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In das Handelsregister für die Stadt Wilsdruff ist am heutigen Tage Fol. 29, Rubr. III, verlautbart worden, daß an Stelle des ausgeschiedenen Redacteurs, Herrn Heinrich Adolf Berger allhier Herr Kürschnermeister FoKana 8nmuvl Il-uuAott 8prlnF8kIvv hierselbst als stellvertretender Kassirer des hiesigen Vorschußvereins, eingetragenen Genossenschaft, gewählt worden ist. Königl. Amtsgericht Wilsdruff, am 27. März 1880. ' vr. Gangloff. Tagesgeschichte. Berlin, 25. März. Der „Reichs-Anzeiger pnblizirt folgenden Erlaß des Kaisers an den Reichskanzler vom 24. März: Freudiges Bewußtsein erfüllt Mich, indem Ich beobachte, wie allgemein in dem deutschen Vaterlande der Tag festlich begangen worden ist, an welchem es Mir vergönnt war, ein neues Lebensjahr anzutreten. Ich weiß es zu schätzen, daß das deutsche Volk Mir an diesem Tage seine Huldi gungen gewidmet hat. Von allen Seiten her bin Ich beglückwünscht und mit Aufmerksamkeiten überschüttet worden. Wenn Ich nnn mit Genugthunng ersehe, wie viele Adressen und vcrehrungsvolle Aenßerungen in telegraphischer und schriftlicher Form, Spenden von Dichtungen, künstlerischen und literarischen Erzeugnissen, sowie schöne Kränze und duftige Blumensträuße Mir dargebracht worden, so erkenne Ich mit inniger Freude an, daß der Zweck der Einsender, Mich an diesem Fest tag in eine glückliche Stimmung zu versetzen, im höchsten Grade er reicht ist. Richt kann jeder dieser freundlichen Spender den besonderen Ausdruck Meiner Dankbarkeit erwarten, aber Ich beeile Mich, Allen, welche Mir Meinen Geburtstag durch sympathische Begrüßungen ver süßt haben, hierdurch aus vollem Herzen zu danken. Demnach beauf trage ich Sie, diesen Erlaß alsbald zu veröffentlichen. Die Einführung des TabaksMonopols im deutschen Reiche schien eine Zeit lang vom Fürsten Bismarck aufgegeben zu sein, jetzt soll er, da sich gezeigt hat, daß die neuen indirekten Steuern bei Wei tem nicht ausreichen, nm die directen, die er abschaffen will, zu ersetzen, zum Tabaksmonopol zurückgegriffen haben, von welchem allein er die Verwirklichung feiner Pläne erwartet. Es ist sogar das Gerücht auf getaucht, daß nur in dieser Angelegenheit der Reichstag zu einer außer- ordemlichen Sitzung im Herbst zusammenberufen werden solle. Doch ist dies wenig wahrscheinlich, da augenblicklich im Reichstage noch keine Stimmung für das Monopol bei der Mehrheit vorhanden ist. Bedeutendes Aufsehen erregt ein Artikel in der neuesten Nummer der „Grenzboten" über die Vorgeschichte des deutsch-österreichischen Bündnisses. Danach ist dasselbe nur die Erfüllung eines vom Reichs kanzler lange gehegten Wunsches, der bis 1852 zurück reicht, aber an dem Widerstande der österreichischen Politik scheiterte, weil dieselbe ihr Uebergewicht in Deutschland nicht zu Gunsten einer gleichheitlichen Stellung mit Preußen aufgeben wollte. Oesterreich mußte erst durch den Krieg von 1866 belehrt werden, daß Preußen eine ebenbürtige Macht sei, und durch den Krieg von 1870 ein geeinigtes Deutschland der österreichisch - ungarischen Monarchie sich znr Seite stellen. Dann aber griff Bismarck feinen früheren Gedanken wieder auf und dachte zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn ein öffentlich,es ver fassungsmäßiges Bündniß gegen eine Koalition, unter Mit wirkung aller konstitutionellen Faktoren, herzustellen. Vorbereitende Schritte unter Beust blieben erfolglos, geneigter schien Andrassy. Da brachte der russisch-türkische Krieg und der Berliner Kongreß die Entfrem dung zwischen Deutschland und Rußland und dem deutschen Kanzler die Befürchtung eines Bündnisses zwischen Ruhland und Oesterreich, dem auch Frankreich beitreten konnte. In Gastein zerstreute Andrassy Bismarcks Besorgnisse und ging auf das Bündniß mit Ausnahme der Oeffentlichkeit und Verfassungsmäßigkeit ein. Der Kaiser Franz Joseph war bald dafür gewonnen, schwieriger war des Kaisers Wilhelm Ein willigung zu erlangen, da seine Freundschaft für den russischen Kaiser einem gegen Rußland gerichteten Schritte widerstrebte. Schließlich aber siegten doch Staatsgründe über seine persönlichen Gefühle und somit zugleich über die Bewerbungen Rußlands wie Frankreichs um die Freundschaft Oesterreichs. Neuerdings soll Rumänien sich Mühe grben, zu dem deutsch-österreichischen Bündnisse zugclassen zu werden. England steckt mitten in der Unruhe der Wahlbewegung. Es ist höchst wahrscheinlich, daß die jetzt am Ruder befindliche konservative Partei auch bei den Neuwahlen die Oberhand behält. Da die eng lischen Liberale» mehr zu Rußland als zu Deutschland und Oesterreich htnneigen, so ist die Erhaltung des jetzigen Regierungssystems in Eng land für uns nur Vortheilhaft, auch wenn das deutsch-österreichische Bündniß nicht dnrch Englands formellen Beitritt zu einer Tripel-Al liance sich erweitern sollte, obschon eine solche bei dem Fortbestände des gegenwärtigen Kabinets nicht ganz unmöglich wäre. Biele Jesuiten in Fraukretch haben die Koffer gepackt. An alle Präfekten der Provinzen soll der Befehl bereits ergangen sein, die ausländischen Jesuiten ausznweisen; den Offiziren ist verboten, in irgend einer Jesnitenschule Unterricht zu erthcilen. Die andern geist lichen Orden sind nichts weniger als gut auf die Väter Jesu zu spre chen; denn diese Väter sind gar zu gebieterisch und herrschsüchtig und machen's wie die Sperlinge, welche die Schwalben aus dem Neste werfen. Ein Vorfall in Angers schlägt dem Faß den Boden aus. Da predigte in der Kathedrale der Jesuit Forbes und donnerte so un erhört gegen die moderne Gesellschaft und die Regierung, daß sich plötzlich der ehrwürdige Pfarrer der Gemeinde erhob und rief: Bis her habe ich zurückgehalten, aber jetzt muß ich endlich gegen das, was der da oben verkündigt hat, protestiren, ich kann es weder nach seinem Geiste, noch nach seinem Zwecke billigen! — Dann sich an die An wesenden wendend, setzte er hinzu: Ich ersuche Sie, Ihre Mildthätig- keit für die Sammlung aufzusparen, die ich selbst für die Kapelle des Kirchhofes machen werde. — Man kann sich denken, welches Aufsehen der Auftritt machte. Vaterländisches. Wilsdruff. In der 8. Abendstunde des 27. dss. Mts. brannte das dem Wirthschaftsbesitzer Gottfried Roitzsch in Kleinschönberg gehörige, schon seit längerer Zeit unbewohnt stehende Wohnhaus und das daran stoßende Scheunen- und Stallgebäude bis auf die Um fassungsmauern nieder. Die Entstehungsursache des Feuers dürste den Umständen nach in böswilliger Brandstiftung zu suchen sein. — Der Lehrerinangel scheint im Königreich Sachsen auf lange Zeit gehoben. Bei den diesjährigen Entlassungen aus den 17 Semi- narien des Landes konnten 35 junge Lehrer nicht placirt werden; es waren alle Hilfslehrerstellen besetzt. Natürlich erhielten Diejenigen keine Stelle, welche die schlechteste Censur hatten. Die traurige Zeit ist je denfalls vorbei, wo man hier zu Lande Lehrkräfte aus den Herzog- thümern und der preußischen Provinz Sachsen anstellen mußte, denen eigentlich selbst wieder Lehrer hätten gehalten werden müssen. Ier Zager von Wörth. Erzählung von E. Heinrichs. Nachdruck verbaten. (Fortsetzung.) „Er stirbt!" schrie Pauline angstvoll auf, „was stehen Sie noch da, holen Sie einen Arzt, Johannes!" Johannes warf ihr einen finsteren Blick zu und schritt langsam hinaus. Nach wenigen Minuten schlug der Alte die Augen auf, richtete sich mühsam in Paulinen's Armen empor und schaute verwirrt umher. „Ist er fort?" fragte er leise. „Ja lieber Onkel! — wie befinden Sie sich?" „Gut, Kind! wenn er nicht mehr da ist. — Er ist doch sicher fort?" „Ganz gewiß, Onkel! — wollen Sie Ihren Kaffee jetzt trinken?" „Jetzt noch? — wie weit ist's denn schon?" „Es gehl auf neun Uhr." „Hm, die alte Ordnung ist zerrissen, das bedeutet Revolution oder — Tod. Ich mag jetzt nicht mehr trinken, — um zehn Uhr muß ich in der Kämmerei sein, — will lieber ein wenig spazieren gehen, Kind!" „Sie sind krank, bester Onkel!" sagte Pauline mit schmeichelnder Stimme, „setzen Sie sich in Ihren Lehnstuhl und genießen Sie einige Bissen, ich lese Ihnen dabei die Zeitung vor, neue interessante Nach richten vom Kriegsschauplatz!" „Hätte ich einen Sohn dabei", sprach der Alte, während er sich wie ein folgsames Kind nach seinem Lehnstuhl leiten ließ, „dann könnte ich mich dafür interesiirem — Aber ein einsamer alter morscher Stamm, den der Sturm entlaubt hat, ein kinderloser Greis, habe ich nur einen Wunsch noch, recht bald von hinnen zu gehen." „Bin ich Ihnen denn gar nichts, Onkel?" fragte Pauline leise und traurig. „O doch, mein liebes, gutes Kind!" versetzte er, sie liebevoll an schauend, „ich bin ungerecht — Gott ist noch gnädig gegen mich, er gab mir eine treue, liebende Seele, ein aufopferndes Kinderherz, als Ersatz für die verlorenen Söhne, die ich nicht einmal beweinen kann! Sieh, meine Tochter, ich komme mir in diesem Augenblick vor wie der alte Moor in Schiller's Räubern, zwei ungerathene Söhne und eine liebevolle Verwandte, die Amalie, weißt Du." „Ja, Onkel! aber einen so schlimmen Sohn wie der Franz Moor —" „Hätte ich nicht, meinst Du? Hm, das käme auf die Umstände an, mein Kind! — der Johannes zum Beispiel, ach! den hat die srauzösische Hauptstadt von Grund aus verdorben." „Ach ja," seufzte Pauline, „es muh recht schlimm dort sein, — aber ein Franz Moor steckt doch nicht in dem Johannes, lieber Onkel! Und Leonhard vergleichen Sie mit Karl?" „Laß, laß, Kind!" unterbrach er sie heftig, „ich kann jenen Namen nicht hören! Er war schlimmer als jener Karl Moor — tausendmal schlimmer!" „Und wenn er gebessert wiederkehrte, Onkel?" „Still, still, der Gedanke ist zu schrecklich. — Wer die Ehre ein mal verloren, ist besser im Grabe aufgehoben. Er ist todt, er soll todt sein, hörst Du?" „Dem Todten verzeiht man, Onkel!" „Der Tod sühnt keine Schande, Kind! —" erwiderte der Alte finster, „kein Wort mehr von dem Unseligen!" In diesem Augenblicke wurde die Pforte geöffnet; Doktor Berthold trat ein. „Der Herr Bürgermeister sendet mich, Herr Lieutnant!" begann der neue Ankömmling ruhig und freundlich, „er meinte, Sie hätten gestern Abend vielleicht noch Aerger oder sonstige Aufregung gehabt und hat mich gebeten, nach Ihnen zu sehen — er ist Ihr aufrich tigster Freund." Das Antlitz des Greises wurde milder. „Der Herr Bürgermeister war immer gnt und theilnehmend gegen mich", versetzte er nach einer Pause, „ich bin ihm herzlich dankbar für die freundliche Fürsorge. — Mit wem habe ich die Ehre?" „Ich bm Dokter Berthold." „So, so, noch nicht lange hier — ich entsinne mich doch, Sie schon gesehen zu haben." „Gestern im „Lämmchen", ich war mit von der Gesellschaft." „Richtig, jetzt erinnere ich mich.— mein Kopf wird so schwach, es geht zu Ende mit mir . . ." „Das befürchte ich noch nicht, Herr Lieutnant!" sprach der Doktor, seine Hand ergreifend, um den Puls zu fühlen, „ein wenig Fieber allerdings, aber nicht gefährlich, wenn Sie sich nur einige Tage recht ruhig verhalten, besonders jede Aufregung vermeiden." „Ich werde dafür Sorge tragen, Herr Doktor!" antwortete Pau line rasch für den Onkel. „Armes, gutes Kind!" murmelte der Alte, „die Aufregung sitzt mir im Blut, da helfen keine äußeren Mittel. — Ich danke Ihnen übrigens für Ihren guten Rath, Herr Doktor!" setzte er freundlicher hinzu. „Befolgen sie ihn aber auch, mein lieber, alter Herr!" nickte der Dokter. „Sie dürfen noch um keinen Preis sterben, jetzt wo jedes deutsche Herz höher schlägt, Sie müssen den Auferstehungsmorgen des detttschen Reiches, dem auch Sie Ihren Arm geopfert, noch mit erleben." „Ja, ja", sagte der Alte, „er scheint Wahrheit zu werden, der lange Traum eines einigen Deutschlands. Glücklich der Mann, wel cher mitkämpfen darf, glücklich der Vater, welcher feine Söhne in den Reihen des deutschen Heeres weiß!" „Ich werde in den nächsten Tagen ebenfalls nach dem Kriegs schauplatz abgehen", sprach der Doktor, „es fehlt an Aerzten. Die ersten Schlachten haben schon entsetzlich viel Elend und Jammer hervorgebracht." „Ein gräßliches Morden!" murmelte der Alte, starr vor sich blickend, „kenne das, wie es auf einem Schlachtfelde aussieht, — zuerst begreift man nichts davon — man ist von einer Art Raserei befallen