Mangel an Unterhaltung nicht zu leiden haben. Alle Berichte aus dem sächsischen Erzgebirge schildern mit be sonderer Freude den günstigen Eindruck, den das ausgezeichnete warme Wetter seü Beginn dieses Monats dort auf die noch ziemlich im Rück stand befindliche Ernte gemacht hat. Bei längerer Fortdauer des regnerischen Wetters wäre zu befürchten gewesen, daß die Feldfrüchte in Verderbniß übergingen, während nunmehr diese Besorgniß voll ständig gehoben ist. Das sächsische und böhmische Erzgebirge genießen in düftm Jahre das Glück einer guten Ernte und namentlich ist auch das Futter für das Vieh sehr reichlich gewachsen und eingehcimst. Auch un oberen Voigtlaude ist das Grummet sehr gut eingebracht worden und die warme Witterung läßt den Heerden noch reichlich Futter auf der Weide wachsen. Den Herren Butterhändlern möchte es deshalb jetzt schwer werden, ausr.ichende Gründe für hohe Butter preise Vorbringen zu können. Aus Döb eln kommt die traurige Nachricht, daß in der Nacht zum 10. September in einem Seitengebäude des in Greusnig ge legenen Stadtgutes Feuer ausbrach, welches dieses Gebäude bis auf den Grund in Asche legte, und daß dabei 4 in dem genannten Gute dienende Pferdeknechte ums Leben gekommer sind. Zwei davon wurden zwar noch lebend aus den Flammen gerettet, sie starben aber bald darauf an den erhaltenen Brandwunden; die Leichen der beiden anderen wurden verkohlt aufgefunden. Leipzig, 12. Septb. Vorgestern hat im Neuen Stadttheater bei Gelegenheit der Proben zu den Wagner-Aufführungen „Siegfried" und „Götterdämmerung", welche vom 21. d. bis 3. October ab wechselnd in Scene gesetzt werden, ein kleines Brandunglück infolge einer Entzüdung von Gas und Pulver stattgefunden, welches zum Glück rasch entdeckt und zu dessen Bekämpfung die nöthigen Schritte ebenso rasch getroffen Werden konnten. Der Sckadeu beschränkt sich auf die theilweise Vernichtung zweier Dekorationen. Volk marsdorf bei Leipzig. Die Sozialdemokraten wollen, wie dem „Leipz. Tagcbl." von hier mitgetheilt wird, in Zukunft unter dem Deckmantel der Gesangvereine ihre Agilalion fortlrciben. So find z. B. bei einem hiesigen Gesangverein „Einigkeit" „Masscneiutritte" angemeldct worden. Sie wollen in diesen Vereinen ihre Agitation fortsetzen und so die Polizei hintergeheu. Ob sie sich hierin nicht wieder verrechnet haben, zumal bei der besonderen Aufmerksamkeit, mit welcher man den Sozialisten hier auf die Finger sieht? Der wegen Unterschlagung angeklagte ehemalige Avokat Fedor K u n tz s ch von Dresden ist kürzlich zu 1 Jahr 4 Monaten Gcfüugniß, wovon 4 Monate als bereits durch die Untersuchungshaft verbüßt angerechnet werden, vcrurthcilt worden. Zwickau, 14. Sept. Durch die gestern Nachmittag im Au- roraschachte erfolgte Explosion schlagender Wetter wurden der Steiger Richard Heinrich Pitz aus Neudörfel, 37 Jahre all, und der Berg arbeiter Karl Hermann Dietel aus Niederplanitz, 39 Jahre alt, getödtet. Ersterer hinterläßt eine Frau mit 5 Kindern, letzterer eine Frau mit 3 Kindern. Ein Bruder Dietels wurde leichter verletzt, doch so, daß er in das Kreiskrankenstift übergeführt werden mußte. Hainichen. Ein am I. September Abends hier zwischen Militärpersonen stattgehabter Exzeß Hal, wenn er auch von blutigen Folgen war, doch zu den übertriebensten Gerüchten Veranlassung ge geben, denen gegenüber wir von einer anscheinend authentischen Mit- theilung Notiz nehmen, welche das hiesige gestrige Lokalblatt enthält. Darnach hat sich an jenem Abende im Gasthofe zum „Tivoli" zwischen Infanterie und Ulanen ein Streit enlsponnen, welcher leider dermaßen in Thätlichkeiten ausartete, daß 3 Mann von der Infanterie am Hinterkopf, Arm und Backen durch Säbelhiebe und Messerstiche ver wundet wurden. Die Ursache des Streites soll gewesen sein, daß die Ulanen der Anforderung des Schänkbausdienst habenden Unter offiziers von der Infanterie, nach Hause zu gehen, nicht Folge ge leistet; da dieser aber trotzdem seine Instruktion mit Nachdruck durch geführt hat, entstand jene Schlägerei, welche sich bis in die Hausflur verzog. Daselbst sollen einige Ulanen von der blanken Waffe Ge brauch gemacht haben und die Infanterie von außen mit Steinen geworfen worden. Die ihren Unterossizier nnterstützeuden Infanteristen haben zwar drei von den exzedirenden Ulanen verhaftet, ob es aber diejenigen sind, welche die Wunden verursacht, ist noch nicht erwiesen. Die Verwundungen sollen nicht lebensgefährlich sein und hat man sämmtliche Verwundete dem Garnisonhospital zu Chemnitz überwiesen, die verhafteten Exzedenten jedoch sind dem Divisionskriegsgericht in Dresden zugeführl worden. Drei Lebenstage von H. Rclchsheim. (Fortsetzung.) 8. Kapitel: Gnade. „Sie ist also todt, die Arme?" fragte Julia Rosclli den Grafen von W., und eine glühende Thräne rollte aus ihren Augen; „todt das unglückliche Opfer unserer Pläne? 0! es ist schrecklich!" „Nun, was ist denn Schreckliches dabei!" versetzte Graf Felix mit gezwungenem Lachen, „bester todt, als ein lebendiges Schreckbild; die Gespenster der Unterwelt fürchte ich nicht. Sehn Sie, Liebe! lebte die Betrogene noch, dann wäre es immerhin möglich, daß die kleine interessante Kabale entdeckt würde, und das wäre im Grunde doch fatal, besonders für Sie, meine Theuerste! ich meine nämlich in Hinsicht Ihrer Hoffnungen." „Meine Hoffnungen?" rief Julia mit bitterem Lächeln, „0, Graf! warten Sie noch ein wenig, damit ich Ihnen aus die schwindelnde Höhe Ihres wahrhaft großartigen Charakters folgen kann; meine Seele klebt noch zu sehr am Alltäglichen, an dem schaalen Gebilde der Tugend und des Sittlichen, Sie meinen also in Wahrheit, mein Herz hege noch Hoffnung aus den Besitz eines Wahnsinnigen?" „Warum nicht, kleine Tugendhafte!" lachte Felix spöttisch, „ein Weib, wie Sie, sollte diesen Wahnsinnigen nicht heilen können?