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300 Bezüglich der Zeitungsnachrichten über eine vorbereitete, Nord- und Süddeutschland umfassende Organisirung der national-liberalen Partei bemerkt die National-Zcitung unter Andern,: Wir begrüßen sreuvig den Gedanken einer solchen Panciorganisirung und wünschen den darauf sich beziehenden Bestrebungen den besten Erfolg. Durch diese Parteiorganisirung werden sowohl die Unklarheiten beseitigt werden, welche in den national gesinnten Parteien Süddeutschlands bezüglich der Frage des Anschlusses an den Norden noch immer herr schen, als auch der aus der mangelnden Organisation herrührcnde Schein der Schwäche der national-liberalen Partei Nvrddeutschlands schwinden. lieber das bereits erwähnte schwere Unglück, welches sich am 13. d. M. in Königsberg i. Pr. zugetragen hat, berichtet man der Danz. Ztg. folgendes Nähere: „Das von dem Provinzialcomitee ver anstaltete Fest sand in den vereinigten Logengärten statt, die, wie die übrigen den Schlvßteich umgebenden Gärten, auf das Glänzendste üluminirt waren. Das Schauspiel hatte eine große Menge Schau lustiger herbeigczogen, welche rheils in zahlreichen Löten, theils auf der langen Schloßtcichbrncke ihren Platz genommen hatten. Der Zudrang der Menge vermehrte sich noch, als der König, die Prinzen und die übrigen Gäste in einer großen, festlich geschmückten Gondel eine Rundfahrt begannen. Da, um 8'/? Uhr Abends, als die kö nigliche Gondel der Brücke eben ziemlich nahe gekommen war, gab ein Theil des hölznerncn Brückengeländers dem Ändrängen des Pub likums nach und unter entsetzlichem Angstgeschrci stürzte eine große Anzahl Menschen ins Wasser oder auf und zwischen die unten be findlichen Böte, welche zum Theil auch durch die in Todesangst sich Anklammernden umgerissen wurden. Der allgemeine Schreck und die allgemeine Verwirrung waren unbeschreiblich. Die Dunkelheit ließ weder den Umfang des Unglücks erkennen, noch die zweckmäßig sten Maßregeln zur Rettung ergreifen. Zudem waren die meisten Böte mit Zuschauern dicht besetzt, die erst gelandet werden mußten, ehe man mit denselben zu Hülfe kommen konnte. Wie viel Personen ins Wasser gestürzt, wie viel gerettet sind, konnte bis Mitternacht nicht annähernd sestgestellt worden. 6—8 bewußtlose Herausgezogene gelang es, ins Leben zurückzurufen. 26 Leichen wurden nach und nach herausbefördcrl und in die nächsten Gärten gebracht, wo sie re- cognoscirt werden konnten. Es besanden sich darunter Kinder unter 10 Jahren, sowie mehrere junge Mädchen und Frauen. Das Fest wurde sofort auf Befehl des Königs eingestellt. Ein diesem Bericht beigcfügtes Telegramm meldet, datz bis zum 14. September 30 Tode ans dem Schloßteiche gezogen worden sind. Bei den günstigen Erfolgen, deren sich der Katholicismus in den letzten Jahren in Preußen und selbst in Berlin zu erfreuen hat, kann es nicht befremden, wenn er seine Interessen auch noch in der Presse nachdrücklicher zu vertreten beabsichtigt. Man gehl hier mit der Gründung eines täglich erscheinenden katholischen Organs um, und, Ivie es heißt, soll dasselbe schon in nächster Zeil ins Leben lrelen. In dem Preuß. Regierungsbezirke Wiesbaden zeigt sich ein sol cher Mangel an jungen evangelischen Theologen, daß mehrere er ledigte Psarrstcllen nicht besetzt werden konnten. In München hat sich ein Verein für freiwillige Armenpflege ge bildet, der großen Anklang findet und in kurzer Zeit 2291 Mitglie der zählt. Der Verein hat sich die Aufgabe gestellt, die HanS- und Straßenbettelei abzuschaffcn. für Beschäftigung der Armen zu sorgen und leine Unterstützung an Geld zu gebe», sondern an Lebensmitteln und Kleidung. An der Spitze des Vereins steht der Professor vr. M arti n. . Die in Nürnberg versammelten deutschen Bienenzüchter haben einen Jubilar in ihrer Mitte mit Glückwünschen uns Geschenken sehr ausgezeichnet. Dieser Jubilar ist der Seminarpcäfekt Andreas Schmidt in Echstält, der vor 25 Jahren seine Bienenzettung gegründet und zn hohem Ausschwung gebracht hat. Der Honig ist in Bayern noch nickl ausgegangen, denn cs qiebc nicht weniger als 243,119 Bienen stöcke im Lande. Der in der Verbannung lebende, etwas hochtrabende französi sche Dichter Victor Hugo hat eine Einladung erhalten, der Frie dens- und FreihcitS-Llga in Lausanne beizuwohnen. Er antwortete: Mitbürger von den Vereinigten Staaten von Europa. Ein letzter Krieg ist nothwendig, der Krieg zur Eroberung der Freiheit; mit Hinwegräumung der ersten aller Knechtschaften, mit der Landesgrenze muß begonnen werden, das Endziel ist die „Wiederverschlingung aller Soldaren durch die Bürger." Das wird ein schönes Fressen wer den. Bei den Revolutionären in Spanien scheint Ruhe die erste Bürgerpflicht zu fein, denn Einer hat den Vorschlag gemacht, das Glockenläuten abzuschaffen, da es die Ruhe der Bürger störe. Kein Hlüäi. Eine Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Der alte Apotheker ließ den Sohn in seinem etwas lockern Le ben gewähren, nur gestatteten seine Verhältnisse nicht, ihn auch mit Kasse glänzend auszurüsten, und bald hatte sich der lebenslustige junge Bursche in Schulden gestürzt, vor deren Höhe ihm selbst zu grauen schien. Der Commcrzienrath lebte inzwischen, unbeirrt von dem Geschwätz d s Städtchens, sein seltsam geheimnißvolles Leben svrt und noch immer hatte sich der Schleier nicht gelüftet, der sein ganzes Dench» und Handeln tief geheimnißvoll verhüllte. Zweites Kapitel. Ein zweites Ereigniß sollte unsere im Anfang der Erzählung aufgeführten Freunde wieder außer Fassung bringen — die nochma lige „Ein"- und ebenso entrüstete „Fortsendung" einer Summe von 500 Thaler, sage fünf hundert Thaler. — Das war doch zu arg! — auch eine solche bedeutende Summe zurückzuschicken, die selbst die loyalsten Grundsätze des guten Wirths erschüttert und ihn zum Mit wisser und Mitschuldigen von alle» möglichen Verschwörungen gemacht haben würde. Ja, er hätte sichs noch gefallen lassen, der dicke Wirth, wenn der Fremde reich, steinreich gewesen wäre; aber erlebte so einfach, so bescheiden, beschränkte seine Ausgaben aus das nied rigste Maß, es war offenbare Verrücktheit, eine solche Summe zu rückzuschicken; »ran zerbrach sich von Neuem die dicken Köpfe und da auch dies kein Resultat herbeiführte, so begann man wenigstens die Geschichte mit dem Fremden von Neuem durchzulästern und ging ihm wo möglich noch mehr aus dem Wege wie bisher. Nur den jungen Postsecrelair brachte cs auf einen unglücklichen Gedanken. Mariechen war eines Tages wieder beim Lommerzien- rath gewesen und kramte mehrere Sächelchen a»S, die sie alle ihrer Puppe zeigen müßte, unter anderen auch ein goldnes Petschaft des Commerzienrathes und tausend Gedanken durchkreuzten augenblicklich seinen. Kopf. Welch ein Glück.' was ließ sich nicht mit dem beginnen, dies kostbare Werkzeug sollte ihm ocr Zusall nicht umsonst in die Hände gespielt haben! — Die Kleine hatte das Petschaft wieder weggelcgt, und als sich Arthur von ihr unbemerkt glaubte, steckte er es hastig in die Tasche. „Nun soll noch eine Sendung kommen," jubelte er in sich hinein „und sie geht gewiß nicht mehr zurück." „Aber wenn es herauskäme?" flüsterte ihm die Stimme seines Gewissens zu. „Pah, es ist unmöglich, der verrückte, alte Herr kümmert sich wenig darum, ob das Geld zurückgeht oder nicht/ und und ich kann es brauchen," fuhr er in seinem Selbstgespräch fort; „wahrhaftig, diese Wucherer treten nur schon wegen der paar Tha ler Schulden die Seele aus dem Leibe; ich muß einen Staatsstreich wagen, um Ruhe zu erhalten. Nun darf nur eine recht hübsche Summe kommen!" Und wirklich, es glückte ihm, wie er es nannte, besser sogar, als er erwarten konnte, denn nach einiger Zeit langte eine noch größere Summe auf der Post an den Commcrzienrath an — 1000 Thaler. Der Postmeister, ein alter, sich wenig uw sein Amt kümmern der, früherer Offizier, wollte den Postschein augenblicklich zurück schicken, weil der Postbote von dem Commcrzienrath nur Grobheiten erhalten, nicht mehr hingehen wollte; aber der junge Postsecretär stellte vor, daß dies reglemcntswidrig sei, und erbot sich, den Post schein selbst hinzutragcn; „ihm würde er die Sache schon abnch- men," versicherte dabei der junge Pelkmaiin. Der Postmeister brummle: „Nun machen Sic, was sie wollen!" und so nahm der junge Man» den Postschein an sich, um »acb Tisch zum Commcrzienrath zu gehen, sich aber nur zu erkundigen, ob Ma riechen dort sei und als einzige Antwort nur ein ganz verdroßenes „Nein" zu erhalten. Der Postschein war bereits von denn umsichtigen Arthur heimlich untersiegelt und von ihm selbst unterschrieben worden und jetzt legte er den vollzogenen Schein in das Fach, uni dafür den verhüngniß- vollen inhaltsreichen Brief in Empfang Zu nehmen. Ein Schauer durchrieselte zwar beim ersten Ergreifen des Geldbricfes den jungen Mann; das Blut jagte heftiger zum Herzen; noch konnte er zurück — einen neuen Postschein schreiben, und Ehre, ehrlicher Name und Ge wissen waten gerettet .... Aber mit diesem großen Schatz konnte er alle Manichäer beschwichtigen, ein anderes köstlicheres Dasein be ginnen und dann, wenn später wirklich eine Entdeckung zu befürchten war, hatte er nicht Zeit und Mittel genug, ehe ihn die NemesiS er reichen konnte, nach Amerika zu flüchten? — noch ein Zurückzucken der fiebernden Hand und der Brief senkte sich in seine Tasche . . . Der alte Postmeister kümmerte sich wenig darum. „Also doch ange nommen?" fragte er trocken und ging wie gewöhnlich zu seiner Whlst- partie. Der Gastwirth und sein Freund, der Stellmacher, wurden ganz zerschlagen von dieser neuen Wendung der Dinge. „Also doch ange nommen!" seuzte der Erstere, „es ist richtig; wie lange wirds dauer», da wird ein Wagen vorfahren, man wird den Vogel gefangen neh men, Ketten anlcgen und davonführen, denn eine Verschwörung kommt immer heraus," verkündete der Noßwirth. Und wirklich — die Prophezeiung des Gastwirths sollte in Er füllung gehen. Einige Wochen nach dem letzten Ereigniß kam ein Wagen bei dem kleinen Gasthof vorgefahren, nur sah er nicht wie der eines Polizeibeamten aus. Es war eine höchst elegante Kalesche und in derselben saß nur eine junge Dame mit einem etwa 7 Jahre alten Mädchen. Welches Aufsehen machte dies neue Ereigniß! Die Straßenjugend war schon dem prachtvollen Wagen gefolgt und um stand jetzt gaffend und in müßiger Neugierde die elegante Fremde. Der dicke Wirth bog sich demüthigst so tief, als cs sein dicker Körper nur zulieb und fragte unterwürfigst nach dem Begehr der schönen Fremden, die zwar schon in den Dreißigen sein konnte, den noch aber durch ihre gewählte feine Toilette, durch die Grazie und den Adel ihrer ganzen Erscheinung zn imponiren wußte. Sie sprang leicht und elastisch aus dem Wagen, hob ihre Tochter selbst heraus und fragte nach dem Zimmer des Commerzienrathes. „Des Commerzienrathes?" murmelte es echoartig durch die gaff ende Menge, das war ja einefrische mit Geheimniffen gefüllte Bombe, die neue Grübeleien und Kümmernisse in die von Neugier verzehrten Herzenwarf.