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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190812079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081207
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081207
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-07
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
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Nr. 8S». 1»S. Jahr«. HanseS am Marli, des jetzigen Acckerleinschen HauseS, treten die Ein- iiüsse des italienischen Barockstils schon deutlich hervor, während sein letztes Werk, das Hvkmannjche Haus Kalbarincnstraße Nr. 16, diesen Stil in voller Blüte mit allen charakteristischen Merkmalen der Leip ziger Richtung, namcntltch in den freien Bildungen der Fenster- gewände zeigt. Nach Fuchs' Tode treten diese Merkmale in so charakteristischer Durchführung nur noch vereinzelt ans. Mit dem Anfang des 18. Jahrhunderts batte sich Leipzig zum Haupkstapelolatz des deutschen Buchhandels auigeschwungen und der Meß- ncrkeln batte eine bis dahin noch nicht erreichte Bedeutung gewonnen. Der Grundrih des Leipziger .Hauses muhte sich demzufolge mit Not wendigkeit aus deu vorliegenden Bedürfnissen eigenartig entwickeln: das WobubauS muhte zugleich .Hausbaus sein, und als solches sowobl den Anforderungen deS beimischcn Handels, wie denen der Meise gerecht werden. Die Leipziger .Häuser sind im Gegensatz zu den Dresdnern meist Durchganashäuscr mit Fronten nach zwei parallelen Ströhen. An jeder Straße stebt ein .Hauvtbau, in der Mitte des Grundstücks ein oder zwei Zwiichenbauten, an den seitlichen Grenzen entlang verbindende Flügel, so das? aus diese Weise zwei oder niedrere Höfe gebildet werden, nach denen die Leipziger .Häuser in Berbindung mit dem Namen des Besskers allenthalben genannt sind. Besonders charakteristisch inr die Handelsbäuier ist der Grdgescboharundrih: die .Hauptbauten an den Straßen enthalten in der schon früher üblichen Dreiteilung eine Durchfahrt mit Läden und Gewölben zu beiden Seiten, im Zwnchenban zu selten der Durchfahrt Pferdeställe, Wagenstandvlatz, Brunnenbaus, Waschhaus und Mangelkammcr. und soweit noch Platz vorhanden ist, einige Läden. In den vorliegenden Flügelbauten reiht sich Gewölbe an bewölke. jedes für sich' vermietet als kleiner Laden. Hier stellten zur Messe die fremden Händler ihre Muster aus, und die Mehgeschäste konn ten auf den Holen erledigt werden, wenig gestört vom Alltagsleben der Straßen. Der Zugang zu den nach deu Obergeschossen führenden Treppen erfolgte von den Höfen aus. Die Okeroeschosse zeigen wiederum die schon früher übliche O.nertcilnng, nur ist die Ginteilung der Zim mer. den gesteigerten Ansprüchen des gesellschaftlichen Lebens folgend, bedeutend aeichickrer bei meisterhafter Ausnutzung der Unregelmäßig keiten deS Grundstückes. Es folgte dann ein Vortrag deS Herrn RegierungsbaumeistcrS Baer-Zwickau über „Moderne .Knnstbestrrbungen in volkswirtschaftlicher Beleuchtung." Redner schilderte zunächst die Ursachen des wirtschaftlichen Auf schwunges nach dem 70er Krieg und die Folgeerscheinungen, welche die BevölkerungSzunabme, das Anwachsen der Städte und die Erhöhung der Bautätigkeit zeitigten. Er besprach alsdann die Beziehungen zwischen Malerei, Bildhauerei, Baukunst und Kunstacwerbe zu dem Wirtschaft?- leben jener Periode und kam zu dem Ergebnis, daß der wirtschaftliche Aufschwung von einem Niedergang unserer ästhetischen Kultur begleitet gewesen ist Hieraus wandte sich Redner den Bestrebungen zur Beseitigung der in allen Kunstgebieten zutage getretenen Mißstände zu und schilderte die Entwickelung dieser neuen Bewegung. Von der Stellung deS deutschen Ervortes „ui dem Weltmarkt auSgcbend, begründete er die Möglichkeit, e-n Abiatz unserer Waren im AuSlaude durch Verbesserung der D.nalität in technischer und künstlerischer Beziehung zu erhöben. Hier auf folgten Befrachtungen über die neuen Strömungen im Kunst gewerbe. über Raumkunst, über Knnstindustrie und die Stellung des .'jüustleiH zum Fabrikanten. Nach Erledigung der Fachsihungen begaben sick die erschienenen Mitglieder nach den kleinen Sälen deS ZentraltbcaterS zur Gesamtsttzung, in der unter Vorsitz des Präsidenten Herrn Geh. Baurat HoiniliuS - Dresden die Hauptversammlung des Sächsischen Ingenieur- und Archi- tektenvereinS abgebalteu wurde. Wie ans den hierfür erstatteten Mit teilungen bervoraing, ist der Mitgliederstand de? Verein? wiederum ge stiegen und auf 653 augewacbsen. Die anderen Punkte der Tages ordnung waren rein geschäftlicher Natur. ?'iir beute Montag ist eine Besichtigung de?'Saales der alten Handel-börse und der Marienkirche in Leiv.zig-Liudcuau, sowie eine Erkuruon zum Besuche des Werkes in Nieia der Aktien - Gesellschaft Lauchhammer geplant. Deutsches Reich. Leipzig, 7. Dezember. * Verband Sächsischer Industrielle». Der Borstanv des Verbandes Sächsischer Intustr:cller tritt am Mittwoch, den 9. Dezember b. I. in Dcecc.'n zu einer Sitzung zusammen. Auf dec Tagesordnung stehen u.b.n c m Geschäftsbericht Stellungnahme zu den Fiuanzvorlageu res Reichssebay'etretärs, Bericht über die Verhandlungen des Reichstages betreffend Gewerbcorrnungsnovelle, Anträge aus Mitgliederkrcisen n. a. * * Die Rcichssinauzreform al? nationalökonomisches Problem wirs in einer Sammlung von TayeSaussätzen lHamdurg, Lucas Gräfe ch Sillcmj von Tr. Friede. Bend ixen behandelt. Da bei dieser großen nationalen Frage so außerordentlich viel Momente eine Rolle Wielen, ist cs ganz zweckmäßig, wenn von beratener Seite auch die volks wirtschaftliche Zelle der Reform gründlich erörtert wird. Wenn dabei allerdings die Tendenz einer einseitigen Mafsenbelastunq zur Entlastung der besitzenden >!lassen deutlich fühlbar ist, wird der Wert solcher Auf- tlärungsschriften für den unbe'angcnen Beurteiler wesentlich herab gemindert. * Neber de» Bilderschmnck des Reichstages schreibt die „Natl. Kvrr.": r.im die Ausschmückung des Reichstages, über die nicht immer glückliche Hände gewaltet haben, hat sich neuerdings ein seltsamer Streit erhoben. Während der letzten Vakanz ist die Läugswand deS SitzungS- 'aales, die bisher schlicht und recht eine braune Leinwandtapctc deckte, durch l.ei reichlich bunte Oelbilder geziert worden. Sozusagen ein Triptychon deutscher Geschichte. In der Milte der alte Kaiser, wie er, geleitet von Bismarck und Moltke, am Abend von Sedan über das Schlachtfeld reitet; links und rechts zwei kleinere Kartons, die, wie man uns versichert, Karl den Großen und Friedrich den Barbarossa bei der Vornahme irgendwelcher schwer zu enträtselnder und unwahrscheinlicher Handlungen zeigen. In Summa: unerfreuliche Historien, denen man die sympathischste Seile abgewann, wenn man ihnen die Kehrseite zu wandte. Nun bat irgendein sinnender ausländischer Betrachter heraus gefunden, daß auf dein Mittelbild die französische Trikolore in den Kot getreten würde, und deutsche Kollegen haben ihm beigcpslichtct und ge meint: da? sei eine unerhörte Provokation des Nachbarvolkes, mit dem wir seil 37 Jahren in bewaffnetem Frieden leben. Die könne nicht chncll genug beseitigt werden. Worauf wieder andere, die Ncbcrpatrlo- ken, aufgcstanden sind und mit dem Feuer ewig überheizter Lokomotiven die Oclmalerei des Professor Jank in München für eine Angelegenheit der deutschen Nation erklärt haben. Das alles ist, mit Verlaub zu lagen, Unsinn. Würde die Trikolore in der Tat in den Staub ge zogen, so wäre das allerdings auch für uns ein Grund, die Entfernung des Bildes zu betreiben. Aber das geschieht hier gar nicht: ein Krieger ist in die Knie gesunken und neigt vor dem heranreitcnden Preußen könig die offenbar erbeutete französische Fahne. Tas ist alles, und etwa? Taktloses und gar Herausforderndes wird man darin kaum fin den können. Aber diese drei Schinken an der Längswand über dem Präsidentensitz haben einen anderen und erheblich schwereren Fehler: sic sind — für Parlamente immer eine äußerst gefährliche Eigenschaft — geradezu bedrohlich langweilig. Und dann: müssen's denn überhaupt Zchlachkenbilder sein? Wir Deutsche haben doch weiß Gott eine stolze und reiche Geschichte. Soll unser patriotische? Hochgefühl sich denn 'arrout immer an Zchlachtcnbildern entzünden? Man wird un? ein wenden, daß auch ein Volk non dem Ge'chmock und der Kultur des fran- ösischcn da? Schlachtenbild pflege. Das ist richtig. Die Franzosen haben sogar fast alle Säle de? Versailler Schlosses, in denen einst 10 000 Menschen dafür sorgten, daß le- roi <omu.«o mit derlei gleichgültigem Kram vollgestopft. Dafür ist da? heutige Versailles denn auch eine Ztaubwiiste gähnender Langeweile. In den ReichStagSiaal gekoren stlder von zwingender, lebensprühender Kraft. Gibt's die nicht, dann kehre man lickwr wieder zu der schlichten braunen indifferenten LKnwand- tavcte zurück. Tie wirkt dann vielleicht noch wie ein Symbol. * Tie vrsastwahl in» Wahlkreise viedrn'opf - Wittgenstein - Siegen, ren bisher der Ab'. Stöcker vertreten batte, ist auf den 1l. Januar festgesetzt. * Zum Arbeitskammer-Gesetzentwiirs. Während der neue ArbeitS- lammer-Gesetzeutwurf sowohl von Unternehmcrvcrdänden wie von der Sozialdemokratie verworfen wird, findet das Organ der Sozial reformer, die „Soziale Praxis", es sehr dankenswert, daß der Leipziger Tageblatt. Bundesrat daran festgehalten hat, eine gemeinsame Organisation der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schassen. Tie unmittelbar Beteiligten wollten die neue Einrichtung einseitig für ihre Zwecke nutzbar machen; darum entspreche der allein gangbare Mittelweg der Zusammenfassung beider Parteien zu gemeinsamer Arbeit nicht ihren selbstsüchtigen Forderungen. Die „Soziale Praxis" glaubt aber, daß mit den unmittel bar nicht beteiligten Sozialrcformern die große Mehrheit des Reichs- rageS nach wie vor da? in der Arbeitskammer zum Ausdruck kommende Prinzip der gemeinsamen Organisation der Arbeitgeber und der Ar beiter billigt und dann dem Gesetzentwurf, wenn auch mit manchen Aendcrungcn, zustimmen wird. * Zur HewerveorSnung; Novelle Es darf nunmehr als sicher gelten, wie wir von unlerrichteier Seite hören, daß die Gewerbe- ordnungsnovelle »och vor Weihnachten in dritter Lesung erledigt wird. Die Industrie bat allerdings gegen die Kommissionsbeschlüsse und die Vorschläge in der zweiten Lesung erheblichen Einspruch erhoben, weil durch die Anhäufung der Schutzbestimmungen für Frauenarbeit einmal die Industrie und zwar besonders die Textilindustrie geschädigt und weil andererseits auch die Verwertung ter weiblichen Arbeitskraft in einem ren Frauen nicht unbedingt er wünschten Grade eingeengt würde. Dieser Einspruch hat zweifellos auch dazu bcigetragen, vay die Gcwerbekoinmilsion auf eine Erledigung der Angelegenheit noch vor Weihnachten drängt, um erwaige wesentliche Abäüdernn.'.en der Beschlüsse zweiter Lesung zu verhindern. Es ist immerhin sehr zu wüwchen, daß über die jetzt noch strittigen Fragen, in denen die ReichSregierung von ihrem bisherigen Standpunkt abzu gehen nicht in der Lage war, noch vor der dritten Lesung eine Einigung erzielt wird, damit nicht schließlich das bisher Erreichte etwa in Frage gestellt wird. * Auch Vie Pol nfraktion des Reichstages hat mit Unterstützung deS ZenlrnmS über die Handhabung des VereinSgesetzes folgende Interpellation eingebracht: „Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß die Verwaltungsbehörden einzelnce Bundesstaaten durch mißbräuchliche Anwendung der tztz 3 und 12 tesReichSvercinögcsetzes Neichsangehörigen vaS Recht verkümmern, sich zu versammeln und Vcreuie zu bilden. WaS gerenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um diese Mißstände abzu stellen?" Die Sozialdemokraten haben bereits vor einigen Tagen eine gleiche Interpellation eingebracht. * Tie Angelegeihtit v. Bismarck im Reichstag. Wie der „Ins." von zuverlässiger parlamentarischer Seile mitgetcilt wirb, wird die bekannte Angelegenheit des Herrn v. BiSmarck im R ichstage zur Sprache gebracht wercen. v. Bi marck, der bekanntlich als Leutnant beim 3. Gaide-Feldart llerieregiment stand, erhielt seinen Abschied infolge eines Renlonires Mit rem Journalisten Bäcker, der bekanntlich daraufbin zu längerer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Wie man hört, hat sich speziell der Abgeordnete Liebermann v. Sonnenberg der Sache angenommen nud wird sie im Parlament erörtern. * Das neue Neichsangehörigkeitsgesetz. Wie die „Berl. Univ.-Korr." an zuständiger Stelle erfährt, gehen im Reichsaint des Innern die Vor arbeiten für das neue „Gesetz über den Erwerb und Verlust der Reichs und Staatsangehörigkeit" ihrer Vollendung entgegen. Darüber, daß die Bestimmungen des im Juli 1870 vom Norddeutschen Bunde erlassenen Gesetzes, das bis jetzt diese Materie regelt, unhaltbar sind, herrschte schon lange bei allen politischen Kreisen Ucbereinstimmung. Ahgcsehen davon, daß die Vorschriften des alten Gesetzes auf die besonderen Ver hältnisse in Elsaß-Lvthringcn und in den deutschen Kolonien nicht zu trafen, wurde von verschiedenen nationalen Verbänden seit langem mit Nachdruck die Beseitigung der Bestimmung gefordert, daß ein Deutscher seine Rcichsangehörigkeit durch Verjährung verliert, wenn er sich bei einem längeren Aufenthalt im Auslände nicht in bestimmter Frist in die Matrikel des zuständigen Konsulats cintragcn läßt. Gegen die Abän derung dieser Bestimmung, durch die zahlreiche Volksgenossen kern deutscher Gesinnung ihr Vaterland verloren, hatte namentlich das preußische Kricgsministerium bisher Bedenken. Diese Schwierigkeiten sind jetzt glücklich überwunden und der in der Vorbereitung befindliche Gesetzentwurf wird der Forderung Rechnung tragen, daß ein Deutscher hinfort seine Reichsangchörigkeit nur auf eigenen Antrag oder als Strafe für bestimmte verbrecherische Handlungen, vor allem Hoch- und Landes verrat, verlieren darf. Noch offen ist es, ob als Gegengewicht für die Erschwerung des Verlustes der Reichsangchörigkeit der bisherige Rechts» znpand beseitigt werden soll, nach dem jemand, der eine fremde Staats- angehörigkeit erwirbt, daneben die deutsche behalten kann. Die Forde rung, daß andrerseits Ausländern mehr als bisher der Erwerb der! deutschen Reichsangchörigkeit erschwert werden möge, dürfte dagegen kaum Erfüllung finden. Nene deutsche Konsulate. Die wirtschaftliche Entwickelung des nördlichen, mehr unter russischem Einflüsse stehenden Teiles der Man dschurei, wo der deutsche Handel sich bereits eine aussichtsreiche Stellung erworben hat, mach: die Schaffung eines Konsulats in CHarb in not wendig. — Das Wahlkonsulat in Rio Grande do Sul wird in ein Becusökonsulat nmgewankelt „Mehr Zurückhaltung!" An recht bedenkliche Beispiele der Aus- ländersrcundlichkeit unserer leitenden Männer erinnert ein Staatsbürger in einem Schreiben an die „Rhein.-Wcstf.-Ztg.", in dem es u. a. heißt: Ist cs bei der feindseligen Stimmung in England gegen Deutsch land eigentlich nicht als Landesverrat zu bezeichnen, wenn dem eng lischen .Kriegsminister Haldane s. Zt. die Einrichtungen unseres großen Gcneralstabcs bcrcitwilligst ans seinen Wunsch eingehend ge zeigt wurden? Ferner wurden dem französischen General Lacroir s. Zt. Tag- und Nachtgcfcchte unserer Truppen in Döberitz vorgeführt. Wir haben wohl kaum noch militärische Geheimnisse, welche dem Auslande nicht schon gezeigt sind. Wir möchten mit dem zitierten Blatte wünschen, daß man auch in die serHinsicht an den leitenden Stellen mehr Zurückhal- lung übte und sich der Verantwortung für das oft allzu freundliche Ent gegenkommen aegen Ausländer voll bewußt wäre. Es wird ja so viel von einer neuen Aera geredet und geschrieben — dies wäre auch ein Punkt, wo sie sich erweisen könnte. * Vom oldenburgischc» Landtage. Im Landtag interpellierte der Abg. von Levetzow über die Stellung der Negierung zur Nachlaß steuer. Ministerpräsident Nuhstrat erwiderte dem Interpellanten, daß gerade die Heranziehung des Nachlasses in hohem Grade geeignet sei, eie Leistungen an das Reich in höherem Maße als bisher nach der Leistungsfähigkeit der Einzclstaaren zu verteilen. — Auf eine Interpella tion des Abz. Voß-Eutin, die StacuSregierung möge dahin wirken, daß bei der bevorstehenden Strasprozeßreiorm daS GerichtsverfaffungSgesetz dahin abgeändert werde, daß den Volksfchullehrcrn die Zulassung zum Geschworeneuamte gewährt werde, erwiderte ein Vertreter der Staats- regierung, die Negierung sei nicht in der Lage, der Anregung deS Inter pellanten Folge zu leisten. * Neber August Bebel, den Führer der deutschen Sozialdemokratie, hat Hello v. Gerl ach, der bekannte Sozialliberale, ein 64 Seiten starke?, bei Albert Langen in München erschienenes Buch geschrieben, das als erster Versuch einer Eharakterstudie dieses in unserem politischen Leben bedenkenden Mannes gelten will. Wir sprechen absichtlich von einem „gewollten', nicht von einem gelungenen Versuch, da in dem Buche wobi eine ganz annnehmbare Aneinanderreihung der äußeren LobenS- ichicksalc, nicht aber eine auch nur bescheidene Analv'e des Geistes und des Charokters Bebels vorliegt. Daß aus dem Buche ein« gewiss« Tendenz spricht, ist bei der politischen Haltung seines Verfassers eigent lich selbstverständlich. * Hauptmann Franke im Ovamboland. Auf Grund der amtlichen Berichte ergänzt das „Kolonialblatt" die bisherigen Mitteilungen über die Expedition des Hauptmanns Franke in das Ovambo land. Man erfährt jetzt, daß Franke mit fünf Ovambohäuptlingen schriftliche Verträge abgeschlossen hat, in denen die Oberhoheit des Deutschen Kaisers über ihr Gebiet anerkannt und ihr Volk unter den Schutz, der deutschen Regierung gestellt wird. Tie Häuptlinge haben sich ferner vertragsmäßig mit der Anwerbung von Arbeitern durch das Gouvernement in Windhuk einverstanden erklärt und die Versicherung adgcbcn, das Gouvernement dabei unterstützen zu wollen. Für den Erfolg dieser Verhandlungen ist nach der amtiichcn Darstellung die Mitarbeit der im Ovamboland lebenden Missionare insofern von großer Bedeutung gewesen, als sie wesentlich zur Beseitigung des Miß trauens der Häuptlinge beitrug. In einem Falle kam es dem Haupt mann Franke auch zustatten, daß er im Jahre l899 mit dem jugend lichen Bruder des Häuptlings Nandc, seinem jetzigen Berater, Freund- schast geschlossen hatte. * Weitere Diamaniensunde in Deutschsüdwcst. Wie die „Ins." von unterrichteter kolonialer Seite erfährt, ist die erfreuliche Tatsache z» berichten, daß die weitere Tuche nach Diamanten von anoauerndem Montag, 7. Dezember 1VV8. Erfolge begleitet ist. Man gibt den Wert per bis jetzt gefundenen Steine aus etwa 150 000 .il an. Nach der Ansicht von Fachleuten, die durchaus ernst zu nehmen sind, ist der Wert an Diamanten, die in-der gesamten Südncmib vermutet werden, auf annähernd 80 Millionen zu schätzen. Die Regierung bringt den Funden großes Interesse entgegen und hat ihre geologischen Fachleute zur Untersuchung der Fundstellen entsandt, so daß man voraussichtlich noch bald Genaueres über die Steine hören wird. Es kommt noch als schätzenswerte Tatsache hinzu, daß die bisher gefundenen Steine sämtlich eine gute Qualität aufweiscn, so daß ihre nicht bedeutende Größe sctwa I Karat) weniger ins Gewicht fällr. Es ist also zu erwarten, daß die Ausbeute an Diamanten im Schutz gebiet recht gute Aussichten bietet. * Togo-Hintcrlandbahn. Nachdem der Reichstag in diesem Früh jahr den Bau der Bahnstrecke Lome — Atakpamc genehmigt und dafür sowie für die Ausführung von Vorarbeiten betreffs der Strecke Atakpame—Banjcli 1l,2 Millionen Mark bereitgestellt hat, ist mit der Deutschen Kolonial-Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft ein vor läufiges Abkommen getroffen worden. Es handelt sich dabei um die Ausführung der Vorarbeiten für die 175 Kilometer lange Strecke Lome—Atakpame und um den Bau der 75 Kilometer langen Strecke Lome—Game. Am 7. September ds I. wurden, wie das „Amtsblatt für Togo" mitteilt, die Bauarbeiten mit 200 Arbeitern begonnen. Um einen gleichmäßigen Fortgang der Arbeiten zu sichern, hat sich das Gouvernement bereit erklärt, der Bauleitung dauernd Arbeiter aus dem Hinterland- zur Verfügung zu stellen. Zum 1. Oktober d. I. wurden demgemäß 500 Arbeiter überwiesen. So beträchtlich diese Zahl ist, war doch das Angebot an Arbeitern fortgesetzt sehr groß. Der Mangel an Schachtmcistern nötigte leider zur Zurückweisung vieler Arbeiter. Aus demselben Grunde sollten die von der Bauleitung zum 1. November erbetenen weiteren 500 Arbeiter zur Hälfte erst Anfang Dezember gestellt werden, in der Erwartung, daß dann der Mangel an Schachtmcistern beseitigt ist. * Zur Lage des Gnmmihandels in Kamerun. Bekanntlich ist der Handel Südkamernns, solange cö an billigen Verkehrsmitteln fehlt, die den Exvort von Massenartikeln lohnen, einzig auf die beiden Ausfuhr güter Gummi und Elfenbein angewiesen. Daher machte sich das rapide Sinken des Gummivreises gegen Ende des vorigen Jahres den dort handeltreibenden deutschen Firmen recht empfindlich bemerkbar. Um die Verluste der Kaufleute nach Möglichkeit z» verhindern, erbat damals die Handelskammer in Kribi die Msckasfung des in Kamerun für Gummi bestehenden Ausfuhrzolles. Diese Forderung wurde, da das Rcichsschatzamt Bedenken machte, zunächst äbaelehnt. Doch ist damit, wie die „Berl. Univ.-Korr." von zuverlässigster Seite erfährt, noch nicht daS letzte Wort gesprochen. Dcrnbnrg ist weitsichtig genug, nm die Be denken zu würdigen, die sich gegen die Erhebung einer Abgabe geltend machen lassen, die auf einem Produkte lastet, das so lebhaften Preis schwankungen wie Gummi ausgesetzt ist, und mit deren Erträgnisse»« daher im Etat nicht sicher zu rechnen ist. Ausland. Qefterreich-Ungarn. * Abreise -es schwedische« Königspaares. Au» Wien wird gemeldet: Der König und die Königin von Schweden sind gestern vormittag abgereist. Der Kaiser verabschiedete sich herzlichst von ihnen auf dem Bahnhofe. Frankreich. * Ter gemaßregelte Admiral. Aus Paris wird dem „Berl. Tagebl." unterm 5. Dezember gelchcieben: Jin heutigen Ministerrat wurde be schlossen, den Admiral Verminet zur Strafe für seine Aeußerungen über unvollkommene Ausrüstungen der Kriegsschiffe seiner Position als Geschwaderchef zu entheben. Germinet ist ein verdienter Offizier, der aus eine glänzende Lausbahn zurücksieht, er war unter anderem Kommandant des „Pothnau" als die Allianz zwischen Frankreich und Rußland bei einem Bankett auf diesem Schiss verkündet wurde. Tie strenge Maßregelung, die nur in einigen Fällen unter dem Marineminister Pellet an analog ist. erregt große Aufmerlsamkeit; sie dürste aber dem Ministerium keine Sympathien erwerben. England. * Die SuffragetteS machen wieder in unangenehmer Weise von sich reden. Tie '.arten LadieS mit den Wahlrrchtrgelüsten haben wieder randalielt und dem Schatzkanzler Lloyd George ein unbescyreiblicheS Schauspiel geliefert, über das folgender Bericht vorliegt: London, 6. Dezember. (Telegramms Wüste Szenen spielten sich gestern nachmittag in der Alberiballe bei einer von der liberalen Frauen-Föderation unter dem Borsitze von Lady Maclaren abgehaltenen Versammlung ab, bei welcher der Sckatzkaiizler Lloyd George der Hauptredner sein sollte. Die kampflustige Partei der Frauenrechtlerinnen, die soziale und politische Vereinigung der Frauen, hatte angelündigt, daß sie Lloyd George nickt zu Worte kommen lassen würde. Tie Albert-Halle war gedrückt voll, und ein starkes Polizeiaufgebot hielt sich auf den anliegenden Straßen für etwaige Ruhestörungen bereit. Lady Maclaren brachte eine Resolution ein, welche von der Regierung das parlamentarische Wahl recht für Frauen verlangte, und richtete an die kampflustigen Frauen rechtlerinnen die Bitte, sie möchten dem Ehrengäste Lloyd George Gehör schenken. Kaum hakte dieser jedoch einige Sätze gesprochen, als eiu Höllen skandal losvrach. Eine Frau nach der anderer» unterbrach den Minister und wurde von den Portiers unter lautem Geschrei und nach heftigen Kämpfen hinausgetragen. Die Frauen enthüllten Banner mit Aufschriften wie: „Stürmt das Kabinett" und dergleichen. Viele Damen warfen ihre Uebermäntel ab und zeigten sich in Gefängnis kleidung. Einige schlossen sich mit Ketten an die Bänke. Andere zogen Peitfchen bervor und hieben ans die Portiers ein. Lloyd George machte angestrengte Versuche, zu Worte zu kommen. Eine Zeitlang gab er sie mit dem Bemerken auf, es sei nutzlos, gegen Verrücktheit und Hysterie zu kämpfen, worauf er zu seinen Sitze zurückkehrte. Schließlich gelang es ihm, zirka 50 Minuten lang ununterbrochen zu reden. Die Zuhörer demonstrierten am Schluß seiner Rede lebhaft gegen die Methoden der Frauenrechtlerinnen. Lloyd George erklärte, die WahlrechtSoorlage enthalte Bestimmungen über das Frauenwahl- reckt. Falls sie verworfen werde, werde das Frauenwaylrecht beim Appell an da? Land in das Programm der liberalen Partei ausgenommen werden; die Auflöiung deS Parlaments liege nicht so weit Im Felde, wie manche Leute dächten. Italien. * Kolonialkämpse. Aus Rom wird telegraphiert: Die „Agenzia Stefani" veröffentlicht einen drahtlosen Bericht des Gouverneurs von Somaliland au- Mogadiszio an den Minister des Aeußeren Tittoni, wonach eine Ab teilung Derwische, die über über mehr als 2000 Lanzen und 34 Gewehre ver- sügie, am 22. November das Tors Bukelo angegriffen habe, jedoch vou ken italienischen Truppen und einer Schar von eingeborenen Ghelasis zurückgetrieben und zerstreut Worten ist. Tie Truppen erlitten keine Verluste. Tie Ghelasis verloren dagegen bei der Verfolgung einen Toten. Die Derwische hatten einen Verlust von 48 Toten. Biele Waffen wurden erbeutet. Rußland. * BndgetaiiSschltß der Duma. Neber die Bewilligung von 450 Mill. Rubel zur Deckung der sünfproz. Schatzscheine und des Defizits für außer ordentliche Ausgaben im Jahre 1109 wird berichtet: Petersburg, 6. Dezember. (Tel.) Der BudgetauSschuß der Duma beschloß in der gestrigen Sitzung nach vom Finanzminister abgc- gebenen Erklärungen, diesem Kreditoperaiionen bis zum Betrage von 450 Mill. Rubel zur Tilgung der sümproz. Schatzscheine und zur Deckung deS Fehlbetrages für außerordentliche Ausgaben iin Jahre 1909 zu bewilligen. Im Zusammenhang hiermit wird ferner gemeldet: Petersburg, 6. Dezember. iTel.) Gegenüber einem Gerückte, der Finanzminister hätte in der gestrigen Sitzung der BudgKkommilsion der Reichsduma erklärt, die bevorstehende Anleihe könne nur unter schweren. ,a für Rußland erniedrigenden Bedingungen abgeschlossen werdn», ist die Petersburger Telegraphenagentnr ermächtigt, daß der Finanzminister nichts Derartiges erklärt habe, daß kiese Nachricht vielmehr auf bös williger Erfindung berule. Haiti. * Die Revolution, lieber «en Triumph der Rebellen in Port-au-Prinee liegt folgender weiterer Bericht vor: Port-au-Prince, 6. Dezember. Ein Heer von 8000 Revolutionären zog gestern früh unter Führung Les Generals Simou iu die Stadt ei». Die Truppen befanden sich in guler Ordnung. Die Bevölkerung brachte dem General Huldigungen dar. Eine Abordnung des öffentlichen Sicherheit-lomiteeS entbot ihm offiziell den Willlommrusgruß de- Volkes und überaab ihm den Regierung-Palast. Präsident Simon begab sich hierauf i» den Dom. wo ein feierliches Tedeum abgehaltrn wurde und hielt al-daun unter Glockeugeläute uad Zurufen der Brvölkeruog einen Umzug tu der Stadt. Der ehemalige Präsident Nord Alex!« hat sich au Bord de» Dampfer» „Sarula" nach Kingston (Jamaika) brgebeu.
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