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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 99. Imtag, den 17. De cemöer 1869. Gesetz, die Gleichstellung der Schuldverschreibungen des Norddeutschen Bundes mit den inländischen Staatspapieren betreffend, vom 2. Dccember 1869. Wir, Johann, von Gottes Gnaden König von Sachsen re. rc.- verordnen mit Zustimmung Unserer getreuen Stände hierdurch, wie folgt: Die auf Grund eines verfassungsmäßig erlassenen Bundesgesetzes ausgefertigten Schuldverschreibungen des Norddeutschen Bundes können in gleicher Weise, wie die inländischen Staatspapiere, zur Anlegung von Mündelgeldern, von Baarschaften der Kirchenärarien und anderer geistlicher und milder Stiftungen, sowie von Dcpositalbeständen, nicht minder zur Bestellung von Dicnstcantionen verwendet werden. Urkundlich haben Wir dieses Gesetz eigenhändig vollzogen und Unser Königliches Siegel beidrucken lassen. Gegeben zu Dresden, am 2. December 1869. (I-. 8.) Johann. Richard Freiherr von Friesen. Tag csgeschich te. Am Montag Abend ereignete sich in Dresden ein bedauernS- wcrthes Unglück auf dem Eiscnbahnübergange auf der Falkcustraße beim Central-Güter-Bahnhofe. Bei zi fällig offnen Barrieren kam unerwartet ein hochbeladener Güterwagen angesaust und ein Ein spänner, der über die ungehemmte und somit offne Bahn fuhr, ent ging nur durch Schnelligkeit cmem Unglück, das jedoch einem alten sorglos dahingehenden Herrn, einem 80jährigcn Beamten Vorbehalten war. Erfaßt von dem anstürmendcn Wagen wurde er augenblicklich uicdcrgeworfcn und ihm beide Beine zcrrädcrt. Ein zweites nicht minder bcklagcnswerthes Unglück ereignete sich am Dienstag Mittag ebenfalls in Dresden. Am Ausgange der Kö nigsbrücker Straße soll ein Militairmagazin erbaut werden; augen blicklich ist man beschäftigt, einen Brünnen an der Baustelle herzu stellen; nachdem derselbe eine Tiefe von 48 Ellen erreicht, ist der selbe cingestürzt und hat unter seinen Trümmern die Brunnenarbeiter Schütze aus Lausa, Vater von 6 Kindern, und Nchaar aus Herms dorf, Vater von 4 Kindern begraben. Ein Militair-Cordon umzieht die Unglücksstätte, innerhalb derselben mit aller menschlichen Krafl- anstrcngunq die Befreiung der Verschütteten versucht wird. In Meißen hat sich am vergangenen Sonntag Abend aber mals ein Soldat der dortigen Garnison, Sohn eines Meißner Bür gers, mit seinem Dienstgewe^ee in der Absicht sich zu tödtcn, eine Schußwunde beigcbracht, an de.cn Folgen derselbe am Dienstag früh im städtischen Krankenhaus gestorben ist. Crimmitschau, 11. December. Gestern Abend 10 Uhr ist die dem Zimmermeister Beher gehörige, in der Nähe des Bahnhofs ge legene Spinnerei total nicdergcbrannt. Leider ist dabei ein Feuer wehrmann schwer verwundet worden. In Cunnersdorf bei Annaberg ereignete sich in diesen Tagen der merkwürdige Fall, daß ein von einem tollen Hunde gebissener Ochse wüthend geworden ist und getödtet werden mußte. Ein ande res ebenfalls geviffenes Stück Vieh untersteht noch der thierärztlichcn Behandlung. Ein eigcnthümlicher Fall ereignete sich Anfang voriger Woche in Bautzen, der von dem sonderbaren Schicksal eines Ehepaars Zeug- uiß giebt, das in Zeit von wenigen Momenten plötzlich das Zeitliche segnete. Dem in Bautzen stationirten Polizeidiener Püschel starb am Montag plötzlich seine Ehefrau, mit der er lange glücklich gelebt, an einem Blutschlage, und schon eine halbe Stunde nachher war auch er eine Leiche, ein Herzschlag hatte ihn getödtet. Am Donnerstag sand das feierliche Begräbniß statt und viele Hunderte zogen hinaus auf den Kirchhof, wo ein gemeinsames Grab die vom Geschick so schnell ereilten Eheleute aüfnahm. Püschel zählt 43 Jahre, seine Frau nur zwei oder drei mehr. Durch eine Cabinetsordre des norddeutschen Obcrbundesfcldherrn ist bestimmt worden, daß für 1870 die Winterübungen der dazu ver pflichteten Mannschaften des Beurlaubtenstandes, mit Rücksicht auf die verstärkten Winterübungen des vergangenen Jahres, nicht statt- zusinden haben. Glogau. Eine Säbelaffaire macht hier großes Aufsehen. Ein Offizieri welcher Abends in einem Weinhause mit dem Bureauvor- steber eines Rechtsanwalts Streit bekommen hatte, überfiel, begleitet von zwei Kameraden, den Bureauvorstehcr in dessen Wohnung am nächsten Morgen. Ein Offizier trat ans Bett des Bureauvorstehers, weckte ihn und forderte Genugthuung für die erlittene Beleidigung. Bei dieser Gelegenheit reichte er ihm einen Revolver mit der Auf forderung sich mit ihm zu schießen. Da diese mit derben Worten zurückgewiesen wurde, holte der Offizier eine Reitpeitsche hervor und versetzte ihm mehrere Schläge, die anderen Offiziere prügelten eben falls drauf los. Das Militärgericht hat gegen die Helden eine Un tersuchung eingelcitet. Berlin. Der junge Bielandt, welcher wie seiner Zeit berichtet wurde, in der Domkirche auf den amtirenden Geistlichen ein Pistol abgefcuert, wurde in der am 11. December stattgefundenen Verhand lung von den Geschworenen des versuchten Mordes für schuldig er klärt, während die Frage, ob der Angeklagte zur Zeit der That un zurechnungsfähig war, verneint ward Der Staatsanwalt beantragte 12 Jahr Zuchthaus. Der Gerichtshof erkannte das Urtheil. Der Angeklagte blieb vollständig ruhig. Wien, 13. December. Heute Vormittag stellten die Arbeiter in allen Fabriken und Weckst..lten die Arbeit ein und versammelten sich gegen 8000 Mann stark aus dem Paradcplatze gegenüber dem Abgeordnetcnhause. Der Zweck der Demonstrasion war, dem Mini sterpräsidenten eine Petition zu überreichen, in welcher freies Vereins- und Versammlungsrecht, freies Coalitionsrccht, volle Preßfreiheit und die Verhandlung über diese Gegenstände noch in dieser Session des Neichsraths gefordert wird. Die Arbeiterführer Hartung und Schön feld setzten den Zweck der Versammlung auseinander und es wurde sodann eine Deputation zu dem erwähnten Zwecke gewählt, welche sich heute um 12 Uhr zum Grafen Taaffe begeben und um halb I Uhr den versammelten Arbeitern die ihr zu Theil gewordene Ant wort überbringen wird. Aus Anlaß dieser Demonstration wurde die ganze Reserve der Sicherheitswache aufgeboten, das Abgeordne tenhaus war durch 20 Sicherheitswachmänner besetzt; ein behörd liches Einschreiten fand bis 1 Uhr Mittags nicht statt. Heute Nach mittag um HUHr findet in Zobels Bierhallc in Scchshaus eine Volks- vcrsammlung statt, welche allen Ansichten nach überaus erregt sein dürfte, wenn sic nicht vorher verboten wird. Die meisten der Arbei ter waren der Meinnng, der Kaiser werde ins Abgeordnetenhaus kommen, und wollten ihm hier ihre Petition überreichen. In Oesterreich steht eine neue Krisis bevor. Die Bürgermi nister haben das Zaubermittel nicht gefunden, die auseinander stre benden Völkerschaften zusammen zu halten. Der Kaiser ist trüben Sinnes von seiner Reise zurückgekehrt. Sein erstes Wort in Triest war die Klage: Die alten Mittel helfen nicht mehr und neue hat mir noch Keiner geschaffen. Den Minister GiSkra hat er beim Empfange in Wien in der Ecke stehen lassen und den Kriegsminister das Wort zugeworfen: So kann es nicht »»ehr fortgehen. Der Suezkanal, als einer der großartigste» Werke menschlicher Thätigkcit und menschlichen Unternehmungsgeistes, wird von der Ti mes nochmals ausgiebig verherrlicht. Am Schluffe hebt das leitende Blatt hervor, daß es nunmehr die Pflicht der Völker, ja, man könnte sagen, einer Uebereinkunft der Staaten sei, sich an den noch übrigen Anstrengungen zu bethciligen. Unter vielen sei die schwere Bürde leicht zu tragen. Was England betrifft, so freut sich die „Times," daß man bereits Dampfer für die Canalfahrt baue und hält diesen praktischen Beweis des Vertrauens für werthvoller und wichtiger als alle theoretischen Betrachtungen. Der junge Rochefort und der alte Raspail, zwei Republikaner, gehen in der Kammer in Paris gewaltig ins Zeug. Sie beantragen, daß künftig nicht mehr der Kaiser, sondern die Kammer über Krieg uud Frieden beschließen und daß der erstere nur erklärt werden solle, wenn ein ungerechter Angriff abzuwehren ist. Alle Bürger von 20 bis 50 Jahren sollen die Armee bilden und ihre Offiziere selber wäh len; gicbl's Krieg, so soll die Kammer die Generale ernennen. Alle Steuern sollen äbgcschafft und statt deren nur eine einzige cingcführt werden, nämlich eine im Verhältnis; zum Besitze aufsteigende Steuer.