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299 angenehm und morgen schon lästig siel, — es war, sonderbar genug für den finstern, abgeschloßneu Mann, — die kleine liebliche Pflege tochter des Apothekers, zu der sich der schwermüthige Fremde ganz besonders hingezogen fühlte. Das kleine Mariechen war einmal in den Laden des Pflegevaters gekommen und ohne, wie die andern Kinder der Stadl, denen der Fremde als Knecht Ruprecht und als Einschüchterungsmittel gezeigt worden, zu erschrecken, machte sie einen hübschen Knix und sah den so unheimlich blickenden Fremden freund-' lich an. Der Commerzienrath beugte sich zu ihr hinab, die Kleine scheute nicht davor zurück, sondern reichte ihm zutraulich die Hand. Er fragte nach ihrer Puppe und wußte sich so großväterlich mit der Kleinen zu befassen, daß sie ganz traulich an ihm hinaufkletterte und sich auf dem Arme wiegen ließ. Der Commerzienrath mußte ein Kind gehabt haben, wie hätte er sich sonst in die Plaudereien der Kleinen so schnell finden können, und die feuchten Augen verriethen, daß ihm Erinnerungen auftauchten von einer süßen, leider für immer verlornen Vergangenheit ... Die beiden waren bald die besten Freunde geworden; der Com merzienrath sehnte sich darnach, mit dem Kinde zu spiele», um die Brüt- und Qualgedanken los zu werden, die feine Seele beunruhig ten, und die Kleine fürchtete sich durchaus nicht vor dem finstern Manne; verstand er doch recht hübsch mit ihr zu spielen und mit harmloser Schmiegsamkeit in ihr Denken nnd Plaudern einzugehen. Ja, die Kleine allein durfte sein Zimmer vetreten und mit des Apo thekers Eriaubniß führte er sie oft in seine Wohnung und dann wurde er mit zum Kinde, kroch mit ihr auf der Erde, spielte Versteckens und allerhand Possen, daß oft der Kleinen Helles und glückliches Lachen nicht enden wollte, und dann war ihm froh und frei, dann fühlte er eine Bergeslast von seinem Herzen schwinden, und wie ei nen lichten Engel hütete er das Kind, von dem er den Schlüssel zu seiner verlorenen Paradieseswelt wieder zu erhalten hoffte. Wenn die Kleine zuweilen von Neugierigen gefragt wurde, was sie gesehen und gehört hatte, plauderte sie das verworrenste, phan tastischste Zeug zusammen, — von ihren Spielen und von Geschich ten, die der Fremde erzählt habe, und die schon auf eine endliche Enthüllung Gespannten mußten enttäuscht auf gelegenere Zeit war ten. Wenn dann der Fremde mit der kleinen Mariechen so harmlos spielte, sagte sie oft: „Ich bin Dir so gut wie meinem Bruder!" und das wollte schon viel sagen, den an dem hing sie mit ihrem ganzen liebenden Kindersinn, weil er eben auch, wie sein Vater, eine glück liche, harmlose Natur war, und wenn er heim kam, stundenlang mit der kleinen Pflegeschwester zu tändeln und spielen und nicht müde werden konnte, Geschichten zu erzählen. Arthur Pelkmann war ein hübscher, hochaufgeschossener Bursche, jetzt schon als Secretär bei der Post angestellt und der Held aller Gesellschaften und Kränzchen der jungen Leute und weil er eben so unermüdlich zu tanzen wie zu ze chen verstand, so hatte er sich durch sei» einnehmend-gefälliges Wesen, seine gesellschaftliche» Talente zum Liebling der Stadt und besonders der Damenwelt aufgcschwungen. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * In Coburg fand in voriger Woche eine eigenthümliche Dop peltrauung statt. Ein Kaufmann von Wien und seine Frau waren protestantisch geworden und ließen sich bald darauf von einander scheiden. Der Mann heirathete eine Sängerin und die Frau einen Militair. Diese 4 Verlobten kamen nach Coburg, logirten in einem Hotel, wiesen sich durch die nöthigen Papiere aus und ließen sich zu gleicher Zeit traue», dann machten sie eine Hochzeitsreise auf ge- meinscbaftliche Kosten. " In der brasilianischen Stadt France starb unlängst, wie das „Diario de San Paulo" meldet, ein Greis, Namens Custodio Jose Moreiro, in dem methusalemischen Alter von 135 Jahren. Er war aus Portugal gebürtig nnd daselbst beim Leichenbegängniß Don Joao V. anwesend. Bis 8 Jahre vor seinem Tode ging er rüstig seiner Beschäftigung, der eines Landwirths, nach; seine Nahrung bestand aus geschabtem Käse, Wein und Zucker. — Einen anderen Todes fall in ungewöhnlich hohem Alter meldet die „Anglo Brasilia« Ti mes," nämlich den der Donna Sabina Maria de Lemos, Mutter des Baron do Rio Verde, welche im Mai zu Minas Geraes 115 Jahre alt, verschied und eine Nachkommenschaft von über 300 Personen, bis zur fünften Genarativn herab, hinterließ. * In Stollberg bei Aachen ist der Rendant einer dortigen Knappschaftskasse unsichtbar geworden, und zwar, wie man versichert mit Hinterlassung eines Defizits von 5—6000 Thlr. in den ihm än- vertraule» Kassen. Wohin derselbe sich gewendet, ist noch nicht fest- gestellt. * Rothschild und der Erzbischof von Paris trafen gleichzeitig an der Thür der Herzogin von A. in Paris ein. Der Jude Roth schild wollte dem kath. Erzbischof den Vortritt lassen, aber der Bc- fchof bestand darauf, daß Rothschild zuerst eintrete. Herr Baron, sagte er, Sie sind ein Sohn Mosis, ich bin Diener Jesu Christi, das Alte Testament ist älter als das Neue. * Aus Belgrad wird der „Presse" gemeldet: „Die Stadt Stur- mina in Macedonien ist abgebrannt, 1200 Häuser, 2 Kirchen ud die Schulgebüüde sind abgebrannt. * Aus den vbersteierschen Gebirgen meldet man einen bedeuten den Schneefall in den letzten Tage». * lieber das Herz und die Ausdrücke, zu denen es Veran lassung gegeben hat, berichtet die Berl. Montagsztg. Folgendes: Des Menschen Herz ist ein trotziges und verzagtes. Das Herz kann voll, schwer und leicht werde»; es füllt ei» Stein vom Herzen. Das Herz pocht vor Angst, es schlägt vor Furcht, es zuckt vor Schmerz, es thur weh vor Sehnsucht, es bebt vor Erwartung, es klopft vor Freude, es zittert vor Wonne, es lacht vor Lust, es jauchzt vor Seligkeit, es stammt in Liebe, cs jubelt und es blutet. Das Herz wird verwun det, gefesselt und erobert. Es giebt kalte und warme Herzen. Die Herzen finde» sich, sind vereint. Der Eine trägt das Herz auf der Zunge, der Andere hält es hinter Schloß und Riegel. Der Mund geht von dem über, wessen das Herz voll ist. Der Feige bat rin Hasenherz, der Sanfte ein Taubenhcrz, der Muthige ein Löwenherz. Der Edle ist großherzig, der Pedant engherzig, der Schwächling mattherzig. Die Herzensgute, Herzallerliebste wird geherzt, ihr herz inniger Blick dringt ins Herz. Herzlich sein kommt aus dem Herze», herzig sein geht zu Herzen. Was uns nahe berührt liegt uns am Herzen; wo wir vertrauen, schütten wir unser Herz auS. Wir füh len einen Stich im Herzen, doch das Herz heilt wieder. Wir erle ben Herzzerreißendes und endlich bricht das Herz * Das war doch eine Kirmeß in Kirchehrendorf bei Forchheim! Den Musikanten wurde ihre Kasse mit 30 Gulden, der Wirlhin ihre Kasse mit 80 Gulden entwendet, ein junger Bursche wurde von ei nem andern erschlagen und ein anderer über die Brücke in den Bach gestürzt, alles in einer lustigen Nacht. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 17. Trinitatis-Sonntage Vormittags predigt Herr Pastor Schmidt. Montag, den 20. September: Kirchweihfest. Vormittags 9 Uhr predigt Herr Diac. Ficker. Kirchenmusik zur Kirmeß. Sonntag: Hymnus von Reissiger und Romberg. Montag: Hymne von Fr. Schneider. Amtliche Bekanntmachungen und Anzeigen vermischten Inhalts. Holzauktion. Zwei Stück weiche Stämme — von Pappelholz — 26 bez. 28 Ellen lang und von 29 Zoll oberer Stärke sollen Dienstag, den 21. September d. I. Vormittags 11 Uhr meistbietend gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Lrt der Versteigerung: an der Sachsdorfer Brücke. Rath zn Wilsdruff, am 16. September 1869. Kretzschmar. Da gewiß viele unserer Mitmenschen das Andenken eines durch den Tod Dahinge- I schiedenen zu verewigen gewillt sind, indem man wohl »och gern seine im Leben Gefühle nach dem Ableben eines theueren Familiengliedes durch sinnige Schmückung des Gra- bes zu erkennen giebt; so erlauben wir uns ergebenst, unser Atelier für Aildhauerarbeiten bestens zu empfehlen, indem wir gewiß bemüht sein werden, das uns geschenkte Vertraue» durch sau bere Arbeit und soliden Preis zu rechtfertigen. Alte Denkmäler werden erneuert. — Zeichnungen stehen in großer Auswahl zu Diensten, sowie auch fertige Sachen zur Ansicht. Hochachtungsvoll Lamp., Bildhauer in Meißen, Neugaffe 435.