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dieses Gebirges und die Pässe bleiben in den Händen der Türken. Zu dieser Abmachung fehlt nur noch die Zustimmung des Kaisers Alexander, und diese wird stündlich erwartet; denn Rußland will nicht einen neuen Krieg aufangcn und selbst bas Heer ist nicht kriegslustig. England hatte im Congreß ohne Umschweif erklärt, wenn Rußland in diese Thellung Bulgariens nicht willige, so bleibe nur der Krieg, und es sei besser, ihn heute anzufangen als morgen. Die Gefahr war ein paar Tage so groß, daß es schon hieß, der Congreß gehe auseinander. Die Raben flogen schon um die Opfer. Das günstige Befinden des Kaisers Wilhelm dauert fort. Die Beweglichkeit des linken Armes nimmt merklich zu. Hannover, 25. Juni. Der „Hannoversche Kourier" will an geblich aus zuverlässiger Quelle wissen, daß zwischen der preußischen Regierung und dem Prinzen Ernst August ein Abkommen getroffen sei, wonach der Prinz den Titel Herzog von Cumberland und Erb prinz von Braunschweig-Lüneburg anuehmen und ihm das beschlag nahmte Vermögen des Königs Georg zurückgegeben werden soll. Oertliches und Sächsisches. ' Siebenlehn, 26. Juni. Die Eröffnung der vom hiesigen Ge- iverbeverein in den Räumen des Schützenhauses veranstalteten Aus stellung gewerblicher Erzeugnisse unseres Städtchens erfolgt nächsten Sonntag Mittags und bleibt dieselbe außer an diesem Tage noch am 1. 7. und 8. Juli dem Publikum geöffnet. Die Ausstellung wird von den verschiedenartigsten Produetcn aller gewerblichen Branchen zusammengesetzt sein, worunter sich namentlich auch eine große Anzahl landwirthschaftlicher Geräthschasten und kleinerer Maschinen befinden werden, so daß dieselbe ein recht erfreuliches Bild hiesiger Gewerb- thätigkeit darstellen und die Besucher mit voller Befriedigung erfüllen dürfte. — An die Ausstellung schließt sich eine Verloosung ausge stellter Gegenstände, zu welcher Loose zum Preise von 1 Mark noch jetzt ausgegeben werden. Wie dem „Dr. Journ." zuverlässig mitgctheilt wird, hat Se. Mas. der König an die nach der Parade vom 19. Juni vor dem selben versammelten Generale und Stabsoffiziere folgende Ansprache gerichtet: „Nach den jetzt verflossenen festlichen Tagen war es Mir Bedürfniß, auch Meinen braven Truppen in die Augen zu sehen. Es freut Mich, sämmtlichen Regimentern, welche an der heutigen Parade theilgenommeN haben, Meine volle Zufriedenheit aussprechen zu können. Marsch und Haltung der Truppen, wie der Zustand der Pferde haben Mich in gleicher Weise besriedigt. Besonders muß Ich es anerkennen, daß auch die Landwehr, welche erst seit wenigen Tagen hier zum Dienst versammelt ist, sich den Linientruppen eben bürtig zur Seite gestellt hat. Ich beauftrage den Kommandeur des Landwehrbataillons, Major v. Bünau, den Mannschaften desselben Meine Anerkennung auszusprechen. Sagen Sie ihnen, wie es Mich gefreut hat, Meine alten Kameraden aus dem Feldzüge von 1870 wieder zu sehen. Ihnen, Meine Herren, wiederhole ich den Aus druck Meiner Zufriedenheit, und gereicht cs Mir zu ganz besonderer Befriedigung, daß Meine Truppen ihre Tüchtigkeit gerade an dem heutigen Tage und unter den Augen so vieler Kenner und hohen Gäste erwiesen haben." Am 24. ds. MtS. und folgende Tage findet eine abermalige Ausloosnng Königlich Sächsischer Staatspapiere statt, von welcher die 4"/« Staatsschulden-Cassenscheine von den Jahren 1852/55/58/59 62 66 und 68, die 5"/ü dergleichen vom Jahre 1867, die 4'7» der gleichen vom Jahre 1869, die 4"/„ dergleichen vom Jahre 1870, die im Jahre 1871 durch Abstempelung in ll'/,"/«, und beziehentlich 4"/» Staatspapiere umgewandelten Löbau-Zittauer Eisenbahnactien Lit. und 11., lngleichcn die auf den Staat übernommenen 37r"/n Partialobligationen von den Jahren 1839.41, 4"/» Schuldscheine vom Jahre 1854, 4"/n dergleichen vom Jahre 1860 und 4'7« und 5«/„ der gleichen vom Jahre 1866 der vormalige» Leipzig-Dresdner-Eisenbahn- Compagnie betroffen werden Die Inhaber von den genannten Staats papieren werden hierauf noch besonders mit dem Hinz-ufügen auf merksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der „Leipziger Zeitung", dem „Dresdner Journal" und dem „Dresdner Anzeiger" veröffentlicht werden, auch bei sämmtlichen Bezirkssteuer einnahmen und Gemcindevorständcn des Landes zu Jedermanns Ein sicht ausliegen. Mit diesen Listen werden zugleich die in früheren Terminen ausgeloosten aber noch nicht abgehobenen Nummern wieder aufgerufen, deren große Zahl leider beweist, wie viele Interessenten zu ihrem Schaden die Auslovsungen übersehen. Es können dieselben nicht genug davor gewarnt werden, sich nicht dem Jcrthum hinzugeben, daß, solange sie Coupons haben und diese unbeanstandet eingelöst werden, ihr Capital ungekündigt sei. Die Staatscafsen können eine Prüfung der ihnen zur Zahlung präscntirten Coupons nicht vornehmen und lösen jeden echten Coupon ein. Da nun aber eine Verzinsung ausgclooster Kapitale über deren Fälligkeitstermin hinaus in keinem Falle st a t t f i n d e t, werden die von den Betheiligten in Folge Unkenntniß der Ausloosung zuviel erhobenen Coupons seiner Zeit am Kapitale gekürzt, vor w lchem oft empfindlichen Nach theile sich die Inhaber von Staatspapieren nur durch regelmäßige Einsicht der Ziehungslisten, (der gezogenen wie der restirenden Nummern,) schützen können. Dresden. Der seit einigen Monaten erst aus Neustadt a. d. Orla hierher verzogene frühere Konditor, zuletzt Privatus Raab, 32 Jahre alt, hat in der Nacht zum 24. Juni '/.zl Uhr in der gemein samen Wohnung auf der Dürerstraße seine erst 26jährige Frau und dann sich selbst erschossen. Letztere ist, wie man mit Sicherheit an- nehmen kann, da sie augenscheinlich vor ihren Mann geflohen ist, mit der grausigen That nicht einverstanden gewesen; der Tod muß bei Beiden aber bald eingetreten sein. Erst am 24. Juni früh entdeckte man das Verbrechen, als die Thür verschlossen blieb und sich nichts regte. Man erinnerte sich da aus der Nachbarschaft, daß in der Nacht geschossen worden sei. Ein entsendeter Beamter fand im Quar tier Einlaß durch die zwei zurückgelassenen Kinder, zwei Mädchen im Alter von 4 und bez. 6 Jahren, welche vollständig in Unwissenheit von dem Geschehenen waren. Ueber das Motiv liegen zur Zeit nicht einmal Vermuthungen vor. — Beim Baden in der freien Elbe in der Nähe von Briesnitz ist am 23. Juni Nachmittag ein 18 Jahr alter Tapeziergehülfe ertrunken. Ferner ist am gleichen Tage unweit Pillnitz ein Handlungslehrling gleichfalls beim Baden untergesunken und verschwunden. — In Cotta ist in der Nacht zum 24. Juni ein Arbeiter von einem Genossen mit dem Taschenmesser in den Rücken gestochen und lebeusgesährlich verletzt worden. Der Thäter wurde in Dresden ergriffen. Eifersucht soll die Ursache des Verbrechens sein. Die Hoffnung, daß sich zur Bekämpfung der Sozialdemokratie die reichstreuen Parteien zu den bevorstehenden Wahlen die Hand reichen würden, scheint sich nicht überall erfüllen zu wollen. Aus Leipzig schreibt man, die Konservativen hatten allerdings Verhand lungen mit der nationalliberalen Partei angeknüpft, aber die Be dingung gestellt, daß von der Wiederaufstellung der bisherigen Ab geordneten, Or. Stephani, welcher für die konservative Partei, un beschadet seiner früheren V rdieuste um die städtische Verwaltung, unannehmbar war, abgesehen und eine andere Persönlichkeit von weniger ausgeprägter Parteistellung, wenn auch der nativnalliberalen Partei angehörig, in Aussicht genommen würde. Dieselbe ist hierauf nicht eingegangen, hat vielmehr an der Wiederwahl des genannten Abgeordneten festhalten zu müssen geglaubt. Leipzig, 22. Juni. Heute Nachmittag '/»3 Uhr machte der Handarbeiter Serbe von hier den Versuch, seine Frau, welche seit 14 Tagen von ihm getrennt lebt, mittels eines Schusses aus einem Doppelterzerol zu ermorden. Er kam zu ihr auf den Markt, wo sie grüne Waare feil hält und feuerte mit den Worten: „Warte, ich will dir eins auswischen", aus nächster Nähe einen Schuß auf sie ab. Sie wurde durch die Ladung in den linken Oberarm getroffen und sank zusammen, worauf Serbe die Flucht ergriff. Man hielt ihn jedoch im Salzgäßchen auf und brachte ihn nach der Polizeiwache. Seiner Angabe nach war das Terzerol mit gehacktem Blei geladen. Die Verletzte wurde zur ärztlichen Behandlung dem Krankenhause übergeben. Hainichen. Nachdem in seiner ersten Generalversammlung der hiesige Kreditverein freiwillige Liquidation beschlossen hatte, hat derselbe dies auch in der zweiten Versammlung am 22. Juni gethan. Leider wird dadurch ein auf ganz gesunden Füßen stehendes Institut begraben. Die ganz ungerechtfertigte, allzugroße Furcht vor der Solidarhaft hat hierzu gedrängt. Plauen. Am 23. Juni wurden, wie der „V. A." meldet, die Bewohner der äußeren Neundorfer Straße, sowie auch die der Se- minarstraße durch mehrere Schüsse aus dem Schlafe gestört. Der Urheber war ein hiesiger Kommis, der zuvor zwei ihm begegnete Leute angercmpelt und auf die deshalb an ihn gerichtete Frage: er sei wohl Sozialdemokrat, mit Pathos „Ja, der bin ich" geantwortet hatte. Nach der Entfernung der Beiden hatte nun der Kommis laut ausgerufen, daß er auch geschossen Haden würde. Kurz darauf fiel der Schuß, dessen Kugelspur sehr deutlich m einem der daselbst ans gepflanzten Bäumchen zu sehen ist. Hierauf begab er sich in seine Wohnung und schoß mehrere Mal aus dem Fenster, so daß die Nach barschaft aus den Betten und auf die Straße eilte. Bei seiner Ver haftung wurde ein sechsläufiger und noch mit zwei Kugeln geladener Revolver, sowie mehrere Dutzend Patronen vorgefunden. Einen dankenswerthen Wink für die Entwickelung eines lohnenden Industriezweiges, der besonders für das an Wasserläufen so reiche Erzgebirge sich zu eignen scheint, gab vor Kurzem der General sekretär des landwirthschaftlichen Vereins für das Königreich Sachsen, v. Langsdorfs, in einem Vortrag über die Kultur der Weide und die dadurch zu fördernde Korbwaarenindustrie, die bekanntlich als Hausindustrie sich vortheilhaft betreiben läßt. Er wies hin auf das Beispiel des Oberamtsbezirks Lichtenfels in Bayern, wo jene Industrie gegen 25.000 Menschen beschäftigt und der Weidenban, seit 1869 nach den Vorschlägen des vr. Lucas in Reutlingen zweckmäßig betrieben, eine reine Rente des Bodenwerthes und Anlagekapitals bis zu 30"/n ergiebt. In Franken zieht man in Versuchsfeldern gegen I 140 Arten der Weide. Ein stystematischer Anbau gewisser geeigneter Sorten im Großen würde auch große Käufer, die jetzt ihren Bedarf meist aus Frankreich, Belgien, Rußland oder Polen decken, anziehen, in der Hauptsache aber einer arbeitsamen Bevölkerung Material für eine Arbeit liefern, welche Kindern und Erwachsenen willkommenen Erwerb sichert. Riesa, 21. Juni. Bei der hiesigen Kahnfähre wurde ein mit allen nur möglichen Mordinstrumenten ausgerüstetes Individuum ver haftet. Bei Eintritt in die Fähre entfiel demselben ein Revolver. Von einem mit überfahrenden Inspektor um das Recht, Waffen zu tragen, befragt, gab der Mensch ausweichende, grobe Antworten. Nach vorgenommener Arretur wurden ihm noch zwei geladene Re volver, zwei Pulverhörner, ein Todtschläger, ein Stemmeisen, eine Knute, ein Dolch und ein Hirschfänger avgenommen. Schneeberg, 23. Juni. Vor einigen Tagen spielten hier mehrere kleine Kinder im Alter bis zu 5 Jahren in eine:» Garten „Leiche", zu welchem Behufe das 3jährige Mädchen des Bergarbeiters Oettel sich als todl hinlegen mußte und dann mit Blumen bekränzt wurde. Schließlich meinte ein kleines Mädchen, die Leiche müsse auch verbrannt werden, holte ein Streichhölzchen und brannte thatsächlich das Kind an. Von Angst und Schmerz getrieben, lief das arme Kind nach der Wohnung der Eltern, welche demselben die brennenden Kleider vom Leibe rissen. Das unglückliche Opfer kindlichen Un verstandes hat bedeutende Brandwunden und wird an der Wieder herstellung desselben gezweifelt. Vermischtes. Zeichen der Zeit. Vor langen Jahren lebte in Berlin ein Beamter mit seiner Frau und drei Söhnen in leidlichen Verhältnissen, bis der Ernährer nach vierjährigem Krankenlager starb und die Seinigen in bitterster Armuty zurückließ. Die Wittwe, eine Frau von seltener Energie und Arbeitskraft, betrauerte den dahingeschiedenen Gatten redlich, aber sie verzagte nicht. Mit einer übermenschlichen Ausdauer arbeitete die brave Mutter Tag uiid Nacht, nähte, wusch bis zum frühen Morgen und erreichte den Zweck, den sie im Auge hatte, vollständig. Ihre Waisen lernten etwas und waren im Stande, sich höchst anständig zu ernähren. Zwei von ihnen sind durch Eifer und seltenes Glück nicht nur wohlhabend geworden, sondern gehören zu den Reichen. Beide wohnen noch in Berlin. Der dritte Sohn hatte kein Glück und darbt. Und die Mutter? Die 68jährige Frau hat bis vor Kurzem noch ihr Stück Brod erarbeitet und mit dem dritten Sohne getheilt. Endlich machte das Alter seine Rechte geltend, die Kräfte verließen die Greisin nnd sie wagte es nach langem Widerstreben, ihre reichen Söhne um eine laufende kleine Unterstützung anzugehen, damit sie wenigstens nicht hungere und friere. Da geschah