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für Wilsdruff, Tharandt, Rosse», Siebentel)» und die Umgegenden. Amtsblatt rr das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ertctjährlicher Prämimerationspreis 10 Ngr. — Jnsertionsgebühren für den Raum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf. — Annahme von Inseraten bis Montag res Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz dieses Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. 19. Dienstag, den 9. März 1869. TagtSgeschichte. I Wilsdruff, 8. März 186». Um denjenigen Communcn, welche erst nach längerer Zelt Aus sicht auf Telegraphen-Stationen haben, die Vortheile derselben aber zu erlangen wünschen, hierzu die Gelegenheit zu bieten, ist denselben unter gewissen Bedingungen die Befugniß crtheilt worden, selbst Te- legraphenlcitungen anzulegen und an das norddeutsche Telegraphen netz anzuschließcn. Die Bedingungen, unter welchen dies gestattet sein soll, sind in der Hauptsache folgende: Die Commune, welche auf eigne »osten eine Station anzulegen wünscht, hat sich an die Telegraphen- direction ihres Bezirks zu wenden. Alle Einrichtungen müssen genau nach den für das Bundestelegraphenwesen geltenden Vorschriften ge troffen werden, Unterhaltungs- und Betriebskosten trägt die Commune. Ter Bundes-Telegraphen-Verwaltung steht das Recht zu, solche Com- munalanlagen gegen Erstattung der Hälfte der Einrichtungskosten zu übernehmen, und die Zahlung erfolgt alsdann in ü Jahresraten. Die »osten der Unterhaltung und Verwaltung werden der Commune nicht erstattet. Letztere erhält, so lange sie die Verwaltung in der Hand hat, von jeder aufgegebenen Depesche 6 Sgr., der Nest der Ge bühren fließt in die Lasse der Bundestclegraphenverwaltung, welcher auch die Controle des ganzen Betriebs zusteht. Riesa, 3. März. In zahlreichen Abschriften circulirt hier fol gender Antrag, der in der jüngsten Sitzung unseres Kirchenvorstandes eingebracht nnd vom Pastor B. selbst, als Vorsitzenden, verlesen wor den sein soll: „In Erwägung, daß der Kirchcnvorstand zu Riesa die Wahrnehmung hat machen müssen, 1) daß der Pfarrer Herr Pastor Böttcher sein Amt in einer Weise führt, die augenscheinlich seiner Stellung und Pflicht, sowie dem Wohle der ganzen Kirchengemcinde zuwider ist; 2) daß der Vorsitzende Pastor Böttcher durch Verdrehung der lauteren Wahrheit einzelne Kirchenvorstandsmitglieder bei den Be hörden zu verunglimpfen und zu verleumden gesucht, also sein Amt mißbraucht hat, beschließt die heutige Versammlung nach z. 29 der Kirchcnvorstandsordnung zu verfahren und bei der vorgesetzten Be hörde auf Entlassung des Pastor Böttcher anzutragen. (Dr. K.) Eine freisinnige Partei hat sich in unserm Lande gebildet, um bei den bevorstehenden Wahlen zu den Kammern solche Äolksvertre- treter zu erzielen, die den Muth haben, den bureaukratischen Agias- siall Sachsens endlich gründlich auSzufegen. Das Gesandtschaftswescn das Ministerium des Aeußern und das des Krieges sollen auf den Bund übertragen werden. Ferner wird verlangt: Sicherung des Vereinsrechtes, Reform der Preßgesetzgebung, Aufhebung der Vicl- regiererci vom grünen Tisch aus, Revision der Gesetzgebung über die Volksschule, Abschaffung des Patronats in der lutherischen Kirche, Aufhebung des Zweikammersystems und vieles Andere. Bertin, 4^ März. Die Eröffnung des Reichstages hat heute unter dem üblichen Ceremoniell stattgefnnden. Um 1 Uhr erschien der König im weißen Saale des Schlosses, indem sich viele der ein getroffenen NeichstagSabgcordneten namentlich von der Rechten ein gefunden hatten. Die Thronrede nahm der König aus den Händen de» Bundeskanzlers entgegen und verlas dieselbe gehend und verdeck ten Hauptes mit kräftiger volltönender Stimme. Nach Beendigung der Vorlesung erklärte der Bundeskanzler Graf Bismarck „im Na men der verbündeten Regierungen" und auf Allerhöchsten Präsidial- besehl den Reichstag des norddeutschen Bundes für eröffnet. Se. Maj. begrüßte sodann die Versammlung abermals und verließ die selbe unter einem von dem königl. sächs. Bundes-Commissar, Staats minister von Friesen, ausgebrachten dreimaligen Hochruf nm I'/. Uhr. Der böse Streit zwischen der Stadt Frankfurt und dem Staate Preußen wird endlich zu den Akten gelegt, König Wilhelm selbst bat den glücklichen und versöhnlichen Abschluß hcrbeigcführt. Die Bürger und die letzten Deputationen Franksurts ^bestanden ans drei Millionen Entschädigung für die Stadt, die preußische Regierung glaubte, nicht mehr als 2 Millionen bewilligen zu können, auf diese Summe lautete auch die Vorlage bei der Kammer. Eine friedliche Einigung drohte zu scheidern; da griff der König klug und und wohl wollend zu Gunsten Frankfurts ein; er sagte, der Staat gebe 2 Millionen Gulden, die 3te Million lege ich aus meinen Mitteln zu. Zur socialen Frage. Worin besteht die sociale Frage? — Kurz gesagt darin, daß der Mittelstand immer mehr schwindet, der Gegensatz von Arm und Reich immer größer und die Kluft zwischen beiden immer tiefer wird, also daß, wenn keine Reformen eintreten, nach des großen Niederbuhr Wort das Eintreten schlimmer Katastrophen zu befürchten wäre. Man macht es sich nun gewöhnlich leicht und denkt bei der socialen Frage nur an die Fabriksarbciter, aber nm Unrecht: wenn anders die Fab riken nicht stille stehen, oder von so kritischen Zeiten wie gegenwärtig bedroht sind, so steht der Fabrikarbeiter nicht schlimmer als der Tag löhner; und wieder der Handwerker ohne Capital oder der Bauer mit geringem Besitze stehen nun, wo sie so viele Lasten mehr zu tra gen und so viel höhere Schuldzinsen zu zahlen haben, nicht viel besser als jene. Doch ist die Ungleichheit nicht so groß als sie scheint; steht auf der einen Seite die Masse des Capitals, so auf der andern die d<w Köpfe und Hände, und bedarf das Capital der Arbeiter, so noch mehr die Ar beiter des Capitals; und es liegt mindestens ebenso sehr im Inte resse der Besitzer des Capitals, als in dem der Arbeiter, daß eine Vermittlung und ein Ausgleich gefunden werde. — Gewiß erfreulich ist es darum, daß man die große Wichtigkeit dieser Frage immer mehr und mehr erkennt und daß, während die Arbeiter in Coalitio- nen durch sestes Zusammenhalten eine Erhöhung ihres Verdienstes anstrebcn, auch ebenso von Seiten des Capitals viele edelherzige Ver suche zur Hebung des Arbeitcrwohls gemacht werden. Aber das ist nun das Tiefbedauerliche, daß bei dem fort währenden Kriegszustände in dem wir leben, dessen Ursachen wir hier nicht zu untersuchen haben, wo die Fabriken stille stehn, oder mit Opfern arbeiten, wo die Last Alle drückt — mit Ausnahme derer, die an den großen Kriegsanlehen ihre Millionen gewinnen — alle jene Versuche gelähmt sind und ihrer immer weniger werden müssen, während die allgemeine Verarmung immer mehr sich steigert. Darum, was wir bedürfen, das ist Frieden, für den Frieden müssen immer mehr Stimmen laut werden, immer lauter der Ruf, das Verlangen danach, daß es zu dem Ohre der Mächtigen dringe, nicht in Oestreich und Frankreich allein, sondern auch bei uns, wenn wir nicht trüben Zeiten entgegen gehen sollen. (H. Dorfztg.) Cin verfehltes Leben. Erzählung von Ludwig Habicht. (Schluß.) Wir waren eines Tages weiter als gewöhnlich in die hügelreiche Landschaft hinausgejagt und streckten uns dann ermüdet in das weiche Moos unter hohe Eichen, durch die das Sonnenlicht in tausend gold- ncn Punkten hindurchzitterte. Es war ein herrlicher Tag, ein wun derbares Blau ruhte glockenhell über der Erde. O, ich fühle noch den ganzen Zauber dieser Weichen elastischen Luft, die sich schmeichelnd um meine Stirn legte, den Zauber dieses lauschigen Plätzchens, dieser Waldeinsamkeit, der ein reiches, volles Entzügen in unsere Seelen goß! .... Am Waldessaume zog sich eine Hügelkette hm, die sich uns ge genüber zu einem hoher» Felsen gipfelte, bis zu dessen Fuße die Ei chen ihre dunkeln Schatten warfen. Unsre Pferde grasten iu hüb schen Gruppen, wir dünkten uns aus der Welt entflohene Ritter, die wunderliche Abenteuer zu bestehen Hütten. Aber die stille, große Na tur konnte nicht lange zu unsern, das Geräusch des Stadtlebens ge wohnten Herzen sprechen. Wir vertrieben uns die Zeit mit Scherzen und schwärmten von den bunten, phantastischen Tagen des Minne- dienstes; bestand doch auch meine Umgebung aus fahrenden Rittern, die sich dem Dienste einer Dame geweiht hatten. Da gewahrte ich plötzlich in einer Felsenspalte ein abscheulich häßliches Thier; ich zeigte hin und man rief von allen Seiten: „Eine Eule, eine junge Eule!" „Ach, die möchte ich haben, das wäre ja ganz etwas be sonderes," und mich im Kreise umsehend, fragte ich lachend, fortge- tricbcn von dem eben gepflogenen Gespräch: „Wer wagt cs Riters- mann oder Knapp?" „Was wäre unser' Lohn?" entgegnete man scherzend.