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Aus Sachsen. Wilsdruff, 27. September 1905. Das Justizministerium hat den Gemeindeverwaltungen von Kötzschenbroda, Niederlößnitz usw. mitgeteilt, daß von dem Angebot eines Bauplatzes auf der Grünen Straße für ein Amtsgericht wegen der weiten Entfernung des Platzes vom Hauptverkehr abgesehen werden müßte. Die Entwicklung der Molkerei GebrüderPfund in Dresden schilderte Herr Direktor Butze in einer Fest rede. Das Tagesquantum der cingelieferten Milch betrug am 1. Oktober 1882 ca. 1000 Liter, heute 35- bis 40000 Liter, welche von ca. 800 Rittergütern und Gütern geliefert werden. Seit Beginn des Geschäfts bis zum 31. Juli 1905 betrug der Milcheingang Summa Summarum 158672250 Liter damit könnte man den ganzen Atmarkt mit einem 17,5 Meter hohen Milchsce bedecken, kaum würden die Dächer der umstehenden Häuser hervorblicken. An Butter wurden in derselben Zeit ausgcschlagen 123057 Zentner. Um diese zusammen auf einmal herbeizuschaffen, würde sich ein Eisenbahnzug von 615 Wagen nötig machen. Vom Jahre 1891 bis 31. August 1905 wurden 727610 Kisten kondensierte Milch gleich 34925304 Dosen zum Versand gebracht. Dazu wurden benötigt 142609 Zentner Zucker. Zwei junge Mädchen erstickt. Auf dem Ritter- gute Tulgut Oschatz sind 2 polnische Erntearbeiter innen, Eleonore Koch und Marianne Matya, in vergangener Nacht infolge Einatmen von Kohlengasen erstickt. Die beiden Mädchen, die erst im Alter von 18 und 20 Jahren standen, schliefen gesondert von den übrigen Arbeitern. Als gestern früh der Vorarbeiter die Mädchen wecken wollte, wurde ihm auf sein Rufen nicht geöffnet. Schließlich schlug er, da ihm das Schweigen verdächtig vor- kam, ein Fenster ein, und der ausströmende Qualm bestätigte die Befürchtung, daß den Mädchen ein Unglück zugestoßen sei. Man öffnete nun Fenster und Türen und fand die beiden Mädchen leblos vor. Eine davon hatte der Tod auf dem Lager ereilt, die andere hatte sich zur Tür zu schleppen versucht, war aber nicht mehr dahin gelangt und lag entseelt auf dem Boden der Kammer. Wiederbelebungsversuche durch den sofort hinzu gezogenen Bezirksarzt büeben erfolglos; der Arzt vermochte nur noch die Vergiftung durch Kohlen oxyd zu konstatieren. Ein Selbstmord oder ein Ver brechen scheint nach dem Befund ausgeschlossen, vielmehr dürfte das Unglück auf eine Unvorsichtigkeit der Mädchen selbst zurückzuführeu sein, die ihre vom Regen durchnäßten Kleider über den Ofen gehängt und vermutlich, damit diese schneller trocknen sollten, die Klappe geöffnet hatten. Das Verschulden anderer an dem Unglück scheint demnach ausgeschlossen. Daß Geschenke an Vorgesetzte beim Militär nicht nur für diese, sondern auch für den Geber recht un angenehme Folgen haben können, zeigt folgender Fall. Der Wachtmeister Hertel beim Karabinierregiment in Borna halte sich von seinen Einjährigen bestechen lassen. Er bekam u. a. eine komplette Bade-Einrichtung geschenkt, dann einen eleganten Kronleuchter, einen bcguemen ameri kanischen Schaukelstuhl, einen Blumentisch und einen wert- vollen Teppich. Stiefel, Zivilkleider und Stoffe für die Frau Wachtmeister dursten die Einjährigen bezahlen und die Schneiderrechnung noch obendrein. Für diese Geschichten erhielt Hertel seinerzeit 6 Monate Gefängnis. Aber die Sache hatte noch ein Nachspiel vor dem Leipziger Land gericht. Hertel hatte einen seiner früheren Einjährigen, den Kaufmann Enke aus Zwenkau, bewogen, vor Gericht auszusagen, er habe die Badeeinrichtung an Hertel verkauft und sie ihm nicht geschenkt. Enke sagte aus Gutmütigkeit auch so aus, um seinen früheren Vorgesetzten möglichst herauszureiben. Dafür wurde er jetzt wegen Begünstigung zu 150 Mk. und Hertel wegen Anstiftung zur Begünstigung zu 100 M. Geldstrafe verurteilt. Als am Donnerstag nachmittag der Gutsbesitzer Keßner in Kleinsteinberg bei Grimma mit seinem Ge schirr die ungeschlossene Bahnschranke passiert hatte, sah er etwa 30 Meter entfernt einen Güterzug in voller Fahrt heranbrausen. Er sprang sofort ab und ver suchte die Pferde zurückzudrängen. Diese gingen jedoch durch und rasten vor dem Zuge auf dem Gleise nach Beucha zu her, bis das Gefährt durch Anprallen an eine Signal stange zum Stehen kam. Unterdessen war auch der Zug zum Halten gebracht worden. Der Schrankenwärter Thieme, der das Signal zum Schließen der Schranke überhört haben will, wurde vorläufig außer Dienst gesetzt. Er sowohl als auch der Gutsbesitzer erlitten bei den Be mühungen, die Pferde aufzuhalten, leichte Verletzungen. Die bereits gemeldete Inhaftnahme der verwit- weten Gutsbesitzersfrau Heinrich in Brambach bildet daselbst das Tagesgespräch. Ihre Festnahme und Ablieferung an das Amtsgericht nach Adorf erfolgte um deswillen, weil diese schon in den vorgerückten Jahren stehende Frau den Versuch gemacht hatte, durch Beimischung von Fliegenpilzen in die Speisen Familienangehörige zu vergiften. Das Enkelkind würde wohl in erster Linie dem Plane der Großmutter zum Opfer gefallen sein, wenn nicht durch das rechtzeitige Hinzukommen der Mutter des Kindes dies verhütet worden wäre. Sie sah, daß in der von der Großmutter dem Kinde zum Genüsse vorgesetzten Speise verdächtig aussehende Bestandteile sich befanden, deren nähere Untersuchung ergab, daß sie von Fliegen schwämmen herrührten. Weitere Anhaltspunkte ergaben den Beweis, daß die Frau cs darauf abgesehen hatte, die Tochter, den Schwiegersohn, sowie deren Kinder zu ver giften. Eine seit drei Tagen in Zittau in einem Gasthof wohnende, etwa 40 Jahre alte Frau wurde morgens im Bett tot aufgefuvden. Sie hatte Gift genommen. Die Selbstmörderin hatte sich als Gürtlersgattin Marie Sturm aus Reichenberg in das Fremdenbuch eingetragen und hinter ließ einen Zettel, auf dem geschrieben stand: Ich werde aus Reichenberg abgcholt." Selbstmord eines Sechsen in Tirol. Auf der Landstraße bei Peri erschoß sich ein junger Tourist, namens Wilhelm Wclzer aus Streckenwalde bei Wolkenstein im Königreich Sachsen. Eine sonderbare Fahrt machte ein 12jähriger Knabe aus Glauchau. Um einer zu erwartenden Strafe zu entgehen und auf billige Weise in die Fremde zu ge langen, verkroch er sich nachts in eines der Zementrohre, die auf der Bahn nach Gera verladen worden waren. Am frühen Morgen wurde er in Meerane von einem Schaffner halb erfroren entdeckt und wieder auf die bar füßigen Beine gebracht. In Plauen i. B. hat sich am Sonnabend abend der Fabrikweber Oito Louis Plank am Familientisch erschossen, als er eben mit seinen Angehörigen ein harm loses Spielchen mit Karten gemacht hatte, wobei einige Glas Bier getrunken worden waren. Außer seiner Frau saßen noch mit am Tische die Tochter und sein zukünftiger Schwiegersohn. Ohne jeden besonderen Grund schien Plank plötzlich in Schwermut zu verfallen. Er äußerte, daß er sein Leben satt habe, holte aus der Kammer einen Revolver und schoß sich, nachdem er wieder auf seinem Stuhle Platz genommen hatte, ehe es jemand verhindern konnte, eine Kugel in die Schläfe. Der unter so eigentümlichen Um ständen aus dem Leben Geschiedene stand erst im 47. Lebensjahre. Amtlicher Bericht über die am 7. d. Mts., nachmitags 6 Uhr, stattgefundene öffentliche Stadtgemeinderatssitzung. Entschuldigt fehlten 3 Herren Mitglieder. Vorsitzender: Der unterzeichnete Bürgermeister. 1. Soweit notwendig, sollen, und zwar spätestens bis zum Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers, ncue Flaggen für die städtischen Gebäude beschafft werden. In diesem Jahre soll die Anschaffung nicht mehr erfolgen. (Ein stimmig). 2. Der Herr Vorsitzende berichtet über einen Defekt an der großen Dampfmaschine im Elektrizitätswerk, zu dessen Beseitigung gegenwärtig ein Monteur der Firma Hofmann k Zinkcisen hiersclbst anwesend sei. 3. Es kommt zur Sprache, daß im Elektrizitätswerk eine Hilfsperson angenommen worden sei. Herr Stadtrat Bretschneider erklärt, daß er den Mann nur für die Manöver zeit eingestellt habe und zwar mit der Bedingung, ihn jeden Tag ablohnen zu können. Damit ist die Sache er ledigt. 4. Die Zifferblätter der Rathausuhr sollen aufgefrischt werden. (Einstimmig). 5. Der Sächsische Landesverband des „Blauen Kreuzes" bittet um Gewährung eines Jahresbeitrags zur Anstellung eines Berufsarbeiters auf 5 Jahre. Ein An trag des Herrn Stadtrat Bretschneider, einen Beitrag von jährlich 5 Mark zu gewähren, wird mit 7 Stimmen ab- gelehnt. 6. Man will behufs Erreichung der von Herrn Kauf mann Walter Schmidt angeregten'Aenderung der Land tagswahlkreise bezw. Zuteilung der hiesigen Stadt zu einem anderen Kreise mit der Stadt Tharandt in Verbindung treten und hiernach eine Petiton an die Ständekammern zum Abgang bringen. (Einstimmig). 7. Den Pachtern der diesjährigen Grummet- und Pflaumennutzung wird der Zuschlag erteilt. (Einstimmig). 8. Man nimmt Kenntnis von der in Bezug auf die Verlegung der Jahrmärkte beim Königlichen Statistischen Landesamte eingeholten Auskunft und verweist die Ange legenheit an die Marktdeputation zur Weiterbehandlung. 9. Punkt 6 der Tagesordnung erledigt sich durch Zu rückziehung des bezüglichen Antrags durch Herrn Stadt rat Bretschneider. 10. Punkt 7 der Tagesordnung, Durchstich der Wiese am sogen, alten Turnplätze betreffend, weswegen bereits vor Beginn der Sitzung eine Lokalbesichtigvng stattgesunden hatte, wird für heute von der Tagesordnung abgesetzt. (Einstimmig). 11. Die Uniformierung der Polizeimannschaft soll wie folgt geändert werden: a. die grünen Kragen, Aermclauf- schläge und Stirnstreifen an Mütze sollen beibehalten werden, b., beim Schutzmann sollen die Treffen wegfallen, c., als Rangabzeichen sollen dienen 2 Sterne am Kragen des Wachtmeisters und 1 Stern amKcagen desSchutzmanns. Im Nebligen will man sich streng an die diesbezügliche Verordnung halten. (Einstimmig.) 12. Dem Frauenverein hierselbst wird auf Ansuchen für die in Aussicht genommene Verlosung ein Beitrag von 60 Mk. zur Beschaffung von drei Geschenken, von denen das eine mindestens 30 Mk. wert sein soll, verwilligt. In die Kommission für den Ankauf der Geschenke werden gewählt: Der Herr Vorsitzende durch Zuruf, während Herr Stadtverordneter Schlichenmaier vom Herrn Vorsitzenden durchs Los bestimmt wurde, da zwischen ihm und Herrn Stadtrat Bretschneider, wie die ausgegebenen 12 Stimm zettel ergaben, Stimmengleichheit herrschte. 13. Zum Projekte des Herrn Fabrikanten Schlichen maier, Ueberdachung seines Hofraumcs betreffend, sind Be dingungen nicht zu stellen. (Einstimmig.) Hiernach entspann sich wegen der Einquartierungs- Verteilung ein lebhafter Meinungsaustausch — hcrvorge- gerufen durch eine Anfrage des Herrn Stadtverordneten Schlichenmaier — in dessen Verlauf die Herren Mitglieder der Einquartiernngsdcpntation, Stadtverordnete Trepte, Frühauf und Moritz Hofmann das Sitzungszimmer ver ließen. Da das Kollegium nun nicht mehr beschlußfähig war, mußte ein Vorlesen des Protokolles unterbleiben. Wilsdruff, am 12 September 1905. Der Stadtrat. Kahlen Verger. Aunst, Wissenschaft, Literatur. Alwin Mehnert: Die Zaubergräfin. Heimat- geschichtlicher Roman aus der Zeit nach dem 30 jährigen Kriege. Verlag von Paul Welzel in Lockwitz. Der Ver fasser, der durch seine frühere Tätigkeit an der hiesigen Bürgerschule vielen Wilsdruffern bekannt sein wird, hat sich in seinen Heimatsromanen das Ziel gesetzt, dem Volke in wahrheitsgetreuer, lebendig fesselnder Darstellung Kulturbilder aus Sachsens Vergangenheit vorzuführen, durch welche die Leser veranlaßt werden, die Vergangen heit mit der Gegenwart zu vergleichen und letztere richtig würdigen zu lernen. Er erwartet mit Recht, daß durch eine solche Lektüre zugleich das Verständnis für Fragen der Gegenwart erschlossen, die Liebe zur Heimat belebt und ein zufriedener Sinn gefördert wird. Ucberdies ist der Verfasser von dem anerkennenswerten Bestreben ge leitet, durch eine gute volkstümliche Lektüre der Verbreitung der überreizenden Hintertreppenromane entgegenzuarbeiten. Der uns vorliegende Roman bildet den dritten, in sich geschlossenen Band einer Reihe heimatgeschichtlicher Romane, deren Schauplatz hauptsächlich die Dresdner Gegend ist. Was der Geschichtsschreiber in trockenem, aktenmäßigem Tone erzählt, das formte der Verfasser zu einer Reihe lebendiger, überaus fesselnder Bilder aus jener Zeit, die nicht allein von dem grenzenlosen Aberglauben in allen Bevölkcrungsschichten, sondern auch noch von jenem Dunst- gcwölk verdunkelt wurde, das aus Frankreichs üppiger Hauptstadt herüberzog und seinen giftigen Niederschlag am kursächsischcn Hofe und von da aus im Volke verbreitete. „Doch auch hier" — so schreibt der Verfasser in seinem Vorwort — „in der alten verschnörkelten Handschrift des ehrenwerten Oberstadtschreibers ist dieselbe tröstliche Tat sache zu finden, wie in . dem gewaltigen Buche von der Geschichte der Menschheit: neben dem blinden, bösen Hödur steht sein freundlicher Bruder Baldur, neben dunklem Schatten das Helle Licht. Aus dem von Hexenrauch ver düsterten Gemälde der Neitschütz'schen Familie heben sich wie auf Goldgrund die edlen Gestalten Rudolphs und Christophs von Neitschütz ab. So schwebt der Funke gött licher Klarheit über dem Nebel von Sünde und Torheit des Menschengeschlechts. Es zeigt den Reinen die Bahn, die sie zu ziehen haben, damit sie Führer werden zum Heile der Blöden und Toren." Es sind interessante, eigenartige Charakter, die der Autor zeichnet; er vermeidet die Schablone und führt die Charakterzeichnung bis zum Schluß streng durch. Wo einzelne Erscheinungen der damaligen Zeit sich nicht ohne Weiteres in den Rahmen der Handlung fügten, dort wußte sie der Verfasser doch mit eigenem Ge schick zur Vervollständigung des Geschichtsbildes zu ver wenden. In der Sprache der handelnden Personen spiegelt sich der sittliche Niedergang der damaligen Generation Mieder, der Verfasser selbst spricht dagegen blumenreich und in gefälligem Satzaufbau zu seinen Lesern. Man kann nur wünschen, daß das fesselnde Werkchen in recht viele Hände gelangt und so an seinem Teile zur Be kämpfung der Schundliteratur beiträgt. 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