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zwischen unseren Ländern und den Frieden Europas, trotz partieller Kriege, aufrecht zu halten. Empfangen Sie von ganzem Herzen den Ausdruck meiner Dankbarkeit für diese in so offizieller Weise ausge sprochenen Gesinnungen, welche im Herzen Ihres besten Freundes eingegraben bleiben werden." — Auf diesen hochwichtigen Austausch von kaiserl. Telegrammen bezieht sich die Erklärung des Kaisers Wilhelm an seine Generale, die ihm zum Geburtstage gratulirten: „Ich freue mich, Jhueu sagen zu können, daß Sie hoffentlich keinen Anlaß mehr haben werden, Ihre militärischen Kenntnisse praktisch zu verwerthen, da jede Kriegsbefürchtung gegenwärtig ausgeschlossen ist." Der große Schritt ist in Frankreich geschehen: der Kultur kampf wurde bereits in aller Form von der republikanischen Regie rung eröffnet. Die auf die nicht autorisirten Kongregationen bezüg lichen Dekrete, sowie ein dazu gehöriger Bericht der Minister des Innern und der Justiz sind bereits veröffentlicht worden. In letz terem werden die Gründe, welche zu den in Rede stehenden Maßregeln geführt haben, auseinandergesetzt. Die bezüglichen Bestimmungen werden in zwei Dekrete zusammengefaßt. Das erste Dekret betrifft allein die Jesuiten, das zweite die übrigen Kongregationen. In Be zug auf den Jesuiten - Orden heißt es: In Erwägung, daß die wei tere Duldung einer Gesellschaft, gegen welche sich das nationale Ge fühl zu verschiedenen Malen und noch vor Kurzem ausgesprochen habe, nicht für zulässig erachtet werden könne — ferner mit Rücksicht da rauf, daß es weder angemessen noch würdig sein würde, dieser Ge sellschaft zu gestatten, eine Autorisation nachzusuchen, welche ihr nicht gewährt werden könne — sodann im Hinblick auf das organische Ge setz von 1802 und andere bezügliche noch giltige Gesetze — endlich aber, besonders von dem Wunsche geleitet, dieser Ausführung den Schein individueller Verfolgungsmaßregeln zu nehmen — hat die Re gierung beschlossen, daß die genannte Genossenschaft aufgelöst werde, sowie die von ihr benutzten Etablissements geschlossen und innerhalb dreier Monate geräumt werden sollen. Diese Frist soll bis zum 31. August d. I. für die der Gesellschaft gehörigen Unterrichtsanstalten verlängert werden können. Das zweite Dekret zählt die Formalitäten auf, welche von den anderen nicht autorisirten Kongregationen zu erfüllen sind. Das Dekret enthält 10 Artikel und bestimmt, daß die nicht autorisirten Kongregationen, soweit dieselben nicht dem Jesuiten orden angehören, ihre Statuten vorzulegen und bei der Regierung die gesetzliche Autorisation nachzusuchen haben. Die Kongregationen, welche die erforderliche Autorisation nicht nachgesucht oder erhalten haben, sollen für aufgelöst erklärt werden. Für die Genossenschaften von Männern, soll die Ermächtigung auf Grund des hierauf bezüglichen Gesetzes, für Genossenschaften von Frauen in Gemäßheit eines hier für bestehenden Dekretes ertheilt werden. Die französische Regierung hat sich also aus der Rüstkammer der einst in den Tagen des Kon sulats dekretieren „organischen Artikel", welche für die Republik immer noch zu Recht bestehen, die Waffen geholt, die ihr zur Bekämpfung des Jesuitismus und der diesem verwandten religiösen Genossenschaften dienen sollen. Da es mit dem Ministerium nicht gelingen wollte, mit Hilfe des Senats durch den Artikel VII des neuen Unterrichtsgesetzes das Land von der Plage des jesuitischen Schulunterrichts zu befreien, so griff mau eben auf diese organischen Artikel zurück und erreichte so den erstrebten Zweck. Waterländisches. Wilsdruff, 1. April. In einer gestern Nachmittag stattgesundenen Sitzung unseres Stadtgemeinderathes wurde unserm Herrn Bürger- Meister ein ehrendes Vertrauensvotum dadurch zu Theil, daß man ihn einstimmig auf weitere 6 Jahre zum Vertreter der Stadt wählte, worüber in der Bürgerschaft allgemeine Freude herrscht. Eine selben Abend im Adler zu einem Festessen versammelte Anzahl Bürger gab diesen Gefühlen in einem Trinkspruch auf den Herrn Bürgermeister Ausdruck und übersandte diese Wünsche schriftlich durch eine Deputa tion dem Wiedergewählten. — Im Monat März ist an 542 hier durchgereiste Handwerks burschen re. Stadtgeschenk verabreicht worden, im Vergleich zu vorigem Monat sind im März 118 weniger durchgereist; im nun verflossenen ersten Vierteljahr haben in Summa 1836 Fremde das Stadtgeschenk beansprucht. Hoffentlich nimmt die Zahl im Sommerhalbjahr bedeu tend ab, zumal wenn die Herren Bummler erfahren, daß vom 1. April an während des ganzen Sommers das Stadtgeschenk auf 10 Pfg. reduzirt worden ist. — Vor einigen Monaten wurde berichtet, daß in Waldheim ein Lehrer verhaftet worden sei, der sich in seine Stellung durch fal sche Zeugnisse eingeschmuggelt habe. Dieser Tage gelangte der Fall vor dem Schwurgericht in Chemnitz zur Verhandlung. Der Ange klagte war der 22 jährige Lehrer Karl Emil Rothe aus Pönitz. Aus dem Seminar zu Weißenfels mit einem ungenügenden Zeugnisse ent lassen, entwendete er seinem Vetter, dem Lehrer in Steinbach, ein Abi- turientenzeugniß, radirte den darauf befindlichen Namen August Petzold weg und setzte dafür seinen Namen, Emil Rothe hin. Mittelst dieses gefälschten Abiturientenzeugniffes erhielt er eine Stellung in Köthen. Als dort die Fälschung entdeckt, ihm das Abiturientenzeugniß abge nommen und er in der Folge entlassen worden war, fertigte er mit Zuhilfenahme gefälschter Formulare und Petschafte sich andere Abi- turientenzeugniffe an und erlangte auf diese Weise Lehrerstellen in Lieg nitz, Dessau, Leipzig, Völitz und Waldheim. In letztgenannter Stadt wurde der Schwindel entdeckt und der Fälscher verhaftet. Wegen ein fachen Diebstahls und schwerer Urkundenfälschung wurde der Angeklagte unter Annahme mildernder Umstände zu 2 Jahren 6 Monaten 3 Wo chen Gefängniß und 3 Jahren Ehrenrechtsverlust verurtheilt. Der Jäger von Wörth. Erzählung von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. .(Fortsetzung.) Es schien dem Arzt, der den Kranken beim Sprechen beobachtete, als zuckte ein ganz eigenthümlich schmerzhafter Zug um Brandts Lippen, als er jene Worte sprach. „Wo find Sie zu Hause?" fragte der Offizier von Neuem; „ich weiß, daß Sie von Amerika herübergekommen sind, um unter unseren Jahnen zu fechten, allein Sie sind dach in Deutschland geboren, nennen Sie mir den Ort, damit ich, wenn es mir beschieden ist, gesund aus diesem Feldzuge zurückzukehren, einmal etwas von Ihrem ferneren Loos erfahren kann." Der Angeredete schien durch diese Worte in eine -sonderbare Ver legenheit zu kommen. Es trat eine Pause ein, Brandt zögerte mit der Antwort. „Wo ist Ihre Heimath?" wiederholte der Offizier seine Frage. „In Köln," versetzte der Verwundete jetzt schnell. — Berthold war zu sehr Menschenkenner, um nicht zu bemerken, daß der Schütze eine Ausflucht gebraucht hatte; derselbe wollte seine Heimath nicht nennen. Warum? Der Arzt gab sich weiter keine Mühe, darüber nachzudenken, allein er faßte doch ein besonderes Interesse für diesen seinen Patienten und konnte dem scheidenden Offizier mit aufrichtigen Gefühlen das Versprechen geben, daß er den freiwilligen Schützen speciell in Obhut nehmen werde. Marek, der junge Offizier, machte sich mit seinem Bataillon auf den Marsch. „Könnte ich nutziehen!" rief Brandt. „O, es ist traurig, zur Unthätigkeit verdammt zu sein." „Sie haben bereits das Ihre geleistet," tröstete ihn der Arzt — allein der Jäger schüttelte traurig den Kopf. „Ich hatte mir ein weiteres Ziel gesteckt," sagte er, „allein, mag's d'rum sein —- es soll mir einmal Alles fehlschlagen, was ich ergreife!" Der Arzt hielt es nicht für gut, den Kranken noch länger reden zu lassen und brach daher das Gespräch ab. Außerdem rief ihn seine Pflicht zu den anderen Patienten, die seiner Hilse bedurften. Das Bild des Schützen aber begleitete ihn auf allen Wegen in seinen Ge danken. Gab der Nimbus der besonderen Tapferkeit, den das Zeug- niß des Offiziers um deu jungen Manu gewoben, seiner Person solchen Reiz oder stellte das interessante Gesicht des Verwundeten, in dessen energischen Zügen eine reiche LebensgeMchte eingegraben schien, dem Arzte ein sympathisches Räthsel, das zu geheimer Lösung mahnte? — Und Dokter Berthold machte bald die Erfahrung, daß das Ant litz des Verwundeten ihn nicht getäuscht hatte und daß wirklich etwas Bedeutendes dahinter verborgen lag. Der junge, vielleicht dreißig jährige Mann war ein ungewöhnlicher Charakter, von vielseitiger Bildung, gestählt in den Kämpfen eines bewegten Lebens, das sich auf keiner kleinen Scholle im Kreise gedreht hatte. Um so mehr war der Arzt überrascht, als er einst, im leichten Gespräche den Namen des Städtchens nennend, in dem er sich niedergelassen hatte, Brandt zusammenschrecken und ein Zittern durch seinen Körper rinnen sah. „Wie lange haben Sie sich in L schon niedergelassen, Herr Doktor?" fragte er hastig. „Noch nicht lange, noch kein Vierteljahr," versetzte dieser. „Ich bin gern dort — die Praxis ist gut und ich habe treffliche Leute dort kennen gelernt." Eine neue Frage schien auf des Jägers Lippen zu brennen; er blickte den Arzt eine Weile unschlüssig an, dann begann er mit leiser vibrirendem Tone, der leicht und gleichgiltig hätte sein sollen, aber doch eine tiefe, innere Bewegung verrieth: „Es sollen in jenem Städtchen noch einige Veteranen aus den Besreiungskriegen leben . . . ist dein nicht so?" „Ich kenne nur Einen — den alten Lieutnant Hcldbcrg." „Heldberg!" rief rasch der Schütze und es flog wie »in Wetter leuchten über fein Gesicht. „So lebt er noch, und wie geht es dem guten Alten?" „Es geht ihm leidlich. Ein Glück für ihn ist, daß er eine junge Nichte, ein vortreffliches Mädchen, daß ihn sorgsam pflegt, im Hc»hje hat." „So ist er krank?" fuhr Brandt fort. „Seine Krankheit liegt mehr im Gemüthe," versetzte der Doktor, „sein Sohn macht ihm großen Kummer — der gute Alte hat schweres Unglück mit seinen Kindern!" Ein Seufzer, so tief und krampfhaft, daß Berthold fast erschrack, rang sich aus der Brust des Verwundeten; er sank matt in die Kissen zurück. „Was ist Ihnen?" wandte der Arzt sich besorgt zu ihm. „Meine Wunde schmerzt!" stöhnte der Schütze, und unter dem schwarzem Barte biß er die Lippen zusammen wie in rasenden Qualen. Berthold empfahl ihm Ruhe und ließ ihn allein; aber ein seltsam beklommenes Gefühl sagte ihm, daß sein Patient ein Geheimniß vor ihm verberge, das mit bangem, folterndem Druck auf seiner Seele lag. Es mochten vierzehn Tage vergangen sein, als Brandt zum ersten Male die Erlaubniß erhielt, aufzustehen; sein Zustand hatte sich ziem lich rasch zum guten gewendet doch alle Hoffnungen des Wackern Kriegers, den Feldzug weiter mitmachen zu können, schnitt der Arzt mit dem Bemerken ab, daß daran nicht zu denken sei, da er eine innere Verletzung davon getragen habe, deren Heilung eine lange Zeit der Ruhe und Schonung erfordere. „Wie soll ich diese Unthätigkeit ertragen!" klagte Brandt. „Bin ich doch herübergekommen über den Ocean, um für die Befreiung meines Vaterlandes zu siegen oder zu sterben! Aber diese Lazareth luft ist mir furchtbar — nach Amerika werde ich nie wieder zurück kehren, Ihrer Pflege und Sorgfalt, Herr Doktor, verdanke ich mein Leben, doch geben Sie es mir nicht blos zu Hälfte zurück, ich werde nur dann völlig genesen, wenn ich wieder unter Gesunden bin." „Ich verstehe Sie!" sprach der Arzt. „Eine innere Unruhe treibt Sie fort von hier und Sie glauben, im Felde die Genesung zu finden. Dieser Trieb in Ihnen ist krankhaft und illusorisch. Sie haben noch nicht die Kraft, den Anstrengungen und Entbehrungen des Felddienstes die Spitze zu bieten, Sie würden ihnen bald erliegen. — Aber da fällt mir ein anderes Auskunftsmittel ein! Unsere Reconvalescenten werden gewöhnlich nach Deutschland gesandt, dort, unter veränderter Umgebung, dem Kriegslärm ferner gerückt, genesen sie leichter. Sie kennen, wie ich aus Ihren Worten entnommen, das Städtchen T- Der dortige Bürgermeister hat ebenfalls Einrichtungen zur Aufnahme von Verwundeten getroffen; dorthin werde ich Sie schicken — und dabei fällt mir ein, daß Sie mir einen Brief an Len Lieutnant Held berg besorgen können, dem ich über meine Erlebnisse einmai zu schreiben versprochen habe." Brandt wies dies Anerbieten nnt Bestürzung zurück; er ging hinaus in's Freie und kehrte erst spät am Abend wieder heim. Bert hold begegnete ihm unter dem Hause; der Reconvalescent schien jetzt besseren Muthes zu sein als am Mittag, der Arzt glaubte auf seinem Gesicht den Stempel eines klar errnngenen Entschlusses zu lesen. Und seltsam! Jetzt, da Berthold vermuthete, der Schütze werde seinem Vorschlag, nach L zu reisen, günstiger gestimmt sein, erwachte eine RegüNg in des Doktors Brust, als ob er seinen Schutzbefohlenen doch nicht an Heldberg adressiren solle. Paulinxns liebliche Gestalt stieg in seinen Gedanken auf, — er sagte sich, der/junge Schütze, den er in ihren Lebenskreis führen wollte, sei unverheirathet, und des