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Wett «m klick. s^^.'^l>2ll<^t>LL-»L^l>2L^Ü^>L-r2^>V^l>Ll>LL»ÄÜ^ Srrunäschatt. —' Roman von Hans Halm. I n sichtlicher Erregung betrat Fritz Wächter das festlich erhellte Haus des Bankiers Rudolphi. Seit zwei Wintern machte er Fräulein Beate Rudolphi den Hof und em pfand tatsächlich so etwas wie Neigung für sie, obwohl sie weder hübsch, noch im land läufigen Sinne liebenswürdig war, auch die Zwanzig schon bedenklich überschritten hatte. Wer den lustigen Assessor Wächter beob achtete, wie er als Fräulein Rudolphis bevor zugter Ritter schlank und frisch neben dem früh verblühten Mädchen über die Schlitt- fchuhbahn oder das fpiegelnde Parkett des Vallsaales flog, der zuckt« bedauernd die Achseln. Schade um den bildschönen Jungen! Er schien wahrhaftig die Absicht zu haben, sich an diese so wenig reizvolle Dame zu binden. Blendeten ihn die Hunderttauseude ihrer Mit gift? Doch er selbst war nicht ohne Vermögen. Sein Vater war «in wohlbegüterter Fabrik besitzer, der freilich mit dem Bankier Ru dolphi sich nicht messen konnte, aber seine drei Söhne doch so zu stellen vermochte, daß sie auf eine Geldheirat nicht angewiesen waren. Unbegreiflich! Zwei Freunde Wächters, welche in dem großen Garderoberaum ihre Bärtchen und Scheitel noch einer letzten gründlichen Bear beitung unterwarfen, hatten soeben einige flüsternde Bemerkungen über des Assessors „Geschmacksverirrung" ausgetanscht, als der Besprochene leichtfüßig und mit hellgerötetem Gesicht die breite, teppichbedeckt« Treppe hin aufsprang, und mit kameradschaftlichem Gruß zu ihnen trat. „Tag, Möller! Tag, Neuhaus! Sind wir mal wieder beisammen?" „Tag, Fritzchen!" sagte Möller mit einem etwas gespannten Ausdruck in seinen un jugendlich schlaffen Zügen. „Wie siehst Du denn heute aus? So — anders, — so — na —" er schnippte mit den langen, hageren Fingern, — „wie etwa ein Feldherr vor der Schlacht . . ." „Nein!" fiel der wohlbeleibt«, kleine Neu haus lachend ein. „Wie ein Beflissener der Gottesgelahrtheit vor der ersten Prüfung. Fritzchen —! Laß Dir noch einmal freund schaftlich raten . . ." Ueber Wächters hübsches, offnes Gesicht flog ein ärgerliches Erblassen. „WcH Ihr nur wollt! Ich bin doch kein Kind. Und auch die beste Freundschaft hat ihre Grenzen!" „Na, na, na!" beschwichtigte Möller. „Sei unbesorgt! Es war unser einziges und auch letztes Wort in der Sache, nur so ein schwa ches Aufflackern unsrer ehrlichen und warmen Gefühl« für Dich. Natürlich kannst Du tun, was Du willst. Doch so weit ich das Leben kenne und so weit ich Dich kenne . . . ah! aber wir sind nicht mehr allein!" Neue Ankömmlinge füllten den Raum mit Lachen, Plaudern und frischer Winter luft, welche sie von draußen mit herein brachten. Die drei Freunde betraten die glänzend erleuchteten Gesellschaftssäle. Herrliche Räume, welch« dem schloßähn lichen Aeußern des sehr großen Hauses ent sprachen. Weit und hoch, durch breit geöff nete Schiebetüren mit einander verbunden, wirkten sie durch die zartgetönte Farben harmonie ihrer Wand- und Deckenmalereien wie ein großes Ganze, und doch war durch die Anordnung der Möbel, Vorhänge, Ge mälde und Palmengruppen jede Gleichförmig keit in der Ausstattung durchaus vermieden. Nur einen Fehler hatten die geschickten Dekorateure begangen, oder besser gesagt, be gehen müssen: zu groß war die Fülle der hier zur Schau getragenen Kostbarkeiten, zu prah lerisch und ausdringlich die Gesamtwirkung dieses Millionärshaushaltes. Ein naiver Beschauer fühlte sich geblendet und verwirrt von all dem gleißenden Ge pränge, ein Mensch von feinem Geschmack aber sagte sich, daß weder Geist, noch wirkliche Bildung beherrschend und veredelnd den in diesem Haus« ausgehäuften toten Mammon dienstbar machte. Mit kritischem Auge musterte der Kenner die überreichlich vorhan denen Gemälde und Statuen. Wahrhaft Wertvolles hing und stand dicht neben stüm perhaften, wenn auch kostbar scheinenden Nachahmungen. Geld mochte Herr Rudolphi in Mengen haben, doch besaß er weder Kunst sinn, noch vornehmen Takt genug, um di« Weisheit des Wortes zu erkennen, daß erst in der Beschränkung sich der Meister zeigt. So war denn also die Ausstattung des Hauses Rudolphi kein Meister-, sondern Stückwerk geworden, da di« mit der Aus führung betrauten Künstler und Handwerker sich den besonderen Wünschen ihres leider sehr laienhaften Mäcen hatten fügen müssen, aber die hallenhohen Räum« waren an und für sich so schön, daß die Ueberfülle schim mernder Wertstücke sie zwar beeinträchtigen, aber den edlen Stil des Baues doch nicht ganz verdecken konnte. Fritz Wächter entdeckte den Herrn des Hauses, der in zwanglosem Geplauder mit einigen ihm noch bekannten Börsengrößen an einer Säule von rosig-weißem Marmor lehnte. Er war ganz die Persönlichkeit, welche dem aufdringlichen Prunk dieser Räume ent sprach. Breitschultrig und untersetzt. Sehr ge lichtetes, blondes Haupthaar. Ein weinge- rötetes, kluges, herrisches Gesicht mit etwas vorstehenden, blauen Augen. Eine schwere, goldene Uhrkette auf der weißen Seidenweste, und ein großer Brillant an der fleischigen Rechten. Nicht weit von ihm stand die älteste seiner Töchter. Die beiden jllngern waren schon seit Jahren an adlige Offiziere verheiratet und lebten in einer Garnison an der westlichen Grenze des Reiches. Sie sah ihrem Vater gar nicht ähnlich, diese Tochter, eine hohe, schlanke Gestalt von edlen, aber herben Linien. Ihr Gesicht war regelmäßig, doch' müde und farblos. Das Haar lag schlicht und glatt um die et was eckige Stirn. Sie war dunkelblond, ihre Augen grau, und sie trug ein Kleid von sehr weichem, graublauem Seidenstoff, — das, ohne von einem Gürtel gehalten zu sein, — in schönen Falten den priesterlich-keuschen Körper umfloß. Eine Zahl von Herren umringte sie, aber man sah es den wenig belebten Gesichtern an, daß sie, nur dem Gebot der Höflichkeit fol gend, sich der Tochter des Hauses widmeten. Die junge Dame gab sich auch di« denkbar geringste Mühe, ihren Rittern zu gefallen. Sie ließ sich von ihnen unterhalten, beant wortete das teilweis recht hohle Geschwätz über Theater, Sport und Wetter mit gleich gültigen Bemerkungen, und erst als Fritz Wächter zu ihr trat, belebte sich ihr Gesicht. Man wunderte sich nicht, daß dir beiden sich bald in ein Gespräch vertieften, das für niemanden sonst Bedeutung hatte, der Kreis um Fräulein Beate Rudolphi lichtete sich mehr und mehr, und bald sah man das hoch gewachsene Paar in angeregtestem Geplauder langsam nebeneinander den Saal durch schreiten. Bei diesem Anblick stockte die allgemeine Unterhaltung für einige Sekunden. Selbst Herr Rudolphi sah auf und unterdrückte ein leichtes Schmunzeln. Seit Jahren war es ein offnes Geheim nis, daß Beate dieses schönen, liebenswürdi gen Menschen wegen jeden andern Bewerber abwies, und ihr Vater hatte nichts Erhebliches gegen diese Verbindung einzuwenden. Freilich, für eine Beate Rudolphi wären selbst Grafenkronen nicht unerreichbar gewe sen, — aber — lieber Gott! — Sie war eben von andrer Art als ihre Schwestern, sie mochte ihre eignen Wege gehn, und bei der Familie Wächter waren die Verhältnisse so von Grund aus solide und achtenswert, daß von einer Mißheirat doch kaum die Red« sein konnte, — nein, gewiß nicht, schon ein solcher Ge danke kam einer Beleidigung gleich. Es war nur eine kleinere Gesellschaft heute, — ein tbo clansant. Fräulein Beate war weder eine leiden schaftliche, noch eine gute Tänzerin, und da her kam's, daß sie, von ihrem treuen Ver ehrer stets begleitet, den größten Teil der Zeit in irgend einem behaglichen Sofaplatz saß. Sie hatten etwas miteinander zu sprechen, die zwei. Sie hatten starke, geistige Inter- essen, und gerade, daß sie in der Auffassung neuer Kunsterscheinungen sehr von einander abwichen, machte den Gedankenaustausch le bendig und reizvoll. Fritz Wächter war der Sohn einer alt angesehenen, in jeder Beziehung konservati ven Bürgerfamilie. Seinem Geschmack wider strebten die Auswüchse moderner Kunstrich tungen so stark, daß er oft in Gefahr geriet, das Gute samt dem Krankhaft-Verzerrten zu verdammen. Beate dagegen war ganz ein Kind ihrer Zeit, durchdrungen von der Ueberzeugung, daß aus dem künstlerischen Sturm und Drang der Gegenwart eine glänzende Zukunft her vorgehen würde, die, befreit von allem Wust des Altüberkommenen, neue, ungeahnte Werte ! schaffen würde. Die zum Protzentum ausartendc Prunk- j sucht ihres Vaters war ihr in tiefster Seele zuwider, und sie machte Fritz Wächter gegen über durchaus keinen Hehl aus diesen Em pfindungen. Jetzt eben, lässig in einen sehr zierlichen Rokokosessel zurückgelehnt, stellte sie scherzend i gesprochene, aber ernst gemeinte Betrachtungen darüber an, was sie aus dem sie umgebenden I Raume machen würde, wenn „das gute Väter chen" ihr das Bestimmungsrecht zugestände. I Sie Pflegte in einem mitleidig-spöttischen Ton von ihrem Vater zu sprechen, — einein Ton, der Fritz Wächter immer wieder ver letzte, denn wenn er auch überzeugt Ivar, daß Beate in jeder Beziehung sich ihrem Vater überlegen fühlen konnte, so war ihm von seinen tüchtigen und liebenswürdigen Eltern doch eine so tiefe Ehrfurcht vor dem lebens- erfahrenen Alter eingeprägt worden, daß el — offen und ehrlich wie er war — Beate immer wieder auf das Ungehörige ihrer Aus drucksweise aufmerksam machte. Sie lachte nicht über seine ihr etw^ „hinterwäldlerisch" dllnkenden Ansichten, nein, dazu war sie zu zartfühlend.