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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt Ar die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Witsdrnff. Die^r Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstag« u. Freitag« und kostet pro Quartal I Mark.— Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag« 12 Uhr. 22. Freitag, den 16. Marz 1877. Von dem unterzeichneten Gerichtsamte soll den 17. April 1877 das dem Bäckermeister Heinrich Oswald Beege in Nlothfchönberg zugehörige Hausgrundstück No. 10 des Katasters und No. 8 des Grund- und Hypothekenbuches für Rothschönberg, welches Grundstück am 6. Februar 1877 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 4428 Mark —- gcwürdert worden ist, nothwendiger Weise versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Wilsdruff, am 8. Februar 1877. Königl. Herichts-Amt. Lage»-efchichte. Du liebes Wilsdruss freue Dich, eine Eisenbahn bekommst Du sicherlich — und wenn es nur eine Chaussee-Eisenbahn ist. Ucber eine solche Art von Eisenbahnen bringen die großen Zeitungen jetzt ausführliche Berichte, so auch die „Berliner Börsenzeitung"; in einem dieser Berichte heißt es: „Nicht Secundärbahnen mit all den kostspieligen Apparaten der Haupt-Linien, mit enormen Kosten sür Erwerbung von Grund und Boden, sür Erdarbeiten, Bahn- Höfe, Controle »c. brauchen wir, sondern es müssen die jetzt so verödeten Chausseen selbst zum Theil in Bahnen verwandelt werden." Zur Ausführung dieser normal- spurigen Loealbahnen heißt es in dem Artikel dann weiter: „Der Kreis- resp. der Proviucialverband, von dein die Chausseen jetzt ressortiren, gestattet einem Privat unternehmer resp. einer Local - Actiengescllschast die Legung von Schienen auf der einen Seite der Chaussee, derart, daß die Halste bis zwei Drittel derselben sür den Wagenvcrkehr frei bleibt. Hierbei macht der Kreis, beiläufig gesagt, ein ausge zeichnetes Geschäft indem der von den Schienen in Anspruch genommene Chauffee- fireisen nicht mehr unterhalten zu werden braucht, resp. von dem Bauunternehmer unterhalten wird. Letzterer hat nun keine weiteren Kosten, als die Legung der leichten Schienen, die Befestigung einiger Brücken, allenfalls das Verlassen der Chaussee bei sehr belebten Ortschaften mit schmalen Straßen und die Erbauung einiger Schuppen. Bahnhöfe fallen weg, der Schaffner zieht, wie bei den Pferde bahnen, das Fahrgeld selbst ein, und der Unternehmer hat nur noch dafür zu sorgen, daß irgend ein Geschäftsmann in der Nähe der Haltestelle gegen Provision die An nahme von Gütern übernimmt. Selbstverständlich fallen auch die Bahnwärter fort, und es genügt bei der geringen Fahrgeschwindigkeit von 10 bis höchstens 20 Kilo meter pro Stunde, das Anschlägen einer vor der Locomitive angebrachten Glocke, um die Vorübergehenden zu warnen. Natürlich dürfen auch solche Bahnen nicht mit gewöhnlichen Locomotiven sondern nur mit solchen Maschinen befahren werden, die ohne Geräusch arbeiten und womöglich mit dem Passagierwagen verbunden sind, wie sie der Ingenieur Brunner in der Schweiz und Rowan in England seit längerer Zeit bauen. Eben an das System, welches der letzgenannte Ingenieur zur Aus führung bringt und für dessen Aussührung derselbe bereits auch bei uns in Berlin teste Anknüpfungen gewonnen hat, anknüpsend können wir Folgendes berichten: Die sür diese Bahnen construirten Wagen dienen zur Beförderung von Personen sowohl als auch von Gütern. Der Bau der Wagen ist darauf berechnet, Steigungen von 1:20 und Krümmungen von 45 Fuß Radius befahren zu können. Die Ma schinen dieser Wagen sind von der einfachsten Construction, und die einzelnen Theile zu jeder Zeit leicht zugänglich, sie haben patentirte Condensationsapparate und ar beiten geräuschlos ohne sichtbaren Dampf und Rauch; die Construction des Kessels ist dabei der Art, daß Reinigung wie Besichtigung mit großer Leichtigkeit geschehen kann. Der sür diese Anlagen nöthige Oberbau ist durchaus einfach, und empfiehlt sich speciell die Ausfühung derselben ganz in Eisen, damit das öftere Ausleihen der Straßen vermieden Wird. Die Aussührung einer solchen Normalspurbahn mit Dampf betrieb ist nun von einigen Interessenten in Dresden angeregt worden. Die be treffende Compagnie hat bei der Regierung die Concesfion für eine Linie von Wilsdrufs auf der Chaussee über Kesselsdorf, Gorbitz, Wölfnitz und Löbtau nach Dresden, weiter durch Dresden hindurch und über Steinsee, Tolkewitz, Laubegast bis zur Pontoriercaserne Kleinschachwitz (vis-a-vis dein Königlichen Schloß Pillnitz) nachgesucht. Soweit diese Linie städtisches Gebiet berührt, hat der Rath von Dres den in seiner Sitzung vom 28. Februar d. I. beschlossen, in nähere Verhandlungen mit den Betheiligten cinzutrcten. Vor definitiver Ertheilung der Concesfion wird eine umfassende Probefahrt mit dem Rowanschen Dampfspurwagen stattfinden und da derselbe sich bereits bei anderen Probefahrten als vorzüglich bewährt hat, so ist wohl anzunehmen, daß das in Dresden gegebene Beispiel auch anderweitig anregend wirken wird. Die Fraction der deutschen Conservativen hat im Reichs tage einen Antrag zur Gewerbeordnung eingebracht, welcher vor nehmlich den Zweck verfolgt, das Lehrlings- u. Gesellenwesen wieder in geregelte Bahnen zu lenken und dadurch dem Handwerk und Klein gewerbe den sittlichen Halt wiederzugeben, aus dessen Verlust der so oft beklagte Nothstand des kleinen Bürgerstandes wesentlich mit hcr- stammt. Der Gesetzentwurf enthält hauptsächlich folgende Be stimmungen. In Betreff der Gesellen wird angeordnet: Die Gesellen und Gehilfen sind verpflichtet Arbeitsbücher zu führen. Das Arbeitsbuch muß enthalten: u) 'Namen, Tag der Geburt, sowie die Feststellung der Person erforderlichen Angaben, d) bei Solchen, welche in einem Lehrlings verhältnisse gestanden haben, Angabe über die Dauer und Beendigung der Lehrzeit, e) die Eintragung der Arbeitgeber über: die Dauer und Art des Arbeitsverhältnisses, sowie die Veranlassung des Austritts aus der Arbeit (Kündigung und dergleichen). Die Gesellen und Gehilfen können fordern, daß in das Arbeitsbuch außerdem eine Bescheinigung über Befähigung, Leistung, Fleiß und Betragen ausgenommen werde. Arbeitgeber, welche Gesellen und Gehilfen ohne Arbeitsbuch in Arbeit nehmen, werden mit Geldbuße bis zu 150 Mark oder im Falle des Unvermögens mit entsprechender Haft — Gesellen und Gehilfen, welche ohne Arbeitsbuch in Arbeit treten, mit Geldbuße bis zu 30 Mark oder im Falle des Unvermögens mit entsprechender Haft bestraft. In Hinsicht der Lehrlinge wird Folgendes bestimmt: Der Lehrvertrag ist schriftlich abzuschlicßen. Er muß enthalten: a) über die gewerblichen Verrichtungen, in welchen der Lehrling zu unterweisen ist, b) über die Dauer der Lehrzeit, sowie die etwaigen besonderen Bedingungen, unter welchen der Vertrag vor Ablauf der Lehrzeit einseitig aufgehoben werden kann, e) über Vereinbaruug einer Probezeit, innerhalb welcher beiden Theilen der Rücktritt vom Lehrvertrag freisteht, 6) über das Lehrgeld, beziehentlich über die unentgeltliche Unterweisung oder den Lohn des Lehrlings. Die Lehrzeit muß eine mindestens zweijährige sein. Die Probezeit muß mindestens eine Woche betragen. Der Lehrling, welcher widerrechtlich die Lehre verläßt, wird mit Geldbuße bis zu 30 Mark oder Haft, — der Arbeitgeber, welcher einen solchen Lehrling Wider besseres Wissen in die Lehre oder in Arbeit nimmt, wird mit Geldbuße bis zu 150 Mark oder im Falle des Unvermögens mit entsprechender Haft bestraft. Lehrlinge, welche widerrechtlich das Lehrverhältniß verlassen, sind dem Lehrherrn, wenn er dies beantragt, auf Anordnung der zuständigen Behörde (Z 108) im Wege polizeilichen Zwanges wieder zuzuführen. Das königlich s. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unter richts hat mittels Verordnung an die Bezirksschulinspeclionen des Landes angeordnet, daß der Geburtstag Sr. Majestät des Königs, dafern derselbe auf einen Schultag fällt, künftig in allen Volksschulen durch eine entsprechende Feierlichkeit ausgezeichnet werde, und ist den Bezirksschuliuspectoren die Ermächtigung crtheilt worden, an dem gedachten Tage Schulfreiheit zu gestatten. Der Streit, ob das Reichsgericht in Berlin oder Leipzig zu errichten ist, wird im Reichstage entschieden werden. Die National- Zeilung ficht für Berlin, oft in einem etwas hohen Tone. „Das Reichsgericht, sagt sie, hat an der Großziehnng deutscher Staatsge sinnung empfangend und gebend mitzuarbciten." Man entgegnet ihr mit Recht: Damit hat das Reichsgericht nichts zu lhun. Es hat eine einzige hohe, aber stille und allem Parteizank entrückte Aufgabe: Recht zu sprechen. Wer ihm mehr zumuthen will, entwürdigt die Justiz sowohl als das Reich; denn die Autorität des Reiches mutz außer Frage stehen, einerlei ob das Reichsgericht in Berlin oder Leipzig, in Straßburg oder Königsberg seinen Sitz hat. Wie man der Wes. Ztg. aus Reichslagskrcisen schreibt, würde Fürst Bismarck selbst bei Berathung des Reichsgerichtsgesetzes für die Wahl Berlins cintrcten. Die Vertagung des Reichstags wird dem Vernehmen nach schon am 24. März eintreten, da man die Besorgniß hegt, daß während der Charwoche die Beschlußfähigkeit gefährdet sein könnte. Berlin. Zum Geburstag des Kaisers haben bereits zahlreiche Fürsten ihren Besuch angemeldet, darunter der König und die Königin von Sachsen, die großh. badische Familie rc. München, 8. März. Mit der Aufschrift: „Wann wird endlich dem schamlosen Bettel zur Unterstützung der Feinde Deutschlands ein Ziel gesetzt!" bringt die „Passauer Ztg." folgenden Artikel: „Schon wieder kommen die Münchener Casincbcn, an deren Spitze ihr Vor stand, Graf Ludwig von Arco-Zinneberg, mit dem Klingelbeutel an gerückt und fordern abermals Geld, viel Geld von den schon Jahre lang von Nom ausgesaugtcn Katholiken Baierns! Schon wieder betteln sie für den „armen" Papst, der den herrlichsten Palast und die kostbarsten Schätze der Welt besitzt, die Katholiken Baierns an,