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daß nach der ausgestellten Rechnung für jeden der bestimmten zwanzig Arme festgesetzt werden konnte: 1 Pfd. Fleisch zu 2 Marieugr., 1 Pfd. Butter (nach dem Marktpreise 11 Pfd. für 1 Rthlr.), 1 Pfd. Mehl (32 Pfd. kosteten 1 Rthlr.) und ein Hünten Roggen zu 15 Marien- groschen 4 Pf. Um nun gerecht in allen Theilen zu Verfahren, wurde beschlossen, das Samaritcrwe-k dieser Stunde zwischen der Alt- und Neustadt zu theilen, und so sollte es immerdar bleiben. Denn leider war der Haß zwischen den beiden Stadtlheilen eine rechte eingewurzelte alte Sunde die, von dem Egoismus geboren, sich bis in unsere Gegenwart hinein vererbt hat. Mit Neid sah die Altstadt auf das Empvrblühen der Neustadt und suchte das Gedeihen der Pfahlbürger, wie man sie spöttisch nannte, auf alle Weise zu hintertreiben. Und doch sind sie einer Mutter Kinder und müßten sich unterstützen, um zu dem Wachsen und Gedeihen der Mutter Hannvvera kräftiglich beizutragcn, damit Wohlstand sich ausbreite und die Sorge und Armuth nach und nach verschwinde. Als der „Neue Bürgcrclub" sich auf den Heimweg machte, da sah mau des Schneiders Gesicht vor Heiterkeit strahlen, und selbst Conrad Ziehn schaute mit hvffnungsfrohem Lächeln in die lenzgrüne, erwachende Natur hinaus; er trug den schwachen Schimmer der Hoff nung mit heim in sein enges Stübchen. Herr Josias Burchard aber ging ernst und düster an der Seite seines Sohnes und des Assessors und ließ schweigend die beiden jungen Männer ihre Lnftschlösser bauen. Bei der Sammlung für die Armen, Welche sein eigener Sohn wie eine schwere Vorbedeutung für ihn selbst angeregt, tauchte.urplötzlich das Gespenst der Armuth und Noth vor ihm auf und hielt ihm drohend den anonymen Brief entgegen. Die fürchterliche Vision wollte ihn nicht verlassen, sie schnürte ihm krampf haft die Brust zu und drohte ihn zu ersticken. Dazu kam die Reue über die Worte, mit welchem er einer in seinen Augen unheilbringenden Neuerung den Weg geebnet. Et gab im Stillen Meister Tappen Recht und beschloß, die weiblichen Mitglieder seiner Familie nicht diesem Strudel preis zu geben. Mochte man ihn wankelmuthig schelten, wenn ihm nur die Achtung seiner Mitbürger blieb. Er dachte, wie er so schweigend dahinschrilt, an feinen Sohn Ludwig, von dem er noch immer keine Nachricht erhalten, wie durch diesen stillen und braven Sohn doch die erste Revolution in dem sonst von den Vätern vererbten streng geschäftlichen Gang des angesehenen Hauses vollbracht worden und der verderbliche Zunder der Neuerung fortgeglimmt hatte. „Ich passe nicht mehr in diese Welt hinein," seufzte er in sich, „möge Gott mich Heimrufen, bevor mein Name vielleicht von dem Brandmahl der Armuth und der Uuehrenhafligkeit befleckt werde." Er schauerte zusammen, und in diesem Augenblick sprach sein Sohn Carl: „Meister Tappen gehört zum Moder der Vergangenheit, die Zukunft jedoch der freien Jugend!" „Ja, ins Grab mit den Alten!" murmelte Herr Josias, und seine Augen irrten trübe in die Ferne. Sechstes Capitel. Der Kammerherr Pompejus v. Poutpietein schritt am Sonntage Dor der Ankunft des Königs triumphirend im Schlosse umher, um die Ausführung der Anordnungen zum würdigen Empfange des Monarchen, welche ihm zu feiner Genuglhuung nach der schmählichen Niederlage in dem „Neuen Club" übertragen worden waren, zu inspiciren. Alles, bis aus einige kleine Fehler, schien seiner strengen Kritik zu genügen, und sclwn stand er im Begriff, sich nach dem Versamm lungssaal zu begeben, wo jeden Sonntag, als wäre der König an wesend, sich der gesammte hoffähige Adel versammelte, um nach den Vorschriften der Etiqnette eine regelrechte Cour abzuhalten, als ihm plötzlich wie ein Gespenst der Hofjunker v. Albendyl in den Weg trat. Der Kammerherr schrak zurück und wollte dann, seinen Zorn be kämpfend, mit einer kurzen Verbeugung an ihm vorüberschreiten. „Eine Minute, Herr Kammerherr'," rief Albendyl, „ich habe Sie leit heute früh vergebens gesucht, jetzt entkommen Sie mir nicht." „Was begehren Sie von mir, mein Herr?" fragte Poutpietein mit gerunzelter Stirn. „Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzutheilen," fuhr der Junker geheimnißvoll flüsternd fort, „eine hohe Dame vom Hofe zu St. James verlangt einen Dienst von Ihnen." Der Kammerherr blickte ihn überrascht und mißtrauisch an. „Darf ich Sie in Ihrer Wohnung aufsuchen, Herr Kammerherr?" fuhr der Junker dringender fort, „hier ist kein geeigneter Ort zu Staatsgeheimnissen." Das war Herrn Pompejus' schwache Seite, er witterte gar zu gern einen Staatsmann in sich selbst, wie konnte er also diese Gele genheit vorübergeheu lassen? und war Albendyl auch sei» Feind, so mußte er doch in dieser Hinsicht ebenfalls ganz Hosnian» gegen ihn sein. Er verbeugte sich deshalb noch einmal höflich und entgegnete: „Nach der Cour stehe ich zu Ihrem Befehl, Sie wissen doch meine Wohnung, Leinstraße Nr. 29." Dann schritt er mit hocherhobenem Haupte in den Coursaal, von Albendyl gefolgt, der sich behaglich das glatte Kinn strich. Hier in diesem Saale ging Alles den regelmäßigen Gang, als ob der Monarch selbst zugegen wäre. Auf einem Lehnsessel befand sich das Bildniß des Königs, vor welchem sich jeder Eintrcteude ver beugen mußte, und als wäre die Majestät persönlich gegenwärtig, sprach man nur leise unter einander. Diese stille Unterhaltung währte eine : Stunde. Dann begab man sich in den Speisesaal und trank auf das - Wohlergehen des entfernten Landcsvaters. Das war des Kammerherrn v. Poutpietein einzige wahre Herz- s stärkung für die ganze Woche, die reine, unverfälschte Etiquctte. Ohne sich weiter nach dem Hofjunker umzuschen, verließ er das ! Schloß, und nach kaum zehn Minuten befanden sich die beiden Hos- männer mit freundlichem Lächeln in des Kammerherrn Zimmer einander gegenüber. „Nun?" fragte Letzterer, erwartungsvoll mit feiner Tabatiere spielend. „Sie haben doch von der Gräfin Aarmouth gehört, mein Ver ehrtester?" Hub Albendyl ohne Umstände an. „Gräfin Darmouth? — o doch, ganz sicher, Sr. Maj. Freundin—" „Richtig, lieber Kammerherr," versetzte der Junker. „Nun, diese hohe Dame hat von Ihrem diplomatischen Talente gehört, und Sie ahnen nicht, durch wen?" „Sie spannen mich auf die Folter, mein Bester!" „Durch meinen Bruder Richard, — er ist beliebt bei der Grälln, und außerdem in Verzweiflung über die fatale Geschichte, deren Opfer Sie fein sollten. Sie thaten meinem Bruder Unrecht, der elende Türke, der Königstreu, trug die ganze Schuld." Der Kammerherr runzelte die Stirn und blickte ihn herausfordernd an, dann deutete er auf die Schmarre im Gesicht des Junkers und fragte ironisch: „Sie sind Ihrem Bruder aber merkwürdig ähnlich, mein Bester, selbst diese Narbe besaß Junker Richard, irre ich nicht, so rührte sie als Erinnerung von einem Duelle her, hier in Hannover glaub' ich sogar, mein Verehrter! Lion äiou! hatten Sie diese Aehn- llchkeit schon bei der Geburt?" Der Junker hatte nicht an die fatale Schmarre gedacht; sollte der einfältige Kammerherr diese schlaue Wahrnehmung aus dem eigenen Hirn geschöpft haben? Der Gedanke alterirte lhn ein wenig, doch war Richard Albendyl nicht der Mann, über dergleichen die Fassung zu verlieren; er lächelte leicht, trat dann vor den Spiegel und ent gegnete ruhig: „Ja, sehen Sie, mein bester Herr Kamnerherr, das war eine Caprice von mir, mou ciiau! Sie werden's mir kanm glauben. Ader als ich meinen Bruder Richard wiederjah und die Veränderung, welche uns Beide zu meinem größten Leidwesen unterschied, wahrnahm, saßte ich den Entschluß, mir selbst eine solche Verwundung, genau von der Größe jener Schmarre, beizubringen. Nun, sprechen Sie, ist eS mir gelungen?" Es war eine gewagte Lüge, aber sie wurde zu keck und überzeu gend vorgebracht, als daß H"r Pompejus v. Pontpietein sie nicht hätte glauben sollen. „Nun, das gesteh' ich," rief er mit dem Ausdruck der höchsten Bewunderung, — „so etwas ist mir aber noch nicht vorgekommen, Herr v. Albendyl! Dessen wäre ja ich selbst kaum fähig gewesen. Nun aber fahren Sie fort, mein Bester, ich bin in der That sehr neugierig." „Mein B.uder Richard schreibt mir gestern, er sei sehr krank und könne deshalb mit Sr. Majestät nicht nach Hannover kommen. Nun aber befinde sich im Gefolge des Königs ein Mann, der, unser per sönlicher Feind, vor zwei Jahren aus der guten Gesellschaft durch sein uncavaliermäßiges Betragen buchstäblich verbannt worden fei." „Ah, Sie meinen Mehemet v. Königstreu, den Türken?" fiel der Kammerherr ein. „Denselben, mein Lieber, er ist des Königs Günstling und in- triguirt gegen jeden Mann von alter Geburt, bloß, wie Sie leicht be greifen werden, um Parvenüs, wie er selbst, in den Staatsdienst und' an den Hof von St. James zu bringen. Liol! lieber Kammerherr, er war's ja damals, wie mir Richard schon früher erzählte, der den Affront herbeiführte und schließlich die Bosheit so weit trieb, Ihren ehrenwerthcn Namen in jene häßliche Geschichte zu verflechten. Mein armer Bruder mußte für feine aufopfernde Freundschaft die Folgen tragen." „Also Sie glauben wirklich?" fragte der Kammerherr zweifelnd. „Ja, ich habe sogar die Ueberzeugung, mein lieber Kammerherr! mon ckiou! Kaum mag meine Zunge die Betise wiederholen. Es war in einer Aoendgesellschaft, wir waren heiter und die Rede kam auf jenen Scandal in Hannover. Lia toi! wie freute sich der Türke seines Streichs, welche Glossen gab er zum Besten, Glossen, canniba- lische Witze, mein Lieber, und Sie, wie noch eine edle junge Dame hiesiger Stadt, dienten zur Zielscheibe." „Ich also, ich zur Zielscheibe seiner Glossen!" rief der Kammer herr außer sich vor Zorn, „und die edle junge Dame, o! ich kenne sie sehr wohl, Hedwig v. —" Der Junker schnitt ihm rasch das Wort vom Munde. „Nennen Sie keinen Namen," rief der schlaue Judas, „ich habe nichts gehört und Niemand weiter genannt. — Merken Sie auf, Sie kennen jetzt Ihren wahren Feind. Mein Bruder erzählte der Gräfin Aarmouth Ihre Geschichte, er bat um ihre Protection für Sie, lieber Kammerherr, sie war entzückt von Ihren Verdiensten um die Etiquctte und beschloß, Sie zu belohnen. Nun, Herr Kammerherr! machen Sie sich nur aus eine glänzende Auszeichnung von Seiten des Königs ge faßt. Uebrigens rechnet die Gräfin dabei auf Ihre Ergebenheit, da sie nothwendig Ihrer diplomatischen Schlauheit bedarf um unsern gemeinschaftlichen Feind für die Zukunft unschädlich zu machen und aus des Königs Gunst zu verdrängen." „Sie verstehen unter diesem gemeinschaftlichen Feind den Türken Mehemet?" fragte der Kammerherr nachdenklich, während ein trium- phirender Zug über sein Antlitz glitt. Er dachte an Philipp v. Wüllen, welcher ihm ebenfalls einen gemeinschaftlichen Feind gezeigt hatte, und das außerordentlich stolze Gefühl, daß er doch ein merkwürdig kluger Mann sein müsse, da man sich von so verschiedenen Seiten um seine Gunst und Dienste bemühe, schwellte seine Brust. „Natürlich meine ich den Türken Mehemet, den Todfeind der guten Gesellschaft," versetzte Albendyl ungeduldig, „Ah," rief Pompejus, pathetisch die Rechte erhebend, „ich werde mich an ihm rächen, das leidet keinen Zweifel. ES kommt nur auf das „Wie" und „Wo" an." „Der Türke kommt mit dem Könige nach Hannover." — soll ich mich mit ihm schlagen? — Es ist ein blut gieriger Mensch, und ich würde den Kürzeren ziehen." „Dagegen möchte ich nicht steilen, mein Verehrtester!" lachte Albendyl. „Nein, das hieße, seinem Feinde gar leicht den Sieg ver schaffen. Die Waffen der Gewalt kennt Herr Mehemet, — aber List und Klugheit sind ihm unbekannte Dinge; — er ist ein schlechter Hofmann." (Fortsetzung folgt.) Die Unkenntniß oer neuen deutschen Justizgesetze hat für Viele große Nachtheile an Zeit-und Geldopfer gebracht. Es ist daher eine Noth- wendigkeit, daß sich ein Jeder damit vertraut macht, und dies geschieht am leichtesten, wenn Niemand die geringen Kosten von 1 Mk. 2N Mf. pro Vierteljahr scheut und dafür die wöchentlich 2 Mal erscheinende „Deutsche Gkrichts-Mliug" welche in jedem Laien verständlicher Weise das Wissenswertheste ver» öffentlicht, bei der nächsten Postanstalt oder dem Briefträger abonnirt.' 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