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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr. 63.Freitag, den 10. Änanst 1877. Das Königliche Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts hat alljährlich über eine bestimmte Summe zum Zwecke der Begründung und Unterstützung von Volksbibliotheken zu verfügen. Die Stadtgemeinderäthe zu Wilsdruff und Siebenlehn sowie sammtliche Gemeinden und Corporationen im hiesigen amtshaupt mannschaftlichen Bezirke werden hierauf mit dem Bemerken aufmerksam gemacht, daß etwaige, näher zu motivirende, Unterstützungsgesuche bis Ende September dieses Jahres anher einzureichen sind. König!. Amtshauptmannschast Meißen, den 2. Augusts. von Boffe. Bekanntmachung. Da die Sicherheit des Verkehrs auf öffentlichen Wegen auch dadurch gefährdet wird, daß sich Führer von Handwagen — wie häufig wahrzunehmen — beim Bergabfahren auf letztere setzen, so wird dieses Gebühren im Anschlusse an die unterm 10. vorigen Monats von hier aus erlassene Bekanntmachung, das Aussetzen von Personen auf mit Hunden bespannte Wagen betreffend, mit dem Bemerken hierdurch verboten, daß etwaige Zuwiderhandlungen mit Geldstrafe bis zu 50 Mk. oder entsprechender Haftstiafe werden geahndet werden. Meißen, am 5. August 1877. Königliche Amtshauptmannfchast. von Boffe. Oberscldhcrr, hat die Zurückverlcgung des russischen Hauptquartiere- von Bjelv nach Simnitza wegen der hcrannahendcn Türken erbeten, der Kaiser hat die Verlegung abgclehut. Der Oberscldhcrr klagt, daß die Anwesenheit des Kaisers der einheitlichen Kriegführung schade, Fürst Gortschakoff, der Kanzler klagt, daß die Militärs nicht nur den Krieg, sondern die Politik ihm aus der Hand genommen hätten, daß die Mililärpartci nur in Constantinopcl Frieden schließen wolle und er hat seinen Abschied erbeten. Nach alle dem scheinen die Siege der Türken bei Plewna in zwei oder drei Schlachten größer und solgenreichcr gewesen zu sein als es anfangs schien. Die Nachricht, daß Plewna zuletzt doch noch von den Russen genommen worden sei, hat sich bis jetzt nicht be stätigt, die russischen Depeschen schweigen und die drei türkischen Heere nähern sich der Vereinigung und dringen vor. Eine Krisis für die russische Kriegsführung ist eingetreten, die sich in der Mobilmachung der Petersburger Garde spiegelt. Die rumänischen Eisenbahnen sind acht Tage lang für den Verkehr gesperrt, sie dürfen nur russische Truppen und Güter befördern. In Petersburg herrscht statt „allge meiner Enthusiasmus" (s. o.) gedrückte Stimmung, Geldklemme und Geschästsstvckung. Die in Oesterreich beschlossene, aber noch nicht aus- gesührte thcilweise Mobilisirung soll — nach den neuesten Nachrichten — verhindern, daß Serbien sich dem Kriege ««schließe, wie es be- , reits Rumänien gethan hat. Sie ist eine Verwarnung. — Die nächsten : Tage werden viel Wichtiges vom Kriegsschauplatz bringen. Glück für Amerika, sagt das „S. B.", daß die Zahl der geschulten Socialdemokraten dort nicht so groß ist, daß sie die Leitung der Be wegung übernehmen konnten. Denn wenn dort die unzufriedenen Elemente bereits so organisirt wären, wie z. B. bei uns, so würden dieselben bei der großen Kampflust der Volksmossen die großen Städte bald in ihre Gewalt gebracht und so den Bestand des Staa tes bedroht haben.— Sehr richtig, und wer weiß, was noch geschieht! Vertretungen und der regierenden Elasten der Bevölkerung eingewirkt § hat, ist das „Eisenbahnwesen." Amerika besitzt, wie schon erwähnt, > nur Actienbahnen. Der Gründung;-, Bau- und Verwaltungs- i schwindel auf diesen amerikanischen Actienbahnen übersteigt Alles, was in anderen Ländern auf diesem Gebiete geleistet worden ist und das will viel sagen. Noch harrt dieser staatsverderbliche, culturver- nichtende Eisenbahn-Actien-Schwindel des Griffels, welcher ihm eine würdige Darstellung widmen wird. Einige wcrthvolle Beiträge zu einer solchen Darstellung findet man z. B. in einer in Boston er schienenen Schrift. Es ist durch offizielle Untersuchungen der gesetz gebenden Körperschaften der Union selbst actenmäßig erhärtet, welche bodenlose, entsetzliche Corruption namentlich dieser Eisenbahn- Actien-Schwindel in die Volksvertretungen der Union hineingetragen hat. Es ist da ganz gleichmäßig geschwindelt worden bei der Grün bung, beim Bau und bei der Verwaltung dieser amerikanischen Actienbahnen und die Bestechung der Volksvertretungen und Behörden ist dadei vollkommen gewerbsmäßig im colossalsten Maßstabe betrieben worden. Die Eisenbahnen wurden von den Directvren und Ver- waltungsräthcn in größter Ausdehnung auch während der Verwaltung benutzt, um theils 'in künstlichen Spc'culationen mit den Actlen der selben, theils an den Lieferungen rc. möglichst viel zu „verdienen", ohne Gewissensscrupel auf die dabei anzuwendenden Mittel. So greifen die „Erfolge" der wirthschaftlichen und der politischen Pscudosreiheit wie Räder eines Uhrwerkes in einander. Es ist ein Berlin, 6. August. Die „Nat.-Ztg." bemerkt: Die diplo matischen Vorgänge unter den Dreikaisermächten scheinen in eine kritische Woche getreten zu sein. Kaiser Franz Joseph ist am 6. August nach Ischl gereist. Die Zusammenkunft des österreichischen Herrschers mit dem deutschen Kaiser ist für Mittwoch vorgesehen; uutcr den gegenwärtigen Verhältnissen erhält diese Zusammenkunft eine wesentlich erhöhte Bedeutung. AuS Mecklenburg wird den Hamburger Nachrichten geschrieben: Eine uns aus guter Quelle zukommcnde Acußerung des Feldmarschalls Grafen Moltke über den jetzigen Krieg Rußlands gegen die Türkei ist zu characteristisch, als daß sie der Oeffeiitlichkcit vorenthalten werden sollte. Eine hohe fürstliche Persönlichkeit fragte kürzlich den berühmten Strategen über seine Ansicht hinsichtlich des jetzigen Krieges und ob er nicht einen baldigen vollständigen Sieg der Russen und eine gänzliche Unterwerfung der Türkei voraussage. „Gewiß werden die Ruffen die Türkei vollständig besiegen, sobald ihrem Oberbefehls haber nur die vier G nicht fehlen, deren jeder Feldherr bedarf", ant wortete Moltke. „Und welche vier G meinen Sie damit, lieber Feld marschall?" sprach neugierig der Frager. „Geld, Geduld, Genie und Glück", antwortete Graf Moltke mit leisem Lächeln und leichter Ver beugung. Das sind wunderbare Petersburger Depeschen! Hier ist eine und die wichtigste. Sie lautet: „Petersburg, 4. August. Heute ist ein kaiserlicher Ukas veröffentlicht worden, wonach 188,000 Land- wehrmänncr erster Klasse cinberusen werden. Dieser Ukas ist vom Kaiser Alexander in Bjela 22. Juli unterschrieben. Hier herrscht all gemeiner Enthusiasmus." Andere Depeschen ebendaher melden: Der Czaar hat befohlen, daß die ganze Garde und mehre ändere Corps sofort mobil gemacht und zur Kriegsarmee an der Donau, ein kleiner Theil zur Kaukasus-Armee abrückcn sollen. Großfürst Nicolaus, der Tagesgeschichte. Dresden, 5. August. Wie Hütten wohl unsere Schwärmer für die „wirthschaftliche Freiheit" ahnen können, daß Amerika, das Land, in welchem ihr Ideal im ausgedehntesten Maaße verwirklicht worden, zu einem Umsturz aller gesellschaftlichen Ordnung schreiten werde! Nach ihrer Meinung müßten die Vereinigten Staaten ein Musterstaat sein, und nun bricht dort gerade ein blutiger Kampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus, ein Kampf, der viel leicht'für lange Zeit das Land in Unruhe erhalten wird, und der wohl kaum durch die Handvoll Bundcstruppen beendet werden dürfte. Wenn die Revolte nicht srühcr ausbrach, so hatte dies seinen Grund darin, daß ein directer Anstoß fehlte. Ein solcher wurde durch die Herabminderung der Löhne der Heizer und Bremser der Bahnen, die in Amerika sammt und sonders Actienbahnen sind, gegeben. Man hat zuerst Eisenbahnen im Uebermaaß gebaut, dann die Actien der selben durch unverhältnißmäßige Vermehrung uneinträglich gemacht. Man will nun diesen Besitz durch möglichst geringe Verwaltungskosten bis zur Grenze des Möglichen ausbcuten und gewinnrcich machen. Daher eine einheitliche Lohnherabsetzung. So charakterisirt sich der sogenannte „Eiscnbahnkrieg" also auch als ein Resultat der Acticn- wirthschast, oder wie sogar der ministerielle Berliner „Prov. Corr." zuglebt, hat er seine Ursache in „einem über alle Maaßen rücksichts losen Mißbrauch der Capitalspeculation." Dieselben Mißbräuche, welche überall eine Hauptursachc der Corruption bilden, mußten in Amerika um so verderblicher wirke», je geebneteren Boden sie vor- saudcn. Und ein solcher war unleugbar da, und zwar mehr, wie anderswo. Die häufige Wiederholung der directcn Wahlen, bei welchen ein vollständig organisirter Bccinflußungsapparat in An wendung kommt, dcr Stimmcnkauf, die gegenseitige pöbelhafte Be schimpfung und Schmähung, die in dcr Revolverpresse begann und nicht selten mit Anwendung wirklicher Revolver endete, mußte noth- wendig zu einer Brutalisirnug des „süßen Mob" sichren, dcr durch die in Folge des Krachs von 1873 beschäftigungslosen Arbeiter riesen haft angewachsen ist. Und wie durch die Wahlmanöver dir Massen, so wurden dnrch den Actienschwindel die „erwählten Volksvertreter" der Corruption in die Arme geführt. Eines dcr Gebiete, aus welchem dcr Actienschwindel in den Vereinigten Staaten am vcrhängnißvollstcn gewüthct und wo er mit am meisten auf die Corruption dcr Volks-