Volltext Seite (XML)
Welt im 8ilä. Ä^S^S-VLOU^S^L^L^^lXd^^^S^lXVlXdiXdL^Ser rinter Stürmen. Noman von Otto Bergmann. 1 — s war am 5. Februar 1904. Mit UV«, dem Eisenbahnzug, welcher die M aus dem russischen Ostasien und « Sibirien kommenden Reisenden der Newa-Kapitale zuführte, trafen auch zwei junge Männer in Petersburg ein, deren An kunft auf dem Bahnhof bereits von einer kleinen Gruppe von Offizieren der Garde infanterie erwartet wurde. Die also militärisch Eingeholten trugen beide elegante Reisekleidung, ließen aber' gleichwohl im Zivilanzug mit Leichtigkeit die Berufssoldaten erkennen. Beide gehörten der gleichen Altersstufe, wie die sie erwarten den Offiziere an, welche sämtlich schon Ober leutnantsrang besaßen. Der Umstand, daß den einen wie den andern dieselbe Gruppe von Kameraden erwartet« und mit gleicher Freundlichkeit empfing, ließ eine genaue Be kanntschaft auch zwischen den beiden Helm- kehrenden selbst als sicher voraussetzen. Trotzdem trugen diese aber nichts weniger als ein kameradschaftliches Gebaren gegen einander zur Schau. Vielmehr beobachtete der Größere von ihnen eine eisige Reserve, während die Haltung des Kleinern unver hohlen etwas Feindseliges gegen seinen Reise gefährten ausdrückte. „Holla! Jspenhan und Kleeberg, die beiden Urlaubs-Asiaten! Wie geht's? Nur rasch ins Kasino! Toilette machen könnt Ihr nachher!" So schwirrten die Begrüßungsrufe aus der Gruppe der Wartenden' durcheinander, von den beiden Ankömmlingen freundlich, aber nicht ganz so ungezwungen erwidert. Die gesteigerte Lebhaftigkeit des Em pfangs fand ihre Ursache nicht allein in den Personen der beiden Erwarteten, wiewohl diese und besonders Baron Peter Paul von Kleeberg, sich im Kameradenkreise großer Beliebtheit erfreuten. Heut sprach noch ein zweiter gewichtiger und ganz unpersönlicher Grund mit. Die Machtinteresten Rußlands und Ja pans im fernen Ostasien hatten in den letzten Monaten des Jahres 1903 zu einer scharfen Kollision zwischen beiden Staaten geführt. Um das schwächliche Kaiserreich Korea als den eigentlichen Zankapfel, ebenso aber auch um die von Rußland seit den letzten China- Wirren schrittweise annektierte Mandschurei wurde seitdem ein heißes diplomatisches Rin gen geführt, in dessen Verlauf aber der be stätigende Engel des Friedens mehr und mehr in den Hintergrund gedrückt wurde, während sich die mordbereite Kriegsfurie in gleichem Maß« drohend in den Vordergrund schob. Admiral Alexejew, der russische Vizekönig im fernen Osten, ohne Zweifel wohl der treibende und in erster Linie verantwortliche Mittel punkt der ganzen schweren Krise, ließ von Tag zu Tag ernstere Berichte über die zu nehmende Bewölkung am politischen Him mel und das langsam heraufsteigende Ge witter einer drohenden Kriegsgefahr nach Petersburg gelangen. Der diplomatische Notenwechsel zwischen der Newastadt und Tokio wurde immer lebhafter und energischer. Die militärischen Rüstungen beider Reiche „zur Begegnung aller Eventualitäten" gestal teten sich immer umfassender. In den letzten Januar- und ersten Februartagen des zu so weltgeschichtlicher Bedeutsamkeit bestimmten Jahres 1904 stieg bei allen zivilisierten Völ kern, naturgemäß aber vor allen Dingen im Reich der ausgehenden Sonne und im Lande des besten Kaviars die Spannung auf einen fieberhaften Grad. Kein Wunder also, wenn die Gruppe der Petersburger Jnfanterieleutnants ihre vom Urlaub heimkehrenden Kameraden mit der erwähnten Lebhaftigkeit begrüßten. Beide kamen ja direkt aus dem örtlichen Zentrum der ernsten politischen Krisis. Sie hatten als gute Freunde und an dem gleichen Ziel ihrer Urlaubsreise interessiert, die zehnwöchentliche Erholungszeit in der fernen Mandschurei bei dort lebenden Verwandten zugcbracht, waren in Charbin, Mulden, Liaojang und noch zu letzt in der starken Seefestung Port Arthur gewesen. In der letztern befand sich das Hauptquartier des Statthalters Alexejew. Alles Gründe, welche die fieberhaft inter essierten Kameraden bei den Heimkehrenden Nachrichten über wichtige Vorgänge in jener Zone vermuten ließen. Als die kleine Gesellschaft auf dem Wege nach dem Kgsino aus dem Newsky-Prospekt heraus an den Alexandergarten gelangte, der hier den prächtigen Admiralitätsplatz ab- fchließt, fuhr im beschleunigten Tempo ein offner Kutschwagen an ihnen vorüber. Zwei Herren, von gelblichem Teint, aber nicht un angenehm geschnittenen Gesichtszügen -saßen im Fond des Gefährts. Besonders der rechts Sitzende fiel durch die energischen Linien des tiefernsten Antlitzes auf. „Da, feht doch, Baron Kurino!" bemerkte Leutnant Fedor Wulkoff lebhaft, auf den energisch aussehenden gelben Herrn wei send. „Der japanische Botschafter — in der Tat!" meinte Kleeberg überrascht, „solche Eile deutet doch zweifellos auf wichtige diplomatische Geschäfte him Jetzt ist es aber bald Abend, also ein« immerhin ungewöhn lich« Z«it dafür!" „Dich berührt das vielleicht ungewöhn lich infolge Deiner längern Abwesenheit von Petersburg, wir sind hier ab«r bereits an der artige diplomatische Vorgänge zu allen, selbst den spätesten Tagesstunden gewöhnt," versetzte Michael Smaitzim ernst. „Es ist kein Zweifel, Kurino fährt zu Graf Lamsdorff!" fügte Wulkoff hinzu, „das Klappern dieser Pferdehufe da drüben kann vielleicht schon die erste Kriegsmusik sein!" Die jungen Offiziere schwiegen nachdenk lich still, nurWladimirKorolenko, der jüngste in der Gesellschaft, schüttelte mit einem zu versichtlichen Lächeln den schwarzlockigen, edelgeformten Kopf. Er war schon als ein hartnäckiger Friedensoptimist unter seinen Kameraden bekannt. „Lassen Sie sich durch dies« Schwarzseher nicht anstecken, Kleeberg, und Sie, Jspenhan, auch nicht!" erklärte er beschwichtigend, „daß der gelbe Baron mal zu ungewohnter Stunde den weißen Grafen besucht oder umgekehrt bringt ja wohl die augenblickliche verzwickte Lag« der auswärtigen Politik so mit sich. Darum aber braucht man an «inen Krieg noch gar nicht zu denken." Mehrere der Kameraden vertraten die entgegengesetzte Ansicht; mit besonders er bittertem Nachdruck Jspenhan. Wulkoff kannte den letzteren als einen stürmischen Draufgänger, den ein ungezügelter Taten durst mehr beherrschte, als vernünftige po litische Erwägungen. Gleichwohl schienen ihm aber die grimmigen Auslassungen Dieses Kameraden jetzt doch eine Beigabe irgend wel cher persönlichen Mißstimmung zu enthalten, und er wurde seit dem Verlassen des Bahn hofs zum erstenmal darauf aufmerksam. Die Offizier« hatten inzwischen den Palastplatz erreicht und blieben neben dem imposanten roten Granitkoloß der Alexander- säule einen Augenblick stehen. In der Tat, vor dem Ministerium des Auswärtigen hielt der leer« Wagen des japanischen Gesandten. Wulkoffs Vermutung zeigt« sich damit be stätigt. — Im Kasino angelangt, ging es ans Er zählen. Zu allem, was die in Petersburg geblie benen Kameraden bereits aus den Zeitungen wußten, erfuhren sie jetzt noch mancherlei interessante Einzelheiten. „Unsre Rüstungen sind dort unten schon im vollen Gange, wiewohl nicht nur das übrige Europa, sondern auch Rußland selbst noch immer eine fried liche Beilegung des Konfliktes zu erhoffen scheint," schloß Peter von Kleeberg seine Aus führungen üb«r die längst eingeleiteten russischen Truppenkonzentrationen in der Mandschurei, „die Kreuzerflott« von Wladi- wostock liegt allerdings in dem dick vereisten Hafen fest, aber die dort stationierten starken Eisbrecher können jederzeit ihre Tätigkeit be ginnen, die Hafeneinfahrt frei machen und auch in fahrbaren! Zustand erhalten. Unser Geschwader in dem eisfreien Hafen von Port Arthur dagegen ist in jeder Stunde zum Aus laufen klar." „Alles gut und Altrußland wird sich freuen, wenn Admiral Al«xej«w es an keiner Vorsicht fehlen läßt," meinte Wulkoff sinnend, „glaubst Du aber Kleeberg, daß die kleinen gelben Japs im stillen nicht ebenso eifrig rüsten wie wir?" „Natürlich tun Sie das, mein Freund; ich zweifle keineswegs daran und gehöre über haupt zu der leider nur sehr einzigen Partei, die in jenem Jnselreich der Zivilisations- Wunder einen nicht zu unterschätzenden Geg ner sieht. Unsre Staatsmänner, unsre Truppenführer, das Militär und di« großen Volksmassen verachten und unterschätzen die „Japanerchen" in unerhörter Weis«. Und wahrlich ohne Grund, wir mir scheinen will." „Die „Japanerchen" — ganz recht, in diesem Spottnamen spricht sich di« mitleidige Verachtung der kleinen gelben Kerlchen deut lich genug aus und leicht könnte es ja so sein, daß man sich hier einer falschen Beur teilung überläßt," nickte Wulkoff ernst, „noch ist das eine offne Frag« und wenn ich auch Offizier bin, so halte ich einen segensreichen Frieden doch für besser, als einen verwüsten den Krieg. Gott segne den Zaren und seine Regierung. Ich glaube, auch Seine Kaiser lich« Majestät würde sich nur schweren Her zens zum Krieg entschließen!" — Peter hatte bei seiner Rückkehr auf dem Schreibtisch eine Einladung vorgefunden. Für den nächsten Abend zu einem Hausball bei den Eltern seines Regimentskameraden Korolenko. Dieselben gehörten der besten Petersburger Gesellschaft an und machten ein großes Haus, denn sie waren nicht nur außerordentlich reich, sondern besaßen auch ein wahres Spinnennetz von Beziehungen zum Geburtsadel, zur großen Finanzwelt und zu den geistigen Kreisen der Newa-Ka pitale. Der alte Korolenko, aus adligem Hause stammend, war finanzieller Inhaber großer Jndustriewerke; da dieses Unterneh men aber nur sein Kapital und nicht seine Arbeitskraft beansprucht«, so konnte er die letztere zur Verwirklichung seiner eigentlichen Neigungen einsetzen, welch« auf das geistige Schaffen der Schriftstellerei gerichtet waren. Daraus ergab sich eine fast gleichmäßige Ver teilung der gesellschaftlichen Beziehungen