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Taqesgeschichte. Gott erhalte den Kaiser! Er leidet schwer, hat große Schmerzen, von etwa 30 Schroten stecken noch 18 in Kopf, Schulter und Hand und verursachen starke Anschwellungen, wie die Leibärzte melden. Der Appetit ist zum Glück ziemlich befriedigend, die Kräfte halten aus, der Schlaf sehr unterbrochen, das Bewußtsein oft getrübt, aber nie ganz, das Eintreten des Wundfiebers wird sehr gefürchtet. Die ganze kaiserliche Familie ist in Berlin versammelt, aus England, vom Rhein und aus Baden in Extrazügen herbeigeeilt, Kaiserin Augusta weicht Tag und Nacht nicht vom Krankenlager des Kaisers. Die erste keise Frage des Kaisers nach dem Attentat lautete: Warum schießen nur die Leute immer auf mich? — Er ist körperlich und geistig ungemein angegriffen. Den ganzen Tag (Sonnabend) vor dem Attentat verbrachte er einsam in Babelsberg, tief erschüttert über die Unglücksbotschaften von der Flotte an der englischen Küste, sich einschließend, Nahrung fast ganz verschmähend und sich sammelnd zu Ruhe und Stärke. Sonntags wird er das Opfer eines Buben. Solche Erschütterungen Schlag auf Schlag, und dazu 8l Jahre! — Seine letzte Handlung vor dem Attentat war der Befehl zur Ein ladung der Friedens-Conferenz. Der Attentäter Vr. Nobiling ist 1848 geboren, ein Mann von kleiner Statur mit rothem Bart, er hat in Halle, Leipzig rc. Landwirthschaft studirl und lebt seit länger als einem Jahr in Berlin. Er hat sich bei seiner Verhaftung selber zu erschießen gesucht, zwei Schüsse stecken in seinem Kopf, das Gehirn ist zum Theil aus dem Schädel getreten, die Aerzte vr. Neuhaus, Liman und Wilms er klären, er habe höchstens noch 48 Stunden zu leben. Er ist fast immer bewußtlos und konnte nach der ersten Stunde seiner Ver haftung nicht mehr Auskunft geben. — Als seine Mutter, Frau No biling, die auch in Berlin wohnt, zu ihm geführt wurde, rief sie ihm zu: Karl, Karl, Du stehst bald vor dem 'Richterstuhle Gottis! Um Gotteswillen, erleichtere Dein Herz, nenne Deine Mitschuldigen, ehe es zu spät ist! — Er soll geschwiegen haben. Als seine Mutter fragte: Hast Du Geld versprochen oder bekommen, wenn Du den Kaiser erschießt? Nobiling: Nein! — Mutter: Hat Dich das Loos getroffen? — Nob.: Ach Gott! — Staatsanm. Tessendorf: Sie wollen also die Frage bejahen, daß Sie das Loos getroffen? Nob.: Ja! — Testend.: Wer sind Ihre Mitschuldigen? Nob.: Das darf ich nicht sagen. (Im Zimmer Nobilings sollen sich 11 geleerte Bier seidel gefunden haben, was auf eine Gesellschaft hindeuten würde.) Es steht fest, das Nobiling mit einem eifrigen Anhänger der Sozial demokratie, der den bessern Ständen angehört, seit langer Zeit im vertrauten Verkehr gestanden hat und daß dieser Freund sich zuletzt in Paris aufgehalten hat. Am Sonntag Abend traf ein Brief aus Paris ein, der dem Untersuchungsrichter ausgeliefert wurde. Be dienstete im Hause sagen, daß Nobiling in letzter Zeit in frühester Morgenstunde Personen bei sich empfing, welche ganz still kamen und gingen. In seinem Zimmer fanden sich mehre Jahrgänge (1877 u. 78) der klerikalen Berliner „Germania", sorgfältig gesammelt und gebunden, er erklärte, sich eben so eifrig für die Sozialdemokratie wie für die clcricale Politik interessirt und mehren Versammlungen bei gewohnt zu haben, er gehöre keiner Partei an. (Er erhielt jeden Abend die Germania und jeden Morgen die (Brockhaus'sche) Deutsche Allgemeine Zeitung in Leipzig, für die er berichtet zu haben scheint.) Er ist evangelischer Religion ans dem Posen'schen und spricht das Deutsche mit polnischem Accent. In seinem Zimmer wurden ge funden zwei Revolver, eine Dreysesche Revolverbüchse, mit welcher er auf den Kaiser geschossen, und ein dvlchartiges Mester. Nobiling ist der entartete Sohn einer achtbaren Familie. Zwei seiner Brüder sollen nach seiner Anssage Offiziere sein (?), ein dritter studire; der letztere, auch in Berlin,' soll mehre soziald. Versammlungen geleitet haben. Nobiling konnte bei seiner Berhaftnng und Ueberführung im Gefängniß vor der Wuth des Volkes nur durch die äußerste An strengung der Schutzleute gerettet werden: alles rief: Schlagt ihn todt! und drängte sich an den Wagen. Der Kutscher des Wagens brach das Genick. Am 3. d. 10 Uhr 14 Minuten traf die Kaiserin mit der Frau Großherzogin von Baden, im Palais ein. Die Kunde vom Erscheinen Ihrer Majestät hatte sich mit Windeseile dnrch die Stadt verbreitet und hatte Tausende von Menschen nach der Behrenstraße geführt. Die Kaiserin saß tief gebeugt, vollständig in Schwarz gehüllt,, im verschlossenen Wagen; ihr zu Linken die Frau Großherzogin von Baden, thränengefüllten Auges auf die Menge schauend, die ehrfurchts voll vor dem von einem Vorreiter eröffneten Zuge auswich. In weiteren Wagen folgte die Begleitung der hohen Frau. Im Palais angekommen, begab sich Ihre Majestät, von der Tochter gestützt, wankenden Schrittes in das Krankenzimmer des Kaisers. Was sich hier zugetragen — entzieht sich den Blicken der Außenwelt! — Dem Kaiser wurde soeben von einem jungen Mädchen ein Bouquet blühender Rosen, Korn- und Maiblumen überreicht. Von dem erschütternden Anbl ck, welchen der kaiserliche Wagen nach dem Attentate bot, wird dem „Berl. Tagebl." von einem Augen zeugen folgende Schilderung entworfen: „Gleich nach dem ersten Schuß neigte der Kaiser das von der Ladung getroffene Haupt auf die linke Seite und bedeckte die blutende Wange mit der linken Hand, zwischen deren Fingern das Blut herniederrieselte. Im selben Mo ment war auch schon der Jäger vom Bock gesprungen, umfaßte den Monarchen mit seinen Armen und drückte ihm ein Taschentuch auf die verwundete linke Seite des Gesichts." Wie von einem anderen Augenzeugen berichtet wird, der sich gerade in Meinhardt's Hotel befand, war der Anblick des Wagens mit dem blutenden, wie ohn mächtig zusammengebrochenen Kaiser ein herzzerreißender. Während der Wägen langsam dem kaiserlichen Palais zufuhr, sprang ein höherer Offizier in dem Wagen, wie uns mitgetheilt wird, Major Freiherr von Rosenberg, der Führer der marokkanischen Gesandtschaft, um den Kaiser zu unterstützen. Seine Handschuhe waren über und über mit dem theuren Blute getränkt, als er den kaiserlichen Herrn aus dem Wagen hob. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 1. Pfingstfeiertage: Vormittags nach dem zweiten Einläuten Beichte. Predigt gehalten von Herrn ?. vr. Wahl, nach der Predigt Communion. Nachmittags 1 Uhr liturgischer Gotte-dieust. Am 2. Pfingstfeiertage: Vormittags predigt Herr ?. vr. Wahl. Nachmittags Betstunde. Volleete an beide« Feiertagen zum Besten des Kirchenfond, LMviilhschisttlichkr Credit-Verein im Königreich Sachsen. Die Aufnahme neuer Mitglieder, Einzahlung von Geldern, den Verkauf von Pfand- und Creditbriefen, Darlehnsgesuche vermittelt Uilsst-uff. 7K. Kittkau8kn. werden auch von Nichtmitgliedern jederzeit angenommen und vom Tage der Einzahlung an mit 4°/„ verzinst Hausverkauf. Ein Haus mit 2 Stuben, sowie mit ohngefähr einem Scheffel Land, steht in Grumbach zum Verkauf und ist das Nähere zu erfahren beim Besitzer lAottUsbk Lurrnsr in No. 2 daselbst. Fertige Arbeitshosen, Westen, Hemde«, Bloufen und Schürze«, empfiehlt in größter Auswahl Freibergerstraße. Größtes Sensen-Lager! eekt sle^r, Seuseu u. ZjoLelu. Echt franz, pol. und gelbe Gußstahl-Muster-Sensen. Alle Sorten Wetzsteine, pol. und ord. Wetzhörner. Sensenhobel, Dengclstöckchen, Dengelhämmer, Ambös- chen, Sensenbäume. Amerik. 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