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hat für die paffende Musik bestens gesorgt und wird das vcrehrliche Publikum von Westerholz ganz crgeoenst zu dieser Vorstellung eingc- laden. Die Preise sind dieselben; Kinder bezahlen die Hälfte." Die Aufführung des „Freischütz" war für Westerholz ein Ereig nis; die Alten erinnerten sich der Oper aus ihrer Jugend, gehört haue wenigstens ein Jeder davon. Wer kann nicht die alte, herzige Melodie „Wir winden Dir den Jungfernkranz," — oder „Was gleicht wohl auf Erden," ja, Einige verstiegen sich sogar bis zum „Schlanken Burschen" und so weiter. Genug, was nicht durch Krankheit oder sonstiges Unvermögen daran verhindert war, wollte an diesem Abend den Freischütz sehen und der Herr Director rieb sich schmunzelnd und glückstrahlend die Hände, als er von seinem Fenster aus (das Theater befand sich in der großen Scheune des Wirthshauses) Wagen an Wagen aus der Umgegend heranrollen sah, ungefüllt mit respektablen Familien. Der Freischütz war ein Talisman für ihn geworden, der ihm eine gefüllte Kaffe sicherte. An einem andern Fenster stand der Schauspieler Wilhelm, auf merksam und mit wachsender Ungeduld die Insassen der ankommen den Wagen prüfend. Plötzlich nickte er zufrieden und trat rasch vom Fenster zurück, — er hatte den Müller Lorenz aus Braunstedt mit seiner ganzen Familie erkannt. „Na, was sagen Sie nun, Herr Direktor?" fragte er lächelnd, „habe ich Ihnen zu viel versprochen?" Der Direktor streckte ihm beide Hände entgegen und rief pathe tisch: „Sie sind der Schutzgeist meines Lebens, junger Freund, schwö ren Sie, mich nie zu verlassen!" „Davon ein ander Mal", lachte Wilhelm, „wie stehts aber nun mit meiner Bedingung? Werden wir am Schluß der Oper noch das Tableau aus dem „Monsieur Herkules" machen?" „Aber, liebster Freund, das hieße uns die eigene Zukunst ver derben, nach der klassischen Oper eine Scene aus der Posse, — ich bin ein zu gewissenhafter Direktor —" „Ah, Sie machen Winkelzüge, mein Herr", rief Wilhelm stirn- runzetnd, „nun gut, beginnen Sie Ihre klassische Oper, — ich ziehe mit dem Orchester von dannen." „Um des Himmelswillen —" „Entweder — oder Monsieur Herkules ist meine Glanzrolle, ich habe sie mir eigens ausbedungcn, sobald Sie ein volles Haus bekämen." „Gut denn, ich willige ein, wenn meine Kaffe stimmt, Sie sonderbarer Schwärmer." „Ihr Ehrenwort, Herr Direktor!" „Sie haben es, junger Mann, auf Ehrenwort! Gut, ein Mann, ein Wort!" 5. Die Scheune, welche ganz respectabel in einen Musentempel um gewandelt worden, war gestopft voll von Zuschauern, — es konnte in des Wortes thatsächlicher Bedeutung kein Apfel zur Erde fallen, da die Umgegend ein zahlreiches Contingent jeglichen Alters geliefert hatte. Dem Director lachte das Herz im Leibe, als er die schwere Kaffe an sich nahm und auf die Bühne eilte, um das Zeichen zum Anfang zu geben. Das Orchester, welches aus dem Clavierspieler Wilhelm, der einen erträglichen Klimperkasten aufgetriebcn hatte, und den beiden Kammermusikern bestand, begann jetzt anstatt der Ouvertüre einen Walzer, der von dem Auditorium sehr beifällig ausgenommen und von mehreren sangesgeübten Kehlen dienstfertig begleitet wurde. „Es ist ein Scandal", brummte Waldmann, als der letzte Ton verhallt war, „ich zittere bei dem Gedanken, daß sich vielleicht ein Bekannter im Publikum befindet." „Der Spaß ist nicht mit Gold zu bezahlen", lachte Bruno, einen raschen und vergnügten Blick um sich werfend, „sich nur, wie sich Kopf an Kopf drängt." „Fehlte noch, mich umzuschauen", brummte der Geiger, der wie die ganze Kapelle dem Publikum den Rücken zugewaudt hatte. Auch der Klavierspieler schien keine Neigung zu fühlen, die wogende Menge in Augenschein zu nehmen, er hielt den Kopf gesenkt und saß hinter dem Souffleurkasten so ziemlich im Schatten, da die Beleuchtung na türlich viel zu wünschen übrig ließ. Der Vorhang ging in die Höhe, der Schuß fiel und die Sache machte sich ganz vortrefflich, wenn das Personal auch nicht die vor schriftsmäßige Größe besaß. Scene um Scene, Act um Act gingen vorüber, der Beifall steigerte sich fortwährend, obgleich Agatha und Max das Meiste aus ihrer Rolle declamicten, was für das Ber- ständniß der Oper äußerst zweckmäßig war. Der Kaspar mit seiner fürchterlichen Banditenmaske gefiel ganz besonders und theilte den Applaus mit Samiel, bei dessen haar sträubendem Anblick das zarte Geschlecht ausschrie, während die Wolfs schlucht einige Enttäuschung hinterließ, welche durch ein bengalisches Feuer nicht gehoben werden konnte. Doch war das Publikum ge sittet genug, um diverse Schreier, welche durchaus die wilde Jagd verlangten, energisch zur Ruhe zu verweisen. „Die Geschichte ist klassisch", sagte ein Herr, der neben dem Müller Lorenz aus Braunstedt saß, „wer wie ich den „Freischütz" in einem Hoflhcater gesehen hat, der muß ein solches Publikum be wunderns (Forts, folgt.) Vermischtes. Wie weit sind die Sozialdemokraten Berlins noch von den petrolemduftenden Mitgliedern der Pariser Commune entfernt? So muß man sich unwillkürlich fragen, wenn man eine Notiz liest, die sich in Nr. 51 der „Berl. Fr. Pr.", des Organs der Sozialde mokraten, befindet. Es wird da folgende Miuhcilnng den Berliner Zeitungen vom Donnerstag entnommen: „Diebe haben in der Nacht zum 25. d. die nach Außen führende Thür zur Sakristei der St. LucaSkirche in der Vernbnrger Straße aufgesprengt; ebenso den starken Schrank, in welchem die Kirchengerälhe und Bekleidungen sich befanden. Sämmtliche silberne Geräthe, namentlich 2 Abend mahlskelche, 2 Kannen, ein Taufbecken, ein Ciborium haben sie mit genommen, von den Altar- und Kanzelbekleidnngen nur einige mit Goldquasten verzierte Stücke. Das Einzige, was sie übersehen haben — jedenfalls ohne Absicht — ist eine silberne Patene, auf deren Rückseite die Worte eingravirt sind: „Mein Heiland vcrgieb mir meine Sünde die ich tief bereue, v. Wrangel. Am 13. 4. 60." Diese Notiz wird mit folgenden frivolen Worten cingeleitet: „Ein Einbruch in die LucaSkirche entsetzt die Kirchenfreunde aller Richtungen über alle Maßen." Und zum Schluß heißt es wörtlich: „Uns wäre es unbedingt das Liebste, wenn in einer Nacht alle Kirchen mit sämmtlichem Zubehör bestohlen würden. Die Menschheit hätte da von keinen Schaden!" Eine stärkere Leistung ist uns in sozialdemo kratischen Blättern noch nicht vorgekommen. Eine frankirte Natter. Unter gewissen Umständen — so schreibt die „Deutsche Verkehrszeitung" — ist es nicht besonders an genehm, Postbeamter in den Vereinigten Staaten Nordamerikas zu sein. Vor einiger Zeit hielten diejenigen Beamten des Postamtes in New-Jork, welche mit dem Sorliren der aus den Süden eingetroffenen Briefschaften beschäftigt waren, wie betäubt inne. Es geschah dies, weil unter den Postsendungen eine schwarze Natter sich befand, die Gelegenheit gefunden hatte, aus einem Kästchen von Cartonpapier, das ihr als Gefäugniß diente, zu entschlüpfen. Indem die Schlange schnell über alte Papiere hinwegeilte, rollte sic sich über einen Haufen Briefe hinweg, oie soeben gestempelt werden sollten. Von der Höhe dieser Stellung zischte sie den Beamten entgegen, indem sie dieselben mit ihren kleinen giftigen Augen durchbohrte. ' Nach einigen Secunden allgemeiner Unbeweglichkeit halte sich ein Beamter mit einem langen Messer bewaffnet und griff, eine strategische Bewegung machend, die Schlange unvermuihet von der Seile an. Zwei Schläge mit dem Messer genügten, sie in drei Theile zu zerlegen. Die Stücke wurden in das Kästchen gelegt und dem Empfänger übersendet. Es scheint, daß dergleichen Gaste in den amerikanischen Postämtern nicht selten sind, denn Personen, die den Sommer in Florida zubringen, haben eine förmliche Manie, ihren Freunden und Bekannten lebendige Musterpakele aus diesem Lande zuzusenden, und cs soll öfters Vor kommen, daß in den Winkeln der Postlvcale sich Kröten und Lgl. verkrochen haben. Einer der rafft nirtesten Ei nbruchsdicb stähle wurde am 3. v. M. in Triest versucht. Im Hause des Hofspediteurs und Großhändlers Julius Pollak, Via del Torrente, drangen Diebe unter der Mauer des die Sladt durchziehenden Abzugskanals ein, meißelten einen mannshohen, gemauerten Schwiebbogen durch und gelangten Nachmittags gegen 2 Uhr, da das Comptoir des Feiertags wegen geschlossen war, direct in dasselbe, warfen eine, bedeutende Wcrlhe enthaltende, große Kaffe auf die Vorderseite und öffneten dieselbe rückwärts in einem Zeitraum von 2 Stunden. Der Tresor war aber durch einen jüngst angeschafften Stahlpanzer von innen gedeckt und noch nicht zugängig, als der Bruder des Herrn Pollak um 5 Uhr Nachmittags der Kontrole halber die belebte Bia del Torrenle passirte und die Kasse, welche von der Straße sichtbar sein sollte, nicht an ihrem Platze fand; er requirirte Wachen und konnte erst nach Sprengung der von innen verrammelten Thür ins Comptoir dringen, während dessen die Diebe unbehindert durch den mindestens 1 Kilometer langen Kanal entwischten. Kirchennachrichten »ns Wilsdruff. Am Sonntage Jnvocavit. Vormittags predigt Herr U. vr. Wahl. Nachmittags Betstunde. Aufforderung ir. Erklärung. Diejenigen Herren, die am Sonntag, den 3. März, Abends auf hiesigem Schießhaus sich mit ehrenkränkenden Beleidigungen gegen mich und meine Leute öffentlich ausgesprochen haben, fordere ich hiermit auf, nächsten Sonntag Nachmittags zu mir zu kommen und sich mit mir auf gütlichem Wege zu vereinigen. Da ich selbiges durch dreifache Zeugen nachweisen kann, werde ich im Unterlassungs- Falle kein Rechtsmittel scheuen, selbige gesetzmäßig bestrafen zu lassen. Wilsdruff, am 6. März 1878. Spediteur Herrmann. Iß Mark Belohnung! Herr Schießhauswirth Germann hat bei dem am 6. d. M. statt gehabten Verhandlungstermine vor Gericht erklärt, er sei von vielen hiesigen Bürgern gewarnt worden, mit mir auf ein Geschäft einzn- gehen, ferner hat ein Herr, welchen Herr Germann blos von Gesicht kennen will, weil er hier noch fremd sei, zu letzterm behauptet, die beiden Secretäre, welche ich als Deckung behalten, haben am 5. d. M. in allem Regenwettcr auf meinem offenen Hofe gestanden, wo selbige noch am 3. Abends von meinen Leuten aufs Vorsichtigste unter Verschluß gebracht wurden. Wer mir diejenigen Personen so anzeigt, daß ich selbige gerichtlich bestrafen lassen kann, welche diese wahrhcitswidrige Verläumdung gegen mich öffentlich ausgesprochen, erhält obige Belohnung. Wilsdruff, am 6. März 1878. Spediteur I lor i innrrri. Heute Freitag Schlachtfest, von früh 9 Uhr an Wellfleisch, später frische Wurst, wozu freundlichst einladet C. Helm. Montag Len 11. März steht ein Transport KL"a»ögczeich»et schöner, schwerer Dessauer Milchkühe^k im Milchviehhof auf den Scheunenhöfen zu Dresden zum freihändigen Verkauf. i. V. lange.