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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 18M Dienstag, den 9. Aovember Verordnung, Maaßregeln wegen der Rinderpest betr. In Bezug auf die Ein- und Durchfuhr von Rindvieh aus den k. k. österreichischen Staaten nach Sachsen ist in Berücksichtigung daß die Kronländer Böhmen und Mähren schon seit längerer Zeit von der Rinderpest völlig frei geblieben sind und daß die Seuche der malen nur noch in Ungarn und Galizien vorkommt, von dem Ministerium des Innern beschlossen worden, die Bestimmungen: unter I und 2 der Verordnung vom 22. December vorigen Jahres nunmehr aufzuheben und an deren Stelle folgende Vorschriften treten zu lassen. 1. Rindvieh des Landschlags aus Böhmen und Mähren darf nach Sachsen ohne Weiteres eingeführt werden, wenn der be treffende Transport mit einem von der Ortsbehörde desjenigen Orts, aus welchem das Vieh stammt, in deutscher Sprache ausgefertigten Viehpasse versehen ist, und in diesem nicht nur die Viehstüae nach Zahl und äußeren Merkmalen (Geschlecht, Farbe und Abzeichen) genau angegeben sind, sondern auch die Bestätigung enthalten ist, daß in der Ortschaft und deren Umgebung, aus welcher die Thüre kommen, eine seuchenartige Krankheit unter dem Hornvieh nicht herrsche und die Viehstücke bei dem Abtriebe gesund befunden worden feien. 2. Rindvieh der Steppenratzen, (podolisches, ungarisches und galizisches Vieh) ist dagegen ohne besondere, in jedem einzelnen Falle vorher einzuholcnde, Genehmigung des Ministeriums des Innern nur unter der Voraussetzung über die Grenze einzulassen, daß 1. der Transport auf der Eisenbahn und in besonderen Wagen ohne Vermengung mit anderem Vieh erfolgt, daß 2. der Transport den dies seitigen Grenzpolizei-Commissariaten resp. in Zittau und Bodenbach und beziehendlich der diesseitigen Grenzpolizciinspcction in Voitersreuth vorher angemeldet worden ist, daß 3. der vorschriftmäßige Viehpaß (oben sub 1) beigcbracht wird, und daß 4. in diesem Passe oder durch ein anderes völlig glaubwürdiges behördliches Zeugniß bescheinigt ist, daß und an welchem Orte das betreffende Vieh bisher in Böhmen oder Mähren mindestens seit bereits drei Monaten ununterbrochen gestanden habe. Soll ein derartiger Transport durch Sachsen hindurch und weiter, oder durch Preußen gehen, so ist überdies die Genehmigung der betreffenden Königlich Preußischen Regierungsbehörde zum Einlaß des Transports nach oder durch Preußen beizubringen. Zuwiderhandlungen gegen die obigen Bestimmungen werden nach H. 8 flgde. des Gesetzes, die Verhütung und Tilgung der Rinderpest re. betreffend, vom 30. April 1868 (Gesetz- und Verordn.-Blatt Seite 264) bestraft. Dresden, am 22. October 1869, M i n i st e r i u m des Innern. Forwerg. v. Nostitz Wallwitz. Tagesgrschichte. Wilsdruff, am 9. November 1869. Uebcr die am 4. November abgehaltene Sitzung der zweiten Kammer geben die D. N. folgende Mittheilung: Wohl die wich tigste, sicher aber eine der interessantesten und zugleich stürmischsten Sitzungen fand gestern in der zweiten Kammer statt. Es handelte sich um die Verfassungsmäßigkeit des jetzigen Landtags. Hierzu la gen zwei Anträge vor, der eine vom Abgeordneten vr. Wigard, wel cher die Auflösung des jetzigen Landtags und die Zusammenberufung eines neuen, nach dem 48r Wahlgesetze gewählten Landtags ver langte, um von diesem Standpunkte aus die Beseitigung der I. Kammer und Einführung des allgemeinen, gleichen uud direkten Wahlrechts zu erlangen. Der andere vom Abgeordneten Riedel, wel cher sich von dem Äigardschcn darin unterschied, daß er den jetzigen Landtag für zu Recht bestehend anerkannte, aber die Regierung um ein neues Verfassnngs- und Wahlgesetz bat, um ebenfalls die erste Kammer zu beseitigen (in diesem Punkte conform mit vr. Wigard) und ein dem Wahlgesetze von 48 entsprechendes Wahlrecht einzufüh ren. Ueber beide Anträge entbrannte und zwar in des Wortes flam mendster Bedeutung eine heiße Sstündige Debatte, in deren Laufe cs zu heftigen Angriffen der Linken auf die Rechte und umgekehrt kam und an deren Entschluß die beiden Anträge abgelehnt wurden, der von vr. Wigard gegen nur 5 Stimmen, der vom Abgeordneten Riedel mit der kleinen Majorität von 40 gegen 37 Stimmen. Die königliche Ordonnanz vom Juni 1850, welche an die Stelle des 1848r Wahlgesetzes die reactivirten Stände setzte, wurde von I)r. Wigard, Ludwig, Biedermann, Heubner u. A. als ein Staatsstreich bitter kritisirt und erfuhr die schärfsten Angriffe; der Minister v. Friesen, der einzige der damaligen Räthe der Krone, die diese Ordonnanz unterzeichnet haben, welcher noch in Function ist, trat für deren Vertheidigung muthig ein; der Abg. Sachße ging den Abg. Wigard und Heubner zu Leibe, schilderte den Unverstandslandtag und die Emeute im Mai 1849. Er fragte mit einer Handbewcgung: „Und Sie wollen diese Zustände wieder einftthren?" Darüber entstand furchtbarer Lärm. Mehrere Redner beantragten den Ordnungsruf. Der Präsident würde ihn ausgesprochen haben, wenn er das betref fende Wort „Sie" gehört und die Handbewcgung gesehen habe. Sachße meint, er hätte sein „Sie" sofort durch „man" verbessert. Hierauf wendete sich Abg. Heubner, persönlich wegen seiner Mitglied schaft an der provisorischen Regierung vom Abg. Sachße angegriffen, in kräftigen Worten gegen diese Bezugnahme. Lautes Bravo folgte in der Kammer und auf den Galerien; Sachße erwiederte, daß er Hochverrats) nicht für rühmlich halte. In großer Aufregung discu- tirte man weiter. Der Minister v. Nostitz-Wallwitz sprach in sehr versöhnlichem Sinne. Allerdings ließ er keinen Zweifel übrig, daß die Regiernug nun und nimmermehr einen Antrag annehmen würde, der das ganze Fundament des Staates in Frage stelle; aber er er klärte doch, daß das gegenwärtige Wahlgesetz nicht das letzte sein werde. Or. Wigard suchte die Einwendungen zu entkräften, als ob cs Gefahr habe, daß wenn man die ganzen Landtage don 1850 her als verfassungswidrig erkläre, dann auch alle Gesetze uud Staats anleihen, die diese Landtage beschlossen/ rechtsunverbindlich seien. Zuletzt erfolgte die Eingangs erwähnte Beschlußfassung. AnrBeginn der Sitzung erwiederte der Kriegsminister auf die Interpellation des Abg. Biedermann wegen der Selbstmorde in der Armee zur großen Uebcrraschung der Kammer, daß diese Krankheit jetzt viel weniger Opfer fordere als früher. Nach einer Dresdner Correspondcnz der D. A. Z. gab der Prä sident Haberkorn der zweiten Kammer am 1. November ein Diner, eine Erholung, die „nach der harten Arbeit der letzten Woche wohl verdient" genannt wird. Es haben, heißt es weiter, bei dieser Ge legenheit die verschiedensten Parteien, die sich schon in der Gemeinde frage in erfreulicher Weise genähert, gemächlich unter einander verkehrt und will man öfters dergleichen gesellige Unterhaltungen veranstalten, um die begonnene Ausgleichung der Gegensätze noch weiter zu führen. Nächste Mittwoch, 10 November, wird Nachmittag 4 Uhr von Dresden ein Theatcr-Extrazug für die Mitglieder der ersten und zweiten Kammer des Landtags nach Leipzig abgehcn. Abg. Kauf mann Schnorr hat die Anregung zu dieser Vergnügungstour gege ben, und es soll an diesem Tage auf Wunsch der Herren Volks vertreter, Wagners Nicnzi gegeben werden. Außer den Mitgliedern der Ständevcrsammlung sind auch die Herren Minister, die vortra genden Räthe rc. für diese Fahrt geladen worden. Das Leipziger Stadtverordnetencollegium hat sich in seiner letzten Sitzung einstimmig der Petition des Städtischen Vereins in Leipzig an die zweite Stündekammer angeschloffen, worin der Verein die Kammer bittet, im Verein mit der ersten Kammer die Staotsre- gierung um sofortigen Erlaß eines Gesetzes um Abänderung des §. 125 der Städteordnung dahin zu ersuchen, daß auch diejenigen Städte und Dörfer, welche über 200 Bürger haben, direct ihre Stadtverordneten wählen können. Nach amtlicher Zusammenstellung der im Jahre 1866 im Kö nigreich Sachsen vorgekommenen Cholera-Todesfälle ergiebt sich fol gendes Resultat: Regierungsbezirk Dresden 236, R.-Bcz. Leipzig