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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenleyn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal (Dienstag u. Freitag) und kostet vierteljährlich 1 Mark. — Annoncen-Annahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr 2tt. Freitag, den 8. März 1878. Die Dienstmagd Bertha Holzig aus Braunsdorf hat sich hier über eine gegen sie erstattete Anzeige zu verantworten. Da ihr dermaliger Aufenthaltsort nicht zu ermitteln gewesen, so wird dieselbe hierdurch vorgeladen, binnen 14 Tagen und längstens den 23. dieses Monats sich an hiesiger Amtsstelle einzufinden oder doch bis dahin ihren Aufenthalt anher anzuzeigen. Alle Criminal- und Polizeibehörden werden ersucht, die p. Höltzig im Betretungsfalle auf diese Vorladung aufmerksam zu machen und Nachricht hiervon anher gelangen zu lassen. Königliches Keiichis-Amt Wilsdruff, am 4. März 1878. vr. Gangloff. Tagesgeschichte. Wie die „Kreuz-Zig." vernimmt, hat der Kaiser zur Zeit das Entlassungsgesuch des Ministers Camphausen abgelehnt. Eine etwaige weitere Entscheidung dürfte Vorbehalten sein, bis die Lage sich weiter geklärt hat. Die Entschließung ist in Uebereinstimmung mit den Auffassungen und Wünschen Bismarck's erfolgt. Letzterer scheint bestimmt zu verlangen und zu erwarten, daß der Reichstag sich erst ausdrücklich über die Steuerfrage schlüssig mache, um als dann weitere Maßregeln in einem oder dem anderen Sinne zu treffen. Das längst gewünschte Ereigniß ist nunmehr eingetreten: Der Friede zwischen Rußland und der Türkei ist abgeschlossen. Die Unterzeichnung des Friedens hat am 3. März Nachmittags in Sankt Stefano, hart vor den Mauern Konstantinopels, stattgefunden. In diesbezüglichen Telegrammen des Großfürsten Nikolaus an den Kaiser Alexander heißt es, daß am Tage der Befreiung der Leib eigenen der Kaiser Alexander die Christen vom Joche des Islams erlöst habe, da Kaiser Alexander am 3. März 1861 den Ukas erließ, der in Rußland die Leibeigenschaft aufhob. Eine Begebenheit von größter Bedeutung ist der Abschluß des orientalischen Friedens. In Petersburg ist er mit größter Begeisterung ausgenommen worden und noch gegen Mitternacht des 3. März wälzte sich eine ungeheheure Menschenmasse nach dem kaiserlichen Palaste und sang entblößten Hauptes beim Erscheinen des Kaisers auf dem Balkon die National hymne. Die „National - Ztg." schreibt: „Eines ist unverkennbar: Der Friede von St. Stefano streicht die Türkei aus der Liste der euro päischen Staaten. Es heißt, Rußland habe in letzter Stunde seine bulgarische Schöpfung erheblich beschneiden lassen, die nach den früheren Plänen den mohammedanischen Rest der Herrschaft Stambuls überall eng umspannen sollte, die auf dem Balkan ruhen, Adrianopel besitzen nach Mazedonien und Albanien Hineingreifen und im Aegäischen Meer ihre bulgarisch-russische Flottenstation haben sollte. Es heißt auch, daß Rußland auf die türkische Flotte verzichtet habe und auf den bulgarisch-ägyptischen Tribut. Was nun auch von den anfäng lichen Forderungen des Siegers übrig geblieben sein mag, es wird sicherlich genügen, um die Pforte als Macht, als europäisch selbst ständige Macht für immer verschwinden zu machen. „DasOsmanen- reich hat aufgehört in Europa zu herrschen" — das ist das vor nehmste Ergebniß dieses Krieges und der vortretende Inhalt dieses Friedens von St. Stefano. Nach einer dem „N. W. T." aus Berlin zugegangenen tele graphischen Mittheilung bezeichnete Fürst Gortschakoff in einer an die auswärtigen Vertreter Rußlands gerichteten Note als diejenigen Punkte, bezüglich deren Rußland zu Konsessionen geneigt fei: die Vergrößerung Serbiens, dem Hasenzuwachs Montenegros und die Forderung eines Theiles der türkischen Flotte. Betreffs der Kon- stituirung und Okkupation Bulgariens müsse Rußland dagegen un nachgiebig bleiben. Der „Nord" bestätigt, daß zufolge der Bestimmung des Friedens vertrages Adrianopel, Salonichi und Erzerum im Besitz der Türkei bleiben würden, ebenso würde die Abtretung der Flotte von der Türkei nicht verlangt. Die Kriegskostenentschädigung würde zu 3 Vierteln durch die Abtretung von Kars, Ardahan, Bajazid und Batum beglichen werden; es würde keine Ueberlassung von Revenüen ge fordert, die vorher anderweitig als Garantien vergeben worden wären, gerbten und Montenegro würden einen Gebietszuwachs erhalteu, doch stillten sie durch denselben nicht Grenznachbarn werden. Em Telegramm des Sultans an den russischen Kaiser lautet: Anläßlich der Feier des Tages der Thronbesteigung Ew. Majestät bringe ich meine Gratulation mit dem Wunsche dar, daß sich unsere freundschaftlichen Beziehungen erneuern mögen. Der Kaiser ant wortete dem Sultan am Abend des 3. März telegraphisch: Ich danke Ew. Majestät für dre mir kundgegebenen Glückwünsche. Ich erhielt dieselben gleichzeitig mit der Nachricht von der Unterzeichnung des Friedens und erblicke in diesem Zusammentreffen die Vorzeichen dauerhafter guter Beziehungen zwischen uns. Die Nachricht von dem erfolgten Abschlusse des Friedens zwischen Rußland und der Türkei wird von engl. Blättern sehr kühl aus genommen. Die „Times" meint, es würde ein Jrrthum sein zu glauben, daß jede Gefahr vorüber sein. Rußland müsse mit Europa abrechnen. Hoffentlich werde Rußland nicht Bedingungen durchsetzen sollen, die England nicht sanktioniren könne. Die „Morningpost", der „Standard" und der „Daily Telegraph" drücken ihre Besorgnisse angesichts der gegenwärtigen Phase der orientalischen Krise aus und fragen, was jetzt zum Schutze der englischen Interessen geschehen werde. Der „Standard" empfiehlt die Blokirung der Dardanellen und die Okkupation Aegyptens. Eine Meldung der „Times" aus San Stefano bestätigt, daß die russischen Friedensbedingungen nicht die Abtretung eines Theiles der türkischen Flotte und des ägyptischen Tributs umfasse. Betreffs der Kriegskostenentschädigung sei noch keine definitive Bestimmung getroffen. Dieselbe werde hauptsächlich durch die Abtretung asiatischen Gebietes, von der jedoch Erzerum ausgeschlossen sei, beglichen werden. Dis Grenzen des neuen Fürstenthums Bulgarien würden Salonichi und Adrianopel nicht einfchließen. Monsieur Herkules. Humoreske von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „So declamiren Sie ihn", bemerkte Waldmann trocken, „halten Sie uns für wahnsinnig, oder etwa für Prager Musikanten?" „Warum muß es denn aber der Freischütz sein?" fragte Bruno, den die Idee zu belustigen schien. „Weil mein Lebensglück, eine Heirath davon abhängt", rief der Schauspieler mit Emphase, „ich muß die Einnahme nämlich dazu ge brauchen, — und der Freischütz ist der einzige Talisman, welcher Kaffe macht. Es wird mein Benefiz sein", setzte er erklärend hinzu. „Wir haben aber keine Instrumente", lachte Bruno, „und dann können Geige und Violoncello doch auch nicht allein das Orchester bilden." „O, was das anbetrifft, so werde ich die Instrumente schon her beischaffen, ich spiele selber Clavier, dann geht's prächtig; ob wir immer das spielen, was zu der Oper gehört, darauf kommt's nicht an, die Hälfte derselben wird doch gestrichen —" „Nimmermehr", unterbrach ihn Waldmann zürnend, „ich werde mich nicht so weil erniedrigen." „Erniedrigt sich der Mensch, wenn er ein Werk der Barmherzig keit thut?" fragte der Schauspieler, ihn ernst anblickend. „In solchem Falle kann von einer Entwürdigung der Kunst nicht die Rede sein." „Ei was, ich bin von der Partie", rief Bruno laut lachend, „verschaffen Sie mir ein Violoncello oder meinetwegen einen Baß, wir wollen dem Publikum schon die Möglichkeit Vorspielen. Und Du kommst auch mit, Duckmäuser, — die Geschichte gibt einen heiden mäßigen Spaß, der uns daheim in der „falschen Quinte" in Respect setzen soll. Die falsche Quinte ist nämlich unsere Stammkneipe," erläuterte er dem Schauspieler, „wo der Humor den Vorsitz führt und der Tollste decorirt wird. Du geigst also mit, Adolf, das ist abgemacht. Vorwärts, mein Herr, nach der Wolfsschlucht." Der Schauspieler warf seinen Hut hoch in die, Luft und Bruno ergriff den Freund am Arin, der ihm halb lachend, halb widerstre bend folgte. 4. Der kleine Flecken Westerholz, der noch vor 10 Jahren ein Dorf gewesen und seine Slandeserhöhung nur den beiden Jahrmärkten, die alljährlich hier abgehallen wurden, zu verdanken halte, besaß keine Druckerei und demgemäß auch kein öffentliches Blatt, um seine Bekanntmachungen zur Kenntniß der Einwohner zu bringen. Letztere waren noch nicht von jener Cultur beleckt worden, welche in Form von Insertionen die Menschheit zum sichern Wohlstände sichren soll. Es herrschte hier noch der patriarchalische Ausrufer mit der Klingel, welcher, wenn Westerholz über kurz oder lang mit seinen höhern Zwecken wächst, auch hier zur Antiquität werden wird. Ein Strom der hoffnungsvollen Westerholzer Jugend folgte heute dem Klingelmann, der mit seiner tiefen Baßstimme, die schon manchen zarten Sprößling aus dem Schlafe geschreckt, den neuen Theaterzettel verkündete: „Heut zum ersten Male „Der Freischütz," große vater ländische Oper in 4 Aufzügen, eigens dazu angefertigten Dekorationen, von denen sich befonders die Wolssschlucht durch ihre Fürchtcrlichkeit auszeichnen wird. Der Kngelguß, den der Freischütz Kaspar mit Hilfe des wilden Jägers vollzieht, wird etwas ganz Außergewöhn liches darbieten und schließlich in Feuerregeu enden.— Die Direktion