Volltext Seite (XML)
90 In Radeburg hat sich der dortige Gerichtsamtsrcutant, ein Mann von 44 Jahren, welcher eineWittwe und 2 Kinder hinterläßt, am 13. März durch Erhängen selbst entleibt. Bezüglich der Veran lassung zu diesem Selbstmorde .werden verschiedene Vermuthungen ausgesprochen. Oederan, 16. März. Am vergangenen Sonnabende wollte Fritz Mende eine Rede in dem Richter'fchen Saale hier halten, um sich als als Candidaten für die 'Reichstagswahl auch dem wei teren Publikum zu empfehlen. Leider ward die Rede noch vor Be ginn im vollen Sinne des Wortes unterbrochen. In dem Saale hatte sich nämlich eine Menge von 500—600 Personen zusammengefundcn. Der Saal ist nicht zu groß und über Stallungen gebaut, ohne daß die Balken Stützen oder Säulen im Stalle hätten. Es geschah da her eine wirkliche Unterbrechung insofern, als 2 Balken des Saales in der Mitte zerborsten und der Fußboden sich zu senken begann. Nur durch schleunige Räumung des Saales konnte dem drohenden Unglück vorgebeugt werden. Die Versammlung bewegte sich nun nach dem Schießhause, um dort die Rede Fritz Mendes zu hören; das Haus war jedoch schon geschlossen und die ganze Menschenmenge zog nach dem Marktplatze, wo endlich der Redner aus dem Fenster seines Zimmers im Gasthofe zum Hirsch sprach, später aber — von com- petenter Seite dazu aufgefordert — die Versammlung zum Nachhau- fegchen ermahnte. Bei der gestern hier erfolgten Wahl eines Abge ordneten zum Norddeutschen Reichstage hat Fritz Mende über 400 Stimmen, also die Majorität, erhalten. Nach ihm folgte Stadtrath Kriegerin Freiberg und zuletzt Kreis-Director von Burgsdorff, welche beiden letzteren Herren fo ziemlich gleiche Stimmenzahl haben. Ein kleiner Dispüt im Reichstage zwischen dem Grafen Bismarck und Schwerin ist von großem Interesse, denn es handelt sich um die Autorschaft des Wortes: Macht geht vor Recht. Schwerin und Bismarck wechselten Erklärungen über die Wahlbezirke und dabei be hauptete Bismarck: Graf Schwerin hat mich heute gerade so miß verstanden, wie früher einmal in der preußischen Kammer. Damals legte er mir die Worte unter: Macht geht vorRecht! — Worte, die ich nie gesprochen habe. Schwerin: Was ich damals gesagt, vertrete ich heute noch. Ich sagte, des Minister-Präsidenten Rede gipfelt in dem Satze: Macht geht vor Recht! Und davon gehe ich nicht ab; in anderer Beziehung habe ich mein Urtheil über den Bun deskanzler geändert. Bismarck schloß diese Aufhellung eines schwar zen Punktes mit den Worten: Ich würde mich freuen, wenn durch diese Erklärung die Mißverständnisse, welche in Folge jenes Wortes über mich — ich darf wohl sagen in ganz Europa — geherrscht ha ben, wenn nicht gehoben, so doch gemildert werden. Gehoben wer den sie nur bei Denjenigen werden, die sich belehren lassen wollen — und das sind nicht Viele. Kein Land muß so reich an Gesetzen aller Art sein wie Deutsch land, und doch kommen täglich neue hinzu. Der Landtag im Gro§- herzogthum Weimar, der in diesen Tagen geschlossen wurde, hat in 31 Tagen 29 neue Gesetze berathen und angenommen. Ein Deutscher iu Paris , hält seinen deutschen Landsleuten, die auf französische Hilfe speculi- ren, um Preußen niederzuwerfen und die alten Zustände herzustellen, eine scharfe Lcction in der Augs. Allg. Zeitung. „Muß denn Deutschland zu Preußen halten? fragt er, und ant wortet: „Unbedingt muß es das; denn die Voraussetzungen, auf de nen die Wiederzerstörung dessen, was seit 1866 entstanden ist, beruht, sind unpraktischer Natur. Der Plan: Preußen ohne Hilfe des Aus landes wieder so zu besiegen, so zu vernichten, daß es trotz aller sei ner errungenen Vortheile auf immer darauf verzichten müsse, die Nolle der Vormacht zu spielen, und sich wieder begebe ein numerisches Glied des großen Bundes zu sein, sowie Sachsen, Hessen, Baden rind jedes kleine Glied — dieser Plan ist ungeheuer, und schwebt in den Wol ken, wie so manches bei uns, wenn es nicht etwa im Sumpfe steckt. Der Fall ist vollkommen denkbar, daß Frankreich, trotz des glänzend sten Widerstandes, aus diesem Niesenkampfe sieghaft hervorgehe. Denn Frankreich ist ebenbürtig. Dann aber würden die Deuychen zuerst einmal und ganz natürlich übergeritten und zu Vasallen ge macht, alle diese Herren an der Spitze, die jetzt das Gift nach Paris ausführen. Und Köln, Mainz re. würde kraft der Eroberung fran zösisch, mit Rheinbayern rc. Dann hätte Frankreich es vollbracht, Deutschland von Savoyen bis Holland so zu umklammern, daß es sich nicht mehr rühren könnte. Die Franzosen würden das liebe Volk fortan ausnehmend bewundern. Aber, sagt der stolze Germane, wenn er auch mit bleichen Wan gen im Tabaksqualm sitzt: das dulden wir nicht, daß Frankreich den Rhein behält. Glaubt denn einer, er Wede es verhindern, daß Frank reich den Rhein behält, wenn die preußische Armee niedcrgcworfen ist? Wollen die Schützen vom Wiener Feste wirklich die französischen Heere zurückwcrfen? Oder soll Preußen in der letzten Smnde — ja fo, die ist dann ja schon vorüber! — soll also das dem Feinde ver bündete Oestreich dann dem großen Frankreich mitten in seinem Siege dictiren: „Du behältst aber keinen Zollbreit deutschen Landes." Das wäre nur um die alten roihen Hosen statt der neuen vor die Thore Wiens zu rufen! Bei solchen Gedanken fängt der Wahnsinn an. Nein, da ist die französische Unwissenheit mit ihrer Verachtung im Gefolge noch besser als die deutsche Bornirtheit mit ihrem Haß! Denn jene kehrt sich gegen das Ausland, hat etwas Kindliches und den Revers von Vaterlandsliebe und Ehrgeiz. Der deutsche Haß aber ist furchtbar ernst, männlich und bewußt, wühlt im eigenen Fleisch, und bat den Revers kleiner particularistischer Heimathsgefühle, die/den großen Patriotismus ersticken. Wir verlangen von Frank reich, daß es sich nicht mehr in unsere Angelegenheiten mische, wir müssen aber doch erst selbst aufhören, es dazu einzuladen, und muß sen uns redlich und sichtbar darauf beschränken, mit unsern eigenen Waffen unsere Ansicht zu verfechten. Dann beginnt der Friede, wel cher der guten Sache unverbrüchlich zum Siege verhilft — aber sö lange stehen wir am Rande der Vernichtung." Aus der Katur. Was wir besitzen ist uns nicht halb so lieb, als was wir ver loren haben; die Erinnerung webt tun Alles die Kränze der Uebcr- treibung. Wie freudevoll jauchzen wir dem kommenden Erwachen der Naiur entgegen, und wie oft würdigen wir derselben in ihrer voll sten Schönheit kaum eines Blickes. Da wir jetzt weniger Einheimisches zu betrachten haben, wollen wir doch einmal unsern Blick erweitern und im Geiste über die Berge und Meere uns dorthin versetzen, wo noch Leben genug ist. Zwac gebe es allda Mancherlei zu Horen und zu sehen — doch wir wollen lieber auf Eins merken, denn Zuviel ist nie gesund. Horchen wir unter der babylonischen Sprachverwirrung allein auf die interessan testen Vogelstimmen. > Jede Vogelart hat ihre besondere Stimme und Sangwcisc, nur wenige vermögen andrer Sangweisen nachzuahmen. Selten singt, außer bei Lerchen, Rothkehlchen und Dompfaffen (Gimpel) das Weil chen, und dann nie dein Männchen vergleichbar. Es ist 'Nacht. Kein Lüftchen scheint zu wehen. Die goldenen Sterne, besonders das schöne Scernbild des Kreuzes, leuchtet vom südlichen Himmel hernieder Balsamische Düfte umspielen uns am Ufer des klaren Tropenflusscs Hie und da schauen uns zwei Helle Augen einer Gazelle an, die zw» Trinken kam. Da erschreckt uns eine laute, ächzende, ^klagende Stimme, die zum Brüllen des Löwen anschwillt. Wrr schauen erschreckt m» uns. Unfern von unserem Verstecke saust schneller als ein'Roß der langbeinige, starte Strauß vorüber, der mit seinen Krallen ein Bret zu durchschlagen vermag. Er schrie so schrecklich. Vor uns steht ein Baum, auf dem viel Vögel zum Schlaf sich niederließen. 'Nur einer will nicht schlafen. Unablässig schwatzt und klappert er, indem er sich possirlich hin und her wiegt. Man sagt, er wolle damit die Raubvögel abhaltcn. Es ist der sogenamw Prediger. Aus einer der sumpfigen Lagunen steigt mit scheußlichem Gcschrci der 'Nachtreiher, welches dem Ausstößen vor dem Erbrechen nicht unähnlich klingt. I prumb hu hu! tönt es zu uns herüber mit wahrem Gebrüll. Es ist der Rohrdommel, ein Zugvogel Europas, welcher hier dc» Wiuter verlebt; gar ein merkwürdiger Gesell, welche-- zur Zeit dcl Paarung oft die ganze Nacht durchbrüllt. Dieser Faulpelz verma-I den ganzen,Tag auf ein und demselben Platze stehen zu bleiben. Aci Gesayr geeckt er den c^als, den er sonst emzieht, grade aus in dic Hohe, lehnt sich an einen Schilsstengel an und der Jäger geht oft lyn für einen Strunk oder Pfahl haltend, vorüber. Manchmal schreit er auch wie ein Rabe. Hu! durch die Luft klingt ein wüthendeS Geschrei, als ob der wilde Jäger zöge mit feinem wütheudeu Heer. In der Nähe würde es unS beläuveu. Der gemeine Kranich ists, ein Sumpfvogel Nord- europas, den der Winter vertrieb. Er ist von der Größe eines Pa ters; natürlich schlanker, storchähnlicher. Hört ihrs un Felde? Arp! Schnarp! Die ganze Nacht hindurch wähn dies Geschrei. Es ig der graue Wachtelkönig. Unterdeß mel kerl eine Ziege in der Luft: Mär larrä! es ist die Himmelsziege oder Heerschnepfe, welche sich hoch in die Luft schwingt, um, gerade wir em Pfeil, unter jenen Tönen sich wieder herabzugürzen. Was schnurrr wie ein Spinnrad und klatscht mit der Zunge? Es fliegt der Ziegenmelker durch die Luft. Smd des wilden Jägers Hunde los ? Was ruft um Hilfe? wcü kreischt und schnarcht? was ruft: „Komm mit!" durch nächrliche DlM kel? Es sind die verschiedenen Eulenarten. Woher klingen die schönen Harmonien? Ist in der Nähe ein cert? Ja. Ueber uns'schwingen sich durchs Aetherblau die Pfeife"' den, von denen die eine höher als die ändere pfeift, was, wenn bä Wind die Töne mvdclirt, Accvrde und ganze Melodien giebt. Doch hätten wir nicht bald über diesen Harmonien den schönt" Klagegesang Philomelens überhört, die Königin des Gesanges, dir Nachtigall, welche jetzt ihren 24 Strophen langen Gesang hören laßt? Wie fchineltert sie jetzt und wie schmachtend verklingen nun die gcZt' genen Töne! Ha, jetzt steigen sie in wahrer Accordfolge bis zur Höch' sten Höhe! Sie schweigt; ruft höchstens noch mit einem süßen ÄÜ'- Witt, Wilt, Krr! ihr lheures Weibchen. Noch einer Stimme wollen wir lauschen, die des Tags wie dc^ Nachts erklingt. Freilich müssen wir nach Mittelamcrika. Was thut--. der Gedanke eilt schnell. Der reizendste Singvogel der Erde, die Spvü' drossel, oder wie die Mexikaner ihn nennen, der Vogel mit 400 Z""' gen erhebt seinen Gesang. Er singt vom März bis August. seiner eignen Melodie beginnt er und endigt mit den Tönen Pf" ganzen Vögelchors. Die Stimmen vierfüßiger Thicre, aller sciws' Brüderstimmen, vom Adlergeschrei bis zum Kolibrisurrett vermag 's nachzuäffen. Dazu tanzt dieser sonderbare Kau; immerwährend E schlägt mit den Flügeln. Unsere Pieplerchc thut ein Gleiches während des Gesanges. Unterdeß ists wohl Tag geworden; die Lerche schwingt stchs"' Himmel mit lieblich Hellem Gesänge. Jedermann kennt sie und ' s Lied. Die Lerche singt im Fluge, indem sie senkrecht oder schraube' förmig in die Höhe steigt. Nur die gespeicherte Grasmücke thut ä' Gleiches; alle übrigen Vögel singen siyend. (Schluß folgt.)