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§86 zug der Rüge, um die aus der öden Winterszeit übrig gebliebenen dürren Blatter der abgelebten Vergangenheit zu beseitigen, daß sie Platz ma chen den schwellenden Knospen eines neuen ju gendlich kräftigen Lebens. Ja, wir leben in einer schönen Zeit! An die Stelle einer kalten Entfremdung zwischen Volk und Regenten ist ein des Deutschen würdiges of fenes Vertrauen getreten. Namentlich wir Sach sen blicken mit Stolz und Freude über die Granze, jenseits welcher wir cs nirgends so gut wie bei uns finden. Wenn wir aber mit inniger Liebe unsern König, den Vater seines Sachfenlanves und seine Regierung, eine väterliche nennen, so treten wir gern zu ihm in ein kindliches Verhält- üiß, aber Niemand verlangt von uns, daß wir als unmündige Kinder von oben iir Stillschweigen und duldender Erwartung unser Theil hinnehmen sollen. Aus der Hand unseres Königs erhielten wir vier köstliche Güter, die Verfassung, die Städte- ordnung, die Landgemeinde-Ordnung und eine anständige Oeffentlichkeit. So wichtige Dinge gibt man nicht Unmündigen in die Hand! Ge brauchen wir sie also, als verständige, mündige und dennoch nicht minder liebende Kinder unseres Königs! Undank und Schläfrigkeit wäre es,, wollten ^wir die Regierung in der Erreichung der Absicht, die sie bei jenen vier Geschenken hatte, nicht bcistehen. Bleiben wir bei der Städteordnung stehen. Die Absicht derselben ist, den Städten Mittelund Gelegenheit, zu geben zu selbstständiger Entwik- kelung und zu einer geordneten Unabhängigkeit. Wie sich aber die Regierung selbst abhängig macht von der Zustimmung , der Kammern und die Kam mern von den Stimmen des Volkes, dessen ge wählte Beauftragte sie sind, von der Oeffentlich keit, so macht sie die Stadträthe abhängig von der Zustimmung der Stadtverordneten und beide von der Stimme der Bürger, deren gewählte Beauftragte beide sind. Oeffentliche Besprechung, sei sie lobend oder tadelnd, verbietet die Regierung nicht, scheut, sie nicht, ja ruft sie weise und wohl wollend hervor, anerkennend, daß auch sie irren könne, und vernimmt gern das verständige Urtheil der Oeffentlichkeit. — Nun,, und die Behörden der untersten Gliederungen des großen Staats- Organismus dünken sich erhaben über, öffentlichen Tadel? Sie glauben, die anständig ausgespro chenen Rügen eines Lokalblattes, vornehm igno- rircn zu dürfen? Und weil leider mehrmals und. wiederholt auch bei uns Veranlassung zu solchen Rügen vorgelegen bat und noch immer vorlicgt, deswegen glaubt Ihr berechtigt zu sein, über un-, ser armes Wachenblatt das Anathema aussprechen, es ein Räsonnir-Blatt schelten zu dürfen?— Wir sind weit entfernt, unser Wochenblatt als tadellos, ja nur befriedigend verthcidigen zu wollen; im Gegentheil empfinden wir tief, daß es der Ver besserung und der Hebung noch gar sehr fähig und bedürftig ist. Einmal aber wird die Redaction, was wir ihr hiermit freundschaftlich anempfchlen, fortwährend auf des Blattes Hebung eifrig bedacht sein- (wie dem Vernehmen nach vom neuen Jahre an ein neues hochwichtiges Element darin ausgenommen werden soll); — einmal müssen wir entschieden dagegen protestiren, daß das Wochenblatt wegen seiner Rügen Eure An feindung verdiene. Darum treten wir Euch hier mit bestimmt und ausdrücklich als Freunde und Vertheidiger des Wochenblattes mit der Erklärung entgegen, daß es nach unserer Ueberzeugrmg ein unveräußerliches Recht des Wochenblattes ist, "darin über öffentliche Angelegenheiten unsere Bedenken, Wünsche und unsern Tadel öffentlich niederzulc- gen. Dazu sind wir berechtiget, eben so wie die, welche cs angcht, verpflichtet sind, die ausgespro chenen Wünsche, Bedenken und Rügen angemes sen zu berücksichtigen. Freuen, herzlich freuen wer den wir uns, wenn wenigstens durch Ein Zeichen der Beachtung unserer Mahnungen wir unseres Rügen-Amtes enthoben werden., "Dessen aber seid versichert, daß die Euch tadelnswert!) erscheinende Qualität des Wochenblattes, als öffentlichen Sprach saales über öffentliche Angelegenheiten, zu bestehen nicht aufhorcn wird, so lange Veranlassung zu be gründeten Bedenken, billigen Wünschen lind ver dientem Tadel in öffentlichen Dingen vorliegen wird. Nicht Gehässigkeit oder Tadelsucht, wie Ihr meint, ist es, was uns dazu treibt, sondern der Wunsch, auch bei uns an die Stelle der Spießbür- gerei und abgeschlossenen Regimentes wahren edeln Bürgersinn und einhelliges Wirken für die Ent wickelung des in der. Städteordnung liegenden Keimes vollends ganz eintreten zu sehen, und die bei uns noch bestehenden Flecken und Mängel auszutilgen. Darum laßt unser armes Wochenblatt unge- hudclt, oder tretet auf unsere Seite und.wirket, so weit es in Eurer Macht ftchh durch Wort und Lhat dahin, daß uns der Stoff zu unseren Rü gen ausgchez oder endlich beweiset uns, daß wir Unrecht haben, dafern zhr es nicht unter Eurer Würde achtet, Eure Feder mit Wochenblattstinte zu besudeln. Die sind die bessern Bürger nicht,, die mit.Lammsgeduld mit Jedwe dem, was sie nun eben haben, sich be gnügen lassen, sondern diejenigen, wel-^ che, gehorsam dem Gesetze, was an ihnen, ist, daran setzen, daß es in ihrer Com- muu immer besser werde. B. F. R. Der Egidiustag im Jahre 1862^ (Fortsetzung.) Die Anwesenden sahen sich erstaunt an, Nie mand vermochte es sich zu erklären woher die Töne erklangen, die alle Raume des Saales mit