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114 Haken, weil man nicht weiß, wie der Katze die Schelle anzuhängen ist. Die beiden Pole unseres staatsbürgerlichen Lebens sind der Fi nanzminister und der Kriegsminister. Ein wahrhaft klassisches Leben! Der Finanzminister gebeut für den Staat zu leben und ruft uns mit klassischer Begeistrung zu: Ans Vaterland, ans theure schließ dich an! — Der Kriegsminister aber übertrumpft ihn noch und ruft uns altklassisch zu: Valos st äsoorum pro pavia mori! d. h. zu deutsch: Süß und ehrenvoll ists, fürs Vaterland zu sterben! In einer dem „Norddeutschen Wochenblatte" zugegangenen Kor respondenz — angeblich aus besonders guter Quelle — wird über die sogenannte Welfenlegion Folgendes mitgcthcilt: Die Legion, die jetzt in Frankreich des Augenblicks harrt, wo sie an der Seite der Nothhosen in Deutschland einbrechen soll, um dem Hietzinger wieder zum Throne zu verhelfen, ist gegenwärtig 900—1000 Mann stark und besteht nicht blos aus Hannoveranern, sondern auch aus Nicht deutschen. Abteilungen der Legion liegen in Amiens, Beauvais, Orleans, Rouen, Evreux, Melum, Epernay, Fischet rnd Dormans. Sie sind in die Anmeldelisten als „hannöversche Soldaten" eingetra gen. In Betreff der Organisation sind diese Soldaten in den ge dachten Städten regimenterweise vertheilt, d. h. die in der Heimath bei einem Regiment gedient haben, sowie die, welche erst als Rekru ten in dieses Regiment eintreten sollen, liegen vereint in einem Orte. Der Zusammenhang wird durch die Offiziere, deren man 8 oder 9 hat, und die Unteroffiziere erhalten, es besteht also eine bestimmte militärische Organisation. Die Gemeinen erhalten aller 5 Tage ihre Löhnung und zwar für den Tag 2^4 Fr. (etwa 18 Ngr.), die Cor- pcrale 5 Fr. (1 Thlr. 10 Ngr.) Sie behaupten, daß ihnen dieser Sold, der natürlich von Hietzing kommt, regelmäßig ausbezahlt wor den ist. Der Fürst und die Fürstin zu Schaumburg-Lippe traten kürzlich in Noin zur katholischen Kirche über. Bei dem Geschrei, welches süddeutsche Preußenfresser immer bei der ZuMuthung erheben, sich je eher je lieber mit den norddeutschen Bundesbrüdern zur Begründung eines einheitlichen mächtigen deut schen Gesammtvaterlandes zu verbinden, ist cs von Interesse zu lesen, welche materiellen Vortheile die Südstaaten von ihrer Thcil- nahme am Zollverein haben. Es tragen zu den Zolleinnahmen bei: der Norddeutsche Bund 23,512,199 Thlr., Bayern 1,407,199 Ther., Württemberg 574,812 Thlr. und es erhalten bei der Verthci- lung nach der Kopfzahl von diesen Zolleinnahmen, die Ausgaben in Abzug gebracht: der Norddeutsche Bund 18,242,239 Thlr., Bayern 3,034,359 Thlr. und Württemberg 1,117,093 Thlr. Wer bringt da der gemeinsamen Sache des Vaterlandes die meisten Opfer? Napoleon hat wieder einmal den Italienern Rom in der Ferne gezeigt und der alte Polterer Victor Emanuel hat einer Deputation zugcrufen: Große Ereignisse nahen heran, unsere Wünsche und Ge schicke erfüllen sich. Die Börse in Paris hat allerdings gemeint, ein König könne etwas wissen und ließ die italienischen Papiere fallen; wenn aber Napoleon dem Victor Emanuel Nom gezeigt hat, so gesah es nur aus der Ferne, denn er wird sich hüten, den Papst und die Klerisei vor den Kopf zu stoßen zu einer Zeit, jwo er ihres Einflusses bei den Wahlen in Frankreich dringend bedarf und das ökumenische Concil in Rom vor der Thüre steht. Was er Italien verlangt, ist Neutralität zu der Zeit, wenn er einen mit Preußen wagt, Neutralität, damit er die Grenzen gegen unbefetzt lassen kann. Die Franzosen studiren eifrig den „Brief an einen WM? Dieser Brief ist eigentlich an alle Wähler gerichtet nnd von dem^ ser diktirt; es ist ein genauer Nachweis, was der Kaiser für reichs Größe und Wohlfahrt alles gethan hat und eine Entschädig für das, was er 1866 gegen Preußen unterlassen hat. Die Minister in Spanien sollen sich über Don Ferdinand ä' Portugal) als König geeinigt haben, die Soldaten ziehen den U von Asturien, den Sohn der Isabella, vor. Napoleon intriguirl^ diesen Prinzen, Isabella für sich selbst. Im Uebrigen langt selbst zu, aus dem Dom in Toledo z. B. sind Kirchcnjubek" Werthe von 14 Millionen Realen verschwunden. Vermischtes. — Noch in keinem Jahre war der Strom der Ausmaß nach Amerika so groß und anhaltend, als in diesem und jetzt in der laufenden Woche. So sind am Dienstag Abends hiesigen Potsdamer Bahnhof aus (via Bremen) an 1500 un^ darauf folgenden Abend über 2000 Personen weiter befördert weg ES sind dies überwiegend Landleute und zum großen Theil a<g, Provinz Preußen stammend, welche nach ihren eignen Aussagen g den in den verschiedensten Theilen Preußens noch immer herrscht Nothstand zur Auswanderung gezwungen werden. — Von Amerika aus gelangen Mittheilungen hierher von g, Projekte, gegen dessen Verwirklichung die deutsche Presse wohl früh genug den Warnungsruf erheben kann. Es soll sich handeln, den Strom deutscher Auswanderung nach der Havanna s leiten, wo voraussichtlich bei Aufhebung der Sclaverci ein gg Mangel an Arbeitern in den Zucker- und Tabakplantagen einig wird! An verlockenden Schilderungen über das herrliche und über den reichlichen Verdienst wird «S nicht E aber es ist schon heute, ehe noch Einzelnheiten der Auswanderern angebotcnen Vortheilc bekannt werden, mit Sigg vorauszusagen, daß das Ganze darauf hinauSläust, den Plants besitzcrn, welche jetzt für einen Sklaven 1000 bis 1500 Doll. Og, d. h. 1400 bis 2100 Thlr. zahlen müssen, dann Sklaven zu vcrl > fen, welche ihnen nicht mehr kosten, als das Passaqegeld incl. H turprovision beträgt, als etwa 100, höchstens 120 Thlr. Gold. E licherweise sind in Deutschland die Parcerie-Contracte in Br^, noch nicht vergessen; das Mißlingen der vor 4 Jahren nach Ng gung des amerikanischen Bürgerkrieges gemachten Versuche, füg Südstaaten in Deutschland Ersatz für die durch Aufhebung der g verei verloren gegangenen Arbeitskräfte zu suchen, beweist, daß g endlich vorsichtiger geworden ist und nicht blindlings jeden anz^' neu Contract unterschreibt, um nur nach Amerika zu kommen^/ Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Sonntag Misericord. predigt Vormittags Herr Past. Schmidt- Nachmittags: Betstunde. Amtliche Bekanntmachungen und Anzeigen vermischten Inhalts. Oeffentliche Aufforderung. Der Nagelschmied Ferdinand Heinrich Albert aus Buchwalde bei Treuen ist über eine allhier eingegE Anzeige als Verletzter zu vernehmen und wird derselbe, da dessen gegenwärtiger Aufenthalt unbekannt ist, hiermit öfß? veranlaßt, diesen binnen 4 Wochen anher anzuzeigen. Zugleich werden sämmtliche Polizeibehörden veranlaßt, gedachten Albert im Betretungsfall auf gegenwärtige forderung aufmerksam zu machen. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 5. AM 1869. Leonhardi. > Bekanntmachung. Das 4. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1869 — letzte Absendung am 3.^ d. I. — enthält: No. 19. und 20. Verordnung, die Richtungslinie der Staatsciscnbahn von Chemnitz nach Leipzig betreffend; vom 13. u»°' März 1869. No. 21. Bekanntmachung, die Anleihen der Stadt Glauchau betreffend; vom 16. März 1869. No. 22. Verordnung, die Erhebung eines außerordentlichen Braudversicherungsbcitrages betreffend; vom 18. März 1869. - No. 23. Verordnung, die Ausführung von Z. 188 der Bundes-Militair-Ersatz-Instruction vom 26. März 1868 betm vom 20. März 1869.' Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt 14 Tage lang zur Einsicht in hiesiger Rathscxpedition aus. Wilsdruff, am 6. April 1869. Der Stadtrat h. Kretzschmar. Bekanntmachung. Die heurige Grasnutzung auf den Communplätzen, an der unteren Bach in der Meißner Vorstadt gelegen, und der Commun gehörige Treppt'sche Garten sollen nächsten Montag, den 12. April, . Vormittags 11 Uhr an Ort und Stelle meistbietend verpachtet werden. Rath zu Wilsdruff, am 8. April 1869. , ' Kretzschmar.