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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbentchn und die Umgcgeude». Amtsötlitt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 93. Ireitag, den 26. Uovemker 1889. Tag esgeschich te. Dresden. Die Erste Kammer hat den Beitritt zu den Be schlüssen der Zweiten Kammer auf Erlassung eines Nachtrags zur Kirchenvorstands- und Synodalordnung abgelehnt. Der Minister des Innern hat dem Landtag eine Novelle zum Gesetze, betreffend das Vereins- und Versammlungsrecht, welche auch suchen Vereinen, deren Zweck zwar unter den Begriff der öffentlichen Angelegenheiten gerechnet werden muß, welche aber keine politischen Vereine sind, die Bildung von Zweigvereinen und die Verbindung mit andern ähnlichen Vereinen gestattet. Die Bildung von Zweig- Vereinen und die Verbindung mit anderen Vereinen ist daher vlos den reinpolitischen Vereinen verboten. Nicht minder soll nur auf die Politischen Vereine sich das Verbot beschränken, daß nur dispositions fähige Personen Mitglieder sein dürfen; vielmehr soll im Interesse gerade solcher Vereine, die wesentlich auf die Fortbildung, namentlich auch jüngerer Leute berechnet sind, die Mitgliedschaft nicht mehr an die Erreichung des dispositionsfähigen Alters geknüpft sein. Der Brand des Militär-Pontonschuppens in Dresden ist, wie nunmehr feststeht, durch den Kammerunteroffizier Kother aus Zittau von der 6. Compagnie des Leibgrenadierregiments, dessen verkohlter Leichnam unter dem Schutt gefunden wurde, angelegt worden, wahr scheinlich um ein ihm zur Last fallendes Defizit zu verdecken. Man erzählt, Kother habe sich am Donnerstag Benzin zu verschaffen ge wußt und mit diesem Stoffe die in dem Schuppen befindlichen Ge genstände bespritzt, um dieselben leichter brennbar zu machen; dann habe er sie angezündet und sich selbst erschossen, Kothers Vater, von welchem der Sohn brieflich Abschied genommen hatte, wurde wäh rend des Brandes auf der Abdrücke gesehen, den verhängnißvollcn Brief in der Hand tragend und laut rufend: „Dort liegt mein Sohn mit begraben!" — Der unglückselige Verbrecher war als Tambour znm Militär gegangen, wurde nach 1866 Unteroffizier uud wußte sich durch sein einschmeichelndes Benehmen die Gunst seines Haupt manns zu erwerben; als aber neuerdings mannichfache Pflichtwid rigkeiten, die er sich hatte zu Schulden kommen lassen, nicht länger zu verbergen waren, schritt er zu der grausigen That. .— Roch rauchen die Trümmer des niedergebrannten Ponton schuppens und fast nur durch ein Wunder ist am Sonntag Abend in der 7. Stunde die Residenz vor neuem Unglück bewahrt worden, und zwar von einem Unglücke, das in seiner Ausdehnung furchtbar werden konnte. Der in der Nähe der Militär-Hospitäler ui Neustadt stehende Train-Stall, dessen Boden lediglich mit Heu und Stroh an gefüllt ist, gerieth in Brand. Die Kasernen wurden sofort allarmirt und zum Glück gelang es der augenblicklich herbeigeeilten Mann schaft, nicht nur die Pferde sämmtlich zu befreien, sondern auch den auf dem Boden ausgebrochenen Flammen, die bereits nach allen Seiten dicken Qualm verbreiteten, Einhalt zu thun. Das Dach wurde an verschiedenen Stellen durchschlagen, auf den Feuerheerd fofort eine große Wasscrmasse gegossen und der Boden gleichzeitig von allen Brennmaterial befreit. Trotz alledem ist es ein wahres Wunder, daß man des Feuers Herr wurde. Wäre dies nicht der Fall gewesen, dann waren das alte und das neue Militär-Hospital in Gefahr, und wenn man bedenkt, daß gerade jetzt die Lazarethe ziemlich stark bevölkert sind, so kann man das Unglück ermessen, welches entstehen kounte, wenn die Hilfe einige Augenblicke später eintrat, oder wenn das Feuer während der Nacht ausbrach, Gott fei Dank, daß dies nicht der Fall war. — Am 22. November wur den die Ueberreste des beim Ponton-Schuppenbrande in Ausübung feiner Pflicht verunglückten Unteroffiziers Buchwaldt mit militärischem Ehrengeleite zur Ruhe bestattet. Eine große Menge Publikum schloß sich dem Trauerzuge an. Der Unteroffizier Kother, welcher den Schuppen angebrannt, ist in aller Stille beerdigt worden. Er soll am Abend vor seiner ruchlosen That zu einigen Kameraden geäußert haben: „Ich werde morgen die Kammer aus eine Weise übergeben, daß sich Alle wundern sollen." Da ihm schon mehrfach Verweise wegen Unordnungen getroffen hatten, so deutete man die Aeußerung dahin, als wolle er sich durch die Uebergabe vom Vorwurfe der Un ordnung reinigen. Die Bosheit, sich selbst eine Todesfackel anzu zünden, hatte natürlich Niemand vorausfetzen können. Uebrigens ist man in Offiziers kreisen der Meinung, daß der veröffentlichte Schaden mit 50,000 Thlr. viel zu niedrig gegriffen ist. Am 22. November wurde vom Bezirksgericht zu Dresden der Stuhlbauer August Sachse aus der Dippoldiswaldaer Gegend, der von seiner Frau getrennt lebte und ohne kirchlich geschieden zu sein, sich wieder verheirathet hatte, wegen des seltenen Verbrechens der Bigamie zu 2 Jahren Arbeitshaus verurtheilt. Herr C. G. Fritzsche, 1. Lehrer inPotschappel, richtete seiner Zeit an die Lehrer des In- und Auslandes die Bitte, sie möchten in ihren Schulen eine Pfennig- odcr Kreuzcrsammlung veranstalten, aus deren Ertrage den hinterlassenen Schulkindern der am 2. August d. I. verunglückten Burgker Bergarbeiter die für ihre Schulzeit noch nöthigen Schulbedürfnisse angeschafft werden sollten. Eine große Anzahl deutscher Lehrer hat denn auch die Bitte Fritzsches erfüllt, und es ist derselbe in der angenehmen Lage, mittheilen zu können, daß bei ihm zu obgedachtem Zwecke bis jetzt 964 Thlr. 20 Ngr. ein gegangen sind. Hiervon gingen ein aus Ortschaften des Königreichs Sachsen: 571 Thlr. 13 Ngr. 2 Pf., und aus Ortschaften außerhalb des Königreichs Sachsen: 393 Thlr. 6 Ngr. 8 Pf. Dem Dr. I. berichtet man aus Pirna, 18. November: In der Nacht von gestern zu heute brannten die zu der im Müglitzthale ungefähr 10 Minuten hinter Weesenstein gelegenen, Herrn vr. Som mer gehörigen Actienpapierfabrik Weesenstein gehörigen Gebäude, bestehend aus Wohn-. Fabrik- und Pappfabrikgebäude bis auf die Umfassungsmauern nieder. Das Dampfkessel- und Papptrockenge bäude wurden gerettet. Leider verbrannte dabei der 28jährige Zim mermann Zschäkel aus Weesenstein, welcher als Holländermüller in genannter Fabrik beschäftigt gewesen und jedenfalls im Schlafe vom Feuer überrascht, sich nicht hat retten können. Sein zu einem un kenntlichen Klumpen zusammengeschrumpfter Leichnam wurde nur an einigen Ucberresten von Kleidern wieder erkannt. Ein zweiter Ar beiter, Namens Sterl, vermochte sich bei dem schnellen Umsichgreifen des Feuers nur durch Herabspringeu aus dem dritten Stockwerke, aus einer Höhe von 18 Ellen zu retten. Dessenungeachtet war der brave Arbeiter sofort wieder bemüht, seinem Dienstherrn bei Bergung der Geschäftsbücher zu helfen. Der Verdacht der Brandstiftung er scheint als ziemlich begründet. Aus Oschatz vom 21. Nov. wird dem CH. Tgbl. berichtet: In dem Schlafzimmer seines Quartiers hat sich heule Nachmittag der Ulan 4. Schwadron 1. Ulanenregiments hier,'Johann Friedrich Se- mig aus Dresden, erschossen. Obwohl man die Ursache des Selbst mords nicht kennen will, so lauten doch die Urtheile über diesen fo beklaaenswerthen Selbstmord sehr verschieden. Es ist dieß seit dem Bestehen hiesiger Garnison leider der dritte Fall, in welchem der Soldat Hand an sich selbst gelegt hat. Vielleicht ist der gegenwär tige Fall geeignet, Gelegenheit zu geben, sich von den so unerklärli chen Ursachen von Selbstmorden in der königlich sächsischen Armee zu überzeugen. Da in Preußen nach einer kriegsministeriellen Bestimmung die Rekruten-Einstellung bei den Linicntruppcn zu Fuß dießmal nicht wie voriges Jahr Anfangs Januar, sondern bereits Mitte December stattftndcn soll, wird es in Sachsen wohl ebenso gehalten werden. Miquel im Preuß. Abgeordnetcnhause wird noch einmal den Kriegsministcr interpelliren, was in Sachen des Celler Denk mals geschehen soll. Graf Schwerin, Graf Bethusy-Huc und an dere Führer der Parteien haben diese Interpellation mit unter zeichnet. Das Schicksal des Celler Denkmals ausgenommen hat in Preu ßen in jüngster Zeit nichts mehr Aufsehen gemacht, als eine Defi zits-Erklärung des Cultüsministcrs v. Mühler. Er erklärte den Abgeordneten, die für die Wittwcn der Elementarlehrer geforderten 50 Thlr. Pension könne er nicht beschaffen, da dazu 60,000 Thlr. nöthig seien, die die Staatskasse nicht entbehren könnnc. Sein Col lege, der neue Finanzminister Camphausen war anderer Meinung, er" erklärte, er werde die 60,000 Thlr. schaffen. Das Haus jubelte, Herr v. Mühler schwieg verdrießlich. Da sprang einer der ältesten Abgeordneten, Ziegler von Brandenburg, auf und hielt in feurigen Zungen eine Rede gegen die Verwaltung des Cultusministcriums; es war ein wahres Wetterleuchten. Gottlob, rief er, hat doch we nigstens ein Minister ein Herz für die Bedrängten. Der Herr Cul- tusminister aber schweigt. Er hat kein Geld, er räth dem Könige ab. Ich werde dem Herrn v. Mühler sagen, wie er zu Geld kommt.