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3. Beilage Donnerstag, 18. Jnni 1908 Leipziger Tageblatt. Nr. 167. 162. Jahrgang Mutzestunden. r, Seinetwillen! Roman von Fritz Gantz er. (rrachdeuck verdaten) Ein feiner Sprühregen schlug ihr in das heiße Gesicht, als sie die Straße nach dem Bahnhof hinabeilte. . . . Und in den kahlen Kronen der Ulmen raste der Frühlingssturm. Niemand begegnete ihr. Kurz vor dem Bahnhofsgebäude vertrat ihr einer den Weg. Traugott Oehmichen Er drückte ihr ein kleines Paketchen in die Hand und brachte seinen Mund dicht an ihr Ohr. „Es ist seine Palette und sein Malkasten, Fräulein Elisabeth", flüsterte er, während es zwischen dem Flüstern glucksend aus seiner Kehle drang wie ein inneres Weinen. „Ich nahm beides, als ich heute morgen seine Koffer schloß. Es wird kein Diebstahl sein Eigent lich gehört ja alles von ihm Ihnen " „Oehmichen, Sie guter Mensch!" Weiter vermochte Elisabeth nichts zu entgegnen. Und in ihre geröteten Augen traten neue Tränen. Sie rief ihm ein ersticktes Abschiedswort zu und eilte weiter. . . . Fauchend fuhr der Zug ein. Niemand achtete in dem Drängen und Treiben des kurzen Aufenthaltes auf sie. Nun stand sie im Abteil und sandte einen letzten Abschiedsblick über die dunkle Stadt Da kam noch kurz vor dem Abfahren Fritz Claußen an den Zug ge stürmt und reichte ihr einen großen Strauß Marechal-Niel-Rosen durch das geöffnete Fenster. „Oehmichen erzählte mir, daß Sie sortgchen, Fräulein Elisabeth", sagte er, vom schnellen Lauf hastig' atmend. „Nehmen Sie diese Rosen mit, bitte.... seien Sie mir nicht böse Ich hab's kaum noch geschafft, der Gärtner hat so entsetzlich getrödelt beim Abschneiden. Ich gehe morgen auch fort .... nach Berlin in ein großes Kontor. . . . Und warum gehen Sie fort, Fräulein Elisabeth?" .... Er rang nach Atem und fuhr sich mit der Hand über das erhitzte Gesicht.... Und als der Pfiff der Lokomotive schon gellend ertönte, brachte er die Frage über das Herz, nur für Elisabeth hörbar: „Nicht wahr, weil er nun tot ist?" Sie nickte ihm ernst zu. . . . Nein, der gute Mensch mußte ein Lächeln haben. . . . Wenn s auch nur ein wehes Lächeln war. . . . Und unter dem wehen Lächeln reichte sie ihm die Hand hin und sagte: „Vielen, vielen Dank, Sie lieber Mensch." Er ging neben dem langsam anfahrenden Zuge her, immer noch ihre Hand haltend. Und dann lösten sich ihre Hände. Er winkte ihr nach, bis ihr weit vorgebeugter Kopf in der Dunkel heit verschwand. Und in seinen guten Augen standen dicke Tränen tropfen Immer schneller raste der Zug. ... An nächtlichen Wäldern und dunklen Feldern vorüber. Weit hinein ins Land Elisabeth saß in die Ecke des Wagens gepreßt und sah hinaus in die Dunkelheit. In ihrem Schoß lag der Rosenstrauß, den Fritz Elaußen gebracht, und mit beiden Händen preßte sie Oehmichens Paket. Seine Palette! — Sein Malkasten! — Und morgen vielleicht noch sein Bild! — Und im Herzen auch sein Bild Hincingegraben von einer ewigen Liebe und Treue, unauslöschlich. — Mit ihm ging sie getrost hinein in das neue Land, das sie sich selbst erwählt hatte Seinetwillen! * * * Fünfzehn Jahre waren dahingerauscht und versunken im Strom der Zeit, der nicht weilet, sondern jagt und hastet und Neues neben Altes stellt im ewigen, unwandelbaren Wechsel. . . . Immer neue wogende Fluten — und doch auch immer die alten. Die Oberin des großen Krankenhauses „Zum guten Hirten" in Hamburg saß lesend in ihrem Empfangszimmer, als es klopfte. „Ah, das ist eine Ueberraschung!" begrüßte sie die Eintretende, eine Schwester mit dem kleidsamen weißen Häubchen auf dem glattge scheitelten Haar und im einfachen, schwarzen Gewände. „Wie nett, Schwester Julie, daß Sie mich besuchen." „Leider nur. auf kurze Zeit, Schwester Eleonore", entgegnete die so freundlich Empfangene. „Ich bin auf der Durchreise und muß am Abend weiterfahren. Aber ich wollte nicht in Hamburg gewesen sein, ohne bei Ihnen vorgesprochen zu haben." „Natürlich. Man ist gern einmal wieder dort, wo man Jahre seines Lebens zubrachte, noch dazu solche Jahre, wie sie uns unser Beruf gibt." Tie beiden Frauen waren bald in ein angelegentliches Gespräch ver tieft. Nach mancher Frage und Gegenfrage, wie sie gleiche Interessen und viele Jahre gemeinsamer Arbeit veranlassen, sagte Schwester Julie plötzlich: „Einen großen Wunsch habe ich, auf dessen Erfüllung ich mich schon seit langem im stillen freute. Könnte ich Schwester Elisabeth sehen? Seit meinem Fortgänge von hier, vor nun schon fast sieben Jahren, habe ich nichts wieder von ihr gehört. Nicht wahr, Sie rufen mir Schwester Elisabeth nachher?" „Leider kann ich Ihre Bitte nicht erfüllen", sagte die Oberin bc- dauernd. „Denn Schwester Elisabeth ist bereits vor fünf Jahren von uns gegangen." „O, das tut mir leid. Mer Sie werden mir von ihr erzählen, nicht wahr? Sic glauben nicht, wie viel wert mir Schwester Elisabeth ge worden war, und wie hoch ich sie heute noch schätze." „Ja, sie konnte allen als Vorbild dienen. So viel kluger Sinn paarte sich mit einer unendlichen Herzensgute und harmonierte glücklich mit ihrem festen Entschließen, das immer das Rechte tat. . . . Ich will Ihnen gern von ihr erzählen. . . . Mer sie selbst wird es besser tun. Als sie ging, bat ich sie um eine Erinnerungsgabe, und da ließ sie mir ihr Tagebuch zurück Ich glaube kein Unrecht zu begehen, wenn ich Sie in seinen Blättern lesen lasse. Während ich schnell meinen Rund gang mache, haben Sie eine ungestörte halbe Stunde." „O ja, das ist schön!" rief Schwester Julie erfreut. „Ich werde mich mit stillem Genießen in den Schatz ihrer Aufzeichnungen vertiefen." Die Oberin schloß ein Wandschränkchen auf und reichte Schwester Julie ein Buch in schlichtem Ledercinband. Ein auf der Vorderseite be findliches silbernes Schild zeigte die beiden Buchstaben L. H.. Draußen koste der Herbstwind mit dem bunten Laube des Wein geranks unter den Fenstern. Goldener Sonnenstrahl huschte in das freundliche Gemach und rann in blanken Lichtern über den Fußboden. Und Schwester Julie las mit glühenden Wangen und glänzenden Augen. Die letzten Blätter kommen viel zu früh. Durch das, was die Feder ihnen anvertraut hatte, gewann Schwester Julie den tiefsten Einblick in die Größe der edlen Seele Elisabeths. Sie las: 25. März 18 . . Heute vor zehn Jahren kam ich in dies Haus, das mir zu einer lieben, teuren Stätte geworden ist. Ich bin stille geworden nach allem Kampf und Sturm. Fast erscheint mir die Vergangenheit wie ein Traum. Und die Zukunft ist licht. Wenn nur eins nicht wäre: Die Sehnsucht nach dem Muttcrherzen. Ich glaube, manches wäre mir zu überwinden leichter gewesen, wenn meine Mutter ihren treuen Arm in den bitteren, schweren Stunden um meinen Nacken geschlungen hätte.... Vielleicht war es aber besser, baß ich allein stand. Ich bin durch mich selbst erstarkt. Und das ist eine Stärke, die unwandelbar ist. Sie hilft auch über die schwersten Zeiten. Ob mir noch schwerere beschicken sein mögen, als ich sie schon erlebte? .... Aber weshalb frage ich? — 4. April 18 . . Heute morgen sagte mir Schwester Eleonore, in der Nacht sei ein Schwerkranker ausgenommen worden, der meiner Pflege zugeteilt sei. Ich ging gleich in das betreffende Zimmer und fand . . . Ach, ich weiß nicht, ob ich ihn wieder ... — meinen Bruder nennen soll. Es ist npch so vieles in mir, das ich tot glaubte, und das doch nicht tot ist, sondern verborgen lebt. . . . Ich war entsetzt über das Elend, das ich sah. In einem vollständig entkräfteten Körper lebt eine zerrüttete, kranke Seele. Er erkannte mich nicht, als ich an sein Bett trat. Lästernde Flüche gingen über seine Lippen. Allem fluchte er: Gott, Welt und Menschen. Am Nachmittage packte ihn ein wildes Fieber. Und in seinen Phantasien entrollte er mir ein Bild seiner grausigen Tat, die ich kenne und über die ich mich zur Ruhe hindurchgerungen hatte. Und dann sah ich sein ganzes Leben nachher. Es war nur Sünde und Schlamm, nichts Gutes, kein Lichtblick. Und durch alles Fluchen und Lästern, Anklagen und Hadern klang doch eine leise Sehn sucht nach Frieden. Das machte mich weich. Ich sank neben seinem Bette weinend in die Knie und betete. — 5. April 18 . . Heute erkannte mich Günther. Ich nannte seinen Namen, den er mit einem anderen vertauscht hatte Er sah mich fragend und ent setzt an. Und dann trat eine heiße Angst in seine Augen. „Du, . . . du, Elisabeth?" schrie er. „Nun wirst du mich verraten und dem Gericht ausliefern Aber es ist auch ganz gut so. . . . Dann werde ich das gellende Aufschreien im Wkldwinkel nicht mehr hören Dann wird es stille in mir sein." . . . Lange lag er mit dem Gesicht nach der Wand gekehrt und stöhnte Endlich wandte er sich um und sah mich an .Kannst du mir alles verzeihen?" fragte er. . . . Ich dachte an ihn, der ihm noch in seiner Todesstunde verziehen, und sah sein Bild, vor dem ich gestern abend lange gesessen. . . . Ich weiß, daß Fred es will. Und ich wollte es auch. „Ja, Günther", sagte ich, „ich verzeihe dir." Er sah mich dankbar lächelnd an. Tann wurde er viel ruhiger und schlief, meine Hand in der seinen haltend, ein. 6. April 18 . . Mein Bruder ist heute abend ohne Kamps gestorben. Möge ihm auch sein Richter droben verzeihen, wie wir beide es taten. 12. April 18 . . Ernste und fröhliche Stunden liegen so nahe beieinander. Auf einem Spaziergange, den ich heute in der Abendstunde unternahm, be gegnete ich Fritz Claußen. Ich freute mich sehr, ihn zu sehen. Er war frisch und fröhlich, wie vor zehn Jahren, und stellte mir mit vielem L H/e/s/ Sio/sLsa-s» -s vöH/rZltch H/M/ss rÄ FSES- s. —-3WMI-MW-MIMIIZM, AS» eArsoosw- «. C^ro-rL>o/rE unck Femustertem stoss«. au« /,eincn-«.anckeren mockernen Vasc^sto/^e». (9sri^srr^/sratsr au« Voile, sckousseline, Atar^uisette« etc. au« TVrLet unck luclt in alten modernen Bosons. re. re. in schnarren, /arbi-en und enAlrsc^en Atomen. S//oa/rerrrro«7^s au« en§l. 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