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volver billig bei H. Mehles, Augustusstraße 61", und war erschienen am Tage vor dem Leichenbegängniß des „Parteigenossen" Dentler. Die Polizei erkundigte sich bei Mehles, ob er das Inserat in der „B. Fr. Pr." veranlaßt habe, und Herr Mehles erklärte, daß er gar nichts davon wisse. Die Polizei begab sich nun in die Expe dition der „B. Fr.", wo ihr nachgcwiesen wurde, daß das Inserat von irgend einem Müller oder Schulze gebracht und ganz ordnungs mäßig gebucht sei. Die „B. Fr. Pr." hat dies alles selbst mit dem gebührenden Spott über die sruchtlosen Bemühungen der Polizei er zählt. Der Revolver, mit welchem das Attentat am 11. Mai aus geführt wurde, ist bei Hippolyt Mehles gekauft worden. Eine Anhängerin der „Bürgerinnen" Hahn und Stägemann hat nach Verübung des Attentates, als das Volk entrüstet den Mörder zerreißen wollte, geäußert, es sei Schade, daß die That mißlungen. Das erbitterte Volk gab die Pctroleuse sofort in Haft, in welcher sie sich noch heute befindet. Dieselbe ist eine Gefallene, die, als sie ihr Verführer verließ, sich an den Kaiser mit der Bitte wandte, er möge doch für ihr Kind sorgen. Ein Arbeiter vom Rheinland äußerte in einer andern Gruppe: „Hätte der Kerl besser geschossen, wären wir um 7 Millionen reicher." — Auch dieser der Sozialdemokratie auge hörende Jüngling wurde vom entrüsteten Volke der Behörde über wiesen und befindet sich noch heute in Untersuchungshaft. Als sich bei der Mittheilung der Nachricht von dem Attentat im Reichstage die Mitglieder desselben und desgleichen die auf der Tribüne Anwesenden erhoben, blieben allein die sozialistischen Agi tatoren Fritzsche und R i t t i n g h a u f c n sitzen. In dem Befinden des Fürsten Bismarck, welches zu Anfang voriger Woche als ungünstig bezeichnet werden mußte, ist während der letzten drei Tage eine sehr erfreuliche, erhebliche Besserung eingetreten. Die friedlichen Hoffnungen, welche sich an die Reise des Grafen Schawalosf nach Petersburg knüpfen, erhalten sich. Im Zu sammenhang? mir dieser im Allgemeinen friedlicheren Disposition der letzten Tage fchreibt das „Journal de St. Petcrsbourg": „Wenn die Politik des Londoner Kabinets nicht in erster Linie von dem Wunsche geleitet wird, die Resultate des Krieges hcrabzufetzen aus dem ein fachen Grunde, weil sie von Rußland gewonnen sind; wenn es über die Eingebungen der Eigenliebe und der Präponderanz (Uebergewicht) das Bedürfniß stellt, aus eiuer bestehenden Situation alle möglichen Vortheile zu Gunsten Derjenigen zu ziehen, welche am meisten unter dem vorhergehenden Stande der Dinge zu leiden hatten; wenn es nicht Fragen des Friedens in Fragen der Präponderanz verwandelt und wenn es auf Formeln verzichtet, welche eine Großmacht nach einem siegreichen Kriege nicht Massen kann, so ist ein Einvernehmen möglich und es kann ein dauerhafter Friede erreicht werden ohne das Gleichgewicht Europas zu erschüttern, ohne Ansprüche wachzu rufen, deren Tag noch nicht gekommen ist, und ohne die christlichen Völker des Orients einer der Wohlthaten zu berauben, welche Ruß land sich bemüht hat, ihnen zu sichern mit seinen Waffen und um den Preis ungeheurer Opfer, nachdem es erkannt hat und die ganze Welt mit ihm, daß diefe Wohlthaten auf dem Wege diplomatischer Ver handlungen nicht erreicht werden konnten. Sollte man es in London vorziehen, diesen Weg nicht zu betreten, so würde man den Beweis geliefert haben, daß man dort auf die Erhaltung des türkischen Reiches zu verzichten wünscht und daß man vor der Verantwort lichkeit, die Erbschaft dieses Reiches zu eröffnen, nicht zurückweicht. Dies sind die Fragen, über welche die Reise des Grafen Schuwaloff Licht zu verbreiten bestimmt ist. Aber bis dahin wäre es verfrüht, irgend eine Hypothese über die Richtung zu wagen, welche die Er eignisse nehmen werden". Paris, 15. Mai. Gestern Abend spät fand in einer Amorcen- fabrik im Centrum der Stadt eine Explosion statt, dnrch welche das betreffende Gebäude total zerstört wurde. Die Zahl der getödeten oder zu Schaden gekommenen Personen ist noch nicht bekannt, an scheinend aber sehr erheblich. Oertliches und Sächsisches. Wilsdruff, 16. Mai. Gestern Abend verunglückte bei einer Probe am neuen Steigerhaufe der Steiger Schlosser Geißler dadurch, daß die Leine, an der er sich herabließ, riß und derselbe herabstürzte und einen Arm- und Fußbruch erlitt. Außer diesen Verletzungen soll sich Geißler heute soweit wohl fühlen. Wie man uns mittheilt, gewährt in solchen Füllen die Landesbrandkaffe ansehnliche Unter stützungen, sowie auch die hiesige freiwillige Feuerwehrkasie Unter stützung gewährt. — Bei der am 14. d. in Sachsdorf stattgefundenen Pferde- musternng aus den Ortfchaften Röhrsdorf, Wildberg, Niederwartha, Weistropp, Kleinschönberg, Hühndorf, Roitzsch, Sreinbach b. K., Kauf bach, Kesselsdorf, Klipphausen, Unkersdorf und Sachsdorf kamen 504 Pferde zur Musterung und wurden davon 136 Stück ausgehoben. Die große Parade, welche in Dresden am 18. Juni anläßlich der silbernen Hochzeit des Königspaares an Stelle der dies Jahr an Königsgeburtstag ausgefallenen Frühjahrsparade über die Dresdner Garnison in Aussicht genommen worden ist, verspricht äußerst glänzend zu werden, sowohl bez. der Anzahl der zu derselben designirten säch sischen Regimenter, wie der ihr anwohnendcn sremden Fürsten. Dem Vernehmen nach sollen namentlich mehrere sächsische Kavallerie-Regi menter aus der Provinz mit zu der Parade herangezogen werden; auch dürfte Abends ein großer Zapfenstreich bez. Kavallerie-Retraite vor dem Königl. Schlosse abgehalten werden. Die definitiven Dis positionen werden jedoch erst später getroffen. Der deutsche Kaiser dürfte sich, wie verlautet, durch feinen Sohn, den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, vertreten lassen, in dessen Begleitung sich noch andere her vorragende Militärperfonen befinden dürften. Bettler und Millionär. Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Forts etzung.) Aus dem Corridor kam ihr der Doktor entgegen. „Ich war so eben bei unserem Kranken, verehrte Frau!" sagte er leise. „Er schläft recht sanft, das giebt uns wieder ein Fünkchen Hoffnung. Ich möchte indessen ein wenig mit Ihnen allein reden, habe da so Manches auf dem Herzen." „Dann gehen wir in mein Zimmer", antwortete Frau Wallburg, dort sind wir völlig ungestört." Der Arzt folgte ihr in ein kleines, sehr einfach, aber freundlich ausgestattetes Zimmer und ließ sich hier behaglich in einem bequemen Lehnsessel nieder, während die Frau sich ihm erwartungsvoll in einen Divan gegenübersetzte. „Ich komme soeben von dem alten Notar Hoffmann", begann er ohne Umschweife, „der arme Mann leidet, seitdem er das Testament Ihres Mannes gemacht, an der allgemeinen Cholerafurcht und neben bei auch ein wenig au sonstigen gewissenhaften Skrupeln. Die Furcht wird ihm der unleidliche Mensch, der Buchhalter Behrend, einge- trichtcrt haben, ich traf ihn bei dem Notar. Apropos, geehrte Frau! haben Sie ungefähr eine Ahnung von dem Inhalt des Testaments?" „Nicht die geringste, Herr Doktor!" versicherte Frau Wallburg, ihn ängstlich anblickcnd. „Ja, das meinte der alte Hoffmann ebenfalls!" sprach der Doktor, nachdcnkend seine Dose öffnend und zerstreut den feinen, duf tenden Tabak betrachtend. „Es ist eine seltsame Geschichte das, meine verehrte Frau Wallburg! Der Notar meinte in der That, daß der Kranke bei der Abfassung des Dokuments nicht ganz zurechnungs fähig gewesen wäre. Er fürchtet sich, cs so auszufertigen, und nach dem er mir zu seiner eigenen Beruhigung einen Einblick darin ge währt, muß ich selber gestehen, daß cS mich mit Schrecken und Un ruhe erfüllt hat." „Sie versetzen mich in eine wahre Todesangst, Herr Doktor!" sprach Frau Wallburg zitternd, „sagen Sie mir, bitte, Alles, vielleicht ist noch zu helfen und zu bessern." „So erlauben Sie mir vorher eine, wenn auch scheinbar in- discrete Frage." „Fragen Sie in Gottes Namen, lieber Doktor." „Nun denn, so sagen Sie mir ausrichtig, ob Sie vielleicht in letzterer Zeit bedeutende Differenzen mit dem Herrn gehabt, ihn durch irgend etwas erzürnt und schwer gekränkt oder sogar seinen Haß erregt haben?" „Nein, ich wüßte von keinem Zwiste", versetzte Frau Wallburg überrascht, „mir war der häusliche Frieden stets zu heilig, um ihn durch Widerspruch oder gar eigenmächtiges Handeln selber zu bannen und zu verjagen." „Hm, hm, die Geschichte ist wirklich ausfällig, sehr bedenk lich. Vielleicht möchte Hedwig durch irgend etwas seinen Zorn er regt haben." Frau Wallburg schaute ihn betroffen an. „Lassen Sie mich ganz offen und ohne Rückhalt mit Ihnen sprechen, lieber Doktor!" sagte sie mit gedrückter Stimme. „Sie sind seit langen Jahren der Freund unseres Hauses und mir besonders stets ein treuer Rathgeber gewesen. Sie wissen auch recht gut, ohne es jemals laut ausgesprochen zu haben, wo wir die bösen Geister der Familie zu suchen haben." „Ich Weib", nickte der Doktor ernst und bedeutungsvoll. „Die Bosheit und Planmacherei dieser gefährlichen Feinde zieht sich wie ein schwarzer Faden schon durch die Jugend meines unglück lichen Gatten", fuhr die Frau mit einem tiefen Athcmzuge fort, „es hat wohl manches Opfer diesen finsteren Plänen fallen müsse». Erst in jüngster Zeit ist mir das Dunkel hie und da durch ein grelles Streiflicht erhellt worden. In jener Nacht, als mein Gatte krank wurde, brach sich das Fieber sogleich in einem wohlthätigen Schlummer. Er befand sich beim Erwachen ganz wohl und sogar heiter, bis er den unglücklichen Einfall bekam, den Buchhalter Behrend sprechen zu wollen. Widerspruch konnte er niemals ertragen und so mußte ich den bösen Feind selber holen. Sie wissen, wie Sie ihn fanden und wie er so urplötzlich sein Testament machen wollte, ja, wie seine Krankheit von jener Stunde au immer heftiger wurde und diesen ge fährlichen Verlauf nahm." „Ich weiß", sagte der Doktor, ne nachdenkend anblickcnd, „und Ihre Meinung geht dahin, daß Behrend all' dieses Unheil bewirkt?" „Ich bin davon überzeugt", sagte sie fest. „Und diese Ucberzeugung theile ich vollständig mit Ihnen, mir ist darnach Manches klar in dem unseligen Testamente, obgleich ich noch immer nicht begreifen kann, was dieser Mensch gegen Sie und die in jeder Hinsicht musterhafte Hedwig, welche bis jetzt der ver hätschelte Liebling des Vaters gewesen, Boses und so wirksam in seinen Folgen hat unternehmen können. „Ach, ich begreife es sehr wohl", seufzte Frau Wallburg, „ob gleich ich das Kind deshalb doch immer nicht verdammen kann. Sie müssen, um rathen und vielleicht auch helfen zu können, Alles wissen, lieber Freund, wenn ich dabei auch eine Indiskretion gegen meine arme Hedwig begehen muß. Sie erinnern sich wohl eines jungen Malers, welcher Hedwig gemalt hat." „Ah, ah, der Felix Reichenau, ja Wohl, es beginnt leider Gottes schon bei mir zu tagen. Die Beiden sahen sich zu häufig, nicht wahr?" „So ist es leider, als ich es erfuhr, war nichts mehr daran zu bessern. Das Kind ist darin starr, wie sein Vater, es sieht nichts Vcrdammliches in seiner Liebe zu dem jungen Maler und will dem Gelde nur so viel Recht einräumen, als es den Geliebten damit er höhen und beglücken kann." „Und nun", fragte der Doktor unruhig, „hat der Vater die Geschichte durch den Behrend vielleicht erfahren?" Dann erklärt sich mir Alles von selber." „Es kann nicht anders sein", versetzte Frau Wallburg bekümmert, „aus seinen harten und drohenden Worten, welche er in lichten Augen blicken ausstößt, muß ich diese Gewißheit entnehmen. Er will sie vor seinem Tode noch verloben; mit wem, kann ich nicht errathen." „Ja, ja, nun versteh, ich Alles," sagte der Doctor, düster vor sich hinblickend, „dieses Testament ist ein Stück Papier ohne Herz, ein Werk der niedrigsten Bosheit." „Wenn der Herr Behrend übrigens ans seinen eigenen Vortheil dabei spcculirt hat, dann täuscht er sich gewaltig, er bekommt nach diesem Testamente keinen Heller, während Tante Angelika ein an sehnliches Legat erhält." „Und seine Kinder?" fragte Frau Wallburg mit stockender Stimme. „Seine Kinder?" wiederholte der Doctor starr vor sich hinblickend. „Der Vater weiß nur von einem einzigen Kinde, und auch das wird nur unter Bedingungen erben. Wollen Sie Alles wissen, verehrte Frau?" „Ich bitte darum, lieber Doctor!" sprach sie, ihn ruhig und fest anblickend, „jede Ungewißheit ist doppelte Qual." (Forts, f.) Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Sonntage Cantate: Vormittags predigt Herr k. vr. Wahl. Nachmittags Betstunde.