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294 Eintritt Württembergs in den norddeutschen Bund und wegen einer Mlilairconvcniion mit Preußen. Vom preußischen Heere zu Napoleon ist nur ein Schritt, aber jener berühmte, von einem Extrem zum andern. Wenn der Kaiser sich wohl und stark fühlte, wie das preußische Heer, so jagte er seine Leibärzte -lü. Leibchirurgen zum 7 und eilte von einem Lager, sei nem Krankenlager, zum andern, dem Heerlager in Chalons. Es werden täglich Gesundheitsberichte ausgegeben und es geht offenbar besser, die Pariser scheu aber vielmehr ans die täglich zwei und dreimal bei dem Kaiser ein- und ausgehenden Aerzte, als auf diese Berichce, sie sind ihr Wetterzeichen. Thaisache ist, daß der Kriegs minister am 1. September die Truppen in aller stille in der Nähe von Paris zusammengezogen hatte; er und die Vertrautesten trauten weder dem Tode, noch den Parisern. Seit ein paar Tagen geht's aber viel besser. Napoleon hat noch Humor genug, um über die Glossen zu sei ner Krankheit zu scherzen. Nun, sagte er, als er alle Zeitungen voll sand, ich bin ja auf dem besten Wege, ebenso populär zu werden, wie Fräulein Schneider. (Eine Schauspielerin, deren Privatleben viel Sroff zur Unterhaltung gibt.) Lein Klück. Eine Erzählung von Ludwig Habicht. Das Glück ist immer ein Wunder — ein Prisma, unter dem der blasseste Strahl zum freurigstcn, blühendsten Roth wird. Erstes Kapitel. „Hm, hm! kann nicht klug daraus werden!" flüsterte der Gast- w:rth des weißen Rosses,'der ehrenwerthe dicke Müller, seinem Freund, dem Stellmacher Wittig, zu. „Das wird ja immer schlimmer mit dem Commerzienrath!" und dabei legte er bedenklich die fleischigen Hände auf den wohlgenährten Bauch. „Ja, Herzensbruder, schaff' dir den Mann vom Halse!" ent gegnete mit Ueberzeugung der Stellmacher, „der kann mehr wie Brod essen; meine Alte hats gleich gesagt, und du glaubst nicht wie die das trifft." „Ach, dummes Zeug!" versetzte der Wirth, zu dessen Kopse schon ein Funken Aufklärung den Weg gefunden, „ich bin jetzt auf ganz anderer Spur!" „Du glaubst nicht eher, bis dir der Glaube in die Hand kom men wird," war die Antwort. „Merkst du denn noch nichts?" fuhr der Stellmacher fort. „Das Kochen und Braten bei verschlossenen Thüren, das ist doch genug und gestern hats aus eurer Esse sogar ellenhoch herausgebrannt, als ob der Gottseibeiuns durchgefahren. Meine Frau hats gleich gesagt," fuhr der Stellmacher wärmer wer dend fort, „er sieht Niemand an und immer vor sich hin, und wers so treibt und in die Wälder rennt, mutterseelenallein, der hat kein gut Gewissen, der hats mit dem Bösen, und vollends seine Dukaten, das m remes Teufelsgeld, die ihm der Böse durch die Esse zuwirft. Ich möcht' sie nicht: meine Frau hats auch gesagt," fügte er be denkt ich hinzu. „Paperlapap," würdest schon zulangen, Dukaten sind Dukaten; aber ich weiß etwas Besseres," jubilirte der Gaftwirrh. „Denke dir, heute früh kommt der Postbote zu uns, bringt einen Postschein, freue mich schon — 's ist an den Commerzienrath — baare blanke 100 Thaler!" „Hundert Thaler!" rief der Stellmacher erstaunt, „das ist schö nes Geld!" „Nun höre nur, wie's weiter kam! ich laus' also gleich hinauf, klopf' an und sage ihm ganz vergnügt: „Geldistangekommen! blaute hundert Thaler! Hier ist der Postschem, unterschreiben Sie gefälligst," aber ich denke, ich soll aus den Wollen fallen, wie der Mann mich ansährt, wie ein Heide flucht und mich die Treppe hinunlcrwcrfen will; „ob er denn gar keine Ruhe habe, ob man ihn hier auch noch verfolge?" schreit er in einem fort und läuft dabei wie wahnsinnig in der Stube herum. Ich halte den Postschein noch immer in der Hand und denke, er wird wohl zur Besinnung kommen, — hundert Thaler ist doch ein schönes Geld; aber wie er mich noch stehen sieht, brüllt er: „Hinaus!" und ich war auch schon draußen und wußle raum ivic und warum." „Da steht mir doch mein Verstand still," bemerkte der Stellma cher, „hundert Thaler triegen und dabei noch fluchen!" — „Ja, jetzt hab' ich eben den Postboten noch einmal zu ihm ge schickt," der wollls auch nicht glauben, und unterschrieben haben, daß er den Brief nicht aununml." In demselben Augenblicke kam auch schon den Postbote in einer ganz eigenen Aufregung heruntcrgestürzl, den Pvstschein in der Hand haltend und fortwährend auf die mit gewaltigen Zügen hingcworsc- nen Worte: „wird nicht ^angenommen", zweifelnden Auges blickend. Er traf jetzt in der Hausthür die beiden schwatzenden Freunde und alle drei starrten mit unerhörtem Erstaunen auf die für sie räthsel- haften Zeilen. „Hundert Thaler — wird nicht angenommen," las der Stell macher mit einer gewlfsen Wehmuth; mit welch' schauerndem Wonne gefühl hätte er seinen eigenen Namen auf dem Zettel gesehen. Die drei Männer standen dort wie auf dem Rütli, oder besser, wie Macbeths Hexen, nur brodelte aus dem Kessel ihres Erstaunens tein finstrer, erschreckender Gedanke. Es war wirtlich ein Harter- Schlag, dies Ereignis), für ihre, nur die breite Heerstraße des ge wöhnlichen Lebens kennende Anschauung, weil es so fremdartig und ganz ihren Begriffen vom Werth des Geldes widersprach. Geld, hundert Thaler, zurückschicken! — um keinen Preis — da müßte inan ja mit wahnsinniger Lust am eignen Fleisch herumwüblen. Es war wirklich um den Verstand zu verlieren, wie der schlichte Stell macher treffend und noch dazu ohne Hülse seiner Frau gesagt, deren einziges und getreues Echo sonst der Gute war. Nur der Gastwirth hatte eine Idee, vielleicht Weiler beute mehr Rindfleisch als gewöhnlich gegessen, würden die Materialisten sagen, eine ochsigkluge Idee, und er gab sie auch gleich zum Besten. „Kin der," sagte er und ergriff die Hände der beiden eifrig horchenden Freunde, „ich bin der Geschichte auf der Spur; ihr könnts glauben, cs ist gar keine Frage: Es. ist wieder eine Verschwörung iw Werke, ich habe davon munkeln hören, die Unzufriedenheit ist zu groß, 's ist auch kein Wunder — und da werden sie vielleicht den Commcr- zienralh mit den hundert Thalern Herumkriegen wollen, aber Prosit die Mahlzeit, der ist klüger als sie und nimmt das Jscharioth-Geld nicht an." Die andern Beiden wollten doch bedenkliche Gesichter ziehen und Einwürfe machen; aber der Gastwirth nickte bedeutungsvoll mit dem Haupte und fügte gebieterisch hinzu: „So ist's!" um sogleich im Hause zu verschwinden, da er jetzt schon zum dritten Mal von seiner Ehe frau gerufen worden und es wohl an der Zeit fand, die diplomati schen Verhandlungen mit den beiden neutralen Mächten abzubrechen, ehe ihm von seiner natürlichen Verbündeten offne Fehde angesagt würde. Oben in dein kleinen Hinterftübchen des Gasthofes zum „Weißen Roß" sehen wir den Gegenstand der vorstehenden Unterhaltung dü- ster-gcdankenvoll auf einem Lehnstuhl sitzen,' den Kopf in die Rechte gestützt, finster vor sich hinbrütend. Es ist ein großer, schlanker Mann, und wie auch etwas Gebrochenes in seiner ganzen Erjcheinng liegt, so lodert doch eine sonderbare Gluth, ein eignes Feuer in ihm aus, wenn er, von Zeit zu Zeit aufspringend, mit hastigen Schritten das kleine Zimmer durchschreitet. Es ist cin schon bejahrter, finstrer, fast abstoßender Mann; die schwarzen Haare umrahmen cin stolzes, hochfahrendes Gesicht, die scharf geschnittenen Lippen scheinen sich nur zu Befehlen zu öffnen und die herrische Hand nur gewohnt zu sein, mit dem leisesten Wink gehorsame Knechte zu finden. „Hart und unbeugsam," diese beiden Worte schienen auf dem starren Antlitz ein gegraben. In dem schwarzen Auge loht cin dunkles, wenn auch halb erloschenes Feuer, verbunden mit einer Ruhelosigkeit, einem rastlosen Brüt' und Forschsinn, als sei ihm etwas Großes und Ge waltiges in die Tiefe gesunken, das sich allein mit der dämonischen Macht des Blickes zurückholen -.affe. — „O, diese neue Demüthigung," murmelte er vor sich hin, „wie das brennt und zuckt! Nein, lieber verschmachten und umkommen, als das Geld nehmen, das mir wie höllisches Feuer in den Händen brennen würde — nimmermehr. Ich hatte mich hierher geflüchtet, wo ich mich vor ihrer Verfolgung sicher glaubte, und sie haben auch diese Zufluchtsstätte aufgcfpürt, um mich zu martern. Man will sich an meinen Qualen weiden, mich in den Staub treten —- aber es soll ihnen nicht gelingen, ich trotze ihnen, ich werde —" der Eom- merzienrath. brach jedoch, vor der Erinnerung an eine trübe Ver gangenheit zuruckscheuchend, sein Selbstgespräch plötzlich ab. Sein Gcdankengang nahm eine and. re Wendung und er begann von Neuem: „Ich bin geschlagen aber nicht vernichtet, ich werde dies trügerisch falsche Gluck wieder an meine Fersen fesseln und dann erst bin ich am Ziel!" und dabei richtete er sich groß und gewaltig auf, seine Augen sprühten Blitze, als müsse er mit dämonischer Gewalt den lu stig vor ihm hinflatternden Zauberschleier des Glücks erfassen und sich damit sein ganzes Leben glänzend umgestaltcn. „Doch Luft, Luft! ich muß hinaus, die quälerischen, kettenrasselndcn Gedanken im Wogen und Rauschen des Waldes zerschlagen. Er ergriff hastig sei nen Hut und stürzte sorl, wenig der neugierigen Gesichter achtend, die in seinem Benehmen wieder eine neue, noch nicht entdeckte wun derliche Seile sanden, denn bisher war er stets ruhig-fest, stolz und gelassen aus- und cingegangen find auf dem marmornen Gesicht hatte nicht ein einziger Zug verreichen, was in dieser Seele vorgche, welch tiefe Furchen dort cin wilder, hohnlachcnder Schmerz "emgraben mochte. Draußen im Gottesschweigen der Natur arbeitete das wilde, heiße Herz minder heftig; ein linder, kühlender Hauch schien seine glühende Stirn, zu umfächeln und indem er sich unter eine hohe Kie fer legte, athmetc seine Brust freier und ruhiger. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Stargard, 8. September. Am gestrigen Manövcrtage wurde durch einen Unglücksfall beim Schießen ein Artillerist getödtet und ein zweiter gefährlich verletzt. Der König zeigte große Theilnahme bei der Nachricht van diesem Ereignis;. * Am 6. September Abends nach 8 Uhr wurde in Brünn ein Meteor betrachtet, eine feurige, weißliche Kugel mit langem, leuchten dem Schweife, die sich mit ungeheurer Schnelligkeit von Nord nach Südost bewegte. Die Dauer der Erscheinung war 4—6 Secunden. * Bei der am Mittwoch im Victoria-Theater in Berlin stattge fundenen ersten Aufführung der „Reichsgräfin Gisela" ereignete sich ein betrübender und erschütternder Unglücksfall. In den 4. Act sollte ein Ballet eingelegt werden; da mitten in einer Scene des 3. Actes, während die Damen des Ballets mit ihrer Toilette beschäftigt waren, ertönte hinter den Cvulissen hervor durchdringendes Geschrei weiblicher Stimmen, der Rus: Feuer! wurde gehört, Feuerleute eilten über die Bühne-— der Vorhang fiel unter allgemeiner Verwirrung