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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080618018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908061801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908061801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-18
-
Monat
1908-06
-
Jahr
1908
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Bezugs. Preis », Lew»'« and Moroni durch uosrr* Lr1«cr und Sprdttrm, t»1 Ha»» »edracht« eur»gade d surr -wegen») viertrljährlich M., manamch I M.; ?!u»gade u l-wrgent und abend») viertel» lährluh 4.ÜV M., monaUlch I.K) M. Durch dir v»N ,» de»te-e»: gz mal läqlt-b) innerhalb Deutlchland» und der deullrden Kolonien merieljahrlich b.L, M., monatlich t,7S M. autjchl. Poft- besielliielb, ür Oesterreich v L 66 0, Uuftar» 6 il vierteljährlich. Ferner tn vel» dien, Dänemark, den Donaukaaten, Italien, oazemaurg, Niederlande, Storwktzeo, Ruß land Schweden, Schweiz und kvanien. Ja allen übrigen Staaien »ur direkt durch dl» idxped. a. >ül. erhältlich. »donnemeni-Annabme: AuguKnSplatz 8, bei unteren Trägern, Filialen, Spediteuren und Ännahmeslelltn, iow>e Poslämlern und ivrreiträgern. L>« elnjetne illummer tvsrei 1V Psg. Redaktion und Srprdtlt»»: Iohannirgasie X T.levbon Nr. >4002. Nr. >46!». Nr. 146S». Morgen-Ausgabe 8. MMgerTllgMM Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und des Notizeiamtes der Stadt Leipzig. Aazeigeu-Prer» ch» Jaierat» au» cewz.u uni» Uiugedu», di« SaeidaUea« PetUmUe 26 Pt., knanziell« Lajet,«» SV cht., Neklain«» I M.: »» -utwärt» «) Pt., Nroamcn Q20 iill.: »sm Au» land 5ii Pt., ftnaar. Anzeigen 7b A>.. »rklamen IbV Di. Inserat«o. örhärde» n omUlcheutrUMDi veilagegrbübr S M. o. Lauleno exkl. Dutt, gebühr. Oteichästian,eigen an devorjugie: Stelle im Preise erhitzt. Rabatt nach Tarn gesterleUt« iilulträge lSuaen nicht zurück- aeragen werden. Für da» lLrscheine» an «ettimmten Lagen und Plätzen wild kein« Garantie übernommen Anzeigen-Annahme, rlugu,tu«vl»tz ", del sämtlichen grlialen u. allen ill»noncen- itipeditlanen de» In» und Lutloade». Haudt-Stltal« verltni >l«rl Duncker, Herzog!. Baur. y»ldu<d> Handlung, Pützowstratze llt. (Telephon VI, Nr. «603). Haupt-FUlalr Dresden: Serstrutze 4.1 lTelephon 4621). Nr. 187. Donnerstag 18. Juni 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste. * Die Leipziger Stadtverordneten wählten in ihrer gestrigen Sitzung zehn Mitglieder in die gemischte Deputation zur Vor bereitung der Oberbürgermeisterwahl. sS. Stadtver- ordnetenbericht.) * Der Kongreß für gewerblichen Rechtsschutz setzte gestern seine Beratungen über Sondergerichte in Patentsachen fort. Nach lebhaften Debatten kam ein Kommissionsantrag zur Annahme. Abends sand im Palmengarten ein Festmahl statt. lS. d. bcs. Art.) * Die Verordnung wegen Einberufung des preußischen Landtages auf den 26. I u n i ist veröffentlicht worden. lS. Dtschs. R.s " Der Verband bayrischer Metallindustrieller er läßt zu seinem Konflikt mit den Angestelltenverbänden eine entgegen kommende Erklärung. lS. Dtschs. R.) ' Der Zentralausschuß der Reichsbank ist für heute vormittag einberufen. Es ist noch ungewiß, ob es sich um eine Diskont ermäßigung handelt. lS. Handelsteil.) * Wie uns ein Privattclegvamm aus Wien berichtet, soll Kaiser Franz Josef in bezug aus den Studenten streik zum Unter- richtsminister gesagt haben: „Machen Sie dem Skandal ein Ende, Ihre Rektoren sind eine nette Gesellschaf t." lS. Ausl.) * Morgen soll in der französischen Kammer die Ma rokko-Angelegenheit zur Sprache kommen. lS. Ausl.) ' Wie verlautet, wird Präsident Folli« res auch in Spanien einen Besuch machen. * Das englische Unterhaus nahm in zweiter Lesung da- Alterspensionsgesetz an. lS. Ausl.) * Die Prinz-Heinrich-Fahrt wurde gestern beendet. D>« beste Zeit fuhr Erle-Mannheim. lS. Art. a. d. 3. S.) Arbeitskäinpfe in Sachsen. Wie aus der vorläufigen Ucbersicht der Vierteljahrshefte des Kaiserlich Statistischen Amtes des Deuttchen Reiches hervorgeht, hat die Zahl der Arbeitskämpfe un Jahre 1907 im Deutschen Reich erheblich nachgelassen. Während im Jahre 1908 3128 Streiks mit 272 218 gleichzeitig streikenden Arbeitern staltfanden, ist nach den vorläufig fest stehenden Zahlen im Jahre 1907 diese Ziffer auf 2033 zurückgegangen und cs beteiligten sich an diesen Bewegungen rund 161 300 Arbeiter. Diese Verminderung ist leicht erklärlich, wenn man bedenkt, daß etwa mit dem Schluß des zweiten Halbjahres 1907 bereits die deutlichen Zeichen des Rückganges der Konjunktur einseyen, und so sieht man denn, wie vom zweiten zum dritten Vierteljahr die Zahl der ArbeitS- lämpfe von 767 auf 617 und im vierten Vierteljahr» das außerdem noch durch den Einfluß des Winters ohnehin dem Streik nicht besonders günstig ist, auf 326 sinkt. Das gleiche Verhältnis beobachten wir in- becug auf die Aussperrungen. Auch hier ist vom zweiten Vierteljahre 1907 au ein ganz ausfallender Rückgang zu verzeichnen. Diese für das Reich geltenden Verhältnisse treffen auch in ent- spiechendem Maßstab für Sachsen zu. Sachsen steht innerhalb der Statistik des Deutschen Reiches bezüglich der Arbeitskämpfe nicht gün stige" als die andern Industriegebiete, wenn es auch im Verhältnis zur Ausdehnung seiner Industrie nicht an erster Stelle steht. In Sachsen ging die Zahl der Streiks von 317 aus 217 zurück, die höchste Zahl der während der Tauer des Streiks gleichzeitig streikenden Personen beläuft sich auf 21250 im Jahre 1906 und auf 13 647 im Jahre 1907. Es ist seit dem Jahre 1901 der erste Rückgang, der in der Zahl der ArbeitSkämpse zu beobachten ist. Die fortschreitende Zunahme der Streikbewegungen und der Aussperrungen in der Zeit von 1901—1907 ergibt sich für Sachsen aus folgender Tabelle: Iahre-zahl Streik» Aussperrungen 1901 97 4 1902 119 6 1903 180 16 1i)O4 239 22 1905 284 32 1906 317 64 Die vorstehenden Ziffern geben in verschiedenen Richtungen höchst interessante Aufschlüsse. Sie zeigen einmal zunächst die schon oft beobachtet« Erscheinung, daß mit dem Steigen der Konjunktur auch die Lohnbewegungen eine entsprechende Zunahme erfahren haben. Der jüngste wirtschaftliche Aufschwung setzte mit dem Jahre 1903 deutlich ein. In solchen Zeiten steigert sich naturgemäß die Nachträge nach Arbeitskräften, insbesondere nach gelernten Arbeitern, und der Arbeiter, im Bewußtsein des Wertes seiner Arbeitskraft, tritt dann mit Lohn forderungen an den Unternehmer heran. Leiber werden aber in der Regel die Forderungen auf Erböhung des Lohnes entweder überspannt, oder, wa« noch häufiger der Fall ist, mit anderen Forderungen verquickt, welche der Unternehmer, obwohl ihm ein Streik in Zeiten guten Geschäftsganges Schaden bringen muß, nicht bewilligen kann. Die Zeiten der Konjunktur sind aber auch ferner den Organisations bestrebungen der Gewerkschaften günstig, da der Arbeiter ja bei gutem Verdienst die Beiträge eher zu leisten in der Lage ist und da die Ein flüsse der Agitatoren, ihre Hinweise auf die angeblich „riesengroßen Untervehmerprofite" natürlich viel leichter zu illustrieren sind. Tatsächlich haben denn auch die Gewerkschaften seit dem Jahre 1801 eine außer ordentlich rasche Entwicklung zu verzeichnen. Sowohl die Zahl ihrer Mitglieder und demgemäß die Höhe ihrer Einnahmen, als auch die von diesen Einnahmen auf Streiks verwendeten Summen sind in beträcht licher Weise gewachsen. Hierüber gibt die folgende Tabelle, die zugleich die oben angegebene ergänzt, deutlich Auskunft: Gewerkschaften: Jahreszahl. Zahl der Zentral- oerbänvc. Mitglieder. Einnahmen. Ausgaben sür Streiks. 1900 58 680427 7 745 902 2 625 642 1901 57 677 5l0 8798 333 1 878 792 1902 60 733 206 lO 253 559 1 930 329 1903 63 t-87 698 12 973 726 4 529 672 1904 63 1052 108 16 109 903 5 869 519 >905 64 1 344 803 19 635 850 9 674 094 1906 66 1 689 709 25 3l2 634 13 748412 Noch eine andere wichtige Erscheinung unseres modernen Wirt- schastslebens kann man aus der oben wiedergegebeuen Uebersicht über die Streiks und Aussperrungen entnehmen, sie betrifft daS Wachstum der Arbeitgeberverbände. Soll eine Aussperrung wirksam sein, so ist vorauS- zusetzen, daß die Arbeitgeber einheitlich und straff organisiert sind. Be obachtet man nun, daß von 1903 bis 1906 die Zahl der Aussperrungen im fortgesetzten Wachstum begriffen war, so wird man schon daraus den Schluß auf die fortschreitende Organisation der Arbeitgeber ziehen müssen. Eö fällt ferner in diese Zeit die Gründung von Slreikent- schävigungsgesellschaslen, dieser neuesten Organisationsform auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Lebens. Es sei hier nur genannt die Gesellschaft des Verbandes Sächsischer Industrieller zur Entschädigung bei Arbeitseinstellungen, die, noch jungen Datums, bereits euie rasche Entwicklung genommen hat. Auch die Wirkungen, welche dieser Zusammenschluß der einander feindlich gegenüberstehcnden Mächte gezeitigt hat, sind aus den Zahlen der Statistik ohne weiteres zu entnehmen, wenn man die Erfolge be trachtet, welche die Arbeiter bei ihren Streiks, die Arbeitgeber bei ihren Aussperrungen zu verzeichnen hatten. Auch hier sei zunächst eine Tabelle angcfügt, welche die Erfolge von Streiks und Aussperrungen im König reich Sachsen vom Jahre l90l bis 1907 veranschaulicht. Erfolge bei Streiks: V Zahl der btgonn. Streik« Zahl be^.id. S der trctk« voll teilweise keinen 1901 97 97 18 I 24 55 ISO2 1t» 116 27 42 17 1903 180 180 4t 68 1904 239 239 54 110 75 1905 281 278 44 113 121 1906 317 311 51 151 109 Erfolge bei Aussperrungen e». O. «r> L L hl der n. Aus hl dcr . Auss hl der triebe hl der ^beiter der an Arbeit der gez erndcn u-u;; s- o c: «V russ vx ZN Zs l "L L I s en 1901 4 3 4 2 822 2 452 — 1 — 2 1902 6 6 12 909 >59 — 3 1 2 1903 16 6 37 1494 860 39 1 2 3 1904 22 21 155 10 937 8 209 561 10 3 8 1905 32 31 231 17 594 11 941 I 72 7 19 5 1906 64 64 291 29256 12 709 ! 454 4 59 1 AuS den angeführten Ziffern läßt sich entnehmen, daß die Zahl der vollen Erfolge bei Streiks im Abnehmen begriffen ist im Ver hältnis zur Zunahme der Streiks überhaupt. Während z. B. die Ge werkschaften im Jahre 1903 in 24,4 Proz. der Fälle einen vollen Erfolg zu verzeichnen hatten, sank diese Ziffer im Jahre 1906 auf 16 Proz. Auch die Zahl der Fälle, in denen kein Erfolg zu verzeichnen war, ist, wenn auch nicht in demselben Maße, zurückgegangen. Gestiegen ist nur die Zahl derjenigen Fälle, in denen ein teilweiser Erfolg zu verzeichnen war, d. h. in denen die Arbeiter ihre Forderungen entweder reduzierten oder ihre überspannten Forderungen fallen ließen und sich zu einem Vergleich mit der anderen Partei bequemten. Im Jahre 1903 waren 38,3 Proz. der Lohnbewegungen von einem teilweisen Erfolg begleitet, im Jahre 1904 46,1 Pro,., 1905 39,7 Pro,, und 1906 47,3 Proz. Beiden Aussperrungen ist die Möglichkeit, daß die Unternehmer gar keine Erfolge erzielen, ziemlich gering und zwar deshalb, weil die Unternehmer viel schwerer zu einer Aussperrung sich entschließen, als die Arbeiter zu einem Streik. Von Interesse ist es endlich, einen Blick darauf zu werfen, in welcher Weise die verschiedenen Industriezweige in Sachsen an den Lohnbewegungen beteiligt sind. Da ist es zunächst das Baugewerbe, vaS einen besonders hohen Prozentsatz stellt. 118 von 317 Lohn bewegungen überhaupt entfielen im Jahre 1906 auf das Baugewerbe. Dann folgt die Industrie der Holz- und Schnitzstoffe, welche m dem genannten Jahr 33 Lohnbewegungen zu verzeichnen hatte. Es folgt weiterhin die Industrie der Metallverarbeitung, die Industrie der Steine und Erden (Porzellansabriken, Ziegeleien rc.), die Maschinen industrie. Entsprechend dem allgemeinen Anschwellen der Streikbewegung, die, wie oben gezeigt, seit dem Jahre 1902 zu beobachten war, sind natürlich auch die einzelnen Industriezweige in vermehrtem Maße durch Streiks beun ruhigt worden. So batte beispielsweise die Maschinenindustrie Sachsens im Jahre 1902 nur 4 Streiks zu verzeichnen, und in den folgenden Jahren ist dann die Zahl der Streiks langsam, aber stetig gewachsen. Das gleiche Bild ist in der Industrie der Metallverarbeitung und dem Ver- tehrsgewerbe zu beobachten. In der Textilindustrie hat zwar nach den Ausweisen der Statistik die Zahl der Streiks nachgelassen, doch sind dafür die Kämpfe in dieser Branche mit um so größerer Heftigkeit und Erbitterung gejührt worden. Es sei nur erinnert an den Crimmitschauer Streik, sowie an den großen Lohnkampf im sächsisch-thüringischen Weberei gebiet im Jahre 1905, dec zwar zeitlich gemessen den Umsang des Erimmitichauer Streiks nicht erreichte, der aber «inen bec weitem größeren Raum und eine ungleich größere Arbeiterzahl umfaßte. In Sachsen wurden vornehmlich die Orte Reichenbach, Mylau, Netzschkau, Elster berg, Ronneburg, Glauchau und Meerane in Mitleidenschast gezogen und es waren dabri ungesäbr 35 000 Webstühle beteiligt. So zeigen denn d,e Zahlen der Streikstatistik auch in dem kleineren Rahmen Sachsens die aroßen allgemeinen Entwicklungstendenzen, di« au, dem Gebiete der Organisation der Arbeit sich geltend machen. Gegenwärtig befindet sich zwar alles noch in außerordentlich vül- gestaltiger Entwicklung, aber in großen Zügen läßt sich bereits jetzt er- kennen, raß die einzelnen Gewerbe- und Industriezweige rer Organi sation in großen Reichsoerbänden zustreben, um den zentralistisch organi sierten Gewerkschaften eine kraftvolle Gegenpartei entgegenzustelleu. Der Gran- Lrrr. lVon unserem Pariser ^.-Korrespondenten.) Paris, 15. Juni. Tas hieß Eulen nach Athen tragen! Als die „Gesellschaft zur Er mutigung der Pferdezucht" den Preis von Longchamp um 100 000 Franken erhöhte, damit er für die Nennställe in aller Welt um so an ziehender werde, dachte sie gewiß nicht, daß der erste, der sich den großen Scheck holen würde, gerade ein amerikanischer Milliardär sein müsse. Mister Vanderbilt jun. bringt seine Tage im schönen Frankreich zu, wo er einen Teil seiner tausend Millionen (gerade soviel soll sein vom Papa und von anderer Seite ererbtes Vermögen ausmachen) »n einem Stall anlegte, der anfängt, den ältesten und berühmtesten Pferde züchtern Englands und Frankreichs Angst einzujaaen. Noch waren die Farben der Vanderbiltschen Jockeis in der Reihe der neunzehn für den Grand Pri, eingeschriebenen Pferde nicht allzusehr gefürchtet; hinfort wird man an allen großen Sporttagen ihnen die Beachtung schenken, die sie verdienen. Mit Geld läßt sich alles machen, auch ein guter Nenn stall. Vanderbilt kaufte einige der besten französischen Stuten und der erprobtesten englischen Hengste und erzielte damit eine ganz hervor ragende Nachkommenschaft. „Northeast", der Sieger im gestrigen Grand Prix, ist in seinem Stall zu Villebon als Sohn einer Ameri kanerin, „Nordenfield", geboren; in der Tat hat der Millionär auch aus der Neuen Welt einige ganz vortreffliche Rennpferde ^ür seine Zuchtver- suche mitgebracht. Mit „Northeast" gewann oer glückliche Rankee bis heute bereits 471025 Franken. Der Grand Prix ist jetzt der höchstdotierte Preis, der auf den Sportplätzen der Welt zu holen ist. Das Derby von Epsom trägt nur 162 500 Franken ein; der Große Preis von Paris setzt sich zusammen aus 250 000 Franken, gegeben von der Nenngesellschaft, 50 000 Franken von den Eisenbahnen und einem Teil der Eintrittsgelder, im ganzen gestern 363175 Franken; außerdem gewann Vanderbilt noch 20 000 Franken, die dem Züchter des Pferdes zustehen. Es läßt sich denken, mit welcher Aufregung die wettlustige Pariser Bevölkerung dem Lauf der Pferde folgt«, von denen eines nach 3 Kilometern Galopp einen ganzen Stoß Tausendfrankenscheine gewinnen sollte. Bewundernden Blicke-Z schaut« di« Menge auch non der Wiese nach dec erhöhten Tribüne der Rennstallbesitzcr hinüber, wo die behandschuhten Herren in tadel losem Gehrock und Zylinder, scheinbar ohne jede Aufregung, durch Operngläser dem „Felde" folgten. Es ist dem kleinen Bürgersmann unerfindlich, wie diese Leute ihre vornehme Ruhe bewahren können, wenn es sich um einen solchen Einsatz handelt. Alles schreit and gestiku liert, sobald der Starter das Zeichen gegeben, jeder ruft wie besessen den Namen seines Favorits, auf den er gewettet, als ob das den vier Beinen, die lo viel Hoffnung tragen, größere Muskelstärke verleihen könnte. In höchster Aufregung erwartet er, daß die fünf Franken, die er gesetzt, nicht verloren gehen, sondern verdoppelt oder verdreifacht heraus kommen. Und hier handelt es sich um fünf Franken! Die fürchterliche Aufregung, Freudenrufe, Flüche, Wortwechsel mit dem Nachbarn, der auf einen anderen Favorit gesetzt und der durch das Geschrei in seinen Chancen beeinträchtigt §u lein glaubt. Auf der Tribüne der Pferde besitzer dagegen kaum ein Lächeln des Mister Vanderbilt, der sich mit höflicher Verbeugung für die Gratulation der anderen Kavaliere be dankt, deren Hoffnung, selbst den hoben Scheck einzukassieren, zunichte wurde, und die fo wohlerzogen sind, sich nichts von ihrer Enttäuschung merken zu lassen. Wahrlich, diese kleine Tribüne der Ncnnstallbesitzer bietet ein hübsches Moment sür das Studium der Gesellschastspsvcholoaie. Für den Tag in Longchamp ist die Sonne nötig. Tas Sportfest im Bois de Boulogne, das die Pariser Saison großartig abschließt, sand aber diesmal unter einem schwer drohenden Wolkcnhimmel statt. Toch cs war dem Wcttergott mehr um das Schrecken zu tun; er sandte nur von Zeit zu Zeit einige Tropfen nieder, die allen Pariserinnen in ihren entzückenden Sommerrobcn wahres Entsetzen einflößten. Aus der Pe- louse, wo die Menge der Hunderttausende sich drängt, herrscht mehr Sportinteressc als am Pciage vor den großen eleganten Tribünen, wo man sich fast ausschließlich mit den Toiletten beschäftigt. In diesem Jahre trugen nicht jene, die den größten Luxus entfalten, den Sieg davon, sondern jene, die sich am frivolsten und extravagantesten kleiden. Eine Dame war im authentischen Louis-XVI.-Kostüm erschienen, das gut erhalten war und ihr vortrefflich stand; es handelte sich, wie cs scheint, um eine Wette. Weniger historisch getreu, aber nm so aus- fallender waren wieder die modernen Directoirerobcn, die auch von sehr vornehmen Damen getragen wurden, deren Körpcrvollkommenbeit nichts von der Schaustellung zu fürchten bat. Man konnte wieder ein mal sehen, daß auch die raffiniertesten Toiletten, Tüll fast ohne jede Unterkleidung, von Frauen der Gesellschaft anstandslos (ohne Gänse füßchen) getragen werden können, und daß sic nur Skandal erregen, wenn sie den üppigen Körper weniger distinguierter Persönlichkeiten um hüllen. Die „Mannequins", Modelldamcn, die wieder von verschiedenen großen Schneiderfirmen ausgesandt waren, um diese neue Mode zu lancieren, sind oft aufgeregt, raffen sehr häufig den vorn und hinten lehr lang niedersallenden Rock, den sie dabei so lüsten, daß die durch brochenen Strümpfchen in wirklich undezenter Weise sichtbar werden. Als die Probiermamsells in ihren fabelbasten Kostümen und ihren cngantesken Fcderbüten den Rennplatz verließen, und auf der Suche nach ihrer Droschke mitten unter die wilde Menge der Zaungäste gerieten, entstand eine wahre Emeutc, die wieder einmal zeigte, daß die Pariser Plebs die ungezogenste der ganzen Welt ist; die drei Schönheiten wurden halb totgedrückt, Pakete mit den Resten von Eßwarcn flogen ihnen aus die Hüte, und als man sie schließlich in ein Automobil rettete, waren sie nur noch mit einigen Tüllsetzen behangen. — Gesagt muß werden, daß auch Aristokratinnen größten Namens sich diesmal mit Kleidern und Hüten so ungewöhnlicher Art schmückten wie man es in Longchamp noch nie gesehen. Den Straußen ganz Asrikas scheinen die letzten Schwanzfedern ausgerissen worden zu fein, um damit die Hutungebcucr der Pariserinnen zu bespicken. Die Gattin eines Ministers trug zu Häupten «in Büschel von schwarzen und Weißen Straußenfedern, die kaum weniger als einen Meter Länge erreichten: das wogte und wankte nach allen Seiten und bildete einen wahren Schirm, der die schönen Schultern der eleaanten Frau beschattete. Tic „Mervcilleuses . die den Helden der Directoirezeit in ihren politischen Sorgen freudige Er- bolung bereiteten, mögen gewiß nicht leichtere Roben und schwerere Hutmonumcnte getragen haben, wie beucr unsere Mondänen. Damals war man noch nicht so tveit in der Kunst. Blumen nachrnabmen. In Longchamp gab es Cbapeaux, die mit fünfzig der wunderbarsten Rosen in duftiger Pnramide geziert waren. Was die Modistinnen früher an Schmuck auf zwanzig Hüte verteilten, pstanzen sie fetzt aus einen ein- zigen. Es war nur sck>ade. daß die Sonne gestern sich beharrlich weigerte, die Farbenorgie aus der grünen Waldwiese von Boulogne zu beleuchten — vielleicht batte sie ästhetische Bedenken. . Der getreue Chronist muß jedoch ansiigen, daß es noch viele Pariserinnen gibt, die wahrhaft vornehmen Geschmack in einer gemjsien Zurückhaltung eg'- blicken' so trug die Marquise de Mun eine Rob' aus. weißem Seiden musselin nebst einem Mantel aus rosa Tuch und einen weißen Feder hut, die wirklich als ein Muster diskreter Eleganz gelten konnten; die
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